Kein höherer Kaufpreis für vorkaufsberechtigten Mieter
Hintergrund: Vorkaufsberechtigter soll höheren Kaufpreis zahlen
Die ehemalige Mieterin einer Wohnung in Berlin verlangt von der Vermieterin nach der Ausübung ihres Vorkaufsrechts die teilweise Rückzahlung des für die Wohnung gezahlten Kaufpreises.
Die Vermieterin hatte das Mehrfamilienhaus, in der sich die Wohnung befindet, in Wohnungseigentum aufgeteilt und die Wohnung der Mieterin verkauft. Im Kaufvertrag mit der Erwerberin (Erstkäuferin) war ein Kaufpreis von 163.000 Euro vereinbart, sofern die Mieterin ihr Vorkaufsrecht ausübt oder die Wohnung unvermietet übergeben wird. Für den Fall, dass die Wohnung vermietet übergeben wird, sollte der Kaufpreis zehn Prozent weniger betragen.
Die Mieterin übte ihr Vorkaufsrecht aus. Dabei wies sie darauf hin, dass sie die Kaufpreisabrede insoweit für unwirksam hält, soweit sie als vorkaufsberechtigte Mieterin einen höheren Kaufpreis zahlen soll als die Erstkäuferin.
Unter dem teilweisen Vorbehalt der Rückforderung zahlte die Mieterin 163.000 Euro an die Vermieterin. Sie verlangt nun einen Teilbetrag von 16.300 Euro zurück.
Entscheidung: Gleicher Preis für alle
Die Klage hat vor dem BGH Erfolg. Die Mieterin kann einen Teil des Kaufpreises zurückfordern.
Der Mieterin stand nach der Umwandlung in Wohnungseigentum gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Vorkaufsrecht an der Wohnung zu, das sie rechtswirksam ausgeübt hat. Dadurch ist zwischen ihr und der Vermieterin ein Kaufvertrag zu denselben Bedingungen zustande gekommen, wie er zwischen der Vermieterin und der Erstkäuferin abgeschlossen worden war.
Der nach diesem Vertrag geschuldete Kaufpreis beträgt lediglich 146.940 Euro. Die Abrede, dass unter bestimmten Bedingungen der höhere Kaufpreis von 163.000 Euro zu zahlen ist, ist teilweise unwirksam, weil es sich hierbei um eine unzulässige Vereinbarung zulasten Dritter handelt.
Wäre die Vereinbarung wirksam, würden hierdurch die Rechte der Mieterin verkürzt, denn diese müsste bei Ausübung ihres Vorkaufsrechts immer den höheren Preis zahlen, während die Erstkäuferin den höheren Preis nur unter bestimmten engen Voraussetzungen schuldete. Durch § 464 Abs. 2 BGB soll aber gewährleistet werden, dass den Vorkaufsberechtigten nach dem Inhalt seines Kaufvertrags keine anderen, insbesondere keine ungünstigeren Bedingungen treffen als diejenigen, die für den Erstkäufer aufgrund seines Kaufvertrags mit dem Verkäufer gelten.
Eine differenzierende Kaufpreisabrede lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass die Wohnung bei fortbestehendem Mietverhältnis aus Sicht der Erstkäuferin eine an einen Dritten vermietete Wohnung ist, aus Sicht der vorkaufsberechtigten Mieterin aber nicht und sich dies auf die Höhe des zu erzielenden Kaufpreises auswirken kann.
Auch lässt sich nicht allgemein sagen, dass sich für vermietete Wohnungen nur ein niedrigerer Kaufpreis erzielen lässt als für unvermietete. Es ist daher nicht gerechtfertigt, eine Erhöhung des Kaufpreises vom Erlöschen mietvertraglicher Bindungen abhängig zu machen.
Die Vermieterin war letztlich „nur“ Eigentümerin einer vermieteten Wohnung. Soweit der Umstand der Vermietung für sie einen Nachteil darstellt, gibt es keinen Grund, diesen Nachteil auf Kosten der Mieterin auszugleichen.
(BGH, Urteil v. 23.2.2022, VIII ZR 305/20)
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§ 577 BGB Vorkaufsrecht des Mieters
(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. (…)
§ 464 BGB Ausübung des Vorkaufsrechts
(1) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form.
(2) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.
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