Jeder in Deutschland zugelassene Rechtsanwalt ist zur Vorhaltung der technischen Einrichtungen zur Nutzung eines beA verpflichtet, § 31a Abs. 6 BRAO. Die passive Nutzungspflicht gilt für das beA bereits seit dem 1.1.2018. Die aktive Nutzungspflicht ist zum 1.1.2022 in Kraft getreten. Die korrekte Nutzung des beA bereitet Rechtsanwälten in der Praxis aber immer noch Probleme wie die Grundsatzentscheidungen einiger Obergerichte sowie des BGH zeigen.
Die wichtigsten Urteile zum beA
Die bisher ergangenen gerichtlichen Entscheidungen betreffen u. a. den Umfang der Nutzungspflicht des beA, die Kontrollpflichten des Rechtsanwalts hinsichtlich des ordnungsgemäßen Ausgangs von fristgebundenen Schriftsätzen, die Anforderungen an das Verhalten des Rechtsanwalts bei technischen Problemen seines beA sowie einige weitere mit der Nutzung des beA verbundene Probleme. Die Kenntnis dieser Rechtsprechung ist u. a. für die erfolgreiche Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages im Fall einer Fristversäumnis unabdingbar. Nachfolgend einige Entscheidungen, die jeder Anwalt kennen sollte:
1. Fristwahrung per beA
Bereits häufiger hat sich der BGH mit Einhaltung gerichtlicher Fristen bei Versendung fristgebundener Schriftsätze über das beA befasst. Für die Einhaltung von Fristen ist der Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Schriftsatz auf dem Gerichtsserver eingeht.
Berufungsbegründung fristgerecht über beA versandt
In einem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Anwalt des Berufungsklägers die Berufungsbegründungsschrift über sein beA innerhalb der Berufungsbegründungsfrist an das für die Berufung zuständige OLG versandt. Der Schriftsatz war vor Fristablauf auf dem Gerichtsserver eingegangen. Infolge eines technischen Fehlers ist der Berufungsbegründungsschriftsatz aber nicht zur elektronischen Akte des zuständigen Senats und auch nicht als Textausdruck in der Papierakte gelandet.
Hinweis des Gerichts auf fehlenden Eingang der Berufungsbegründung
Das Berufungsgericht hatte den Berufungskläger auf die aus seiner Sicht gegebene Fristversäumnis in einem schriftlichen Beschluss hingewiesen. Erst mit einem nach mehr als einem Monat nach diesem Hinweis bei Gericht eingegangenen Schriftsatz übersandte der Prozessvertreter des Berufungsklägers dem Gericht einen „Screenshot“ der vom EGVP automatisch erstellten Eingangsbestätigung. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Berufungsgericht bereits einen Verwerfungsbeschluss erlassen, der dem Berufungskläger 2 Tage nach Eingang des Screenshots bei Gericht zugestellt wurde.
Gerichtsinterna haben keinen Einfluss auf die Fristwahrung
Die gegen den Verwerfungsbeschluss eingelegte Rechtsbeschwerde des Berufungsklägers war erfolgreich. Der BGH stellte unzweideutig klar:
Der rechtzeitige Eingang eines über das beA eingereichten Schriftsatzes auf dem Gerichtsserver genügt gemäß § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO zur Fristwahrung (BGH, Beschluss v. 14.5.2020, X ZR 119718).
Der gerichtsinterne Umstand, dass das elektronische Dokument weder von dem Client- Rechner des Berufungsgerichts abgeholt noch ausgedruckt worden war, ist für den rechtzeitigen Eingang unerheblich (BGH, Beschluss v. 28.5.2020, I ZR 214/19). Die etwas späte Stellungnahme des Berufungsklägers schadete nach Auffassung des BGH nicht (BGH, Beschluss v. 25.8.2020, VI ZB 79/19).
Anwaltliche Haftungsgrenze: Technische Störungen in der Gerichtssphäre
Ähnlich urteilte der BGH bei sonstigen, in der Sphäre der Gerichte liegenden Eingangsverzögerungen. Sämtliche Vorgänge, die in der Sphäre der Gerichte liegen, dürfen dem Anwalt grundsätzlich nicht zum Nachteil gereichen. So kann der rechtzeitige Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes bei Gericht nicht daran scheitern, dass die rechtzeitig über das beA übersandte elektronische Nachricht über den Gerichtsrechner nicht von der virtuellen Poststelle des Gerichts abgeholt wurde.
Berufungsbegründung über beA rechtzeitig versandt
Entschieden hat das der BGH im Fall einer Klage einer Käuferin eines Dieselfahrzeuges auf Schadenersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung. Gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts (LG) hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt und diese mittels eines über sein beA versandten Schriftsatzes aus seiner Sicht fristgerecht begründet.
Berufungsbegründung angeblich bei Gericht nicht eingegangen
Umso überraschter war der Prozessbevollmächtigte als die eingelegte Berufung vom Oberlandesgericht (OLG) als unzulässig verworfen wurde mit der Begründung, eine Berufungsbegründungsschrift sei bei Gericht nicht eingegangen. Auch eine vom Prozessbevollmächtigten erneut über sein beA an das Gericht versandte Berufungsbegründungsschrift kam dort angeblich nicht an.
Ordnungsgemäße Übermittlung durch Sendeprotokolle belegt
Trotz Übermittlung der Sendeprotokolle sowie eines Screenshots der Nachrichtenanzeige aus dem Webportal der Bundesrechtsanwaltskammer, die sämtlich eine ordnungsgemäße Versendung dokumentierten, hat das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt.
Probleme beim gerichtsinternen Intermediär-Server
Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte beim BGH Erfolg. Wie der BGH feststellte, bestand die nicht fernliegende Möglichkeit, dass Besonderheiten des internen Gerichtsrechners beim Berufungsgericht ursächlich für die aufgetretenen Probleme waren. Nach den Feststellungen interner IT-Experten sei es nicht unwahrscheinlich, dass Dateinamen der Anhänge eines elektronischen Dokuments von dem gerichtsinternen Intermediär-Server nicht heruntergeladen werden können, wenn der Dateiname Umlaute oder Sonderzeichen enthält. Diese Probleme seien seit längerem bekannt (BGH, Urteil v. 14.5.2020, X ZR 119/18).
Anwalt durfte auf ordnungsgemäßen Eingang der Berufungsbegründungsschrift vertrauen
Diese Möglichkeit hätte das Berufungsgericht nach der Entscheidung des BGH nicht außer Acht lassen dürfen, zumal der Anwalt umfangreiche elektronische Belege für die ordnungsgemäße und fristgerechte Versendung der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt habe. Der Anwalt habe auch auf einen fristgerechten Eingang der Berufungsbegründung vertrauen dürfen, da er über sein beA eine automatisierte Bestätigung über den Eingang des Berufungsbegründungsschriftsatzes gemäß § 130a Abs. 5 ZPO erhalten habe (BGH, Beschluss v. 11.5.2021, VIII ZB 9/20).
Der Umlaut „ü“ in Berufungsbegründung war schuld
Der BGH stellte klar, dass es der Wirksamkeit des Eingangs, der über das beA übersandten Dokumente nicht entgegenstehen kann, wenn die mangelnde Weiterleitungsfähigkeit einer Nachricht durch die Verwendung von Umlauten im Dateinamen – z. B., dass „ü“ in dem Begriff Berufungsbegründung – entsteht. § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO schreibe zwar vor, dass ein eingereichtes elektronisches Moment für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein muss. Die Geeignetheit zur Bearbeitung durch das Gericht sei aber ausschließlich nach den Regeln des Verordnungsgebers zu § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO zu beurteilen (BGH, Urteil v. 14.5.2020, X ZR 119/18).
Umlaute im Dateinamen sind erlaubt
§ 2 ERVV sieht nach der Auslegung des Senats ein Verbot von Umlauten im Dateinamen nicht vor. Im Umkehrschluss sei die Verwendung von Umlauten daher zulässig. Der fristgerechte Eingang eines solchen Dokuments könne daher nicht daran scheitern, dass der Gerichtsrechner ein solches Dokument wegen eines Umlauts im Dateinamen nicht herunterladen oder lesen könne (BGH, Beschluss v. 8.3.2022, VI ZB 25/20).