Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Entscheidung vom 26.06.2001; Aktenzeichen 1 A 62/01) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 26. Juni 2001 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 090 EUR (entspricht 8 000 DM) festgesetzt.
Gründe
Die Klage mit dem Ziel, dem Kläger ein nautisches Patent ohne Einschränkung zu erteilen und festzustellen, dass er berechtigt sei, Schiffe unter deutscher Flagge als Kapitän zu führen, blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2001 hat der beschließende Senat die Revision gegen das Berufungsurteil zugelassen. Der mit Belehrung über die Begründungsfrist versehene Beschluss vom 1. November 2001 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. November 2001 zugestellt worden.
Die Revision ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision begründet worden ist. Die Revisionsbegründung ist erst am 20. Dezember 2001 bei dem Bundesverwaltungsgericht als Telefax eingegangen.
Der zugleich gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist unbegründet. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne sein Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten muss sich eine Prozesspartei wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags sind innerhalb der Antragsfrist des § 60 Abs. 2 VwGO vorzutragen, soweit sie nicht offenkundig sind, was hier jedoch nicht der Fall ist.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht unter anwaltlicher Versicherung der Richtigkeit geltend: Der Beschluss über die Zulassung der Revision sei am 14. November 2001 in der Kanzlei eingegangen und zusammen mit der Handakte von einer seit 1990 ohne jede Beanstandung in seinem Büro tätigen und regelmäßig stichprobenartig überwachten Mitarbeiterin vorgelegt worden, wobei in der Handakte „der Ablauf der Berufungsfrist als Vorfrist auf den 07.12.2001” notiert gewesen sei. Die Mitarbeiterin habe „auch einen Erledigungsvermerk über die entsprechende Eintragung im Fristenkalender angebracht”. Das Empfangsbekenntnis sei daraufhin unterschrieben und die Akte auf den Aktenbock zum Abtragen gelegt worden, weil aus seiner Sicht alles für die rechtzeitige Wiedervorlage getan worden sei. Erst am 20. Dezember 2001 sei ihm die Akte im Zusammenhang mit einem Telefonat wieder vorgelegt worden und habe er die Fristversäumung festgestellt. Sie beruhe darauf, dass seine Mitarbeiterin in den Terminkalender „weder die Vorfrist noch den Ablauf der Berufungsfrist 14.12.2001” eingetragen habe.
Der beschließende Senat versteht das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten trotz der mehrfachen Verwendung des Wortes „Berufungsfrist” dahin, dass es sich auf die hier allein in Rede stehende Revisionsbegründungsfrist bezieht. Auch bei diesem Verständnis lässt sich nach diesem Vortrag ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung nicht verneinen.
Wenn ein Rechtsanwalt die Prozessvertretung übernimmt, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner Aufgaben, der er besondere Aufmerksamkeit widmen muss. Diese besondere Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er die Wahrung der Frist eigenverantwortlich überwacht. Nach der Rechtsprechung darf er allerdings die Berechnung der üblichen Fristen in Rechtsmittelsachen, die in seiner Praxis häufig vorkommen und deren Berechnung keine rechtlichen Schwierigkeiten macht, gut ausgebildetem und sorgfältig überwachtem Büropersonal überlassen. Zu diesen Fristen gehören aber im Allgemeinen nicht die im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beachtenden Rechtsmittelbegründungsfristen (stRspr, z.B. Beschluss vom 14. Februar 1992 – BVerwG 8 B 121.91 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 176). Dass hier etwas Anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legt nicht dar, dass die Führung von Revisionsverfahren in seiner Kanzlei zu den häufig wiederkehrenden Vorgängen gehört. Unter diesen Umständen musste er die Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist selbst überwachen.
Gegen die ihm danach obliegende Sorgfaltspflicht hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers verstoßen. Der Prozessbevollmächtigte legt schon nicht dar, die Revisionsbegründungsfrist selbst berechnet zu haben, wie es aus Gründen der Richtigkeitsgewähr grundsätzlich erforderlich ist (Beschluss vom 7. März 1995 – BVerwG 9 C 390.94 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 194). Das Vorbringen zeigt auch nicht auf, dass der Ablauf der Revisionsbegründungsfrist in der Handakte notiert war, sondern ergibt lediglich die Eintragung einer „Vorfrist”, ohne deren genauen zeitlichen Bezug zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist aufzuzeigen. Daher bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Prozessbevollmächtigte etwa eine bereits von seiner Mitarbeiterin berechnete Revisionsbegründungsfrist eigenverantwortlich überprüft hätte. Damit fehlt eine eigenverantwortliche Befassung mit der Frist, welche zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit des Prozessbevollmächtigten hätte führen können.
Selbst wenn die Berechnung der Frist dem Büropersonal überlassen werden durfte, musste jedenfalls organisatorisch sichergestellt werden, dass die Handakte auch fristgerecht vorgelegt wurde. Das setzte die Eintragung des Fristablaufs in den Fristenkalender voraus. Nach dem Gesagten muss der Rechtsanwalt, für dessen Kanzlei die Bearbeitung von Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Routine ist, diese Eintragung in geeigneter Weise überwachen. Dass die Eintragung im Fristenbuch „vergessen” werden kann, ist nicht ganz fernliegend und daher sowohl vorhersehbar als auch durch geeignete Vorkehrungen vermeidbar (Beschluss vom 27. August 1999 – BVerwG 7 C 16.99 –). Es ist nicht ersichtlich, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen waren, dass der Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ordnungsgemäß im Fristenkalender tatsächlich eingetragen war. Wenn sich der Prozessbevollmächtigte in einem derart wichtigen Verfahren schon nicht das Fristenbuch zur Einsichtnahme vorlegen ließ, was die sicherste Form der Überprüfung gewesen wäre, so musste er sich jedenfalls durch gezielte Nachfrage von einer Eintragung der Frist überzeugen. Dafür ist nichts ersichtlich. Allein der „Erledigungsvermerk” über die Eintragung im Fristenkalender konnte eine solche Vergewisserung nicht ersetzen, da er nicht eine „Vier-Augen-Kontrolle” bewirken konnte. Das Fehlen jeglicher Sicherung der korrekten Eintragung der Revisionsbegründungsfrist stellt einen einschneidenden Organisationsmangel dar, der es ausschließt, ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung zu verneinen.
Die Revision ist deshalb gemäß § 144 Abs. 1 VwGO durch Beschluss zu verwerfen. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen