Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 03.04.2001; Aktenzeichen 7 A 11989/00) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. April 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Beklagte rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht gegen die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO verstoßen und damit einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begangen hat.
Ein Verstoß gegen die Bindungswirkung einer zurückverweisenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Verfahrensmangel (stRspr; vgl. Beschluss vom 21. August 1997 – BVerwG 8 B 151.97 – Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65 m.w.N.). Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt auch vor. Das Berufungsgericht hat die Bindungswirkung der (ersten) zurückverweisenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Sache vom 19. September 2000 – BVerwG 9 C 8.00 – nicht beachtet. Der damals für das vorliegende Verfahren zuständige 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ist in dieser Entscheidung ersichtlich davon ausgegangen, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich des „Widerrufs” der positiven Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 4 AuslG durch die gleichzeitig und abschließend ergehende, für den Kläger günstige Entscheidung zu § 51 Abs. 1 AuslG in der Hauptsache nicht erledigt hat. Anderenfalls hätte das Bundesverwaltungsgericht die Sache hinsichtlich § 53 Abs. 4 AuslG nicht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. An dieser Prozesssituation bzw. an der entscheidungserheblichen Sach- oder Rechtslage insgesamt hat sich nach der (ersten) Zurückverweisung in dem vor dem Oberverwaltungsgericht fortgesetzten Berufungsverfahren nichts geändert, was dem Kläger hätte Anlass geben können, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Das Berufungsgericht hätte daher, nachdem die Beklagte der Erledigungserklärung widersprochen hatte, in seinem von der Beschwerde angefochtenen Urteil nicht feststellen dürfen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Denn die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO erfasst alle Elemente der rechtlichen Beurteilung, die für die Aufhebung des ersten Urteils ursächlich gewesen sind. Darin eingeschlossen sind alle Begründungselemente, die notwendige Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungs- und Zurückverweisungsgründe waren (Beschluss vom 21. August 1997 – BVerwG 8 B 151.97 – a.a.O.; vgl. ferner Beschluss vom 11. Juli 2000 – BVerwG 8 B 154.00 – Buchholz a.a.O. Nr. 68 und Beschluss vom 23. Oktober 2000 – BVerwG 1 B 51.00 – Buchholz a.a.O. Nr. 69).
Da der von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht mit seinem Vorgehen, was die Beschwerde zusätzlich rügt, auch den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage zur Erledigung der Feststellung des Bundesamts zu § 53 AuslG scheidet schon im Hinblick auf die Selbstbindung des Revisionsgerichts aufgrund der ersten zurückverweisenden Entscheidung aus (vgl. hierzu Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 132 Rn. 47 m.w.N.). Im Übrigen ergibt sich auch ohne weiteres aus dem Gesetz, dass die Auffassung des Berufungsgerichts, die Feststellungen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) zum Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 AuslG seien für den Kläger angesichts des Fortbestands der Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG gegenstandslos geworden, in der Sache nicht zutrifft. § 31 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG ermöglicht es zwar dem Bundesamt, bei Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG von einer Feststellung zu § 53 AuslG abzusehen; macht das Bundesamt aber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und stellt zusätzlich das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (hier: Abs. 4) fest, ist diese Feststellung in ihrem Bestand von der Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG unabhängig und kann und muss ggf. auch unabhängig davon nach Maßgabe des § 73 Abs. 2 AsylVfG zurückgenommen oder widerrufen werden.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Richter, Beck
Fundstellen