Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Aktenzeichen 13 L 6892/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 1999 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 64 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig und daher zu verwerfen.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe beschränkt.
1. Die Beschwerde wird zunächst auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muß daher erläutern, daß und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Das Beschwerdevorbringen legt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar.
a) Die am 12. Februar 1992 nach Erteilung eines Aufnahmebescheids in das Bundesgebiet eingereisten Kläger, die mit ihrer Klage die Feststellung begehren, gemäß § 40 a Satz 1 StAG deutsche Staatsangehörige geworden zu sein, halten die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „welche Rechtsqualität dem Aufnahmebescheid hinsichtlich § 40 a StAG i.V.m. Art. 116 Abs. 1 GG zukommt und ob dieses die einzige Möglichkeit ist, Aufnahme im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sowie des § 4 Abs. 3 BVFG zu finden”. Es komme auf die Klärung der Begriffe „Aufnahme gefunden” nach Art. 116 GG im Lichte der neuen Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes ebenso an wie auf die Klärung des Begriffs „aufgenommen” des § 4 Abs. 3 BVFG.
Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß die angesprochene Problematik in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre. Sie setzt sich nämlich nicht in der gebotenen Weise mit dem Umstand auseinander, daß im Berufungsurteil ein „Aufnahmefinden” bereits deshalb verneint wird, weil in dem Aufnahmebescheid vom 17. Juni 1991 ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, daß mit diesem eine endgültige Feststellung der Eigenschaft als Aussiedler, die Voraussetzung für die Anwendung von Art. 116 GG sei, nicht getroffen worden sei. Die Beschwerde hat nicht dargetan, daß die aufgeworfenen Fragen ungeachtet dieses Umstands – über die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Merkmal „Aufnahme finden” i.S. von Art. 116 Abs. 1 GG entwickelten Grundsätze hinaus (vgl. Urteil vom 12. Mai 1992 – BVerwG 1 C 54.89 – BVerwGE 90, 173 ≪175≫ = Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 22 S. 17) rechtsgrundsätzlicher Klärung bedürfen.
Weiter hat sich die Beschwerde nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, daß die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage nur den Kreis der Aussiedler betrifft, die unter der Geltung des am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Aussiedleraufnahmegesetzes im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Gebiete verlassen haben. Die Aufnahme von Ehegatten und Abkömmlingen deutscher Volkszugehöriger, die nach dem 31. Dezember 1992 die Vertreibungsgebiete verlassen (Spätaussiedler i.S. von § 4 BVFG), ist durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz neu gestaltet worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG; vgl. hierzu und zum folgenden auch die Beschlüsse vom 17. Juli 1998 – BVerwG 1 B 68.98 – sowie vom 17. August 1999 und 28. Oktober 1999 – BVerwG 1 B 47.99 –). Für Aussiedler im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG finden zwar die vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften nach der Übergangsvorschrift des § 100 BVFG mit bestimmten Maßgaben weiterhin Anwendung (vgl. Urteil vom 16. Februar 1993 – BVerwG 9 C 25.92 – BVerwGE 92, 70 ≪72 f.≫ = Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 70 S. 72). Im Hinblick auf den durch die Stichtagsregelung abgeschlossenen Personenkreis der Aussiedler handelt es sich bei den hier heranzuziehenden Vorschriften des Aussiedleraufnahmegesetzes und des § 94 BVFG a.F. aber um auslaufendes Recht. Daran ändert auch die für Altfälle geltende Übergangsvorschrift des § 40 a StAG nichts, die das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 116 Abs. 1 GG erfordert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen bei auslaufendem Recht trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll (Beschluß vom 20. September 1995 – BVerwG 6 B 11.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 m.w.N.). Von dieser Regel sind zwar Ausnahmen anerkannt, doch läßt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, daß hier eine solche Ausnahme vorliegt. Es ist nicht erkennbar, daß die Klärung der genannten Fragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft Bedeutung haben könnte (vgl. Beschluß vom 20. September 1995, a.a.O., m.w.N.); die Aufnahmeverfahren unter der Geltung des Aussiedleraufnahmegesetzes sind abgeschlossen. Es ist nicht einmal dargetan und ersichtlich, daß die Klärung auch nur für eine erhebliche Anzahl von Fällen bedeutsam wäre (vgl. Beschluß vom 27. Februar 1997 – BVerwG 5 B 155.96 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 15). Der Hinweis der Beschwerde auf die angebliche „Vielzahl von Fällen der Spätaussiedler vor allem aus der ehemaligen UdSSR” ist schon deshalb unerheblich, weil es sich bei den Klägern nicht um Spätaussiedler im Sinne von § 4 BVFG handelt. Die für Spätaussiedler seit Anfang 1993 geltende Rechtslage unterscheidet sich von der hier maßgeblichen so erheblich, daß sich die aufgeworfenen Fragen für sie nicht in gleicher Weise wie hier stellen würden (vgl. Beschluß vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712).
b) Die Beschwerde hält darüber hinaus für grundsätzlich klärungsbedürftig, „wann davon ausgegangen werden kann, daß der Abkömmling eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit ‚als’ Abkömmling Aufnahme gefunden hat und ob … nach § 40 a StAG und der Modifizierung des Art. 116 Abs. 1 GG durch § 4 Abs. 3 BVFG (Aufnahme ohne ‚als’) es überhaupt noch auf die Kausalität ankommt”. Auch insoweit hat die Beschwerde nicht dargetan, daß die aufgeworfene Frage entscheidungserheblich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann nämlich bei mehrfach begründeten Berufungsentscheidungen die Revision nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede die Entscheidung selbständig tragende Begründung ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird (vgl. Beschluß vom 15. Juni 1990 – BVerwG 1 B 92.90 – Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20). Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsurteil nicht nur die erforderliche Kausalität zwischen der Aufnahme im Bundesgebiet und der Eigenschaft der Kläger als Abkömmlinge einer vertriebenen Volksdeutschen verneint, sondern – selbständig tragend – darauf abgestellt, daß, da der den Klägern erteilte Aufnahmebescheid vom 17. Juni 1991 eine Aufnahme im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG als Aussiedler nicht darstelle, ihm diese Bedeutung auch nicht in der Eigenschaft der Kläger als Abkömmlingen einer Vertriebenen zukomme. Insoweit wird mit der Beschwerde kein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht.
Unabhängig hiervon betrifft auch die zuletzt aufgeworfene Frage auslaufendes Recht; auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Dies gilt ebenfalls für die weiteren im Beschwerdevorbringen als klärungsbedürftig angesprochenen Punkte. Insoweit fehlt es im übrigen bereits jeweils an der Bezeichnung einer konkreten, für eine Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage. Indem die Beschwerde darüber hinaus das Berufungsurteil in der Art einer Revisionsbegründung angreift, entspricht dieses Vorbringen nicht den oben dargestellten Darlegungsanforderungen.
2. Die Beschwerde rügt ferner eine Abweichung von der Rechtsprechung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der vorgenannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erwähnten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, daß in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, daß und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es.
Die Beschwerde macht geltend, das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, daß es nicht darauf ankomme, ob ein Ausweis nach dem BVFG ausgestellt worden sei oder nicht, sondern daß wegen der lediglich deklaratorischen Bedeutung des Vertriebenenausweises die Gerichte verpflichtet seien, den Vertriebenenstatus in jedem Stadium des Verfahrens aufzuklären (BVerfGE 17, 224). Im Gegensatz hierzu sei das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin zu 1 nicht Vertriebene sei, weil mit seinem Beschluß vom 1. September 1999 rechtskräftig die Erteilung eines Vertriebenenausweises abgelehnt worden sei und die Kläger zu 2 bis 4 kein Vertriebenenverfahren eingeleitet hätten. Damit weiche es auch von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 1992 – BVerwG 1 C 54.89 – (a.a.O.) ab.
Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ergebe sich auch insofern, als die genannten Gerichte entschieden hätten, daß Aufnahmefinden ein behördliches Tätigwerden oder ein behördliches Verhalten voraussetze, aus dem zu schließen sei, daß dem Aufzunehmenden der ständige Aufenthalt nicht verweigert werde; dabei komme es nicht darauf an, ob vorher eine unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Im Gegensatz hierzu gehe das Berufungsgericht davon aus, daß weder der Aufnahmebescheid, der in der Rechtsprechung als Daueraufenthaltsrecht angesehen werde, noch das erteilte Visum zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Aufnahmebescheids und auch nicht die erteilte Aufenthaltsbefugnis als Aufnahmeakte angesehen werden könnten, denn ihnen sei der „ständige Aufenthalt” bzw. die Genehmigung, sich „auf Dauer” niederlassen zu dürfen, noch nicht zuteil geworden.
Dieses Vorbringen entspricht hinsichtlich sämtlicher angesprochener Punkte nicht den erwähnten Darlegungsanforderungen. Die Beschwerde stellt den zitierten Rechtssätzen jeweils Rechtsausführungen des Berufungsgerichts gegenüber, die keine abweichenden Rechtssätze enthalten. Das Berufungsgericht hat im übrigen das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 1992 seinen Ausführungen zugrunde gelegt. Darüber hinaus legt die Beschwerde jeweils nicht in der gebotenen Weise dar, daß das Berufungsurteil auf der angeblichen Abweichung beruht. Das Berufungsgericht hat nämlich, wie oben unter 1 a) ausgeführt, maßgeblich auf Einzelheiten des Aufnahmebescheids vom 17. Juni 1991 abgestellt. Soweit die Beschwerde hierin eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sieht, fehlt es an der erforderlichen Darlegung entsprechender abstrakter Rechtssätze.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, §§ 159, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 GKG (vgl. Beschlüsse vom 14. März 1997 – BVerwG 1 B 234.96 – Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 93 und vom 8. Januar 1999 – BVerwG 1 B 85.98 –) i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 5 ZPO.
Unterschriften
Gielen, Mallmann, Gerhardt
Fundstellen