Soldat der Bundeswehr verliert Bezüge wegen Engagement für Identitäre Bewegung
Im Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ging es um einen Oberleutnant der Reserve, der sich für die Identitäre Bewegung Deutschland e.V. engagiert hatte.
Weltanschauliche Ausrichtung der Identitären Bewegung mit freiheitlicher demokratischer Grundordnung nicht vereinbar
Nach Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts verfolgte die Identitäre Bewegung Deutschland e.V. bereits 2015/2016 verfassungswidrige Ziele. Ihre weltanschauliche Ausrichtung - wie die Anhörung der Sachverständigen im Prozess ergeben hat - seit der Vereinsgründung im Jahr 2012 im Wesentlichen konstant. Sie ist in zweierlei Hinsicht mit den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar.
Sie widerspricht zum einen dem für eine Demokratie essentiellen Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger. Nach der Ideologie der Identitären Bewegung kommt es auf die ethnisch-kulturelle Identität einer Person an, womit sie eine gleichheitswidrige Unterscheidung in Deutsche "erster" und "zweiter Klasse" vornimmt. Die Angehörigen der verschiedenen Ethnien sollen jeweils in ihrem Staatsgebiet leben bzw. dahin zurückkehren. Nicht ethnisch Deutsche sollen daher in ihre Heimatländer zurückwandern ("Remigration") und durch Druck dazu gebracht werden, wofür auch die Parole "Reconquista" (Rückeroberung) verwendet wird. Dieses Konzept des sogenannten "Ethnopluralismus" wird auch von der Partei "Die Heimat" (früher NPD) vertreten und führt zu einer Ausgrenzung von Ausländern, Migranten und ethnischen Minderheiten. Es verletzt den Anspruch nicht ethnisch deutscher Staatsangehöriger auf gleichberechtigte politische Teilhabe und verstößt damit gegen ein Kernelement des grundgesetzlichen Demokratieprinzips (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 - 2 BvB 1/19, NJW 2024, 645 Rn. 350 ff., 380 ff.).
Die Identitäre Bewegung steht zum anderen für ein identitäres Demokratieverständnis im Sinne Carl Schmitts. Parlamentarismus und Mehrparteiensystem werden diskreditiert und abgelehnt. Bei einer Identität von Volk und Vertretern könne der wahre Volkswille ohne diese Institutionen besser verwirklicht werden. Auch die Forderung nach Abschaffung von Parteien und Parlament steht in klarem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie verbietet es zwar nicht, das gegenwärtige repräsentative demokratische System umzugestalten oder durch eine unmittelbare plebiszitäre Demokratie zu ersetzen. Den Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlässt jedoch, wer den Parlamentarismus verächtlich macht, ohne aufzuzeigen, auf welchem anderen Weg dem Grundsatz der Volkssouveränität Rechnung getragen werden soll (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 - 2 BvB 1/19, NJW 2024, 645 Rn. 543-546).
Aktives Engagement für die Identitäre Bewegung
Das Bundesverwaltungsgericht ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass der angeschuldigte Oberleutnant der Reserve die Programmatik der Identitären Bewegung kannte und sich ihr aus innerer Überzeugung angeschlossen hat. Der frühere Soldat hatte bereits während seines Studiums mit Vertretern der Neuen Rechten Kontakt, publizierte in der von Götz Kubitschek - dem Mitbegründer der Identitären Bewegung - herausgegebenen Zeitschrift "Sezession" und kannte den damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Identitären Bewegung schon aus Studienzeiten. Er war somit ein gut informierter Insider. Da er die politischen Ziele der Identitären Bewegung kannte und aufgrund seines Studiums der Staatswissenschaften zu bewerten verstand, war bei seinem Engagement für die Identitäre Bewegung von einer zumindest bedingt vorsätzlichen verfassungswidrigen Betätigung auszugehen.
Verletzung der verfassungsrechtlichen Treuepflicht
Der Oberleutnant der Reserve hatte sich im Jahr 2015/2016 aktiv für die Identitäre Bewegung Deutschland e.V. engagiert, indem er beim Aufbau einer Regionalgruppe in Bayern, bei mehreren Demonstrationen und in einem Werbefilm der Identitären Bewegung mitwirkte. Damit hat er die für alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr geltende verfassungsrechtliche Treuepflicht aus § 8 Soldatengesetz verletzt.
Verlust von noch offenen Übergangsleistungen
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertigt eine von innerer Überzeugung getragene verfassungswidrige Betätigung regelmäßig die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme. Davon abzuweichen bestand kein Anlass. Die Höchstmaßnahme beinhaltet bei einem inzwischen ausgeschiedenen Zeitsoldaten den Verlust noch offener Übergangsleistungen. Der ehemalige Oberleutnant hat konkret eine Übergangsbeihilfe in Höhe von mehr als 23.000 Euro eingebüßt und ist nicht mehr berechtigt, einen militärischen Dienstgrad zu führen.
(BVerwG, Urteil vom 19.4.2024, 2 WD 9.23)
Hinweis:
§ 8 Soldatengesetz lautet:
§ 8 Eintreten für die demokratische Grundordnung
Der Soldat muss die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.
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