Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 22.09.2009; Aktenzeichen 4 KS 4/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. September 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter entsprechender Änderung des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses für beide Rechtszüge auf 60 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
1. Soweit die Beschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), genügt sie bereits nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde kritisiert vielmehr pauschal und in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels, dass der Beklagte und ihm folgend das Oberverwaltungsgericht “Abwägungsgrundsätze und -kriterien nicht eingehalten” hätten, ohne eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung zu bezeichnen, die Anlass zu weiterer höchstrichterlicher Klärung geben würde (zu diesem Erfordernis vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫ = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 22 und vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 = NJW 1997, 3328 m.w.N.). Soweit der Beschwerde zu entnehmen ist, dass es ihr um eine weitere Klärung der Frage geht, ob Anliegerinteressen in Gestalt befürchteter Gewinnausfälle bis hin zu einer Existenzvernichtung eines Gewerbetreibenden (hier: des Inhabers einer Buchhandlung) aufgrund der Dauer von Bauarbeiten für ein Straßenprojekt einen abwägungserheblichen Belang darstellen, ist dies in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits – im bejahenden Sinne – geklärt, allerdings mit der Aussage verbunden, dass Lagevorteile und mit ihrem (vorübergehenden) Wegfall verbundene Gewinneinbußen regelmäßig kein für die Fachplanung unüberwindlicher Belang sind (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 4 C 49.83 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 71 S. 25 f. und vom 28. Januar 2004 – BVerwG 9 A 27.03 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 59 S. 44 m.w.N.). Hiervon geht auch das Oberverwaltungsgericht aus (UA S. 18). Es hat aber angenommen, dass ein insoweit unterstellter Abwägungsmangel des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses sich nach den konkreten Gegebenheiten des Streitfalls auf das Abwägungsergebnis nicht ausgewirkt hat i.S.v. § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG (UA S. 21). Von daher ist nicht ersichtlich, dass der Streitfall Anlass zu weitergehender grundsätzlicher Klärung bietet.
Rz. 3
2. Eine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es fehlt an der Gegenüberstellung abweichender abstrakter Rechtssätze zum einen des Oberverwaltungsgerichts und zum anderen aus Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. anderer divergenzfähiger Gerichte im Sinne dieser Vorschrift. Die Beschwerdebegründung (S. 5 f.) zitiert zwar allgemeine Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts zur Zusammenstellung des Abwägungsmaterials (aus den Leitsätzen des Beschlusses vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1-11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 86 f. = NVwZ 1993, 572), setzt diesen aber keine abweichenden abstrakten Rechtssätze entgegen, die das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Urteil aufgestellt hätte. Eine bloße fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts, die die Beschwerde dem Oberverwaltungsgericht sinngemäß vorwirft, genügt den Darlegungsanforderungen für eine Divergenzrüge nicht (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.). Die von der Beschwerde (S. 7) des weiteren gerügte Abweichung betreffend die Frage von Schutzauflagen zur Abwehr der Existenzgefährdung eines Gewerbebetriebs kann eine Zulassung der Revision schon deshalb nicht tragen, weil die divergierenden Rechtssätze in Anwendung derselben Rechtsnorm aufgestellt sein müssen (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.). Dies ist vorliegend nicht gegeben, weil die von der Beschwerde angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. Dezember 1987 a.a.O. S. 25 f.) zu § 17 Abs. 4 FStrG in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1974 (BGBl I S. 2413) ergangen ist, das hier angefochtene Urteil dagegen zu der – in ihrem Wortlaut davon abweichenden – Vorschrift des § 141 Abs. 2 Satz 2 LVwG. Selbst wenn man den Regelungsgehalt der genannten Vorschriften als im Wesentlichen identisch ansehen wollte, ändert dies nichts daran, dass Entscheidungen zu Rechtsvorschriften verschiedener Geltungsgrundlagen, auch wenn sie inhaltlich (im Wesentlichen) übereinstimmen, eine Abweichung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht begründen können (Beschluss vom 21. März 2006 – BVerwG 10 B 2.06 – Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 25 S. 2).
Rz. 4
3. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Die Beschwerde rügt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht sei dem Kläger das Wort abgeschnitten worden, weil – worauf das Gericht zuvor mehrfach hingewiesen habe – der für die Verhandlung dieser Rechtssache angesetzte Zeitrahmen bereits überzogen gewesen sei und der nächste Verhandlungstermin angestanden habe. Damit ist ein Gehörsverstoß nicht in der gebotenen Weise dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Ein Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zu zeitlich unbegrenztem Vortrag gegeben wird. Die Pflicht und Befugnis des Vorsitzenden, die mündliche Verhandlung zu leiten, den Beteiligten das Wort zu erteilen und die Streitsache mit ihnen tatsächlich und rechtlich zu erörtern (§ 103 Abs. 1 und 3, § 104 Abs. 1 VwGO), schließt ein, dass er auf einen konzentrierten, “straffen” Verhandlungsablauf bedacht sein darf (Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 104 Rn. 19 m.w.N.) und gegebenenfalls, wenn dazu Anlass besteht, einen Beteiligten auffordern kann, sich in seinen Ausführungen zu beschränken, namentlich wenn alle aus der Sicht des Gerichts entscheidungserheblichen Aspekte hinreichend erörtert sind. In diesem Fall ist für die Rüge eines Gehörsverstoßes erforderlich, dass substantiiert dargelegt wird, dass dem Betroffenen das Wort prozessordnungswidrig abgeschnitten worden ist (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 138 Rn. 127). Dazu gehören namentlich Angaben dazu, ob und wie lange der in Rede stehende Aspekt bereits mündlich erörtert worden war und was der Kläger bei Vermeidung des (behaupteten) Gehörsverstoßes weiter Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte (Beschluss vom 29. September 1976 – BVerwG 7 CB 46.76 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 23 S. 1 f.). Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht. Soweit sie anführt, seitens des Klägers habe “nicht mehr ausreichend vorgetragen werden” können, “dass der vom Gericht durchaus erkannte Mangel in der Abwägung von Einfluss gewesen sein konnte”, ist dieser Aspekt im angefochtenen Urteil (UA S. 21 bis 25 Mitte) ausführlich behandelt worden, diesbezügliches Vorbringen des Klägers also berücksichtigt worden. Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch weiter mündlich vortragen wollte, wäre es zur Darlegung eines Gehörsverstoßes erforderlich gewesen substantiiert darzutun, am Vortrag welcher weiterer entscheidungserheblicher Aspekte – über die bereits (schriftlich oder mündlich) vorgetragenen und im Urteil behandelten hinaus – der Kläger gehindert worden ist und dass er bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht durch eine entsprechende Rüge versucht hat, die drohende Gehörsverkürzung abzuwenden (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 15).
Rz. 5
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 47 Abs. 1 und 3 GKG. Der Senat geht bei Klagen eines drittbetroffenen Privaten wegen Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebes durch einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss regelmäßig von einem Streitwert von 60 000 € aus. Anhaltspunkte dafür, den Streitwert hier höher zu bemessen, sind nicht erkennbar.
Unterschriften
Dr. Storost, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen