Leitsatz (amtlich)
1. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist ein Dauerverwaltungsakt. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Untersagung ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen.
2. Unterliegt die im Fahreignungsregister gespeicherte Eintragung zur Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad wegen Ablaufs der gesetzlichen Frist einem Verwertungsverbot, darf die Annahme fehlender Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darauf gestützt werden, dass der Betroffene ein vor Ablauf der Frist gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat.
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 17.01.2020; Aktenzeichen 11 B 19.1274) |
VG München (Urteil vom 12.12.2018; Aktenzeichen M 26 K 17.5985) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge.
Rz. 2
Er hatte am 8. Juni 2013 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,88 Promille auf einem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen. Deshalb verurteilte ihn das Amtsgericht München mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 4. Juli 2013 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Geldstrafe.
Rz. 3
Nachdem der Kläger der von der Beklagten am 10. Januar 2017 erneut an ihn gerichteten Aufforderung nicht nachgekommen war, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Fragen vorzulegen, ob er auch zukünftig ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, sodass dadurch die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ausgeschlossen sei, und ob er zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch unter Alkoholeinfluss mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen werde, sodass dadurch auch seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei, entzog ihm die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2017 die Fahrerlaubnis (1.), forderte ihn auf, den Führerschein unverzüglich abzugeben (2.), drohte ihm bei Nichtabgabe ein Zwangsgeld an (3.) und untersagte ihm das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen auf öffentlichem Verkehrsgrund (4.); den Sofortvollzug ordnete die Beklagte nicht an. Zur Begründung der hinsichtlich der Nummern 1 und 4 des Bescheids auf § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gestützten Verfügung verwies sie darauf, dass der Kläger das Gutachten nicht vorgelegt habe, dessen Beibringung sie zu Recht von ihm gefordert habe.
Rz. 4
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München abgewiesen. Die Beklagte habe gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen schließen dürfen, da er das rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt habe. Diese Gutachtensanforderung habe auf die Trunkenheitsfahrt vom 8. Juni 2013 gestützt werden dürfen. Die Eintragung im Fahreignungsregister sei gemäß § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG erst mit Ablauf des 4. Juli 2018 nicht mehr für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und mit Ablauf des 4. Juli 2023 nicht mehr für eine Fahrerlaubnisentziehung verwertbar gewesen.
Rz. 5
Auf die beschränkt auf die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zugelassene Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit dort das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt worden war. Zur Begründung heißt es: Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Dauerverwaltungsakts sei, nachdem die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet hätten, der Zeitpunkt, zu dem das vollständig abgesetzte Urteil von der Geschäftsstelle zum Zweck der Zustellung zur Versendung gebracht worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte aus der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens nicht mehr gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen dürfen. Zwar sei die Beibringungsanordnung vom 10. Januar 2017 bei deren Erlass durch die Trunkenheitsfahrt vom 8. Juni 2013 gerechtfertigt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Straftat noch im Fahreignungsregister eingetragen und die Beklagte gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV verpflichtet gewesen, die deshalb bestehenden Fahreignungszweifel aufzuklären. Doch dürfe der Kläger mittlerweile die Vorlage des geforderten Gutachtens verweigern; die Anlasstat sei nun getilgt und dürfe ihm daher nicht mehr entgegengehalten werden. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 StVG würden Entscheidungen über eine Straftat in fünf Jahren getilgt. Die vor dem 30. April 2014 in das Fahreignungsregister eingetragene Straftat des Klägers sei zum 1. Mai 2019 tilgungsreif geworden; nach § 29 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 1 StVG und nach § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG könne sie ihm nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden. Auch wenn man davon ausginge, § 11 Abs. 8 FeV könne nach der Tilgung der Anlasstat weiter zur Anwendung kommen, weil die Gutachtensanordnung zuvor ergangen sei, ergäbe sich nichts Anderes. Ein Festhalten an der Untersagung wäre unverhältnismäßig. Sie müsste von der Beklagten auf Antrag sofort aufgehoben werden, da sie nach Tilgung der Anlasstat nicht mehr berechtigt sei, im Verfahren auf Aufhebung der Untersagung erneut ein Gutachten anzufordern. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV könne nicht entsprechend auf das Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge angewendet werden, da diese Regelung eine Fahrerlaubnisentziehung voraussetze. Auch der Umstand, dass dem Kläger mittlerweile bestandskräftig die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, könne nicht dazu führen, dass die Beklagte von ihm gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens zur Klärung der Frage anfordern dürfe, ob das Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge aufzuheben sei. Diese Regelung erlaube nach einer Fahrerlaubnisentziehung die Anforderung eines Gutachtens nur zur Klärung der Frage, ob der Betroffene Kraftfahrzeuge sicher führen könne. Der Einwand der Beklagten, bei einer solchen Auslegung würden Personen, die ein negatives Gutachten vorgelegt und solche, die eine Beibringung verweigert hätten, ungleich behandelt, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Die Ungleichbehandlung könne nicht dazu führen, dass Tilgungsvorschriften für die zugrundeliegenden Delikte nicht beachtet und tilgungsreife Verstöße verwertet würden.
Rz. 6
Die Beklagte macht zur Begründung ihrer - vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen - Revision geltend: Sie habe gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen dürfen. Komme es für die Rechtmäßigkeit einer auf § 11 Abs. 8 FeV gestützten Verfügung darauf an, ob die Gutachtensanforderung zu Recht erfolgt sei, sei das nach der Sach- und Rechtslage beim Erlass der Anforderung zu beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Trunkenheitsfahrt des Klägers noch verwertbar gewesen. Es könne dahinstehen, welcher Beurteilungszeitpunkt im Allgemeinen maßgeblich sei, wenn die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge angefochten werde. Selbst wenn auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen wäre, hätte das nicht zur Folge, dass die Tilgung der Trunkenheitsfahrt die Rechtmäßigkeit der Untersagung entfallen lasse. Für deren Verwertbarkeit komme es allein auf den Zeitpunkt der Begutachtungsanordnung an. Zwar sei bei Dauerverwaltungsakten regelmäßig davon auszugehen, dass maßgeblich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei. Das liege aber nicht immer so; eine solche Ausnahme sei auch hier zu machen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass es für die Verwertbarkeit der Anlasstat allein auf den Zeitpunkt der Gutachtensanforderung ankomme und ein späteres Verwertungsverbot die Rechtmäßigkeit nicht nachträglich entfallen lasse. Bei der Anwendung von § 11 Abs. 8 FeV werde die mangelnde Fahreignung nicht aus der getilgten Tat, sondern aus der Weigerung hergeleitet, ein zu Recht gefordertes Gutachten vorzulegen. Das sei eine neue, unabhängig von der Tilgung der Anlasstat zu berücksichtigende Tatsache. Außerdem führe die Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Tilgung zu einem Wertungswiderspruch gegenüber Betroffenen, die einer berechtigten Gutachtensanforderung nachgekommen seien. Bei Vorlage eines negativen Gutachtens hätte eine spätere Tilgung der Anlasstat keine Rolle gespielt. Die unberechtigte Weigerung, ein Gutachten vorzulegen, sei der Vorlage eines negativen Gutachtens gleichzustellen. Entgegen dem Berufungsgericht sei die Aufrechterhaltung der Untersagung schließlich nicht unverhältnismäßig. Sie dürfe in einem Aufhebungsverfahren trotz Tilgung der Anlasstat ein medizinisch-psychologisches Gutachten vom Kläger fordern. Da im Fahrerlaubnisrecht Regelungen zur Aufhebung einer bestandskräftigen Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge fehlten, sei auf Art. 49 Abs. 1 oder Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG zurückzugreifen. Die danach erforderliche nachträgliche Änderung der Sachlage sei aber nicht eingetreten, denn die fehlende Fahreignung des Klägers stehe gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV fest. Solange es keine Belege für deren Wiedererlangung gebe, etwa durch ein positives Fahreignungsgutachten, kämen daher ein Wiederaufgreifen des Verfahrens oder ein Widerruf der Untersagung nicht in Betracht. Auch bei einer entsprechenden Anwendung der §§ 11 ff. FeV wäre sie berechtigt, vom Kläger ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu fordern. Die Rechtsgrundlage dafür ergebe sich, da ihm die Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs bestandskräftig entzogen worden sei, aus § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV. Außerdem könne die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge eine Begutachtungsanordnung rechtfertigen; es sei im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV sonst klärungsbedürftig, ob Alkoholmissbrauch nicht mehr bestehe.
Rz. 7
Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das Berufungsurteil: Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge sei ein Dauerverwaltungsakt; maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sei deshalb der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Folgte man der Rechtsansicht der Beklagten, blieben die gesetzlichen Tilgungsvorschriften und deren Schutzzweck unbeachtet. Seit seiner Trunkenheitsfahrt im Jahr 2013 sei er nicht mehr im Straßenverkehr auffällig geworden. Er habe sich damit bewährt, sodass eine medizinisch-psychologische Begutachtung nicht mehr erforderlich sei.
Rz. 8
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor: Ob es sich bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gemäß § 3 FeV um einen Dauerverwaltungsakt handele, für dessen Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei, könne dahinstehen. Hier sei die Tilgung der Anlasstat schon deswegen irrelevant, weil die Untersagung nicht unmittelbar auf diese Tat gestützt worden sei, sondern auf die Weigerung des Klägers, das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten fristgerecht beizubringen. Dabei handele es sich, wie in der Rechtsprechung anerkannt sei, um eine neue Tatsache, die unabhängig von der Tilgung der Anlasstat zu berücksichtigen sei. Die Aufrechterhaltung der Untersagung sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Berechtigung der Fahrerlaubnisbehörde, die Vorlage eines Fahreignungsgutachtens zu fordern, ergebe sich aus § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV. Wegen des nach § 11 Abs. 8 FeV zu ziehenden Schlusses auf die Nichteignung sei davon auszugehen, dass beim Kläger in der Vergangenheit Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit vorgelegen habe. Damit sei, wie in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV vorausgesetzt, sonst zu klären, ob Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit nicht mehr bestehe. Für eine Anwendung der Art. 49, 51 BayVwVfG sei wegen des Anwendungsvorrangs der Fahrerlaubnis-Verordnung kein Raum. Selbst bei einem Rückgriff auf diese Vorschriften habe der Kläger keinen Anspruch auf eine Aufhebung der Untersagung, da es mit Blick auf § 11 Abs. 8 FeV an einer neuen Sach- oder Rechtslage fehle. § 3 FeV habe in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zutreffend nimmt der Verwaltungsgerichtshof an, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vom Kläger angegriffenen Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge sei auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (1.). Unterliegt in diesem Zeitpunkt die im Fahreignungsregister gespeicherte Eintragung zur Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad wegen Ablaufs der gesetzlichen Frist einem Verwertungsverbot, darf die Annahme fehlender Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darauf gestützt werden, dass der Betroffene ein vor Ablauf der Frist gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat (2.).
Rz. 10
1. Der Zeitpunkt, auf den bei der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist, richtet sich in erster Linie nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 13 und vom 29. Mai 2019 - 6 C 8.18 [ECLI:DE:BVerwG:2019:290519U6C8.18.0] - BVerwGE 165, 251 Rn. 16, jeweils m.w.N.). Maßgeblich bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist danach der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und bei einem Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung der Zeitpunkt, zu dem die Geschäftsstelle das vollständig abgesetzte Urteil zum Zwecke der Zustellung zur Versendung gebracht hat (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 101 Rn. 11 m.w.N.).
Rz. 11
a) Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist ein Dauerverwaltungsakt, da sich die Regelungswirkung nicht in einem einmaligen Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage in der Vergangenheit erschöpft, sondern sich das angeordnete Verbot fortlaufend verlängert und aktualisiert (vgl. BT-Drs. 8/2034 S. 34 zum Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung). Ist aber ein behördlich verfügtes Ge- oder Verbot auf Fortwirkung und Dauer angelegt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit regelmäßig - das heißt, soweit sich aus dem maßgeblichen materiellen Recht nichts anderes ergibt - auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. September 2013 - 3 C 15.12 - BVerwGE 148, 28 Rn. 9, vom 7. November 2018 - 7 C 18.18 [ECLI:DE:BVerwG:2018:071118U7C18.18.0] - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 2 Rn. 15 und vom 13. Juni 2019 - 3 C 28.16 [ECLI:DE:BVerwG:2019:130619U3C28.16.0] - BVerwGE 166, 32 Rn. 11). Das gilt ungeachtet dessen, dass über eine Anfechtungsklage zu entscheiden ist. Denn regelmäßig geht es dem Betroffenen bei der Anfechtung einer Regelung mit Dauerwirkung vor allem darum, deren Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. allg. zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei Dauerverwaltungsakten: Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 113 Rn. 43 ff. m.w.N.). Im Revisionsverfahren ist das Bundesverwaltungsgericht unter den Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 VwGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden.
Rz. 12
b) Aus dem materiellen Recht - hier also dem Straßenverkehrsgesetz und der Fahrerlaubnis-Verordnung - ergibt sich für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nichts anderes. Zwar ist für die Fahrerlaubnisentziehung und ebenso für die Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, anerkannt, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist (stRspr, vgl. zur Fahrerlaubnisentziehung u.a. BVerwG, Urteile vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:231014U3C3.13.0] - Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 16 Rn. 13 und vom 18. Juni 2020 - 3 C 14.19 [ECLI:DE:BVerwG:2020:180620U3C14.19.0] - NJW 2020, 2974 Rn. 10; zur Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen: BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 Rn. 11; vgl. auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 StVG Rn. 32 m.w.N.).
Rz. 13
Das hat seine Rechtfertigung darin, dass dies rechtsgestaltende Verwaltungsakte in dem Sinne sind, dass dem Betroffenen eine durch einen vorangegangenen Hoheitsakt gewährte Rechtsstellung ganz oder teilweise wieder entzogen wird. Diese Entscheidung wirkt zwar mittelbar auch in die Zukunft - ohne Fahrerlaubnis darf ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen nicht geführt werden (§ 2 Abs. 1 StVG) -, ihr Regelungsgehalt ist aber primär auf die mit dem vorangegangenen Hoheitsakt herbeigeführte Gestaltung der Rechtslage bezogen. Dementsprechend ist zu klären, ob die dafür zu erfüllenden rechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorlagen (vgl. zum Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit: BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2019 - 3 B 7.18 [ECLI:DE:BVerwG:2019:310719B3B7.18.0] - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 118 Rn. 9; zum Widerruf der Genehmigung für den Betrieb einer Eisenbahninfrastruktur: BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 8.16 [ECLI:DE:BVerwG:2019:110419U3C8.16.0] - Buchholz 442.09 § 6 AEG Nr. 1 Rn. 10; zur Streichung aus der Architektenliste: BVerwG, Beschluss vom 30. September 2005 - 6 B 51.05 - GewArch 2006, 77; zum Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 - Buchholz 420.5 WaffG Nr. 93 Rn. 35, jeweils m.w.N.).
Rz. 14
Hinzu kommt, dass das Fahrerlaubnisrecht für die (Neu-)Erteilung einer Fahrerlaubnis nach vorheriger Entziehung und ebenso für die Wiedergewährung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, formalisierte Verfahren vorsieht (vgl. § 20 Abs. 1 FeV sowie § 28 Abs. 5 und § 29 Abs. 4 FeV). Das rechtfertigt es, den Betroffenen, der sich auf eine Änderung der Sach- oder Rechtslage beruft, auf diese Verfahren zu verweisen (vgl. für den Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit: BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2019 - 3 B 7.18 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 118 Rn. 13 m.w.N.; für die Gewerbeuntersagung mit Blick auf § 35 Abs. 6 GewO: BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 8 C 6.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:150415U8C6.14.0] - BVerwGE 152, 39 m.w.N.). An einem solchen eigenständigen Wiedererteilungsverfahren fehlt es dagegen bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge; das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung enthalten keine den § 20 Abs. 1, § 28 Abs. 5 und § 29 Abs. 4 FeV funktional entsprechende Regelung. Dieser Umstand wird dadurch nicht ausgeglichen, dass der von der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge Betroffene - wie der von einem sonstigen belastenden Verwaltungsakt Betroffene - eine Änderung der Sach- oder Rechtslage gegebenenfalls in einem Verfahren auf Aufhebung des gegen ihn ergangenen Verbotes geltend machen kann (vgl. §§ 49, 51 VwVfG und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen). Auch § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV führt nicht zur Maßgeblichkeit eines früheren Zeitpunkts. Nach dieser Vorschrift darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Fahreignungsgutachten nicht fristgerecht beibringt. Ob die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens zu Recht erfolgt ist, ist nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Ergehens zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:171116U3C20.15.0] - BVerwGE 156, 293 Rn. 14). Das gilt aber nur für die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens, nicht für die hierauf gestützte Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde, hier das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Die in der Aufforderung festgelegte Frist ist keine Ausschlussfrist. Ein im maßgebenden Zeitpunkt vorliegendes positives Fahreignungsgutachten muss berücksichtigt werden, auch wenn der Betroffene es erst nach Ablauf der Frist beigebracht hat (VGH München, Beschluss vom 7. August 2018 - 11 CS 18.1270 [ECLI:DE:BAYVGH:2018:0807.11CS18.1270.00] - ZfSch 2018, 594 Rn. 16; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 1 FeV Rn. 54).
Rz. 15
2. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen, dass sich die angefochtene Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge als rechtswidrig erweist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mit Ablauf des 4. Juli 2018 war die im Fahreignungsregister gespeicherte Eintragung der strafgerichtlichen Ahndung der Trunkenheitsfahrt für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht mehr verwertbar (a). Daraus, dass die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, wenn er sich weigert, ein von ihr rechtmäßig gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, ergibt sich kein vom Ablauf der Tilgungsfrist oder einem sonstigen Verwertungsverbot unabhängiger und insoweit eigenständiger Anknüpfungspunkt für Eignungszweifel oder die Annahme mangelnder Fahreignung (b). Danach kann offenbleiben, 0b die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach der Trunkenheitsfahrt des Klägers auf einem Fahrrad und die an dessen Nichtvorlage anknüpfende Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG i.V.m. § 3 Abs. 2, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c und § 11 Abs. 8 FeV auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage beruhten (c).
Rz. 16
a) Die Beklagte hat die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf §§ 3 i.V.m. 11 Abs. 8 FeV gestützt.
Rz. 17
aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV in der hier maßgeblichen aktuellen Fassung vom 21. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3083) hat die Fahrerlaubnisbehörde, erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Nach § 3 Abs. 2 FeV finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist.
Rz. 18
Zu den für entsprechend anwendbar erklärten Regelungen gehört auch § 11 Abs. 8 FeV. Wie dargelegt, darf die Behörde nach dieser Vorschrift auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht vorlegt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Schluss auf die fehlende Eignung nur gerechtfertigt, wenn die Anforderung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 28. April 2010 - 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 Rn. 14 und vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 19, jeweils m.w.N.). Ob das der Fall war, ist bei einer gegen die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gerichteten Anfechtungsklage nicht anders als im Falle der Anfechtung einer Fahrerlaubnisentziehung oder der Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, inzident zu überprüfen.
Rz. 19
bb) Als am 10. Januar 2017 die Aufforderung an den Kläger erging, ein medizinisch-psychologisches Gutachten unter anderem zu seiner Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge beizubringen, waren die Voraussetzungen von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV erfüllt. Nach dieser Bestimmung ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht nur durch das Führen eines Kraftfahrzeuges, sondern ebenso durch das Führen eines sonstigen Fahrzeuges unter erheblichem Alkoholeinfluss erfüllt (so zur Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad: BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 32.07 - BVerwGE 131, 163 Rn. 15 ff. sowie Beschluss vom 20. Juni 2013 - 3 B 102.12 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 20 Rn. 7).
Rz. 20
cc) Zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Vorlage des Fahreignungsgutachtens und ebenso auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung - hier des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2017, mit dem die Regierung von Oberbayern die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge bestätigt hat - war die im Fahreignungsregister gespeicherte Eintragung der rechtskräftigen Ahndung der Trunkenheitsfahrt, auf die die Beklagte ihre Eignungszweifel gestützt hatte, noch zulasten des Klägers verwertbar. Diese Eintragung unterlag jedoch, was ihre hier streitige Berücksichtigung für die Beurteilung der Eignung des Klägers zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge betrifft, mit Ablauf des 4. Juli 2018 einem Verwertungsverbot.
Rz. 21
Nach der Übergangsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG werden Entscheidungen, die nach § 28 Abs. 3 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und - wie hier - nicht von Nummer 1 erfasst sind, bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Diese Regelung kommt hier zur Anwendung, da der Strafbefehl vom 4. Juli 2013 ausweislich der Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes am 22. August 2013 in das Verkehrszentralregister eingetragen worden war, das ab dem 1. Mai 2014 dann als Fahreignungsregister weitergeführt wurde.
Rz. 22
Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) werden die im Register gespeicherten Eintragungen nach Ablauf der in Satz 2 bestimmten Fristen getilgt. Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a StVG a.F. betragen die Tilgungsfristen fünf Jahre bei Entscheidungen wegen Straftaten mit Ausnahme von Entscheidungen wegen Straftaten unter anderem nach § 316 StGB und Entscheidungen, in denen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b StGB oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet worden ist. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG a.F. betragen die Tilgungsfristen in allen übrigen Fällen zehn Jahre. Diese Regelung kommt im Falle des Klägers zur Anwendung, der vom Amtsgericht wegen seiner Trunkenheitsfahrt nach § 316 Abs. 1 und 2 StGB verurteilt wurde. Zu laufen beginnt die Tilgungsfrist (Absatz 1) gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG a.F. bei Strafbefehlen mit dem Tag der Unterzeichnung durch den Richter. Danach begann die zehnjährige Tilgungsfrist hier am 4. Juli 2013 zu laufen; die Voraussetzungen einer Anlaufhemmung nach § 29 Abs. 5 StVG a.F. lagen - nachdem das Amtsgericht dem Kläger die Fahrerlaubnis nicht entzogen hat - nicht vor.
Rz. 23
Ergänzend zu den genannten Regelungen zur Dauer der Tilgungsfrist und zu deren Beginn sind die Verwertungsbeschränkungen nach § 29 Abs. 8 StVG a.F. zu beachten. Gemäß § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F. dürfen, wenn eine Eintragung im Verkehrszentralregister getilgt ist, die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG a.F. nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Dieses ab Tilgung einsetzende Verwertungsverbot wird durch § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG a.F. modifiziert und im Ergebnis zeitlich vorverlagert. Nach dieser Regelung dürfen Eintragungen über gerichtliche Entscheidungen, die - wie im Falle des Klägers - einer zehnjährigen Tilgungsfrist unterliegen, nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist nach den Vorschriften dieses Paragraphen entspricht, nur noch für ein Verfahren übermittelt und verwertet werden, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat. Für ein Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, dürfen sie nicht mehr verwertet werden.
Rz. 24
Da das Verfahren seit der beschränkten Zulassung der Berufung nur noch die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und dementsprechend die Eignung zum Führen solcher Fahrzeuge zum Gegenstand hat, greift in Bezug auf die Trunkenheitsfahrt des Klägers und deren rechtskräftige Ahnung bereits nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist entspricht und damit hier mit Ablauf des 4. Juli 2018, ein Verwertungsverbot. Dieses aufgrund von § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG a.F. bereits vor Ablauf des 30. April 2019 eingetretene Verwertungsverbot bleibt davon unberührt, dass gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 StVG ab dem 1. Mai 2019 in Bezug auf die Eintragung des rechtskräftigen Strafbefehls im Fahreignungsregister die Regelungen des § 29 StVG in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung gelten.
Rz. 25
b) Der Umstand, dass dieses Verwertungsverbot noch nicht bestand, als die Beklagte den Kläger zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufforderte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar darf - wie gezeigt - die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er ein von ihr zu Recht gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat; zugleich ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beibringensaufforderung auf den Zeitpunkt ihres Ergehens abzustellen. Doch lässt sich weder § 11 Abs. 8 FeV noch anderen Regelungen im Straßenverkehrsgesetz oder in der Fahrerlaubnis-Verordnung entnehmen, dass damit auch ein im Straßenverkehrsgesetz angeordnetes Verwertungsverbot für im Fahreignungsregister zu tilgende und zu löschende oder aus anderen Gründen, etwa - wie hier - gemäß § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG a.F. oder § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG nicht berücksichtigungsfähige Eintragungen, durchbrochen wird. Auch in Bezug auf die Annahme eines Verwertungsverbotes steht die Auffassung des Berufungsgerichts danach im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; a.A. u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2011 - OVG 1 S 233.10 [ECLI:DE:OVGBEBB:2011:0118.OVG1S233.10.0A] - NJW 2011, 1832; OVG Bautzen, Beschluss vom 29. September 2016 - 3 A 222/16 [ECLI:DE:OVGSN:2016:0929.3A222.16.0A] - juris Rn. 5 f.; OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. Februar 2018 - 1 B 12/18 - Blutalkohol 2018, 318 ≪319≫).
Rz. 26
aa) Die Rechtfertigung dafür, auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV von fehlender Fahreignung des Betroffenen auszugehen, liegt darin, dass er sich dadurch, dass er einer zu Recht an ihn gerichteten Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde nicht nachgekommen ist, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, seiner Obliegenheit entzogen hat, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 - 7 C 26.83 - BVerwGE 71, 93 ≪96≫). Diese Obliegenheit folgt daraus, dass der Betroffene durch eine oder mehrere Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr oder sonstige in seiner Person liegende Ursachen, etwa gesundheitliche Beeinträchtigungen (vgl. dazu die Anlagen 4 und 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung), den Grund für Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und/oder fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen gelegt hat. Die nach §§ 11 ff. FeV gebotene Aufklärung solcher Eignungszweifel ist nur möglich, wenn der Betroffene hieran mitwirkt, sich also auch einer zu Recht von der Fahrerlaubnisbehörde von ihm geforderten ärztlichen Untersuchung oder medizinisch-psychologischen Begutachtung unterzieht. § 11 Abs. 8 FeV ist insoweit letztlich ein in normative Form gebrachter Beweiswürdigungsgrundsatz.
Rz. 27
bb) Weder dem Straßenverkehrsgesetz noch der Fahrerlaubnis-Verordnung ist der Wille des Normgebers zu entnehmen, dass sich die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV mit der dort vorgesehenen Anknüpfung der Annahme fehlender Fahreignung an die nicht fristgerechte Beibringung eines rechtmäßig geforderten Gutachtens auch gegenüber einem gesetzlichen Verwertungsverbot durchsetzen soll. § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG, der bestimmt, dass die Tat und die Entscheidung der betroffenen Person für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn eine Eintragung im Fahreignungsregister gelöscht ist, enthält keine Ausnahme mit Blick auf die § 11 Abs. 8 FeV zugrundeliegende Anknüpfung für die Annahme fehlender Fahreignung. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats enthält § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG ein absolutes Verwertungsverbot, das etwa auch das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG überlagert und begrenzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 - 3 C 14.19 - NJW 2020, 2974 Rn. 20 ff.). Das gilt gleichermaßen für die Regelung des § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG. Sie hat - wie gezeigt - aufgrund der in den Nummern 1 und 2 angeordneten Verwertungsbeschränkungen zur Folge, dass die Eintragung des gegen den Kläger ergangenen Strafbefehls bereits nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist entspricht, nicht mehr zur Beurteilung seiner Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge herangezogen werden darf, also auch unabhängig davon, dass eine Löschung noch nicht erfolgt ist, da in Bezug auf die Beurteilung seiner Eignung zum Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge für diese Eintragung eine zehnjährige Tilgungsfrist gilt. Der gleiche Befund ergibt sich in Bezug auf § 29 Abs. 8 Satz 1 und 2 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden alten Fassung, der - wie gezeigt - für Alteintragungen wie die im Falle des Klägers zur Anwendung kommt. Auch dort wird keine Ausnahme von dem in § 29 Abs. 8 StVG a.F. angeordneten Verwertungsverbot in Bezug auf § 11 Abs. 8 FeV gemacht.
Rz. 28
Wenn aber die Registereintragungen zur Anlasstat und ihrer strafgerichtlichen Ahndung nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden dürfen, ist nicht ersichtlich, warum für die aufgrund dieser Tat angeordnete Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens etwas Anderes gelten soll. Vielmehr wäre auch mit dem Rückgriff auf § 11 Abs. 8 FeV letztlich eine Verwertung der Tat zum Nachteil des Betroffenen verbunden, die § 29 Abs. 7 Satz 1 und 2 StVG und ebenso die Vorgängerregelungen aber gerade verbieten.
Rz. 29
cc) Dafür, dass der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens beim Bestehen eines Verwertungsverbots in Bezug auf die zur Anlasstat gespeicherte Registereintragung keine gegenüber der Anlasstat eigenständige Bedeutung zukommt, spricht überdies die rechtliche Einordnung dieser Aufforderung. Sie ist lediglich eine, der eigentlichen Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde vorausgehende und sie vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 17 m.w.N.). Zugleich findet - wie § 28 Abs. 3 StVG mit seinem Katalog der im Fahreignungsregister zu speichernden Eintragungen zu entnehmen ist - die Weigerung des Betroffenen, ein von der Fahrerlaubnisbehörde gefordertes Fahreignungsgutachten beizubringen, im Fahreignungsregister keinen eigenständigen Niederschlag. Gleiches galt, wie § 28 Abs. 3 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden Fassung zeigt, auch für das Verkehrszentralregister. Eingetragen wird und wurde in das Register vielmehr lediglich die aus der Nichtbeibringung des Gutachtens von der Fahrerlaubnisbehörde gezogene rechtliche Konsequenz in Gestalt eines Verbotes oder einer Beschränkung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 4 StVG) und/oder einer entsprechenden Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 6 StVG), soweit sie unanfechtbar oder für sofort vollziehbar erklärt wurden.
Rz. 30
dd) Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das Unterbleiben eines Rückgriffs auf § 11 Abs. 8 FeV zu einem Wertungswiderspruch gegenüber Betroffenen führe, die einer berechtigten Gutachtensaufforderung nachgekommen seien und ein negatives medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hätten. Zwar trifft es zu, dass nicht anders als die Entziehung einer Fahrerlaubnis auch die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf die Feststellung der alkoholbedingten Nichteignung in einem vorgelegten negativen Gutachten hätte gestützt werden dürfen, ohne dass dem die spätere Tilgung oder ein sonstiges Verwertungsverbot in Bezug auf die Anlasstat hätte entgegengehalten werden können. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Verwertbarkeit eines beigebrachten Gutachtens nicht davon abhängt, ob die behördliche Anordnung zu Recht erfolgt ist. Hat der Betroffene das von ihm geforderte Gutachten vorgelegt, hat sich dadurch die Anordnung in der Weise erledigt, dass vonseiten der Behörde rechtswidrig erlangten Erkenntnissen nicht mehr gesprochen werden kann. Zudem schafft das Ergebnis des Gutachtens eine neue Tatsache, die selbstständige Bedeutung hat. Einem Verwertungsverbot steht schließlich auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Führern von Fahrzeugen geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 Rn. 19 m.w.N.). Gestützt ist die Annahme fehlender Fahreignung nach der Vorlage eines negativen Gutachtens auf eine sachverständige Äußerung und Prognose zum zukünftigen Verhalten des Betroffenen, die auf dessen Untersuchung und psychologische Exploration zurückgehen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 32.07 - BVerwGE 131, 163 Rn. 19 ff.). Dagegen beruht im Falle des § 11 Abs. 8 FeV die Annahme fehlender Fahreignung allein auf dem Umstand, dass der Betroffene einer rechtmäßigen Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens nicht nachgekommen ist, und damit auf dessen mangelnder Mitwirkung an der Aufklärung berechtigter Eignungszweifel. Darin liegt, ungeachtet der in § 11 Abs. 8 FeV angeordneten Rechtsfolge, eine deutlich schmalere Tatsachengrundlage als bei einem negativen Fahreignungsgutachten.
Rz. 31
ee) Schließlich würde es der Systematik des § 2 Abs. 9 StVG widersprechen, käme über § 11 Abs. 8 FeV der Weigerung des Betroffenen, einer berechtigten Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachzukommen, ein Gewicht zu, das auch ein gesetzliches Verwertungsverbot in Bezug auf die Eintragung der Anlasstat und der sie ahndenden strafgerichtlichen Entscheidung im Fahreignungsregister überwindet. Gemäß § 2 Abs. 9 Satz 1 StVG dürfen die Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse - gemeint sind die nach den Absätzen 7 und 8 von der Fahrerlaubnisbehörde unter anderem mit Blick auf die Erteilung, Verlängerung oder Änderung einer Fahrerlaubnis einzuholenden Unterlagen - nur zur Feststellung oder Überprüfung der Eignung oder Befähigung verwendet werden. Sie sind nach § 2 Abs. 9 Satz 2 StVG spätestens nach zehn Jahren zu vernichten, es sei denn, mit ihnen in Zusammenhang stehende Eintragungen im Fahreignungsregister oder im Zentralen Fahrerlaubnisregister sind nach den Bestimmungen für diese Register zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt zu tilgen oder zu löschen. Eine entsprechende Regelung für die Anordnung, ein Fahreignungsgutachten beizubringen, enthält das Gesetz nicht. Auch die Berechtigung der Behörde, gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen zu schließen, muss aber zeitlich begrenzt sein. Sie erhält eine solche Begrenzung durch die Vorschriften über die Tilgung und Verwertbarkeit der in das Fahreignungsregister einzutragenden Entscheidungen über die Anlasstat. Auch aus diesem Grund kann die Nichtbeibringung des Gutachtens keine gegenüber der Anlasstat eigenständige Bedeutung für die Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen haben. Zudem ist kein überzeugender Grund dafür zu erkennen, weshalb der Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens ein höheres eigenständiges Gewicht zukommen sollte als dem Gutachten selbst.
Rz. 32
c) Der Verwaltungsgerichtshof hat offengelassen, ob die Untersagung außerdem deshalb rechtswidrig ist, weil § 3 FeV in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage findet (UA Rn. 22). Auch aus Sicht des erkennenden Senats ist das nicht zweifelsfrei; doch bedarf diese Frage, da sie nicht entscheidungserheblich ist, auch in der Revision keiner abschließenden Entscheidung.
Rz. 33
aa) Die Beklagte hat die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV und die wegen der Nichtvorlage anschließend erfolgte Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf § 3 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV gestützt.
Rz. 34
§ 3 FeV bedarf für den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, der mit jeder der beiden Maßnahmen verbunden ist (vgl. zum Eingriff durch die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht: BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 - BVerfGE 89, 69 ≪84≫), einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung, die den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Dem Gesetzgeber wird damit aufgegeben, die Tendenz und das Programm der Rechtsverordnung so weit zu umreißen, dass deren Zweck und möglicher Inhalt feststehen. Dabei genügt, dass sie sich mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1991 - 1 BvR 1469/86 - BVerfGE 85, 97 ≪104 f.≫).
Rz. 35
bb) Dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG diesen Anforderungen genügt, ist keineswegs eindeutig (zweifelnd auch Rebler/Müller, DAR 2014, 690 ≪695≫; die Verfassungskonformität der Regelung dagegen bejahend: OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2008 - 12 ME 35/08 - NJW 2008, 2059 und OVG Münster, Beschluss vom 23. April 2015 - 16 E 208/15 - juris Rn. 4 ff.; offengelassen von Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 FeV Rn. 10).
Rz. 36
In § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG ermächtigt der Gesetzgeber das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zu erlassen über Maßnahmen, um die sichere Teilnahme sonstiger Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, sowie die Maßnahmen, wenn sie bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Klar ist zwar, dass "sonstige Personen" im Sinne dieser Regelung auch solche sind, die fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Straßenverkehr führen. Dagegen lässt sich näherer Aufschluss darüber, welche Maßnahmen aus Sicht des Gesetzgebers der Verordnungsgeber danach unter welchen Voraussetzungen vorsehen darf, weder dem Wortlaut dieser Regelung noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Indes sind für die Prüfung, ob eine Verordnungsermächtigung dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt ("im Gesetz"), nicht nur die Ermächtigungsnorm selbst und deren Begründung, sondern auch die weiteren Vorschriften des Gesetzeswerkes in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1991 - 1 BvR 1469/86 - BVerfGE 85, 97 ≪105≫). Dementsprechend kann daraus, dass gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 4 StVG im Fahreignungsregister auch Daten über unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, gespeichert werden, auch mit Blick auf Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entnommen werden, dass diese Maßnahmen aus Sicht des Gesetzgebers zu denen gehören, deren Ausgestaltung er dem Verordnungsgeber über § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG eröffnen will. Denselben Schluss rechtfertigen § 29 Abs. 5 Satz 2 StVG, der den Beginn der Tilgungsfrist bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen regelt, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, sowie § 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StVG, wonach im örtlichen Fahrerlaubnisregister Daten über Verbote und Beschränkungen, ein Fahrzeug zu führen, gespeichert werden dürfen; auch hier wird vom Gesetzgeber die Möglichkeit solcher Maßnahmen vorausgesetzt.
Rz. 37
An vergleichbaren Anknüpfungspunkten im Straßenverkehrsgesetz fehlt es indes, was mögliche Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und die Maßnahmen angeht, die von der Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung von Eignungszweifeln zu treffen sind oder im Ermessenswege getroffen werden können. Die Verordnungsermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG ist deutlich allgemeiner und zudem knapper gehalten als das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, q und r StVG in Bezug auf das Führen von Kraftfahrzeugen der Fall ist. In diesen Bestimmungen hat der Gesetzgeber den Verordnungsgeber zur Regelung der Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die Beurteilung der Eignung durch Gutachten sowie die Feststellung und Überprüfung der Eignung durch die Fahrerlaubnisbehörde nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4, 7 und 8 StVG (Buchst. c) sowie zur Regelung der Maßnahmen bei bedingt geeigneten oder ungeeigneten oder bei nicht befähigten Fahrerlaubnisinhabern nach § 3 Abs. 1 StVG ermächtigt (Buchst. q). Darüber hinaus erteilt der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. r StVG die Befugnis, im Verordnungswege Regelungen zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht zu treffen. Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber in Bezug auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge anders als das aufgrund von § 2 StVG hinsichtlich des Führens von Kraftfahrzeugen der Fall ist, nicht an eine gesetzliche Regelung und Eingriffsgrundlage anknüpfen kann, die - wenn auch nur in recht allgemeiner Form - selbst Vorgaben für die Eignung und Befähigung zum Führen solcher Fahrzeuge (vgl. § 2 Abs. 4 und 5 StVG) und zur Anordnung der Beibringung von Gutachten bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung zum Führen (vgl. § 2 Abs. 8 StVG) enthält. Ebenso fehlt es für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an vergleichbaren Regelungen wie denen des § 3 StVG zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung oder Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das Straßenverkehrsgesetz regelt schließlich nicht - auch nicht im Wege einer Verordnungsermächtigung (vgl. § 3 Abs. 7 StVG) - für welche Dauer das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verboten werden darf und/oder unter welchen Voraussetzungen ein solches Verbot wieder aufzuheben ist.
Rz. 38
cc) Näherer Überprüfung bedürfte aus Sicht des erkennenden Senats zudem, inwieweit es mit Blick auf das gegenüber Kraftfahrzeugen in der Regel geringere Gefährdungspotenzial des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar ist, wenn § 3 Abs. 2 FeV für die Klärung von Eignungszweifeln ohne weitere Differenzierung umfassend auf die strengen Anforderungen der §§ 11 ff. FeV verweist, die auf die Prüfung der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgerichtet sind. Aufgeworfen ist damit zugleich die Frage, inwieweit bestehenden Unterschieden im Rahmen der vorgegebenen entsprechenden Anwendung der §§ 11 ff. FeV Rechnung getragen werden kann und, ob und inwieweit die §§ 11 ff. FeV auch im Verfahren zur Aufhebung eines Verbots, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, anzuwenden sind.
Rz. 39
dd) Eine Gesamtschau ergibt: Das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung regeln das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, nur punktuell. Die vorhandenen Regelungen werfen eine Reihe von Auslegungsfragen auf, auch solche des Verfassungsrechts. Aus Sicht des Senats sind in erster Linie der Gesetz- und der Verordnungsgeber berufen, für Klarheit zu sorgen. Die Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, insbesondere mit dem Fahrrad, kann für die private Lebensgestaltung des Einzelnen von erheblicher Bedeutung sein.
Rz. 40
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstellen
BVerwGE 2021, 1 |
DÖV 2021, 603 |
DAR 2021, 465 |
JZ 2021, 310 |
VR 2021, 252 |
ZfS 2021, 360 |
DVBl. 2021, 3 |
DV 2021, 109 |
KommJur 2021, 228 |
FSt 2021, 471 |
GSZ 2021, 9 |
Polizei 2021, 312 |