Entscheidungsstichwort (Thema)
Arztwerbung. Praxisschild. Akupunktur. Werbeverbot für Ärzte. Hinweis auf Akupunktur auf Praxisschild
Leitsatz (amtlich)
Das in der Berufsordnung einer Ärztekammer ausgesprochene Verbot, auf dem Praxisschild des Arztes auf die von ihm angewandte Akupunktur hinzuweisen, ist jedenfalls dann mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) unvereinbar, wenn durch einen Zusatz klargestellt wird, dass es sich nicht um eine von der Ärztekammer verliehene Qualifikation handelt.
Normenkette
GG Art. 12; HKG § 33 Abs. 2; BO Ärztekammer Nds. § 27; Kapitel D I Nr. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 04.11.1999; Aktenzeichen 8 L 1821/99) |
VG Braunschweig (Entscheidung vom 25.11.1998; Aktenzeichen 1 A 1042/96) |
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage die Berechtigung des Klägers zum Gegenstand hatte, im Briefkopf auf das Tätigkeitsgebiet Akupunktur hinzuweisen.
Insoweit sind das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 25. November 1998 und das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. November 1999 unwirksam.
Im Übrigen wird auf die Revision des Klägers das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. November 1999 geändert.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 25. November 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob der klagende Arzt auf seinem Praxisschild auf die von ihm angewandte Behandlungsmethode der Akupunktur mit dem Zusatz hinweisen darf, es handele sich dabei nicht um eine Gebiets- oder Zusatzbezeichnung nach § 34 des Kammergestzes für Heilberufe. Die zunächst ebenfalls streitige Frage der Zulässigkeit eines entsprechenden Hinweises im Briefkopf ist während des Revisionsverfahrens durch Änderung der Berufsordnung der Beklagten zugunsten des Klägers entschieden worden.
Der Kläger betreibt in Braunschweig eine Privatpraxis als niedergelassener Arzt. Er führt die in der Weiterbildungsordnung der Beklagten geregelte Zusatzbezeichnung „Homöopathie”. Er ist im Besitz des A-Diploms und des B-Diploms der Deutschen Akademie für Akupunktur und Aurikulo-Medizin. Seit 1984 bietet er Akupunktur als ärztliche Leistung an. Nach eigenen Angaben führt er seit 1986 den Hinweis „Akupunktur” auf seinem Praxisschild.
Nachdem die Beklagte im Frühjahr 1995 von der Gestaltung des Praxisschildes Kenntnis erhalten hatte, forderte sie den Kläger mehrfach schriftlich auf, die Benutzung des Zusatzes „Akupunktur” auf dem Praxisschild und im Briefkopf seiner Praxis zu unterlassen. Zugleich drohte sie die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens an.
Daraufhin hat der Kläger im März 1996 Klage auf Feststellung erhoben, dass er berechtigt sei, auf seinem Praxisschild und in seinem Briefkopf die Bezeichnung „Akupunktur” mit dem zusätzlichen Hinweis zu führen: „Diese Bezeichnung ist keine Gebiets- oder Zusatzbezeichnung nach § 34 des Kammergesetzes für die Heilberufe.” Hilfsweise hat er die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die Bezeichnung „Akupunktur” als Zusatzbezeichnung nach § 34 des Kammergesetzes festzulegen. Dazu hat er vorgetragen, er habe das Recht, die umstrittene Bezeichnung zu führen. Die Akupunktur stelle inzwischen eine etablierte Therapiemethode dar. Sie werde an Universitätskliniken angewandt und habe Eingang in die Gebührenordnung gefunden. Er selbst verwende etwa die Hälfte seiner beruflichen Tätigkeit auf Anwendungen im Bereich der Akupunktur. Die Information „Akupunktur” sei zweckmäßig, um Patienten möglichst rasch und zuverlässig zu informieren, wo sie mit dieser Methode behandelt werden könnten. Eine Irreführung der Patienten trete dadurch nicht ein.
Die Beklagte hat das Recht des Klägers, auf dem Praxisschild und im Briefkopf auf die von ihm angewandte Akupunktur hinzuweisen, bestritten. Die geltende Berufsordnung erlaube nur die Führung von Zusatzbezeichnungen, die auf einer Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung beruhten. In der Weiterbildungsordnung der Beklagten sei indessen der Bereich „Akupunktur” bisher nicht enthalten. Die Sicherheit der Patienten lasse es nicht zu, dass die Ärzte auf dem Praxisschild auf selbst gewählte Schwerpunkte und von ihnen angewandte Behandlungsmethoden hinwiesen. Durch solche Hinweise werde den heilungsuchenden Patienten vorgespiegelt, der Arzt verfüge über eine zusätzliche Qualifikation, die er indessen nicht in einem objektiven Verfahren nach der Weiterbildungsordnung erworben habe. Der im Klagebegehren enthaltene weitere Zusatz sei nicht geeignet, diese Wirkung auszuräumen, weil das interessierte Publikum die Bedeutung eines derartigen Hinweises nicht zutreffend erkennen könne.
Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag mit Urteil vom 25. November 1998 stattgegeben. Dazu hat es ausgeführt, das ärztliche Berufsrecht verbiete den vom Kläger in Anspruch genommenen Hinweis nicht. Zwar enthalte die Berufungsordnung der Beklagten ein generelles Werbeverbot. Es sei aber höchstrichterlich geklärt, dass solche Regelungen im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit nur berufswidrige Werbung ausschließen könnten. Die streitige Zusatzbezeichnung „Akupunktur” stelle mit dem im Antrag enthaltenen Ergänzungstext eine sachangemessene Information des heilungsuchenden Publikums dar. Die Behandlungsmethode der Akupunktur sei inzwischen weithin anerkannt. Der Kläger sei auf diesem Gebiet nicht nur gelegentlich tätig und überdies hinreichend qualifiziert.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil durch Urteil vom 4. November 1999 geändert und die Klage als unbegründet abgewiesen. Es hat ausgeführt, dem Begehren des Klägers stünden § 27 Abs. 1 sowie Abschnitt D Nrn. 2 und 4 der Berufsordnung der Beklagten (BO) entgegen. Diese Regelung, die in gleicher Weise für Praxisschilder und Briefköpfe gelte, finde ihre gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 33 Abs. 2 Nrn. 3 und 8 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) vom 19. Juni 1996 (Nds. GVBl S. 259). Nach den genannten Bestimmungen beschränke sich die Möglichkeit zur Führung von Arztbezeichnungen und zur Ankündigung von Behandlungsmethoden auf die nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten vom 1. Oktober 1997 eingeführten Facharzt-, Schwerpunkt- und Zusatzbezeichnungen sowie auf die in Abschnitt D Nr. 2 Absätze 2 bis 9 BO geregelten weiteren Angaben. Zu diesen Bezeichnungen oder Angaben gehöre die Akupunktur nicht.
An diesem Ergebnis ändere sich nichts, wenn man die Berufsordnung im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit dahin interpretiere, dass sie die Führung „weiterer Angaben” neben der Qualifikation des Klägers auf dem Praxisschild und auf den Briefköpfen erlaube. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sei nämlich anerkannt, dass eine informierende Werbung seitens der zuständigen Ärztekammer dann verhindert werden dürfe, wenn sie den Laien mehr verwirre als aufkläre. Ankündigungen auf dem Praxisschild oder auf den Briefbögen von Ärzten stellten danach berufswidrige Werbung dar, wenn sie im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln bei dem heilungsuchenden Publikum zu Irrtümern führen könnten und auf diese Weise einen unzulässigen kommerziellen Werbeschwerpunkt hervorriefen. Nach diesen Maßstäben erweise sich der vom Kläger gewünschte Ankündigungszusatz objektiv nicht nur als informierender Hinweis mit begleitender aber nachrangiger Werbewirkung, sondern als anlockende Werbung. Akupunktur sei eine Behandlungsmethode, die sowohl von Ärzten als auch von Heilpraktikern angewandt werden dürfe. Auch ein Arzt, der auf eine entsprechende Ankündigung verzichte, dürfe sie anwenden. Angesichts dessen führe die besondere Ankündigung „Akupunktur” sowohl auf den Briefköpfen als auch auf dem Praxisschild bei den Adressaten zu dem Eindruck, der diese Behandlungsmethode anzeigende Arzt verfüge über eine zusätzliche heilkundliche Qualifikation, die anderen Ärzten fehle. Damit erweise sich die Ankündigung als gezielte Werbung, die bei unbefangener Betrachtung objektiv nur kommerzielle Bedeutung haben könne.
Darüber hinaus führe die Ankündigung zu Irritationen beim heilungsuchenden Publikum. Sie könne beim Laien einen Irrtum darüber hervorrufen, dass der werbende Arzt wie etwa ein Arzt mit den Zusatzbezeichnungen „Homöopathie” oder „Naturheilverfahren” eine förmliche Weiterbildung mit einer Abschlussprüfung bei der zuständigen Ärztekammer abgelegt habe. Erst recht könne eine solche Irritation hervorgerufen werden, wenn ein Arzt mit der Behandlungsmethode „Akupunktur” in Verbindung mit dem im erstinstanzlichen Urteil gebilligten Zusatz werbe; der Verweis auf § 34 HKG sei für den unbefangenen Laien nicht nachvollziehbar.
Der Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet. Das Kammergesetz für die Heilberufe stelle es in das Ermessen der Beklagten, welche Gebietsbezeichnungen und Zusatzbezeichnungen in die Weiterbildungsordnung aufgenommen würden. Eine Aufnahme der Behandlungsmethode „Akupunktur” sei gegenwärtig zur angemessenen Versorgung der Bevölkerung weder unabweisbar noch dringend erforderlich. Allerdings sei eine spezifische Regelung dieses Weiterbildungsgebietes nachdrücklich wünschenswert.
Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit es sich auf das Praxisschild bezieht. Im Übrigen haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger trägt vor, das generelle Werbeverbot in der Berufsordnung sei schon aus formalen Gründen verfassungswidrig, weil nur der Gesetzgeber selbst ein solches Verbot erlassen könne. Einer Standesorganisation wie der Beklagten dürfe die Regelung dieses Gegenstandes nicht überlassen bleiben. Zudem verlange das Grundrecht der Berufsfreiheit, dass den Ärzten Werbung grundsätzlich erlaubt werde. In der modernen Gesellschaft sei Dienstleistung ohne Werbung auf Dauer unmöglich. Das Praxisschild sei traditionell das zentrale Werbemittel des Arztes. Deshalb müsse den Ärzten gestattet werden, auf dem Praxisschild bekannt zu geben, welche Behandlungen man in der Praxis erhalten könne. Insoweit bestehe ein dringendes Informationsbedürfnis der heilungsuchenden Bevölkerung und des die entsprechenden Leistungen anbietenden Arztes, weil die zunehmende Spezialisierung der Ärzte den in der Weiterbildungsordnung benannten Bezeichnungen weitgehend den Informationswert nehme.
Der Kläger bestreitet, dass durch den Zusatz „Akupunktur” ein Irrtum über eine besondere ärztliche Qualifikation hervorgerufen werden könne. Der durchschnittliche Betrachter verstehe den Hinweis ausschließlich dahin, dass in der Praxis Akupunktur angeboten werde. Schon der im Klageantrag enthaltene Zusatz schließe den Irrtum aus, dass es sich bei der Angabe um eine amtliche Bezeichnung handele.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, auch nach den mit Wirkung vom 1. März 2001 geänderten Bestimmungen der Berufungsordnung sei die streitige Angabe auf dem Praxisschild unzulässig. Das Praxisschild vermittele eine „aufgedrängte” Information, weil sie sich an jedermann richte ohne Rücksicht darauf, ob er heilungsbedürftig sei oder nicht. Der Zusatz „Akupunktur” stelle eine Blickfangwerbung dar, denn er erwecke beim heilungsuchenden Publikum den Eindruck, es handele sich bei der Akupunktur inzwischen um eine anerkannte Behandlungsmethode. Das treffe aber nicht zu. Für Kassenpatienten sei die Akupunktur nur bei bestimmten Indikationen und im Rahmen von Modellversuchen als Heilbehandlung anerkannt. Auch wenn der Kläger keine Kassenpatienten behandle, könne durch den Hinweis auf dem Praxisschild der Irrtum erweckt werden, Akupunktur sei möglicherweise eine auch durch die gesetzliche Krankenversicherung erstattungsfähige Therapieleistung.
Entscheidungsgründe
II.
1. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO einzustellen. Die vorinstanzlichen Urteile sind insoweit gemäß § 269 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 173 VwGO für unwirksam zu erklären.
2. Im Übrigen ist die Revision des Klägers begründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Kläger sei nicht berechtigt, auf seinem Praxisschild mit dem Zusatz auf die von ihm angewandte Heilmethode der Akupunktur hinzuweisen, es handele sich dabei nicht um eine Gebiets- oder Zusatzbezeichnung nach § 34 des Kammergesetzes für Heilberufe, verletzt Bundesrecht. Sie ist mit der grundrechtlichen Gewährleistung der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Dies führt zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils.
2.1. Die Verneinung des Rechts des Klägers, auf seinem Praxisschild den gewünschten Hinweis anzubringen, stellt einen Eingriff in das Recht auf freie Berufsausübung dar. Zur Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie schließt die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen ein, soweit sie auf die Förderung des beruflichen Erfolges gerichtet ist. Staatliche Maßnahmen, die geschäftliche oder berufliche Werbung beschränken, sind Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 – 1 BvR 744/88 u.a. – BVerfGE 94, 372, 389).
Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung bedürfen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Diese kann auch in einer untergesetzlichen Norm bestehen, soweit diese ihrerseits auf einem mit der Verfassung zu vereinbarenden Gesetz beruht.
2.2. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, der Kläger dürfe den Hinweis „Akupunktur” auf dem Praxisschild nicht verwenden, auf § 27 i.V.m. Kapitel D I Nr. 2 der Berufsordnung der Beklagten in der Fassung vom 16. Dezember 1997 gestützt. Während des Revisionsverfahrens sind diese Bestimmungen durch Satzung der Beklagten vom 4. Januar 2001 mit Wirkung vom 1. März 2001 geändert worden. Da das Begehren des Klägers auf die Feststellung zielt, jetzt und in Zukunft auf die von ihm angewandte Heilmethode der Akupunktur hinweisen zu dürfen, ist der Revisionsentscheidung die nunmehr geltende Fassung der Berufsordnung (BO) zugrunde zu legen. Die Tatsache, dass es sich dabei um Landesrecht handelt, hindert die Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht, da es insoweit an einer nach § 137 VwGO bindenden Entscheidung des Berufungsgerichts fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 – BVerwG 3 C 44.96 – BVerwGE 105, 362, 364).
In der hier maßgeblichen Fassung verbietet die Berufsordnung der Beklagten dem Kläger die Angabe „Akupunktur” auf dem Praxisschild. Zwar ist das in § 27 Abs. 1 Satz 1 BO a.F. enthaltene generelle Werbeverbot entfallen. Statt dessen enthält § 27 Abs. 1 Satz 1 BO nunmehr die Bestimmung, dass dem Arzt sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet sind. Hinsichtlich der Form, des Inhalts und des Umfangs von Praxisschildern, Anzeigen, Verzeichnissen, Patienteninformationen in Praxisräumen und öffentlich abrufbaren Arztinformationen in Computerkommunikationsnetzen sowie für die Ankündigung auf Briefbögen, Rezeptvordrucken, Stempeln und im sonstigen Schriftverkehr verweist § 27 Abs. 1 Satz 2 BO aber auf Kapitel D I Nr. 2 bis 6.
Kapitel D I Nr. 2 BO enthält detaillierte Vorschriften für die zulässigen Angaben auf einem Praxisschild. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass Absatz 12 das Führen von Zusätzen, die in den Absätzen 1 bis 11 nicht erlaubt sind, ausdrücklich untersagt. Die Vorschriften enthalten mithin eine abschließende Aufzählung der auf einem Praxisschild zulässigen Angaben.
Grundlegend ist die Vorschrift, dass der Arzt auf seinem Praxisschild seinen Namen und die Bezeichnung als Arzt oder eine Facharztbezeichnung nach der Weiterbildungsordnung anzugeben und Sprechstunden anzukündigen hat. Ergänzt wird dies durch die Bestimmung, dass die nach der Weiterbildungsordnung erworbenen Bezeichnungen nur in der nach der Weiterbildungsordnung zulässigen Form und nur dann geführt werden dürfen, wenn der Arzt die von weiterbildungsrechtlichen Qualifikationen umfassten Tätigkeiten nicht nur gelegentlich ausübt und das Kammergesetz für die Heilberufe eine Ankündigungsfähigkeit nicht ausschließt (Abs. 1). Hiernach ist der Arzt berechtigt, die von ihm erworbenen Bezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten auf dem Praxisschild anzugeben. In der Weiterbildungsordnung ist die Akupunktur aber weder unter den Gebieten und Schwerpunkten aufgeführt, die Gegenstand einer Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnung sein können, noch findet sie unter den Bereichen Erwähnung, für die eine Zusatzbezeichnung verliehen werden kann (§ 2 Abs. 1 und 2 WBO). Aus Kapitel D I Nr. 2 Abs. 1 BO lässt sich daher ein Recht, auf dem Praxisschild auf das Tätigkeitsfeld Akupunktur hinzuweisen, nicht herleiten.
Die Absätze 2 bis 11 der in Rede stehenden Regelung enthalten eine Reihe weiterer Angaben, die auf dem Praxisschild erscheinen dürfen. Dazu gehören die Zulassung zu den Krankenkassen ebenso wie die Tätigkeitsfelder „Dialyse”, „Hausärztliche Versorgung”, „Durchgangsarzt”, „Ambulante Operationen” oder auch „Belegarzt” unter Hinzufügung des Krankenhauses. Das Tätigkeitsfeld „Akupunktur” wird dagegen nicht genannt. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass § 27 Abs. 1 i.V.m. Kapitel D I Nr. 2 Abs. 12 BO den Hinweis auf Akupunktur auf dem Praxisschild verbietet.
2.3. Dieses Verbot ist nicht etwa wegen Fehlens einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage unwirksam. § 33 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) ermächtigt die Beklagte zum Erlass einer Berufsordnung, in der die Berufspflichten der Ärzte im Einzelnen geregelt werden. Nach § 33 Abs. 2 HKG kann die Berufsordnung insbesondere Bestimmungen enthalten über die Praxisankündigung (Nr. 3) und über das nach den Besonderheiten des jeweiligen Heilberufs erforderliche Ausmaß des Verbotes oder der Beschränkung der Werbung (Nr. 8). Welcher dieser beiden Kategorien das Praxisschild zuzuordnen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da jedenfalls außer Zweifel steht, dass der Gesetzgeber insoweit der Beklagten eine Regelungskompetenz eingeräumt hat.
Nicht zu folgen ist auch der Ansicht des Klägers, die Regelung der Außendarstellung der Ärzte in einer Satzung und damit in einer untergesetzlichen Norm verletze den aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip hergeleiteten Parlamentsvorbehalt. Er meint, solche Regelungen seien sowohl für die Ärzte selbst als auch für das heilungsuchende Publikum von so existenzieller Bedeutung, dass ihr Erlass nicht einer in Partikularinteressen befangenen Standesorganisation wie den Ärztekammern überlassen bleiben dürfe.
Diese Ansicht steht in offenkundigem Widerspruch zur gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts. Davon abzugehen besteht kein Anlass.
So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 19. November 1985 (– 1 BvR 934/82 – BVerfGE 71, 162, 172 f.) ausdrücklich das Recht der Ärztekammern anerkannt, auf der Grundlage einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung im Rahmen von Berufsordnungen Vorschriften über Werbemaßnahmen der verbandsangehörigen Ärzte zu erlassen. Dabei hat es die Kundgabe der Tätigkeit auf einem Praxisschild als Werbemaßnahme gewertet (a.a.O. S. 174). Daran hat es in einer Reihe von Senats- und Kammerentscheidungen festgehalten (vgl. Beschluss vom 11. Februar 1992 – 1 BvR 1531/90 – BVerfGE 85, 248, 257; Beschluss vom 22. Mai 1996 – 1 BvR 744/88 u.a. – BVerfGE 94, 372, 391 f.; Beschluss vom 15. Dezember 1993 – 1 BvR 410/88 – NJW 1994, 1591 f.). Dem ist der erkennende Senat gefolgt (vgl. Urteil vom 13. November 1997 – BVerwG 3 C 44.96 – BVerwGE 105, 362, 366 f.).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung von Werbeverboten im Wege autonomer Satzungen von Berufsverbänden damit gerechtfertigt, dass solche Verbote sich auf der untersten Eingriffsstufe des Art. 12 Abs. 1 GG bewegten (vgl. Beschluss vom 19. November 1985 a.a.O. S. 173). Dagegen sieht der Kläger die Frage, welche Angaben auf einem Praxisschild enthalten sein dürfen, als statusbildend an und vergleicht sie mit dem Gewicht einer Berufswahlentscheidung. Dies stellt indessen, was keiner weiteren Begründung bedarf, eine Verkennung der Verhältnisse dar.
2.4. Das Verbot der Angabe „Akupunktur” auf dem Praxisschild mit dem vom Kläger gewählten Zusatz verletzt aber deshalb Art. 12 GG, weil kein Gemeinwohlbelang erkennbar ist, der die in dem Verbot liegende Beschränkung der Berufsfreiheit rechtfertigen könnte. Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass das Schutzgut der Volksgesundheit es rechtfertigt, den Ärzten Werbebeschränkungen aufzuerlegen. Sie können einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vorbeugen und eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes verhindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 a.a.O. S. 366). Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der erkennende Senat jedoch auch ausgesprochen, dass für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben müsse (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 a.a.O. S. 367; BVerfG, Beschluss vom 21. April 1993 – 1 BvR 166/89 – NJW 1993, 2988 f.; Beschluss vom 4. Juli 2000 – 1 BvR 547/99 – NJW 2000, 2734, vgl. auch Jaeger AnwBl 2000, 475, 480).
Nach diesem Maßstab kann dem Kläger der Hinweis auf das Tätigkeitsfeld Akupunktur auf dem Praxisschild jedenfalls mit dem im Klagebegehren enthaltenen Zusatz, dass es sich nicht um eine Gebiets- oder Zusatzbezeichnung nach § 34 des Kammergesetzes für die Heilberufe handele, nicht verwehrt werden. Dieser Hinweis entspricht sowohl auf Seiten des Arztes als auch der heilungsuchenden Bevölkerung einem dringenden Informationsbedürfnis:
Die Akupunktur ist eine Behandlungsmethode, deren Anwendung Ärzten erlaubt ist. Das geht schon aus der Tatsache hervor, dass die Gebührenordnung für Ärzte die Akupunktur seit dem 1. Januar 1996 unter Nrn. 269 und 269 a als abrechnungsfähige Leistung aufführt. Es handelt sich aber um eine Behandlungsmethode, die nicht jeder Arzt beherrscht und anbietet. Der Arzt, bei dem diese Voraussetzungen vorliegen, hat daher – in der Regel – ein berechtigtes Interesse, das Publikum über sein spezifisches Leistungsspektrum zu informieren. Auf der anderen Seite besteht bei der heilungsuchenden Bevölkerung eine verbreitete Nachfrage nach dieser Heilmethode. Sie hat ein Recht darauf zu erfahren, bei welchen Ärzten sie ein entsprechendes Angebot finden kann (vgl. Jaeger a.a.O.). Es wäre unzumutbar zu verlangen, der Patient solle durch individuelle Nachfrage bei beliebigen Ärzten die entsprechende Klärung herbeiführen.
Im Prinzip hat die neu gefasste Berufsordnung der Beklagten dieses Informationsinteresse bereits anerkannt, indem sie etwa in elektronischen Kommunikationsmedien oder Branchenverzeichnissen entsprechende Hinweise zulässt. Es mag Gründe geben, die Selbstdarstellungsmöglichkeiten des Arztes auf dem Praxisschild stärker zu beschränken als es in den genannten Medien nunmehr der Fall ist. Das bedarf hier keiner Klärung. Jedenfalls schließen die bereits angesprochenen Besonderheiten der Akupunkturbehandlung es aus, dem Arzt einen entsprechenden Hinweis auf dem Praxisschild mit dem in Rede stehenden Zusatz zu verwehren. Das Praxisschild hat nach wie vor eine zentrale Bedeutung für die Schaffung des Erstkontakts zwischen Arzt und Patient. Es ist das erste Mittel, mit dem der Arzt der heilungsuchenden Bevölkerung seine Dienste anbietet. Es ist gleichzeitig für die Bevölkerung die einfachste und am leichtesten zugängliche Erkenntnisquelle, auf welchen Feldern sie von dem Arzt Hilfe erwarten kann. Das Verbot jeglichen Hinweises auf die Akupunkturbehandlung würde daher zu einem erheblichen Informationsdefizit führen.
Da der Kläger lediglich einen Hinweis in sachlicher Form beabsichtigt, wie es der üblichen Gestaltung von Praxisschildern entspricht, kommt der Maßnahme kein besonderer Werbeeffekt zu. Sie beschränkt sich auf das zur Information Notwendige und ist daher sachangemessen.
Nicht gefolgt werden kann schließlich der Auffassung des Berufungsgerichts, ein Hinweis auf die Akupunkturbehandlung sei irreführend. Es erscheint schon zweifelhaft, ob dies bei einem entsprechenden Hinweis ohne jeden Zusatz bejaht werden könnte. Die Annahme des Berufungsgerichts, mit den Angaben auf dem Praxisschild verbinde sich in der Bevölkerung die Vorstellung einer besonderen behördlich geprüften und anerkannten Qualifikation, trifft jedenfalls nach den nunmehr geltenden Bestimmungen der Berufsordnung nicht zu. Diese lässt auf dem Praxisschild verschiedene Hinweise auf ärztliche Tätigkeitsfelder zu, die nicht spezifisch Gegenstand einer Facharzt- oder sonstigen von einer Ärztekammer verliehenen Qualifikation sind. Das gilt etwa für den Hinweis „Dialyse” ebenso wie für „Hausärztliche Versorgung” oder auch „Belegarzt”.
Dem braucht hier aber nicht weiter nachgegangen zu werden, da der vom Kläger in sein Klagebegehren aufgenommene zusätzliche Hinweis, es handele sich nicht um eine Gebiets- oder Zusatzbezeichnung nach § 34 HKG, ohnehin jeden Irrtum ausschließt. Zwar mag dieser Zusatz weniger eingängig sein als der in der Berufsordnung für entsprechende Angaben im Briefkopf und im Stempel geforderte Satz, dass ihm nicht eine von einer Ärztekammer verliehene Qualifikation zugrunde liege. Der Zusatz weist aber unmissverständlich darauf hin, dass die Angabe „Akupunktur” eine andere Qualität hat als die auf dem Praxisschild im Übrigen enthaltenen Bezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2001 durch Dallügge Angestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BuW 2001, 784 |
DÖV 2002, 173 |
MedR 2002, 31 |
DVBl. 2001, 1371 |
AusR 2002, 116 |
AusR 2002, 168 |