Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.10.2001; Aktenzeichen 6 A 11840/00)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2001 ergangenen, an Verkündungs statt am 4. Oktober 2001 zugestellten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie beruft sich zwar auf den Verfahrensmangel der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO), eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), legt aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

Die Beschwerde sieht eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht darin, dass das Berufungsgericht der Frage nicht weiter nachgegangen sei, ob die Kläger – aus Aserbaidschan stammende armenische Volkszugehörige – das Gebiet der inländischen Fluchtalternative in Berg-Karabach in zumutbarer Weise von Deutschland aus über Armenien erreichen könnten. Es sei nämlich durchaus fraglich, ob die armenische Auslandsvertretung in Deutschland den Klägern überhaupt Ausreisedokumente für eine freiwillige Ausreise oder gar eine Abschiebung nach Armenien ausstellen würde, so dass diese gegebenenfalls von dort aus nach Berg-Karabach weiterreisen könnten. Es hätte deshalb weitere Sachaufklärung, etwa durch Nachfrage beim Innenministerium des Landes zum Vollzug einer Abschiebung von Nicht-Armeniern nach Armenien erfolgen müssen.

Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Berufungsgericht nicht aufgezeigt. Die Beschwerde legt schon nicht – wie für eine Aufklärungsrüge erforderlich – dar, dass die anwaltlich vertretenen Kläger gegenüber dem Berufungsgericht auf eine entsprechende Aufklärung, insbesondere durch einen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung, hingewirkt hätten. Sie trägt nicht einmal vor, dass die Kläger überhaupt auf etwaige Schwierigkeiten hingewiesen hätten, von Deutschland aus über Armenien nach Berg-Karabach einzureisen. Hierzu hätte angesichts der Tatsache, dass die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative in Berg-Karabach in der Berufungsverhandlung ausdrücklich erörtert wurde, durchaus Veranlassung bestanden, zumal es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie Sache des Asylbewerbers ist, substantiiert Tatsachen vorzutragen, die ausnahmsweise eine Rückkehr in verfolgungsfreie Orte des Heimatstaates als unmöglich oder unzumutbar erscheinen lassen können (vgl. zuletzt Urteil vom 16. Januar 2001 – BVerwG 9 C 16.00BVerwGE 112, 345, 349 in Anknüpfung an das Urteil vom 16. November 1999 – BVerwG 9 C 4.99 – BVerwGE 110, 74, 77 m.w.N.). Die Beschwerde legt auch nicht dar, dass sich dem Berufungsgericht, ausgehend von seiner tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, eine weitere Aufklärung zur Erreichbarkeit des Gebietes von Berg-Karabach ausnahmsweise von Amts wegen hätte aufdrängen müssen. So geht die Beschwerde nicht darauf ein, warum das Berufungsgericht unter den gegebenen Umständen die zu dieser Frage herangezogene Erkenntnisquelle nicht für die Feststellung hätte ausreichen lassen dürfen, dass man nach Berg-Karabach von Deutschland aus gefahrlos über Armenien gelangen könne (UA S. 22).

Auch die von der Beschwerde gerügte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur richterlichen Sachaufklärungspflicht im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Erreichbarkeit des Gebiets der inländischen Fluchtalternative – gemeint ist dabei ersichtlich das oben bereits erwähnte Urteil vom 16. Januar 2001 a.a.O. – ist nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan. Zunächst benennt die Beschwerde schon nicht – wie erforderlich – einen abstrakten Rechtssatz aus der berufungsgerichtlichen Entscheidung, der zu einem ebensolchen Rechtssatz des genannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch steht. Sie rügt mit ihrem Vorbringen in Wahrheit nur einen Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall, der – wenn er denn vorläge – eine Zulassung wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht rechtfertigen kann. Abgesehen davon ist das Berufungsgericht auch im Falle der Kläger nicht von den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts in dem genannten Urteil abgewichen. Denn die dortigen Ausführungen zur Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung bezogen sich auf den anders gelagerten Fall einer inländischen Fluchtalternative für irakische Staatsangehörige im Nordirak, denen nach den maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichts im damaligen Verfahren die Beschaffung gültiger irakischer Reisepässe bei der irakischen Auslandsvertretung nicht zumutbar war, weswegen die Möglichkeit einer Einreise in den Nordirak über dritte Staaten mangels gültiger Reisepapiere zweifelhaft war. Nur mit Blick auf diese Besonderheit hat das Bundesverwaltungsgericht die Annahme, dass Reisepapiere regelmäßig besorgt werden könnten, nicht für ausreichend gehalten (Urteil vom 16. Januar 2001 a.a.O. BVerwGE 112, 345, 349 und Urteil vom 16. November 1999 a.a.O. BVerwGE 110, 74, 77). Dass derartige Besonderheiten auch im Falle der Kläger vorliegen, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von der Beschwerde vorgetragen worden.

Soweit die Beschwerde die Rechtssache für grundsätzlich bedeutsam hält (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ist ein Zulassungsgrund ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Die Beschwerde hält die Fragen noch nicht für vollends geklärt, ob überhaupt eine inländische Fluchtalternative denkbar ist, wenn der Ort der inländischen Fluchtalternative – wie hier festgestellt – vom Herkunftsstaat (Aserbaidschan) aus nicht erreichbar ist, und ob eine Abschiebung in einen Drittstaat, über den der Ort der inländischen Fluchtalternative eventuell zu erreichen ist, überhaupt zumutbar ist. Die erste Frage ist indes in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits eindeutig dahin entschieden, dass ein im Ausland befindlicher Asylbewerber, der bei seiner Rückkehr in den Heimatstaat die sicheren Landesteile zwar nicht vom Inland, aber unmittelbar vom Ausland aus erreichen kann, keinen asylrechtlichen Schutz beanspruchen kann (vgl. wiederum Urteil vom 16. Januar 2001 a.a.O. BVerwGE 112, 345, 348). Die zweite, die Abschiebung in einen Drittstaat betreffende Frage würde sich im Rahmen der hier streitigen Voraussetzung der Erreichbarkeit des Gebiets der inländischen Fluchtalternative nicht stellen, da es nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung hierfür ausreicht, dass das sichere Gebiet des Herkunftsstaates freiwillig erreichbar ist (vgl. wiederum Urteil vom 16. Januar 2001 a.a.O. BVerwGE 112, 345, 347 und Urteil vom 16. November 1999 a.a.O. BVerwGE 110, 74, 77 m.w.N.). Auf die Frage der Möglichkeit oder Zumutbarkeit einer zwangsweisen Abschiebung nach Armenien käme es deshalb in einem Revisionsverfahren nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG (a.F.).

 

Unterschriften

Dr. Mallmann, Beck, Dr. Eichberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI745276

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