Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 16.04.2014; Aktenzeichen A 11 S 1512/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. April 2014 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie den geltend gemachten Zulassungsgrund nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darlegt.
1.1 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde. Eine solche Rechtsfrage lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
1.2 Der Kläger leitet die vermeintlich grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daraus ab, dass der Verwaltungsgerichtshof die Situation in Italien falsch bewerte und von einer Situation ausgehe, die tatsächlich nicht bestehe, sondern nur zugrunde lege, „wie in Italien die Zustände sein sollen und wie sie auf dem Papier stehen, wie sie jedoch nicht in Wirklichkeit sind”. Tatsächlich hätten die Asylbewerber „keinen Anspruch auf Unterkunft, Nahrung, Kleidung und Taschengeld und aufgrund des Gutachtens von Borderline-Europe e.V. vom Dezember 2012 existiert nur auf dem Papier in Italien die Situation von Asylbewerbern, die jedoch in der Tatsächlichkeit nicht gewährleistet” sei; die tatsächliche Situation sei daher systemischen Mängeln gleichzusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof weiche mit seiner entgegenstehenden Bewertung auch von einer jüngeren Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 7. Februar 2014 – 15 B 143/14.A –) ab.
Dieses Vorbringen zielt im Kern nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die dem Tatsachengericht vorbehaltene Prognose, ob eine Rückführung des Klägers nach Italien im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens unzulässig ist, weil systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht diese Voraussetzungen aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in Italien für nicht gegeben sieht und hält dem eine abweichende Bewertung der Gefahrensituation in Italien entgegen. Die Beschwerde greift damit der Sache nach die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den Prognosegrundlagen sowie die darauf aufbauende Prognose als Teil der Beweiswürdigung an und stellt dem ihre eigene Einschätzung der Sachlage entgegen, ohne insoweit eine konkrete, klärungsbedürftige Rechtsfrage aufzuzeigen.
Dass das Berufungsgericht bei seiner tatsächlichen Würdigung in Bezug auf die Voraussetzungen, unter denen sogenannte systemische Mängel eine Überstellung an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat hindern, nicht den zutreffenden rechtlichen Ansatz (s. dazu Beschluss vom 6. Juni 2014 – BVerwG 10 B 35.14 – juris m.w.N.) herangezogen hätte, macht die Beschwerde substantiiert nicht geltend.
1.3 Mit dem Hinweis, „dass die Voraussetzungen für das Dublin-Abkommen überhaupt nicht vorliegen, da der Kläger noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hatte, sondern sich lediglich wenige Tage in Italien aufgehalten hat”, macht der Kläger keine grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage, sondern allenfalls eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall geltend. Der Hinweis verkennt zudem den Verordnungsinhalt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung oder ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Klägers auf sein Depressionsleiden.
2. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde weiterhin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Berufungsgericht „entgegen zahlreicher anders lautender Entscheidungen (…) von einer Situation in Italien ausgeht, die es rechtfertigt, dass der Kläger dorthin zurückkehren kann.”
2.1 Die Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs greift nur dann, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinander gesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. Beschlüsse vom 11. Februar 2008 – BVerwG 5 B 17.08 ≪5 B 110.06≫ –, vom 2. November 2006 – BVerwG 7 C 10.06 ≪7 C 18.05≫ – und vom 24. November 2011 – BVerwG 8 C 13.11 ≪8 C 5.10≫ – jeweils juris). Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Beschwerdevorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 – 1 BvR 1365/78 – BVerfGE 54, 43 ≪46≫ m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 17. August 2007 – BVerwG 8 C 5.07 – Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 4 und vom 21. Juli 2005 – BVerwG 9 B 9.05 – juris). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305 ≪310≫ m.w.N.) und die vorhandenen Erkenntnismittel anders beurteilt als der Kläger.
2.2 Nach diesen Grundsätzen ist bereits die Möglichkeit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Sache nach greift der Kläger allein die tatsächliche Bewertung der Lage für Asylbewerber in Italien durch das Berufungsgericht an, ohne zu kennzeichnen, welches tatsächliche Vorbringen von diesem nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen sein sollte. Das von dem Kläger herangezogene Gutachten der Organisation Borderline ist ausweislich des Tatbestandes ebenso zur Kenntnis genommen worden (UA S. 8 f.) wie die instanzgerichtliche Rechtsprechung, welche eine Rücküberstellung von Schutzsuchenden nach Italien wegen schwerwiegender systemischer Mängel ausschließt (UA S. 4).
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG; Gründe für eine abweichende Festsetzung nach § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Unterschriften
Prof. Dr. Berlit, Prof. Dr. Dörig, Dr. Rudolph
Fundstellen