Leitsatz (amtlich)
1. In einem Disziplinarverfahren gegen einen Soldaten können die Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Urteils über die Rückforderung von Trennungsgeld nach § 84 Abs. 2 WDO zugrunde gelegt werden.
2. Ein den Betrugsvorwurf ausschließender Irrtum über die Rechtmäßigkeit des Trennungsgeldbezugs liegt nicht vor, wenn ein Soldat über entscheidungserhebliche Tatsachen täuscht, dabei die teilweise oder völlige Rechtswidrigkeit des Trennungsgeldbezugs für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt.
3. Wird ein Soldat versetzt und verlegt er seinen Lebensmittelpunkt an den neuen Dienstort, dann entfällt die für einen Trennungsgeldanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BUKG erforderliche getrennte Haushaltsführung, selbst wenn die bisherige Wohnung weiterhin als Zweit- oder Ferienwohnung genutzt wird.
Verfahrensgang
Truppendienstgericht Nord (Entscheidung vom 31.07.2019; Aktenzeichen TDG S 5 VL 30/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 31. Juli 2019 aufgehoben.
Der früheren Soldatin wird das Ruhegehalt aberkannt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der ihr darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden der früheren Soldatin auferlegt.
Tatbestand
Rz. 1
Das Verfahren betrifft den disziplinarrechtlichen Vorwurf eines Trennungsgeldbetrugs.
Rz. 2
1. Die 1981 geborene frühere Soldatin absolvierte nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin und war von 2001 bis 2006 in diesem Beruf tätig. Ab Oktober 2007 führte die frühere Soldatin eine Eignungsübung im Sanitärlehrregiment A durch. Anschließend wurde sie Soldatin auf Zeit im Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers und verpflichtete sich später auf insgesamt 12 Jahre. Im Jahr 2009 wechselte sie in die Laufbahn der Feldwebel des Sanitätsdienstes und qualifizierte sich als Zahnmedizinische Verwaltungsassistentin. Sie wurde im November 2009 zum Feldwebel und im Dezember 2010 zum Oberfeldwebel ernannt.
Rz. 3
Als Stabsunteroffizier wurde die frühere Soldatin heimatnah im Sanitätszentrum B eingesetzt, wo sie mit ihrem ersten Ehemann zusammenlebte. Als Feldwebel wurde sie seit März 2010 in der Funktion einer Zahnmedizinischen Fachassistentin im Sanitätszentrum C verwendet. Von Juni bis November 2011 war die frühere Soldatin in ihrem ersten Auslandseinsatz in Afghanistan und lernte dabei ihren späteren Lebensgefährten, den Zeugen Hauptfeldwebel D, kennen. Sie bemühte sich dann um eine Verwendung im Großraum E, wurde von Ende November 2011 bis Anfang Mai 2012 zur Dienstleistung an die Sanitätsakademie der Bundeswehr nach E kommandiert und ab 2. Mai 2012 zur Zahnarztgruppe des Sanitätszentrums F versetzt. Mit ihrem Lebensgefährten suchte und fand sie eine Wohnung in G, die sie am 1. Juli 2012 gemeinsam bezogen.
Rz. 4
Vom 9. Juli bis 14. Dezember 2013 wurde die frühere Soldatin erneut zu einem Auslandseinsatz beim Einsatzverband ISAF (Afghanistan) kommandiert, wo sie als Sanitätsfeldwebel... tätig war. In diesem Zusammenhang lernte sie ihren jetzigen Ehemann kennen. Da sie in diesem Einsatz schwanger war, wurde die Kommandierung Mitte Oktober 2013 vorzeitig beendet. Nach ihrer Rückkehr trennte sich die frühere Soldatin von ihrem Lebensgefährten und beantragte ihre Versetzung nach H oder I zu ihrem jetzigen Ehemann. Am 4. Januar 2014 wurde ihr Sohn J geboren, dessen leiblicher Vater ihr früherer Lebensgefährte ist. Ende Januar 2014 zog sie aus der Wohnung in G aus.
Rz. 5
Nach der Zeit des Mutterschutzes war die frühere Soldatin bis Anfang März 2015 in Elternzeit. Anschließend wurde sie zur Zahnarztgruppe des Sanitätsversorgungszentrums I versetzt. In der planmäßigen Beurteilung zum 30. September 2013 erhielt die frühere Soldatin einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 6,70 Punkten. Der Leiter des Sanitätsversorgungszentrums I bescheinigte ihr eine erhebliche Leistungssteigerung. Er schätze sie als starke Persönlichkeit und loyale Soldatin. In einer Sonderbeurteilung vom 4. Februar 2020 bewertete er den Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung mit 7,6. Die frühere Soldatin habe insbesondere in Zeiten erheblichen Personalmangels durch hohe mentale Belastbarkeit überzeugt, stets den notwendigen Überblick behalten und sei somit die feste Konstante in der Sicherstellung des Versorgungsauftrages gewesen. Aufgrund ihrer Auslandseinsätze in Afghanistan ist die frühere Soldatin berechtigt, die Einsatzmedaille der Bundeswehr in Bronze und zwei NATO-Verdienstmedaillen zu führen.
Rz. 6
Ab Januar 2019 war die frühere Soldatin im Rahmen der beruflichen Förderung für eine Ausbildung zur Justizvollzugsbeamtin freigestellt. Sie erhält derzeit Übergangsgebührnisse. Die Übergangsbeihilfe in Höhe von 19 783,44 € wurde wegen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens nicht ausgezahlt. Die frühere Soldatin bezeichnete ihre wirtschaftlichen Verhältnisse als geordnet.
Rz. 7
2. Auf eine Mitteilung ihres früheren Lebensgefährten hin überprüfte die Trennungsgeldstelle der Bundeswehruniversität E das der früheren Soldatin für Mai 2012 bis Januar 2014 gewährte Trennungsgeld und forderte wegen unrichtiger Angaben sämtliche für diesen Zeitraum bewilligten Trennungsgeldleistungen zurück. Auf die Beschwerde der früheren Soldatin wurde die Rückforderung mit Beschwerdebescheid vom 15. Dezember 2014 für die Monate Mai und Juni 2012 aufgehoben und der Rückforderungsbetrag für die übrigen Monate auf 18 021,54 € festgesetzt. Die hiergegen von der früheren Soldatin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht M mit rechtskräftigem Urteil vom 23. April 2015 (Az.:... 17 K 15.84) ab.
Rz. 8
3. Mit Verfügung vom 1. Februar 2016 leitete der Kommandeur des Kommandos Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung das gerichtliche Disziplinarverfahren ein. Nach Anhörung der früheren Soldatin legte die Wehrdisziplinaranwaltschaft ihr mit Anschuldigungsschrift vom 10. August 2016 zur Last, dass sie bei ihren Anträgen für die Zahlung von Trennungsgeld für den Zeitraum Juli 2012 bis Januar 2014 falsche Angaben gemacht hätte. Sie habe die Kosten für Übernachtung in ihrer Wohnung in G mit monatlich 1 100,00 € und als Wohnort B angegeben, obwohl sie tatsächlich ihren Hauptwohnsitz in die Wohnung nach G verlegt, dort mit ihrem damaligen Lebensgefährten zusammengewohnt und von ihm einen Mietkostenanteil von 600,00 € erhalten hätte. Sie habe es unterlassen, diese Tatsachen der zuständigen Trennungsgeldstelle mitzuteilen. Dadurch habe sie sich vorsätzlich, zumindest jedoch fahrlässig ihr nicht zustehende Trennungsgeldzahlungen in Höhe von 18 021,45 € verschafft, die sie nicht erlangt hätte, wenn sie zutreffende Angaben gemacht hätte.
Rz. 9
4. Das Truppendienstgericht Süd hat gegen die frühere Soldatin mit Urteil vom 31. Juli 2019 ein Beförderungsverbot für die Dauer von zwölf Monaten verhängt. Die frühere Soldatin habe fahrlässig bei ihren Anträgen auf Trennungsgeld nicht angegeben, dass sie während dieser Zeit mit ihrem Lebensgefährten, Hauptfeldwebel D, zusammengelebt habe. Ihr Lebensgefährte sei zwar nicht Hauptmieter gewesen, habe ihr aber monatlich 600,00 € als Mietkostenanteil gezahlt. Die frühere Soldatin habe damit rechnen müssen, dass die Nichtmitteilung der angeführten trennungsgeldrelevanten Tatsachen zu einem Vermögensschaden des Bundes führe. Dadurch habe sie leichtfertig gegen ihre Wahrheitspflicht, ihre innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht und gegen ihre Pflicht aus § 7 SG verstoßen, das Vermögen des Dienstherrn zu schonen. Ein strafbarer Betrug im Sinne des § 263 StGB liege mangels Vorsatz nicht vor. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei bei einer fahrlässigen Vermögensschädigung ein Beförderungsverbot, das hier aufgrund der guten dienstlichen Leistungen der früheren Soldatin, ihrer Nachbewährung und der überlangen Verfahrensdauer im unteren Bereich angesetzt werden könne.
Rz. 10
5. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat dagegen fristgerecht in vollem Umfang Berufung zu Ungunsten der früheren Soldatin eingelegt. Bei zutreffender Würdigung der vorliegenden Beweise sei eine zumindest bedingt vorsätzliche Begehungsweise anzunehmen. Die angeschuldigte frühere Soldatin habe wissentlich und willentlich ihr Zusammenleben mit dem Zeugen Hauptfeldwebel D und dessen Mitbeteiligung verschwiegen. Insbesondere habe sie auf eine Nachfrage der Rechnungsführerin wegen der Miethöhe nicht auf die Kostenbeteiligung ihres Lebensgefährten, sondern auf mögliche finanzielle Zuwendungen ihrer Mutter verwiesen. Sie habe dadurch mehr Trennungsgeld erlangt, als sie selbst Mietausgaben gehabt habe. Auch einem Laien müsse einleuchten, dass er durch die Gewährung von Trennungsgeld keinen Gewinn erzielen dürfe. Das Truppendienstgericht habe ferner die Aussage der Vermieterin nicht hinreichend berücksichtigt, dass die frühere Soldatin wegen der erwarteten Zuschüsse ihres Dienstherrn als alleinige Mieterin in den Mietvertrag eingetragen werden wollte. Bei einem vorsätzlichen Trennungsgeldbetrug mit einem Schaden von mehr als 18 000,00 € sei die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu verhängen.
Rz. 11
Die Verteidigung hält eine Dienstgradherabsetzung für ausreichend. Zu den Einzelheiten der im Berufungsverfahren abgegebenen Erklärungen und erhobenen Beweise wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung verwiesen. Hinsichtlich der Person der früheren Soldatin, ihrer Einlassungen und der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das Protokoll und das Urteil des Truppendienstgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Rz. 12
Die zulässige Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist begründet. Der früheren Soldatin ist das Ruhegehalt abzuerkennen. Da die Berufung uneingeschränkt eingelegt worden ist, hatte der Senat im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, sie rechtlich zu würdigen und über die angemessene Maßnahme zu befinden.
Rz. 13
1. In tatsächlicher Hinsicht ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die frühere Soldatin wissentlich und willentlich in ihren Trennungsgeldanträgen für die Monate Juli 2012 bis Januar 2014 falsche Angaben zu den ihr entstandenen Mietkosten gemacht hat. Ferner hat sie bewusst das Zusammenleben mit ihrem damaligen Lebensgefährten und dessen Mietkostenbeteiligung i.H.v. 600,00 € pro Monat verschwiegen, um ihr nicht zukommende Trennungsgeldleistungen von mehr als 18 000,00 € zu erlangen.
Rz. 14
a) Hinsichtlich des Tatvorwurfs liegen zwar keine nach § 84 Abs. 1 WDO bindenden tatsächlichen Feststellungen eines strafgerichtlichen Urteils vor. Der Vorfall ist aber in einem Verwaltungsprozess auf Rückforderung zu Unrecht bezogener Trennungsgeldleistungen untersucht worden. Bei einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren handelt es sich um ein anderes geordnetes Verfahren im Sinne des § 84 Abs. 2 WDO (BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 2010 - 2 WD 35.09 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 5 Rn. 21; Dau/Schütz, WDO 7. Aufl. 2017, § 84 Rn. 15). Denn die Verwaltungsgerichte ermitteln den von ihnen festgestellten Sachverhalt in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren und die Prozessbeteiligten können durch Vorlage von Beweismitteln, die Stellung von Beweisanträgen und die Abgabe von Stellungnahmen auf die Tatsachenfeststellung des Gerichts Einfluss nehmen. Daher können die in dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 23. April 2015 getroffenen Tatsachenfeststellungen nach § 84 Abs. 2 WDO ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden; etwas Anderes würde nur gelten, wenn dagegen substantiierte Einwendungen erhoben worden wären (BVerwG, Urteil vom 7. März 2019 - 2 WD 11.18 - BVerwGE 165, 53 Rn. 13).
Rz. 15
b) Die Tatsachenfeststellungen in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil betreffen vorwiegend das objektive Tatgeschehen. Danach reichte die frühere Soldatin unter Vorlage eines am 21. März 2012 geschlossenen Mietvertrages insgesamt 19 monatliche Trennungsgeldanträge ein, in denen sie die ihr entstandenen Mietkosten objektiv wahrheitswidrig mit monatlich 1 100,00 € angab. Zugleich verschwieg sie, dass sie in der angemieteten Wohnung mit ihrem neuen Lebensgefährten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenwohnte und dass er die Hälfte der Mietkosten trug. Er leistete seine monatliche Einzahlung von 600,00 € auf das Gemeinschaftskonto, von dem die Miete (1 100,00 €) und die Nebenkosten (100,00 €) abgingen. Auf ihre Anträge wurden ihr nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts M Trennungsgeldleistungen von insgesamt 18 021,54 € gewährt. Es stützte sich dabei auf die im Beschwerdebescheid enthaltene tabellarische Auflistung der bewilligten Zahlungen:
Rz. 16
Die frühere Soldatin hat die Höhe der bezogenen Leistungen nicht bestritten. Sie hat auch das Vorliegen der übrigen vom Verwaltungsgericht festgestellten objektiven Tatsachen nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
Rz. 17
Insbesondere ist es nicht zweifelhaft, dass sie falsche Angaben zu den ihr entstandenen Mietkosten gemacht hat. Es mag zwar sein, dass das für den Forderungsnachweis vorgesehene Antragsformular schwer verständlich ist. Denn es verlangt einerseits eine Angabe zur Höhe der Mietkosten laut Beleg und andererseits eine Angabe zu den tatsächlich entstandenen Mietkosten. Für einen verständigen Antragsteller ist es aber objektiv betrachtet ersichtlich, dass im einen Feld der nominelle Mietbetrag und im anderen Feld die individuelle Mietkostenbelastung angegeben werden soll. Da insbesondere bei mehreren Mietern der eigene Mietkostenanteil von der Gesamtmiete abweichen kann, sind in diesem Fall unterschiedliche Beträge einzutragen. Die Rechnungsführerin der früheren Soldatin hat auch vor Gericht glaubwürdig ausgeführt, dass sie diesen Unterschied den Antragstellern erläutert und dass sie die frühere Soldatin bei der Ausfüllung des Forderungsnachweises beraten hat. Wenn die frühere Soldatin gleichwohl bei der Frage nach den tatsächlich angefallenen Mietkosten in allen 19 Anträgen nicht ihren Kostenanteil von 550,00 € angegeben hat, sondern entweder die Gesamtmiete von 1 100,00 € eingetragen oder durch die Bestätigung der Vollständigkeit ihrer Angaben auf diese Summe im Mietvertrag verwiesen hat, sind darin objektiv falsche Angaben zu sehen.
Rz. 18
Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die frühere Soldatin habe objektiv betrachtet das Vorhandensein einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Hauptfeldwebel D verschwiegen, ist nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden. Zwar bestand dafür im Antragsformular kein Eintragungsfeld. Die sachbearbeitende Rechnungsführerin hat in der mündlichen Verhandlung aber als neutrale Zeugin glaubwürdig ausgesagt, dass sie angesichts der Größe der Wohnung mit 95 Quadratmetern und des hohen Mietpreises die frühere Soldatin gefragt habe, wie sie die Wohnung allein finanzieren könne. Daraufhin hat die Soldatin nicht wahrheitsgemäß geantwortet, dass ihr Lebensgefährte die Hälfte der Mietkosten trägt, sondern wahrheitswidrig eine finanzielle Unterstützung ihrer Mutter ins Spiel gebracht.
Rz. 19
Ein bewusstes Verschweigen lag auch in dem Umstand, dass die frühere Soldatin der Trennungsgeldstelle nur den von ihr unterschriebenen Mietvertrag, nicht aber die Eintrittserklärung ihres früheren Lebensgefährten in den Mietvertrag, vorgelegt hat. Soweit sie sich damit verteidigt hat, dass sie dieses Dokument nicht gekannt habe, ist dies eine unwahre Schutzbehauptung. Dies ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage der Vermieterin K, die als neutrale Zeugin kein Interesse an der Belastung der früheren Soldatin gehabt haben kann. Nach ihrer Schilderung hatten die frühere Soldatin und ihr Lebensgefährte sich gemeinsam bei ihrer Wohnungsverwaltungsgesellschaft vorgestellt und dort die nötigen Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht. Die Wohnungsverwaltungsgesellschaft hatte die beiden als gemeinsame Mieter vorgeschlagen. Auf Wunsch der früheren Soldatin sei aber nur ihr Name im Mietvertrag aufgenommen worden, weil sie dafür einen Zuschuss bei ihrem Arbeitgeber beantragen wolle. Die Zeugin habe aber auf Empfehlung ihrer Wohnungsverwaltungsgesellschaft darauf gedrungen, dass auch der Lebensgefährte für die Mietverbindlichkeiten hafte. Er habe daher die separate Erklärung zur Einbeziehung in den Mietvertrag vom selben Tage abgegeben. Sie gehe davon aus, dass beide Dokumente gleichzeitig unterschrieben worden seien. Bereits diese Aussage spricht gegen die behauptete Unkenntnis der früheren Soldatin von der Zusatzvereinbarung. Vor allem legte die Vermieterin aber auch die Kündigungserklärung der früheren Soldatin vor, in der sie ausdrücklich auch im Namen ihres früheren Lebensgefährten das Mietverhältnis beendete. Dies setzt die in Abrede gestellte Kenntnis der vorangegangenen Einbeziehung des Lebensgefährten in das Mietverhältnis voraus.
Rz. 20
Nicht substantiiert in Zweifel gezogen ist auch die tatsächliche Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Trennungsgeldstelle bei Kenntnis der wahren Umstände (d.h. des Bestehens einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Mietkostenbeteiligung des früheren Lebensgefährten) das Trennungsgeld nicht bewilligt hätte. Damit übereinstimmend hat die als Zeugin vernommene Rechnungsführerin ausgeführt, dass sie auf keinen Fall ein Trennungsübernachtungsgeld in der gewährten Höhe bewilligt und ohne Rücksprache mit ihrem Sachgebietsleiter auch keine geringeren oder anderen Trennungsgeldleistungen gewährt hätte.
Rz. 21
c) Die frühere Soldatin hat subjektiv betrachtet wissentlich und willentlich falsche Angaben zu den ihr entstandenen Mietkosten gemacht. Dabei hat sie planvoll und konsequent die Mietkostenbeteiligung ihres Lebensgefährten und das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verschwiegen. Sie hat auf die Ausstellung eines hinsichtlich der beteiligten Mieter unvollständigen Vertrages hingewirkt und mit dessen Vorlage die Trennungsgeldstelle bewusst durch unvollständige Informationen getäuscht.
Rz. 22
Soweit die frühere Soldatin ihr Drängen auf ihre alleinige Nennung in dem Mietvertrag damit zu erklären versucht hat, dass sie an einer dauerhaften Beziehung mit ihrem Lebensgefährten gezweifelt habe und für den Fall der Trennung in dem Besitz der Wohnung bleiben wollte, ist dies unglaubwürdig. Ihr früherer Lebensgefährte hat als Zeuge insoweit glaubhaft dargelegt, dass beim Einzug in die Wohnung ihre Beziehung von Misstrauen noch ungetrübt gewesen ist. Dafür sprechen die gemeinsame Wohnungssuche, die Anschaffung neuen und gemeinsamen Mobiliars und nicht zuletzt die gemeinsame Familienplanung mit der Verwirklichung des Kinderwunsches. Außerdem hat die frühere Soldatin ihre Forderung, im Vertrag als alleinige Mieterin zu erscheinen, nach außen hin damit begründet, dass sie dies für die Beantragung von Zuschüssen ihres Arbeitgebers benötige. Ihr Verhalten war daher finanziell motiviert. Die Vorlage des hinsichtlich der Mieter unvollständigen Mietvertrags erfolgte in der Absicht, ein möglichst hohes Trennungsgeld zu erhalten und die Trennungsgeldstelle an einer Entscheidung auf der Grundlage der wahren Tatsachen zu hindern.
Rz. 23
2. Die frühere Soldatin hat in rechtlicher Hinsicht ein vorsätzliches Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG begangen.
Rz. 24
a) Sie hat durch die unwahren Angaben über ihre tatsächlichen Mietkosten in Nr. 10 der Forderungsnachweise gegen ihre Wahrheitspflicht aus § 13 Abs. 1 SG verstoßen und zudem unter Nr. 15 der Forderungsnachweise wahrheitswidrig versichert, dass die vorstehenden Angaben richtig und vollständig sind. Ferner hat die frühere Soldatin unter Verletzung ihrer Wahrheitspflicht gegenüber der Rechnungsführerin erklärt, die Kosten der Wohnung alleine und gegebenenfalls mit Unterstützung ihrer Mutter zu tragen, und damit die Mitbeteiligung ihres Lebensgefährten ebenso wie ihre nichteheliche Lebensgemeinschaft verleugnet.
Rz. 25
b) Da die Angaben in den Forderungsnachweisen dienstliche Erklärungen sind, hat sie zugleich ihre Pflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt, der Achtung und des Vertrauens gerecht zu werden, die ihr Dienst als Soldatin erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 2 WD 5.17 - juris Rn. 34).
Rz. 26
c) Sie ist ferner ihrer Verpflichtung aus § 7 SG nicht gerecht geworden, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen und nicht zu schädigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 2 WD 5.17 - juris Rn. 29). Zu einer Vermögensschädigung ist es dadurch gekommen, dass der Bund der früheren Soldatin aufgrund ihrer unwahren Erklärungen ohne Rechtsgrund 18 021,54 € Trennungstage-, Trennungsübernachtungsgeld und Reisebeihilfen bewilligt hat. Denn die frühere Soldatin war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr trennungsgeldberechtigt.
Rz. 27
aa) Wird ein Soldat - wie hier - aus dienstlichen Gründen an einen anderen Dienstort versetzt, hat er nach dem Bundesumzugskostengesetz (BUKG) grundsätzlich einen Anspruch auf Umzugskostenvergütung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BUKG). In Bereichen mit einer besonderen Versetzungshäufigkeit wie der Bundeswehr kann die Zusage der Umzugskostenvergütung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BUKG drei Jahre aufgeschoben werden. Bis dahin wird Trennungsgeld für die durch die getrennte Haushaltsführung entstandenen notwendigen Aufwendungen gewährt. Dabei knüpft die Gewährung von Trennungsgeld nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BUKG an die durch die Versetzung "erzwungene" getrennte Haushaltsführung an (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2000 - 10 C 3.99 - BVerwGE 111, 255 ≪257≫). Die getrennte Haushaltsführung ist der gesetzliche Rechtfertigungsgrund für die Trennungsgeldgewährung und damit auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Satz 2 TGV Anspruchsvoraussetzung. Sie liegt vor, wenn der Soldat nach seiner Versetzung in der neuen Wohnung am Dienstort und in der alten Wohnung einen Haushalt führt und die bisherige Wohnung weiterhin den Lebensmittelpunkt bildet.
Rz. 28
Verlagert der Soldat seinen Lebensmittelpunkt in die Wohnung am neuen Dienstort, entfällt die getrennte Haushaltsführung. Denn die Verlegung des tatsächlichen Schwerpunkts des Familienlebens vom bisherigen Wohnort zum Dienstort ist der versetzungsbedingte Umzug im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BUKG (BVerwG, Urteil vom 13. März 1980 - 1 D 101.78 - BVerwGE 63, 346 ≪348≫). Hat der Trennungsgeldberechtigte einen Ehegatten, einen Lebenspartner, einen Lebensgefährten oder sonstige Familienangehörige, kommt es für die Verlagerung des Lebensmittelpunkts auch auf deren Nachzug an (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2004 - 2 WD 4.04 - BVerwGE 120, 350 ≪354 f.≫ und vom 24. Juli 2008 - 2 C 6.07 - Buchholz 262.1 § 1 ATV Nr. 1 Rn. 16). Für den Umzug kann ein Soldat innerhalb von drei Jahren nach seiner Versetzung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 4 BUKG jederzeit eine Umzugskostenvergütung beantragen. Bei diesem Umzug ist es ohne Belang, ob und in welchem Umfang der Soldat eine Wohnung oder Mobiliar an dem alten Wohnort zurückgelassen hat und wie weit sich darin das Familienleben weiterhin zeitweilig oder vorübergehend abspielen soll (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. März 1980 - 1 D 101.78 - BVerwGE 63, 346 ≪348≫ und vom 27. April 2004 - 2 WD 4.04 - BVerwGE 120, 350 ≪355≫). Denn die Entscheidung, die bisherige Wohnung weiterhin als Zweit- oder Ferienwohnung zu nutzen, ist ein rein privater Entschluss, der anders als der Umzug an den Dienstort oder die dem Umzug vorausgehende Benutzung einer Pendlerwohnung nicht durch die Versetzung bedingt ist.
Rz. 29
Ist der Trennungsgeldberechtigte an den Dienstort unter Verlegung seines Lebensmittelpunktes umgezogen, fällt im Sinne des § 8 Abs. 1 TGV die maßgebende Voraussetzung einer getrennten Haushaltsführung weg, sodass kein Anspruch auf Trennungsgeld mehr für die Wohnung am Dienstort besteht. Danach kann der versetzte Soldat nicht anders behandelt werden als alle anderen Soldaten, die ihren Lebensmittelpunkt im Umfeld des Dienstortes haben und ihre Mietkosten als Teil der allgemeinen Lebensführungskosten von ihrer Besoldung bestreiten.
Rz. 30
bb) In Anwendung dieser Grundsätze hatte auch die frühere Soldatin - wie das Verwaltungsgericht E zu Recht entschieden hat - im Zeitraum von Juli 2012 bis Januar 2014 keinen Anspruch mehr auf Trennungsgeldleistungen. Sie hat mit ihrem Umzug nach G ihren Lebensmittelpunkt an den Dienstort verlegt und ihre bisherige Wohnung in B nur noch als Zweitwohnung für Freizeitaufenthalte genutzt. Dass die Wohnung in B weiterhin als Hauptwohnsitz gemeldet war, ist nicht entscheidend. Eine An- und Ummeldung beim Einwohnermeldeamt lässt keinen sicheren Rückschluss auf die Beantwortung der Frage zu, ob ein Soldat im tatsächlichen Sinne den Mittelpunkt seines Familienlebens von einem Ort an einen anderen Ort verlagert und damit einen Umzug im trennungsgeldrechtlichen Sinne vollzogen hat (BVerwG, Urteil vom 27. April 2004 - 2 WD 4.04 - juris Rn. 14).
Rz. 31
Für eine solche Verlagerung des Lebensmittelpunkts spricht hier schon der Umstand, dass die frühere Soldatin keine kleine Pendlerwohnung, sondern eine 95 qm große 4-Zimmer-Wohnung bezogen hat. Vor allem ist die damals 31-jährige frühere Soldatin mit ihrem neuen Lebensgefährten zusammengezogen, um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu begründen. Dass ab diesem Zeitpunkt die mehr als 800 km entfernte Wohnung in der Nähe ihrer Eltern und Verwandten nicht mehr den Schwerpunkt der Lebensinteressen gebildet hat, ist evident. Selbst wenn die Aussage der früheren Soldatin zutrifft, sie sei "so oft wie möglich, ein bis zwei Mal im Monat" nach B gefahren, hat sie in G ihren privaten Lebensmittelpunkt gehabt. Daran hat auch der Auszug ihres Lebensgefährten aus der gemeinsamen Wohnung im November 2013 nichts mehr geändert. Von November 2013 bis Januar 2014 ist die frühere Soldatin wegen ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihres Sohnes in G geblieben und hat ihren Umzug in eine gemeinsame Wohnung mit ihrem jetzigen Mann vorbereitet. Reisebeihilfen nach B sind nicht abgerechnet worden, sodass für eine Rückverlegung des Wohnsitzes nach B nichts ersichtlich ist.
Rz. 32
Da der früheren Soldatin mangels getrennter Haushaltsführung die von ihr bezogenen Trennungsgeldleistungen nicht zugestanden haben, ist dem Bund durch deren unberechtigte Inanspruchnahme ein Vermögensschaden von ca. 18 000,00 € entstanden. Einer Schädigung des Dienstherrn steht nicht entgegen, dass die frühere Soldatin die ihr zu Unrecht überwiesenen Beträge mittlerweile zurückgezahlt hat. Es handelt sich dabei um eine Wiedergutmachung eines bereits eingetretenen Vermögensschadens (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 2 WD 5.17 - juris Rn. 30).
Rz. 33
d) Die frühere Soldatin hat auch gegen ihre Verpflichtung aus § 7 SG verstoßen, gegenüber der Rechtsordnung loyal zu sein und insbesondere die Strafgesetze zu achten (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 2 WD 5.17 - juris Rn. 33). Denn sie hat einen gewerbsmäßigen Betrug in 19 Fällen (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB) begangen.
Rz. 34
Wie bereits ausgeführt hat sie die Trennungsgeldstelle durch Vorlage eines unvollständigen Mietvertrages und durch falsche Angaben in den Forderungsnachweisen vorsätzlich getäuscht. Sie hat bei der Rechnungsführerin zumindest bedingt vorsätzlich einen Irrtum über ihre Trennungsgeldberechtigung ausgelöst, der für die Bewilligung der Trennungsgeldleistungen und den damit verbundenen Vermögensschaden des Bundes ursächlich geworden ist. Diesen Vermögensschaden hat sie in allen 19 tatmehrheitlichen Fällen zumindest billigend in Kauf genommen.
Rz. 35
Dabei handelte die frühere Soldatin auch in rechtswidriger Bereicherungsabsicht. Für die von § 263 Abs. 1 StGB geforderte Absicht, sich einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen, reicht es aus, wenn es dem Betroffenen - wie hier - zielgerichtet um die Erlangung eines finanziellen Vorteils geht und er die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1996 - 4 StR 389/96 - BGHSt 42, 268 ≪271≫). Maßgeblich ist, ob der Betroffene mit der Möglichkeit rechnet, dass ihm der durch die Täuschungshandlung erstrebte Vorteil nach der Rechtsordnung nicht oder nicht in vollem Umfang zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2003 - 3 StR 137/03 - BGHSt 48, 322 ≪328≫ zur deckungsgleichen Absicht in § 253 Abs. 1 StGB). In einem solchen Fall befindet er sich nicht in einem den Vorsatz ausschließenden Tatumstandsirrtum (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 225/91 - MDR 1992, 319 ≪320≫).
Rz. 36
So liegen die Dinge hier. Die frühere Soldatin handelte bei der Täuschung über den von ihr tatsächlich gezahlten Mietkostenanteil in der Absicht rechtswidriger Bereicherung. Sie war im Jahr 2012 bereits Oberfeldwebel und hatte aus verschiedenen Anlässen Trennungsgeld erhalten. Daher wusste sie, dass das Übernachtungstrennungsgeld maximal die dem Betroffenen tatsächlich entstandenen Übernachtungskosten abdeckt. Als sie über die Höhe der ihr tatsächlich entstandenen Mietkosten von 550,00 € täuschte, war ihr daher bewusst, dass ihr ein Übernachtungstrennungsgeld in Höhe von 690,00 € bzw. 720,00 € nicht zustehen konnte. Die damit verbundene Rechtswidrigkeit des erlangten Vermögensvorteils nahm sie billigend in Kauf.
Rz. 37
Nach Überzeugung des Senats handelte die frühere Soldatin auch hinsichtlich des ihren Mietkostenanteil entsprechenden Trennungsübernachtungsgeldes und der übrigen Trennungsgeldleistungen nicht in gutem Glauben. Sie hat zwar erklärt, sie habe nicht damit gerechnet, dass ihr gar kein Trennungsgeld zusteht. Dabei handelt es sich jedoch um eine Schutzbehauptung, die nicht glaubwürdiger ist als ihr sonstiges Verteidigungsvorbringen. Die frühere Soldatin hatte - wie erwähnt - bereits aus vorangegangenen Kommandierungen und Versetzungen Erfahrungen in Trennungsgeldangelegenheiten. Bei Versetzungen und Kommandierungen informieren die Rechnungsführer regelmäßig darüber, unter welchen Voraussetzungen es Trennungsgeld oder Umzugskostenvergütung gibt. Die frühere Soldatin, deren Lebensgefährte zudem ebenfalls Soldat war, war daher bereits in diesem Rechtsgebiet gut vorinformiert. Dass es bei einer Verlegung des eigentlichen Wohnorts an den Dienstort zwar Umzugskostenvergütung, aber danach grundsätzlich kein Trennungsgeld mehr gibt, kann ihr nicht unbekannt gewesen sein. Die frühere Soldatin hat sich zudem bei der Rechnungsführerin eingehend über die Trennungsgeldfragen beraten lassen. Dass sie dabei die naheliegende Frage nach den Auswirkungen eines Zusammenziehens mit einem Lebensgefährten am Dienstort nicht gestellt hat, zeigt, dass dazu kein Beratungsbedarf bestand. Das planvolle und konsequente Verschweigen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft spricht für ein Wissen oder zumindest für eine Ahnung um die Anspruchsschädlichkeit dieser Tatsache. Daher muss davon ausgegangen werden, dass die frühere Soldatin, um in möglichst großen Umfang Trennungsgeldleistungen zu beziehen, eine zumindest für möglich gehaltene Rechtswidrigkeit billigend in Kauf nahm.
Rz. 38
Da die frühere Soldatin in 19 Fällen durch Vorspiegelung falscher Tatsachen Trennungsgeldleistungen erschlichen hat, liegt nicht nur ein einfacher, sondern ein gewerbsmäßiger Betrug im Sinne des § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB vor. Gewerbsmäßig im Sinne dieser Vorschrift handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07 - NStZ 2008, 282 Rn. 5). Davon ist hier auszugehen, weil die frühere Soldatin über längere Zeit monatliche Leistungen von mindestens 690,00 € und im Gesamtwert von ca. 18 000,00 € erlangt hat.
Rz. 39
3. Bei Art und Maß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe der früheren Soldatin zu berücksichtigen. Im Einzelnen legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde:
Rz. 40
a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Dies ist bei vorsätzlicher Schädigung des Dienstherrn bzw. Gefährdung seines Vermögens durch einen Reisekosten- oder Trennungsgeldbetrug eine Dienstgradherabsetzung (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2017 - 2 WD 5.17 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 70 und vom 14. Mai 2020 - 2 WD 12.19 - juris Rn. 12).
Rz. 41
b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren.
Rz. 42
Nach Maßgabe dessen liegen derart erschwerende Umstände vor, dass von der Regelmaßnahme zur Höchstmaßnahme überzugehen ist. Hier bewegt sich der Umfang des eingetretenen Schadens in einem fünfstelligen Eurobereich. Er ist mit ca. 18 000,00 € besonders hoch. Zudem hat die frühere Soldatin in 19 Fällen über mehr als eineinhalb Jahre in jeweils monatlichen Abständen immer wieder unwahre Angaben getätigt. Bei einer als gewerbsmäßiger Betrug zu wertenden, über etwa eineinhalb Jahre regelmäßig wiederholten Handlung muss von einer erheblichen kriminellen Energie ausgegangen werden. Wer sich auf diese Weise fortlaufend über die finanziellen Interessen des Dienstherrn aus Eigennutz hinwegsetzt, offenbart damit erhebliche Charaktermängel. Jedenfalls die Kombination eines besonders hohen Schadens und eines fortgesetzten Handelns über einen längeren Zeitraum rechtfertigt die Annahme, dass das Vertrauen in die persönliche Integrität und dienstliche Zuverlässigkeit eines Soldaten objektiv nicht nur schwer beschädigt, sondern zerstört ist. Damit ist die Annahme eines besonders schweren Falles mit der Folge der Entfernung aus dem Dienst oder der Aberkennung des Ruhegehalts regelmäßig gerechtfertigt (BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2012 - 2 WD 33.11 - juris Rn. 69, vom 7. Dezember 2017 - 2 WD 5.17 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 73 und vom 19. November 2020 - 2 WD 19.19 - juris Rn. 31).
Rz. 43
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass die frühere Soldatin aufgrund ihres Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung nach § 10 Abs. 1 SG ein Beispiel geben sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 30).
Rz. 44
Diesen erschwerenden Umständen stehen keine Milderungsgründe von erheblichem Gewicht gegenüber. Das Maß der Schuld der uneingeschränkt schuldfähigen früheren Soldatin wird in erster Linie durch ihr vorsätzliches Handeln geprägt. Klassische Milderungsgründe in der Tat sind nicht festzustellen. Soweit die frühere Soldatin bei ihren Täuschungshandlungen davon ausgegangen ist, dass ihr auch im Falle wahrer Angaben ein Teil der beantragten Trennungsgeldleistungen zustehen könnte, ist dies nicht erheblich mildernd zu gewichten. Der behauptete Irrtum ließ - wie bereits ausgeführt - ihr Bewusstsein, sich hinsichtlich der Höhe des Trennungsübernachtungsgeldes rechtswidrig und im Übrigen möglicherweise rechtswidrig zu verhalten, nicht entfallen. Er betrifft keine für das Dienstvergehen maßgeblichen tatsächlichen Umstände und lässt nach § 16 Abs. 1 StGB den Vorsatz unberührt. Der Rechtsirrtum war außerdem nicht im Sinne des § 17 StGB unvermeidbar. Die frühere Soldatin hätte sich durch Rückfrage bei der Trennungsgeldstelle ohne Weiteres genauere Kenntnis über die Rechtslage verschaffen können. Stattdessen hat sie es durch wahrheitswidrige Angaben gerade verhindert, Gewissheit über das Fortbestehen versetzungsbedingter Trennungsgeldansprüche bei Begründung einer häuslichen Lebensgemeinschaft am neuen Dienstort zu erlangen. Dies schließt die Annahme eines Milderungsgrundes wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 2 WD 5.17 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 46).
Rz. 45
Die Milderungsgründe des freiwilligen Offenbarens des Fehlverhaltens oder der freiwilligen Schadenswiedergutmachung liegen ebenfalls nicht vor (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. März 1995 - 2 WD 1.95 - BVerwGE 103, 217 ≪218≫ m.w.N.). Es ist zwar erkennbar, dass die frühere Soldatin ihr Tun bereut. Die nur partiell vorhandene Geständigkeit und Unrechtseinsicht der früheren Soldatin fällt hingegen nicht besonders ins Gewicht.
Rz. 46
Zu ihren Gunsten sind zwar ihre guten Leistungen in stärkerem Umfang einzustellen. Von der Höchstmaßnahme kann allerdings nicht allein deshalb abgewichen werden, weil die frühere Soldatin überdurchschnittliche Leistungen erbracht und sich in zwei Auslandseinsätzen bewährt hat. Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, sodass gravierende Defizite bei der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen, nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können. Dies gilt sogar, wenn herausragende Spitzenleistungen erbracht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 WD 33.11 - juris Rn. 71).
Rz. 47
Gegen den vollständigen Vertrauensverlust spricht auch nicht der Umstand, dass die frühere Soldatin nicht vorläufig des Dienstes enthoben und dass in ihrem Fall keine Strafanzeige gestellt worden ist. Die Frage nach der fortbestehenden Vertrauenswürdigkeit hängt nicht entscheidend von den Erwägungen und Entscheidungen der jeweiligen Einleitungsbehörde oder der Einschätzung der unmittelbaren Vorgesetzten ab. Ob das Vertrauen erschüttert oder gar zerstört ist, ist nicht zuletzt aus Gleichbehandlungsgründen nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten zu prüfen und zu bewerten. Da aus den genannten Gründen objektiv die Vertrauensgrundlage zerstört wurde, kommt es deshalb auch nicht darauf an, ob und warum die jeweiligen Vorgesetzten eine Grundlage für einen weiteren Einsatz der früheren Soldatin gesehen oder von einer Strafanzeige abgesehen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2017 - 2 WD 2.17 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 54 Rn. 60 m.w.N.).
Rz. 48
Insgesamt erreichen die mildernden Umstände nicht ein solches Gewicht, dass sie die erschwerenden Umstände aufwiegen würden. Dem objektiv eingetretenen Vertrauensverlust entspricht die Verhängung der Höchstmaßnahme in Form der Aberkennung des Ruhegehalts. Ist das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, können weder eine dienstliche Nachbewährung noch eine unangemessen lange Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens maßnahmemildernd berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2019 - 2 WD 18.18 - Buchholz 450.2 § 63 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 40, 42).
Rz. 49
4. Da das zu Ungunsten der früheren Soldatin eingelegte Rechtsmittel der Wehrdisziplinaranwaltschaft Erfolg hat, ist das Urteil des Truppendienstgerichts aufzuheben. Der früheren Soldatin sind die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der ihr darin erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen (§ 138 Abs. 1 Satz 1, § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 140 Abs. 3 Satz 3 WDO).
Fundstellen
BVerwGE 2022, 280 |
ZBR 2021, 395 |
JZ 2021, 441 |
JZ 2021, 449 |