Verfahrensgang

VG Greifswald (Aktenzeichen 6 A 189/98)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 21. November 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 140 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Der Kläger beansprucht aus abgetretenem Recht die Rückübertragung einer Teilfläche eines insgesamt 1576 m² großen Flurstücks. Der Beklagte hat ihm bereits eine Teilfläche von rund 600 m² zurückübertragen. Die Rückübertragung der südlich davon gelegenen, mit einem Haupt- und Nebengebäude bebauten Restfläche lehnte er ab, weil das Flurstück durch Umbau des Hauptgebäudes zur Gemeindebibliothek in seiner Zweckbestimmung verändert worden sei und ein öffentliches Interesse an der entsprechenden Nutzung bestehe. Die Widerspruchsbehörde stellte die Entschädigungsberechtigung des Klägers hinsichtlich der Restfläche fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Hauptgebäude mit erheblichem baulichen Aufwand zur Gemeindebibliothek umgebaut worden sei und das dessen Nutzung dienende unselbständige Nebengebäude vom Restitutionsausschlusstatbestand miterfasst werde. Die Revision hat es nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers beschränkt sich auf die Klageabweisung in Bezug auf ein rund 500 m² großes Teilstück der von der Rückübertragung ausgeschlossenen Restfläche, das mit dem Nebengebäude bebaut ist.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass ein Zulassungsgrund vorliegt.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst. Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig, ob „es bei der Prüfung der Frage, ob eine Teilfläche eines Grundstücks … zu dem nach § 5 Abs. 2 VermG für den Ausschlussgrund maßgeblichen Zeitpunkt selbständig nutzbar gewesen ist, darauf an(kommt), ob die Teilfläche mit einer anderen selbständig nutzbaren Teilfläche in einem solchen räumlichen Zusammenhang steht, dass beide ≪alle≫ Teilflächen bei einer Grundstücksteilung als einheitliches Flurstück eingetragen würden”. Diese Frage würde in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden sein. Die Beschränkung eines Restitutionsausschlussgrunds auf einen Teil des betroffenen Grundstücks setzt die Teilbarkeit der Fläche in einen von der restitutionsausschließenden Verwendung betroffenen und einen ihr nicht dienenden Bereich voraus; diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die nach der Verkehrsanschauung maßgebliche Prägung des Anwesens deutlich voneinander abgrenzbare Teilflächen ergibt (vgl. Urteil vom 15. Juni 2000 – BVerwG 7 C 20.99 – Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 3). Die im Klageverfahren umstrittene Restfläche wird – ausgehend von den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts – nach der Verkehrsanschauung durch das als Gemeindebibliothek genutzte Gebäude und das ihm dienende Nebengebäude geprägt. Angesichts dessen kommt eine Teilung der Restfläche in einen mit dem Hauptgebäude bebauten Teil einerseits und einen das Nebengebäude nebst unbebauter Fläche umfassenden Bereich andererseits schon deswegen nicht in Betracht, weil sie die durch den Restitutionsausschlussgrund geschützte Nutzungseinheit trennen würde.

Auch die Frage, ob „eine räumlich deutlich untergeordnete, d.h. deutlich unter 10 % der Grundstücksteilfläche liegende, einer öffentlichen Nutzung dienende Nutzung die Rückübertragung eines selbständig nutzbaren Grundstücksteils verhindern” kann, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die nach der Verkehrsanschauung maßgebliche Prägung des Grundstücksteils lässt sich nur mit Blick auf alle Umstände des Einzelfalles beurteilen und ist darum einer fallübergreifenden Verallgemeinerung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage würde sich auch deshalb nicht in einem Revisionsverfahren stellen, weil nicht isoliert auf das Nebengebäude und eine von dem Kläger mit „C” bezeichnete Teilfläche abzustellen ist. Maßgebend ist vielmehr die Prägung der – gesamten – nicht restituierten Teilfläche durch die Bibliothek und das Nebengebäude als Nutzungseinheit. Abgesehen davon verkennt die Beschwerde, dass die Fläche, die wegen des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung einer durch § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG geschützten Nutzung von der Rückübertragung ausgeschlossen ist, nicht schematisch nach dem Verhältnis der Gebäudefläche zu dem restlichen Grundstück bemessen werden kann. Der Ausschlusstatbestand erfasst regelmäßig nicht nur das zu dem geschützten Zweck genutzte Gebäude, sondern auch die es umgebende Grundstücksfläche. Deren Umfang bestimmt sich vorrangig nach Art und Maß der Bebauung in der maßgeblichen Umgebung. Er ist nicht von vornherein auf die zur Nutzung des Gebäudes erforderliche Grundfläche beschränkt (vgl. Beschluss vom 14. November 1994 – BVerwG 7 B 128.94 – insoweit in Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 10 nicht abgedruckt).

Die weitere Frage, ob „das öffentliche Interesse an der Nutzung eines Gebäudes regelmäßig auch die damit verbundene Nutzung eines Nebengebäudes” umfasst, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffen sind, ist das Nebengebäude für die Gemeindebibliothek betriebsnotwendig. Das bedeutet, dass die Nutzung der Gemeindebibliothek erheblich beeinträchtigt wäre, wenn die mit dem Nebengebäude bebaute Teilfläche zurückübertragen würde. Unter diesen Umständen ist die aufgeworfene Frage ohne weiteres zu bejahen. Ähnliches gilt für die Frage, ob der Ausschlusstatbestand eingreift, wenn sich die am Stichtag gegebene Nutzung des Nebengebäudes bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert hat. Diese Frage ist, ohne dass hierfür ein Revisionsverfahren durchgeführt werden muss, dahin zu beantworten, dass eine solche Nutzungsänderung den Ausschlussgrund jedenfalls dann nicht entfallen lässt, wenn die der Zweckbestimmung des Hauptgebäudes dienende Funktion des Nebengebäudes fortbesteht; maßgeblich für den Restitutionsausschluss ist die Nutzung des Hauptgebäudes, dessen rechtliches Schicksal das Nebengebäude teilt, solange es hierfür betriebsnotwendig ist. Im Einklang hiermit hat es das Verwaltungsgericht für unschädlich gehalten, dass das Nebengebäude am Stichtag als Kohlenlager für die Heizungsanlage der Gemeindebibliothek diente und seit Umstellung der Heizungsanlage als Lagerraum und als Magazin für die Bibliotheksbestände genutzt wird.

2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Nach dem Beschwerdevorbringen weicht das angegriffene Urteil von dem Urteil des Senats vom 14. Dezember 1995 – BVerwG 7 C 63.94 – Buchholz 428 § 17 VermG Nr. 1 ab, weil das Verwaltungsgericht nicht geprüft habe, ob von der für Zwecke der Gemeindebibliothek genutzten Restfläche eine selbständig nutzbare Teilfläche abgetrennt werden könne, sondern als für den Restitutionsausschluss ausreichend angesehen habe, dass das Nebengebäude dem privilegierten Zweck des Hauptgebäudes diene. Dieses Vorbringen ergibt die behauptete Abweichung nicht. Die Beschwerde bezeichnet keinen vom Verwaltungsgericht aufgestellten, der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechenden Rechtssatz. Sie macht der Sache nach einen Rechtsanwendungsfehler geltend. Damit lässt sich der Zulassungsgrund der Divergenz nicht begründen.

Entsprechendes gilt für die behauptete Abweichung von dem Urteil des Senats vom 7. November 1996 – BVerwG 7 C 24.96 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 11, wonach der Restitutionsausschlusstatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG voraussetzt, dass die für den Restitutionsausschluss maßgeblichen Umstände am Stichtag 29. September 1990 vorgelegen und bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts fortbestanden haben. Das Verwaltungsgericht hat keinen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt, sondern angenommen, dass die Änderung der Nutzung des Nebengebäudes unschädlich sei, weil sowohl die am Stichtag gegebene als auch die geänderte Nutzung stets der Zweckbestimmung des Hauptgebäudes als Gemeindebibliothek gedient hätten. Selbst wenn diese Auslegung und Anwendung des Rechts fehlerhaft wäre, läge darin keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

3. Erfolglos bleibt auch die von der Beschwerde erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Art und Maß der gebotenen Sachaufklärung bestimmen sich nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass das schutzwürdige Interesse der Beigeladenen daran, in Zukunft auf veränderte Bedürfnisse bei der Nutzung der Gemeindebibliothek durch bauliche oder sonstige Maßnahmen reagieren zu können, die Rückübertragung eines Teils der Restfläche an den Kläger ausschließe. Aus dieser rechtlichen Sicht hatte das Verwaltungsgericht keinen Anlass zu klären, ob von der für Zwecke der Gemeindebibliothek genutzten Restfläche des Flurstücks eine selbständig nutzbare, nach den in den Verwaltungsakten befindlichen Plänen maximal 500 m² große Teilfläche abtrennbar war. Davon abgesehen musste sich ihm eine solche Prüfung auch angesichts Lage, Größe und Erschließungssituation der vom Kläger beanspruchten Teilfläche nicht aufdrängen.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Neues Vorbringen in dem Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 1. Juni 2001 ist nicht zu berücksichtigen, weil dieser Schriftsatz nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangen ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gödel, Kley, Herbert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI635171

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