Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 20 D 115/97.AK) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
1. Aus dem Beschwerdevorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Daran fehlt es hier.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, „ob der Prognosehorizont in einem Fall, in dem die kapazitätserweiternde Wirkung erst nach mehr als 10 Jahren nach der Zulassungsentscheidung eintritt, jedoch zu einem Zeitpunkt, für den allgemeine Verkehrsprognosen vorliegen, der Prognosehorizont so gewählt werden darf, dass der Zeitpunkt des Eintritts der Kapazitätserweiterung ausgeklammert bleibt”, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin geklärt, dass die Entscheidung für einen bestimmten Prognosezeitraum beim Fehlen normativer Vorgaben nur dann zu beanstanden ist, wenn sie sich als Ausdruck unsachlicher Erwägungen werten lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 10.95 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 S. 36). Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalles, die sich einer generellen Klärung im Revisionsverfahren entzieht. Das gilt auch für die von der Klägerin angesprochene, nach ihrer Behauptung im vorliegenden Fall gegebene Fallgestaltung.
2. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet. Eine solche Abweichung liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seiner Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der angezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerde muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr; vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1988 – BVerwG 1 B 44.88 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32, und vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.
Soweit die Klägerin rügt, die Nichtbeanstandung des 10-jährigen Prognosehorizonts durch das Oberverwaltungsgericht weiche von dem bereits erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 1996 ab, benennt sie keinen divergierenden abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil. Vielmehr macht sie geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz, die Wahl des Prognosehorizonts dürfe nicht Ausdruck unsachlicher Erwägungen sein, im vorliegenden Fall fehlerhaft angewandt. Damit kann jedoch eine Divergenzrüge nicht begründet werden.
Die Klägerin rügt ferner, die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es komme auf die Einhaltung eines Innenpegels von 55 dB(A) als Schutzziel bei geschlossenen Fenstern nachts an, weiche von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab, wonach für Wohngebiete die Möglichkeit des nächtlichen störungsfreien Schlafens auch bei (gelegentlich) geöffneten Fenstern Schutzgegenstand sei. Insoweit verkennt sie, dass es in den angezogenen Entscheidungen darum ging, das Maß des nach dem jeweils einschlägigen Fachplanungsgesetz zumutbaren Verkehrslärms im Vorfeld dessen zu bestimmen, was der Grundrechtsschutz insoweit fordert. Nur in diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht für nicht durch Störfaktoren bereits nachteilig vorbelastete Wohngebiete die Möglichkeit des Schlafens auch bei (gelegentlich) geöffneten Fenstern als schützenswertes Wohnbedürfnis anerkannt, dessen etwaige Beeinträchtigung durch ein Vorhaben in die planerische Abwägung einzubeziehen und – ggf. durch Anordnung von Schutzmaßnahmen – rechtsfehlerfrei zu bewältigen sei (vgl. BVerwGE 51, 15 ≪33≫; 56, 110 ≪132≫; 87, 332 ≪346 f., 372 f.≫). Demgegenüber ging es im angefochtenen Urteil um die von jener fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze zu unterscheidende Schwelle der Gesundheitsgefährdung, die durch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG markiert wird. Dass zu diesem Grundrecht ein Anspruch auf Schlafen bei (teilweise oder gelegentlich) geöffnetem Fenster gehört, ist den angezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht zu entnehmen (vgl. BVerwGE 87, 332 ≪346≫; Urteil vom 18. April 1996 – BVerwG 11 A 86.95 – Buchholz 316 § 78 VwVfG Nr. 6 S. 20 f.).
3. Einen für das angefochtene Urteil erheblichen Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnte, hat die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig bezeichnet.
Insoweit rügt sie zunächst, das Oberverwaltungsgericht habe den sich aus § 86 VwGO ergebenden Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, indem es zu ihrer Behauptung, dass die Vorfeldkapazitäten des Flughafens Köln/Bonn ohne Einbeziehung des Vorfeldes D in einem späteren als dem vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Prognosejahr überschritten würden, das von ihr angeregte Sachverständigengutachten nicht eingeholt habe. Sie trägt jedoch selbst vor, dass es hierauf aus der Sicht des Oberverwaltungsgerichts nicht ankam. Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist jedoch vom materiellrechtlichen Standpunkt des vorinstanzlichen Gerichts aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 m.w.N.).
Soweit die Klägerin rügt, das Oberverwaltungsgericht habe § 86 VwGO auch dadurch verletzt, dass es das Maß und die gesundheitliche Bedeutung ihrer Lärmbetroffenheit nicht durch Sachverständigengutachten weiter aufgeklärt habe, hat sie nicht schlüssig dargelegt, dass die angegriffene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann. Denn das Oberverwaltungsgericht hat seine Annahme, die Vorbelastung der Klägerin durch die bereits von der bestehenden früheren Zulassung des Flughafens unverändert gedeckten Beeinträchtigungen sei in die Entscheidung über die in Rede stehende Änderungsplanung nicht einzubeziehen, nicht nur auf die Feststellung gestützt, dass die Klägerin durch diese Vorbelastung noch nicht in ihren Grundrechten verletzt sei. Es hat diese Annahme vielmehr selbständig tragend („ungeachtet dessen”) auch damit begründet, dass kein erheblicher baulicher Eingriff mit einem Bezug zum Lärmgeschehen Gegenstand der Plangenehmigung sei. Ist aber die Entscheidung insoweit auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4, und vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 15; stRspr). Daran fehlt es hier.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Dr. Gerhardt
Fundstellen