Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 10.01.2011; Aktenzeichen 8 A 1779/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 200 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm die Beklagte zu Unrecht die Zulassung mit seinem Autoscooter-Fahrgeschäft zum in der Zeit vom 23. bis 26. Oktober 2008 veranstalteten “Kalten Markt” in O… versagt habe. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Rz. 2
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (1.) und der Divergenz (2.) liegen nicht vor, § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO.
Rz. 3
1. Bei der Grundsatzrüge muss der Beschwerdeführer eine abstrakte, von ihm für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage des revisiblen Rechts bezeichnen und substantiiert darlegen, warum er diese Rechtsfrage für klärungsbedürftig und im Revisionsverfahren für klärungsfähig hält; ferner muss er dartun, warum deren Tragweite über den konkreten Einzelfall hinausreicht und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf (stRspr; vgl. u.a. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫, vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 und vom 28. Mai 2010 – BVerwG 8 B 121.09 – juris). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen in der Beschwerdeschrift nicht gerecht.
Rz. 4
Auf die Frage,
ob es rechtsmissbräuchlich ist, wenn sich ein Schausteller mit seinem Fahrgeschäft für den gleichen Zeitraum im Zusammenhang zu mehr als einer Veranstaltung bewirbt, und ob im Falle der Absage einer hiergegen gerichteten Fortsetzungsfeststellungsklage das Feststellungsinteresse fehlt,
kommt es nicht an, weil der Verwaltungsgerichtshof von einer zulässigen Feststellungsklage ausgegangen ist.
Rz. 5
Die Frage,
ob im Rahmen der Auswahlentscheidung nach § 70 Abs. 3 GewO bei der Beurteilung der Attraktivität die – unterstellte – Erwartungshaltung des Publikums in den Blick genommen werden kann, die auf die Beibehaltung “bekannt und bewährt” gewordener Fahrgeschäfte gerichtet sein kann,
bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn die Fragen bezüglich der Grenzen einer Auswahlentscheidung gemäß § 70 Abs. 3 GewO und der zulässigen Verteilungskriterien sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Der Anspruch gemäß § 70 Abs. 1 GewO auf Veranstaltungsteilnahme wird gemäß § 70 Abs. 3 GewO unter anderem dadurch eingeschränkt, dass der Veranstalter unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung den Interessenten wegen Platzmangels durch Ermessensentscheidung (Auswahlentscheidung) von der Veranstaltung ausschließen darf. Das dem Veranstalter eingeräumte Ermessen ist danach insoweit begrenzt, als eine Ausschließung nur bei Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes erlaubt ist. Erfolgt der Ausschluss wegen Platzmangels, muss der zwischen den Bewerbern angelegte Verteilungsmaßstab sachlich gerechtfertigt sein. Was sachlich gerechtfertigt ist, bestimmt sich nach dem allgemeinen Gleichheitssatz unter Berücksichtigung des Lebenssachverhalts, in dessen Rahmen das Ermessen ausgeübt wird. Ein Rechtsgrundsatz, dass nur oder vorrangig nach Auswahlkriterien wie Attraktivität, Neuartigkeit, Vielseitigkeit gleichartiger Fahrgeschäfte ausgewählt werden dürfe, besteht nicht, auch wenn derartige Kriterien ebenfalls Gesichtspunkte für eine sachgerechte Auswahlentscheidung darstellen können, wenn dies dem Veranstaltungszweck entspricht. Die “Attraktivität” eines Fahrgeschäfts kann sich vor allem in der Publikumsresonanz niederschlagen. Es kann durchaus dem Veranstaltungszweck entsprechen, auch ältere oder weniger vielseitige Fahrgeschäfte zuzulassen (vgl. Beschluss vom 4. Oktober 2005 – BVerwG 6 B 63.05 – GewArch 2006, 81 f.). Allerdings darf das Auswahlkriterium der Attraktivität nicht verabsolutiert und so ausgelegt und gehandhabt werden, dass Neubewerbern oder Wiederholungsbewerbern, die nicht kontinuierlich auf dem Markt vertreten waren, praktisch keine Zulassungschance verbleibt. Eine Auswahlentscheidung, der ein System zugrunde liegt, dass solchen Bewerbern weder im Jahre der Antragstellung noch in einem erkennbaren zeitlichen Turnus eine Zulassungschance einräumt, liegt in jedem Fall außerhalb der Ermessensgrenzen des § 70 Abs. 3 GewO (Urteil vom 27. April 1984 – BVerwG 1 C 26.82 – Buchholz 451.20 § 70 GewO Nr. 2). Dieses Urteil erging zu einer Auswahlentscheidung, die sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts von der Erwägung hat leiten lassen, auf unbegrenzte Zeit das Merkmal “bekannt und bewährt” bei der Platzverteilung ausschlaggebend sein zu lassen; es gilt aber für andere Merkmale gleichermaßen, wenn sie denselben Effekt haben.
Rz. 6
Nach den tatsächlichen Feststellungen, die den Senat mangels erhobener Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden, erfolgte die Auswahlentscheidung hinsichtlich des Traditionsmarktes “Kalter Markt” nicht in Anwendung von Maßstäben, die Neubewerbern oder bislang erfolglosen Wiederholungsbewerbern keine Zulassungschance gelassen hätten. Die Marktsatzung des Beklagten sieht in § 5 Abs. 3 hiernach unter anderem neben dem Begriff der Attraktivität von Geschäften gleichberechtigt die weiteren Auswahlkriterien “bekannt und bewährt” und den Gesamteindruck der Anlage sowie ihre Kompatibilität mit dem Marktgeschehen im Übrigen vor. Feststellungen dazu, dass sich der Kläger schon mehrfach erfolglos um Zulassung zum “Kalten Markt” bemüht haben soll, sind der Entscheidung des Berufungsgerichts im Übrigen nicht zu entnehmen.
Rz. 7
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt.
Rz. 8
Die Beschwerde benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit der der Verwaltungsgerichtshof einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen der Divergenz nicht (Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342).
Rz. 9
Die Beschwerde macht in diesem Zusammenhang lediglich geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 1984 nicht richtig angewendet habe. Dessen ungeachtet liegt auch keine derart unrichtige Anwendung vor. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs waren die Auswahlkriterien “alt und bewährt” weder nach der Satzung der Beklagten noch tatsächlich allein ausschlaggebend.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser
Fundstellen