Entscheidungsstichwort (Thema)
Arztwerbung. Praxisschild. Hinweisschild. ausgelagerte Praxisräume. Hinweis auf Apparateausstattung
Leitsatz (amtlich)
Es ist mit dem Grundrecht der freien Berufsausübung nicht vereinbar, Augenärzten, die in räumlicher Entfernung voneinander jeweils eine eigene Praxis betreiben und die Laserbehandlungen mittels gemeinsam angeschaffter Geräte in ausschließlich dafür bestimmten gemeinsamen Behandlungsräumen durchführen, die Anbringung eines Schildes zu untersagen, auf dem neben den Namen der beteiligten Ärzte deren jeweilige Telefonnummer und der Hinweis “Laserbehandlungsräume” angegeben ist.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte, Kap. D Abschn. I Nr. 2 Abs. 14
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 15.02.2002; Aktenzeichen 13 A 5128/00) |
VG Düsseldorf (Urteil vom 19.09.2000; Aktenzeichen 3 K 3890/99) |
Tenor
Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 2. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999, das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. September 2000 sowie das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 2002 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
I.
Der Kläger betreibt in D.… eine augenärztliche Praxis. Getrennt davon hat er im selben Haus zusammen mit drei weiteren Augenärzten Behandlungsräume eingerichtet, in denen Patienten von diesen Ärzten ausschließlich mittels gemeinsam angeschaffter Lasergeräte behandelt werden. Die Praxen der übrigen Ärzte befinden sich in anderen Ortsteilen bzw. Nachbarorten.
Nach Einrichtung der Laserbehandlungsräume brachten der Kläger und seine Kollegen an dem Gebäude unterhalb der beiden an verschiedenen Seiten des Hauses befestigten Praxisschilder des Klägers Schilder an, auf denen unter der Bezeichnung “Augenärzte” die Namen und die Telefonnummern der beteiligten Ärzte aufgeführt sind. Darunter befindet sich der Hinweis “Laserbehandlungsräume”.
Mit Ordnungsverfügung vom 2. Juli 1998 forderte die Beklagte den Kläger auf, von den Schildern die Beschriftung “Laserbehandlungsräume” und die Praxisrufnummern zu entfernen und eine nach der Berufsordnung zulässige Beschilderung anzubringen. Nach der Berufsordnung dürfe auf ausgelagerte Praxisräume nur durch Schilder hingewiesen werden, die außer dem Namen und der Arztbezeichnung den Hinweis “Untersuchungsräume” oder “Behandlungsräume” ohne weitere Zusätze enthielten. Auf den Widerspruch des Klägers änderte die Beklagte die Ordnungsverfügung durch Bescheid vom 6. Mai 1999 dahin ab, dass dem Kläger nur die Entfernung seiner eigenen Telefonnummer und des Zusatzes “Laserbehandlungsräume” aufgegeben wurde. Außerdem wurde die Anordnung aufgehoben, ein der Berufsordnung entsprechendes Schild anzubringen. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Ordnungsverfügung verletze ihn in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit. Die beanstandeten Angaben auf den Hinweisschildern dienten in sachgerechter und angemessener Weise der Information der Patienten der beteiligten Ärzte. Eine Irreführung gehe von ihnen nicht aus.
Die Beklagte hat die Ordnungsverfügung verteidigt. Sie hat vorgetragen, die ausgesprochenen Verbote seien notwendig, um zu verhindern, dass die Angaben auf Praxis- und Hinweisschildern zu Werbezwecken ausuferten. Ein berechtigtes Informationsinteresse der Patienten bestehe insoweit nicht. Die Kenntnis der Telefonnummern der jeweiligen Praxen könne dort durchaus mit Hilfe von Merkzetteln vermittelt werden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19. September 2000 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 15. Februar 2002 zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, bei den in Rede stehenden Behandlungsräumen handele es sich um ausgelagerte Praxisräume. Nach der hier maßgeblichen Fassung der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 14. November 1998 – BO – (MinBl NW 1999 S. 350) dürften solche Räume erforderlichenfalls mit einem Hinweisschild gekennzeichnet werden, welches ihren Namen, ihre Arztbezeichnung und den Hinweis “Untersuchungsräume” oder “Behandlungsräume” ohne weitere Zusätze enthalte. Das schließe sowohl die Angabe der Telefonnummern als auch den Zusatz “Laser …” vor dem Wort Behandlungsräume aus. Diesen Angaben komme werbender Charakter zu. Mittels der Rufnummern solle jedenfalls auch der als potentieller Patient in Betracht kommende Bürger angesprochen und zu einem telefonischen Kontakt mit der jeweiligen Arztpraxis veranlasst werden. Demselben Zweck diene der Wortteil “Laser…”. Es handele sich um eine berufswidrige Werbung, deren Verbot mit Art. 12 GG vereinbar sei. Ein Bedürfnis für die beanstandeten Zusätze sei nicht erkennbar. Die auf den Schildern enthaltenen Angaben, insbesondere in ihrer Gesamtschau mit dem Praxisschild des Klägers und den Namen der Ärzte, den Rufnummern und dem Hinweis auf Laserbehandlungsräume könnten vielmehr beim durchschnittlich informierten Betrachter den irreführenden Eindruck erwecken, als würden die angegebenen Ärzte an diesem Standort ihre Praxen mit Sprechstunden für Patienten betreiben und könnten potentielle Patienten hier um eine augenärztliche Behandlung nachsuchen.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision hält der Kläger daran fest, die angefochtene Ordnungsverfügung führe zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung seines Grundrechts auf Berufsfreiheit.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei zu Recht aufgegeben worden, auf dem unter dem Praxisschild angebrachten Hinweisschild seine Telefonnummer und den Zusatz “Laser …” vor dem Wort Behandlungsräume zu entfernen, verletzt Bundesrecht. Sie ist mit der grundrechtlichen Gewährleistung der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist daher ebenso wie die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben.
Die Verneinung des Rechts des Klägers, auf seinem Praxisschild die gewünschten Hinweise anzubringen, stellt einen Eingriff in das Recht auf freie Berufsausübung dar. Zur Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie schließt die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen ein, soweit sie auf die Förderung des beruflichen Erfolges gerichtet ist. Staatliche Maßnahmen, die geschäftliche oder berufliche Werbung beschränken, sind Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 – 1 BvR 744/88 u.a. – BVerfGE 94, 372, 389).
Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung bedürfen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Diese kann auch in einer untergesetzlichen Norm bestehen, soweit diese ihrerseits auf einem mit der Verfassung zu vereinbarenden Gesetz beruht.
Das Berufungsgericht hat die Rechtsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung in § 6 Abs. 1 Nr. 6 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG) des Landes Nordrhein-Westfalen gesehen. Danach können die Ärztekammern belastende Verwaltungsakte zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände treffen. Die Berufsrechtswidrigkeit der dem Kläger untersagten Angaben hat die Vorinstanz aus Kap. D Abschn. I Nr. 2 Abs. 14 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte hergeleitet. Dort heißt es, dass Ärztinnen und Ärzte ausgelagerte Praxisräume mit Genehmigung der Ärztekammer erforderlichenfalls mit einem Hinweisschild kennzeichnen dürfen, welches ihren Namen, ihre Arztbezeichnung und den Hinweis “Untersuchungsräume” oder “Behandlungsräume” ohne weitere Zusätze enthält. Die Auslegung dieser landesrechtlichen Bestimmungen ist prinzipiell den Landesgerichten vorbehalten. Sie wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.
Das Verbot der Angabe der Telefonnummer und des Zusatzes “Laser …” vor dem Wort “Behandlungsräume” verletzt aber Art. 12 GG, weil kein Gemeinwohlbelang erkennbar ist, der die in dem Verbot liegende Beschränkung der Berufsfreiheit rechtfertigen könnte. Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass das Schutzgut der Volksgesundheit es rechtfertigt, den Ärzten Werbebeschränkungen aufzuerlegen. Sie können einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vorbeugen und eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes verhindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 – BVerwG 3 C 44.96 – BVerwGE 105, 362, 366 f.). Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der erkennende Senat jedoch auch ausgesprochen, dass für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben müsse (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. November 1997 a.a.O. S. 367 und vom 5. April 2001 – BVerwG 3 C 25.00 – Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 104; BVerfG, Beschluss vom 21. April 1993 – 1 BvR 166/89 – NJW 1993, 2988 f.; Beschluss vom 4. Juli 2000 – 1 BvR 547/99 – NJW 2000, 2734; vgl. auch Jaeger AnwBl 2000, 475, 480). Nach diesem Maßstab können dem Kläger die streitigen Angaben auf dem Hinweisschild nicht untersagt werden. Es handelt sich um sachangemessene Informationen, die – im Gegensatz zu den ihm von der Beklagten angesonnenen Angaben – keinerlei Irrtum erregen.
Im Hinblick auf die Telefonnummern der beteiligten Augenärzte ist schon nicht nachzuvollziehen, dass dieser Angabe überhaupt ein Werbeeffekt zukommen könnte. Da die Beklagte die Zulässigkeit des Hinweisschildes selbst nicht in Zweifel zieht, stellt sich die Nennung der jeweiligen Telefonnummern der Ärzte als eine völlig wertneutrale Sachinformation über den zu ihnen bestehenden Kommunikationsweg dar. Erst recht geht die Annahme des Berufungsgerichts fehl, diese Angabe könne irreführend sein, weil sie den Eindruck vermittle, die genannten Ärzte betrieben an dieser Stelle ihre Arztpraxis. Das Gegenteil ist der Fall. Die nach Vorwahl und Telefonnummer unterschiedlichen Angaben signalisieren vielmehr, dass die Ärzte an dieser Stelle nicht ihre eigentliche Praxis ausüben.
Überdies ist ein gewisses Bedürfnis für die Angabe der Telefonnummer anzuerkennen. Trifft der einbestellte Patient – aus welchen Gründen auch immer – den ihn behandelnden Arzt in den Behandlungsräumen nicht an, so gibt ihm die angegebene Rufnummer die Möglichkeit, durch Rückfrage bei der Praxis den Grund zu klären und ggf. einen neuen Termin auszumachen.
Der Zusatz “Laser …” kann zwar einen werbenden Gehalt haben, weil er auf die von den Ärzten in den ausgelagerten Praxisräumen eingesetzte Technik verweist. Es kann hier offen bleiben, ob für einen solchen Hinweis schon deshalb ein besonderes Informationsinteresse der Bevölkerung besteht, weil die Behandlung mit Lasergeräten nicht zu den üblichen Methoden der niedergelassenen Augenärzte gehört (vgl. Urteil vom 5. April 2001 – BVerwG 3 C 25.00 – a.a.O., “Akupunktur”). Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen; die Antwort auf diese Frage ist auch nicht allgemeinkundig. Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Der Zusatz beschränkt sich nämlich auf eine objektiv richtige und knappe Information. Er macht deutlich, dass in den fraglichen Räumen ausschließlich Laserbehandlungen stattfinden. Er beugt damit dem sonst nahe liegenden Irrtum vor, an dieser Stelle würden die vier beteiligten Ärzte ihre Praxis ausüben. Gerade die von der Beklagten in Übereinstimmung mit der Berufsordnung für richtig gehaltene Beschränkung auf die Angabe “Behandlungsräume” würde im Hinblick auf den allgemeinen Sprachgebrauch diesen Irrtum befördern.
Entgegen der Ansicht der Beklagten können für den Kläger nicht deshalb andere Maßstäbe gelten, weil er im selben Haus seine augenärztliche Praxis betreibt und darauf durch ein separates Praxisschild hinweist. Im Hinblick auf die ausgelagerten Praxisräume steht der Kläger in einer Reihe mit den drei anderen Beteiligten der Apparategemeinschaft. Eine unterschiedliche Behandlung auf dem streitigen Hinweisschild – etwa durch Weglassen allein seiner Telefonnummer – würde Verwirrung stiften und den Informationswert des Hinweisschildes mindern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Fundstellen
VR 2004, 358 |
DVBl. 2003, 729 |