1 Leitsatz
Im Anwendungsbereich von § 28 Abs. 2 BauGB ist die Gemeinde nicht befugt, bei der Ausübung des Vorkaufsrechts durch Verwaltungsakt auch einen Kaufpreis festzusetzen.
2 Normenkette
§ 28 Abs. 1 und 2 BauGB, § 464 BGB
3 Das Problem
Das Baugesetzbuch räumt den Gemeinden in einer ganzen Reihe von Fällen ein sog. gesetzliches Vorkaufsrecht ein. Das sind z. B. Grundstücke, die in einem Bebauungsplan für öffentliche Zwecke vorgesehen sind, Grundstücke in einem Umlegungsgebiet oder Sanierungsgebiet oder Grundstücke im Außenbereich, die im Flächennutzungsplan als Nutzung für Wohnbaufläche dargestellt sind. Die Gemeinde kann auch durch Satzung für weitere Gebiete ein Vorkaufsrecht begründen.
Dieses gesetzliche Vorkaufsrecht wird nicht im Grundbuch eingetragen, es ist deshalb für den privaten Rechtsverkehr oft nicht klar, wann und wo die Gemeinde ihr Recht ausüben wird. Das Vorkaufsrecht kommt nach § 464 Abs. 2 BGB unter den Bedingungen zustande, die im ursprünglichen Kaufvertrag vereinbart wurden. Der Gegenstand des Kaufvertrags, die zeitliche Abwicklung und der Preis sind also in diesen Fällen schon festgelegt. Der Vorkaufsberechtigte kann also nur zu diesen Konditionen in den Kaufvertrag eintreten.
Viele Gemeinden versuchen trotzdem, bei Ausübung des Vorkaufsrechts noch Änderungen zu erreichen. Das gilt insbesondere für den Kaufpreis, wenn dieser nach Ansicht der Gemeinde zu hoch ist. Auch im vorliegenden Fall versuchte die Gemeinde, eine Änderung des Kaufpreises zu erreichen. Sie setzte per Verwaltungsakt einen Kaufpreis fest, der unterhalb des Preises lag, der im ursprünglichen Kaufvertrag vereinbart worden war. Diese Kaufpreisfestsetzung war nach Meinung der Parteien des ursprünglichen Kaufvertrags rechtswidrig, weil sie zu niedrig angesetzt worden war.
4 Die Entscheidung
Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB wird das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt ausgeübt. Dieser Verwaltungsakt ist aber nicht unbeschränkt. Seine Rechtswirkungen richten sich grundsätzlich nach den in § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB genannten zivilrechtlichen Vorschriften. Der Kauf zwischen der Gemeinde und dem Verkäufer kommt unter den Bestimmungen zustande, die der Verkäufer mit dem Dritten vereinbart hat (§ 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i. V. m. § 464 Abs. 2 BauGB; Grundsatz der Vertragsidentität). Die Gemeinde hat daher den im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen. Eine hoheitliche Bestimmung des Kaufpreises durch Verwaltungsakt ist weder erforderlich noch in § 28 Abs. 2 BauGB vorgesehen.
Etwas anderes gilt nur bei den sog. preislimitierenden Vorkaufsrechten nach § 28 Abs. 3 und 4 BauGB, für die das Gesetz der Gemeinde abweichend von § 28 Abs. 2 Satz 2 die Befugnis einräumt, den zu zahlenden Betrag nach dem Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Kaufes oder dem Entschädigungswert zu bestimmen. In diesen Fällen erstreckt sich die Verwaltungsaktbefugnis der Gemeinde Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch auf die Festsetzung des Preises. Ein preislimitierendes Vorkaufsrecht ist dann möglich, wenn der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich überschreitet. In dem vom BVerwG entschiedenen Fall lag diese Konstellation nicht vor, sodass die normale Regel des § 28 Abs. 2 BauGB zu beachten war, die der Gemeinde keine Festsetzung des Kaufpreises durch Verwaltungsakt erlaubt.
5 Entscheidung
BVerwG, Urteil v. 9.11.2023, 4 C 2.22