Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Schriftform. Begründungsschrift. Unterschrift, eigenhändige. Fehlen der Unterschrift. Nachholung der Unterschrift
Leitsatz (amtlich)
Das Fehlen der Unterschrift unter der Begründungsschrift für eine Nichtzulassungsbeschwerde kann bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich sein. Diese Umstände müssen aus Gründen der Rechtssicherheit dem Gericht regelmäßig spätestens bei Ablauf der Begründungsfrist bekannt sein. Geht die nicht unterzeichnete Begründungsschrift (hier: wegen überlanger Postlaufzeit) erst nach Fristablauf ein, können nur die bei Eingang des Schriftsatzes erkennbaren Umstände berücksichtigt werden; eine Nachholung der versehentlich unterbliebenen Unterschrift nach Fristablauf ist nicht möglich.
Normenkette
VwGO § 133 Abs. 3 S. 1, § 60 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 14.01.2002; Aktenzeichen 4 L 273/94) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 14.10.1994; Aktenzeichen 5 A 275/94) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Januar 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Zustellung der Berufungsentscheidung begründet worden ist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Auf diese Frist ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung der Berufungsentscheidung hingewiesen worden.
Die beantragte Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil er nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war (§ 60 VwGO). Dabei kann dahinstehen, ob der am 19. März 2002 und damit einen Tag nach Fristablauf beim Berufungsgericht eingegangene Begründungsschriftsatz, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, von seinem Büropersonal so rechtzeitig zur Post gegeben worden ist, dass er bei normalen Postlaufzeiten noch innerhalb der Frist hätte eingehen müssen. Denn dieser Umstand war für die Versäumung der Frist nicht ursächlich, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Schriftsatz nicht eigenhändig unterschrieben hat und damit auch bei rechtzeitigem Eingang die Frist nicht gewahrt worden wäre.
Zur Schriftform gehört grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift (vgl. z.B. Urteil vom 6. Dezember 1988 – BVerwG 9 C 40.87 – BVerwGE 81, 32, ≪33≫). Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführte Rechtsprechung (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 – GmS-OBG 1/98 – Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 15 = NJW 2000, 2340), wonach bei Übermittlung bestimmender Schriftsätze auf elektronischem Wege dem gesetzlichen Schriftformerfordernis unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne eigenhändige Unterschrift Genüge getan ist, gilt nur in den Fällen, in denen aus technischen Gründen die Beifügung einer eigenhändigen Unterschrift unmöglich ist, nicht aber für die durch normale Briefpost übermittelten Schriftsätze, deren Unterzeichnung möglich und zumutbar ist (vgl. auch Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. Juli 2002 – VII B 6/02 – BFH/NV 2002, 1597 und ≪juris≫ und von Albedyll in: Bader u.a., VwGO, 2. Aufl., § 60 Rn. 29). In diesem Fall ist vielmehr nach wie vor grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift erforderlich, die vor Fristablauf vorliegen muss.
Allerdings kann auch im Fall der Übermittlung des Schriftsatzes durch normale Briefpost das Fehlen einer Unterschrift bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen (Urteil vom 6. Dezember 1988 – BVerwG 9 C 40.87 – BVerwGE 81, 32, ≪34 ff.≫ und Beschluss vom 19. Dezember 1994 – BVerwG 5 B 79.94 – NJW 1995, 2121). Entscheidend ist, ob sich dies aus dem bestimmenden Schriftsatz allein oder in Verbindung mit den ihn begleitenden Umständen hinreichend sicher ergibt, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann dabei nur auf die dem Gericht bei Eingang des Schriftsatzes erkennbaren oder bis zum Ablauf der Frist – hier der Beschwerdebegründungsfrist – bekannt gewordenen Umstände (vgl. Beschluss vom 2. Februar 2000 – BVerwG 7 B 154.99 – VwRR BY 2000, 235) abgestellt werden. Derartige besondere Umstände liegen hier nicht vor.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde reicht die Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits rechtzeitig Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben hat, hierfür ebenso wenig aus wie der gedruckte Briefkopf auf dem Begründungsschriftsatz. Beides bietet keine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür, dass das Schriftstück von einer beim Bundesverwaltungsgericht postulationsfähigen Person stammt und mit deren Willen in den Verkehr gebracht worden ist. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich in diesem Zusammenhang auf Verfahrensabläufe in seiner Kanzlei vor Absendung des Schriftsatzes und auf die dem Wiedereinsetzungsantrag vom 18. April 2002 beigefügten Unterlagen beruft, verkennt er, dass diese Umstände bei Eingang der Beschwerdebegründung am 19. März 2002 für das Gericht nicht erkennbar waren und schon deshalb nicht die ausnahmsweise Entbehrlichkeit der eigenhändigen Unterschrift rechtfertigen können. Da die Beschwerdebegründungsfrist bei Eingang des Schriftsatzes bereits abgelaufen war, bestand im Übrigen keine Möglichkeit mehr, die versehentlich unterbliebene Unterschrift nachzuholen. Die Beschwerde kann sich deshalb auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Fehlen der Unterschrift vom Gericht selbst zunächst nicht beanstandet worden sei. Dem von ihr in diesem Zusammenhang angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 2000 (a.a.O.) lag insoweit eine andere Fallgestaltung zugrunde.
Hinsichtlich des Fehlens der Unterschrift kann dem Kläger auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO gewährt werden. Denn dieser Mangel beruht auf einem Versehen seines Prozessbevollmächtigten, das der Kläger sich gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Juni 2000 – 2 BvR 1989.97 – NVwZ 2000, 907). Bei der Anfertigung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsschriften handelt es sich grundsätzlich um eine eigenverantwortliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten (vgl. Beschluss vom 7. Februar 1992 – BVerwG 2 B 92.91 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 175). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht im Übrigen auch nicht geltend, dass das Fehlen der Unterschrift nicht auf sein eigenes Verschulden, zu dem auch ein sog. Organisationsverschulden zählt, zurückgeht. Es ist daher weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Frist auf einem unabwendbaren Ereignis und nicht auf einem dem Kläger zuzurechnenden Verschulden beruht.
Im Übrigen hätte die Beschwerde mit der Rüge, das Berufungsgericht habe die Klage nicht im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a Abs. 1 VwGO abweisen dürfen, nachdem der Kläger in erster Instanz durch Gerichtsbescheid in vollem Umfang obsiegt habe, auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Zwar trifft es zu, dass die Entscheidung im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a Satz 1 VwGO vorliegend prozessrechtlich fehlerhaft war (vgl. Urteil des Senats vom 14. März 2002 – BVerwG 1 C 15.01 – NVwZ 2002, 993 = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 58). Dem Kläger ist es aber verwehrt, sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Verfahrensfehler zu berufen, weil er im Verfahren vor dem Berufungsgericht nicht seinerseits auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hingewirkt hat. Er hat gegenüber dem Berufungsgericht weder in der Sache etwas vorgetragen noch den Wunsch nach einer mündlichen Verhandlung geäußert und insbesondere auf die gerichtliche Anhörung zum vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO nicht reagiert. Da er nicht alles ihm Zumutbare zur Wahrnehmung seines Rechts auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unternommen hat, kann er im Beschwerdeverfahren nicht mehr mit Erfolg die Verletzung dieses Rechts rügen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Beck, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen