Entscheidungsstichwort (Thema)
Planfeststellung. Bundesstraße. Unterbrechung einer Zufahrt. Ersatzzufahrt. angemessener Ersatz. Änderung einer Zufahrt. Lagevorteil. Ausbaustandard
Leitsatz (amtlich)
- Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zufahrt im Sinne von § 8a Abs. 1 Satz 2 FStrG “einem erheblich größeren oder einem andersartigen Verkehr” als bisher dienen soll, ist nicht auf die Nutzung des Grundstücks und seiner Baulichkeiten, sondern auf Menge, Art und Zusammensetzung des konkreten Zufahrtsverkehrs abzustellen.
- Ein “angemessener Ersatz” für eine geschlossene Zufahrt eines Grundstücks im Sinne von § 8a Abs. 4 Satz 1 FStrG liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Zufahrtsverkehr im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art ohne wesentliche Erschwernis technisch über eine Ersatzzufahrt abgewickelt werden kann.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1; FStrG §§ 8, 8a Abs. 1, 4, § 17 Abs. 1, § 19a; StVO § 18 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschuss des Beklagten vom 13. August 2002 für den Ausbau der Bundesstraße 112 (Lossow – Brieskow – Finkenheerd). Sie ist Eigentümerin eines außer Orts gelegenen Grundstücks, das bisher über eine Zufahrt zur unmittelbar angrenzenden Bundesstraße 112 erschlossen wird.
Das Grundstück wurde in den 1930er Jahren mit Lager- und Produktionsgebäuden bebaut, die später nach Erweiterung durch die VEB Möbelwerke Finkenheerd – auch für den Möbelverkauf – genutzt wurden. 1994 erwarb die Klägerin das Grundstück von der Finkenheerder Möbelwerke GmbH, die es nach der Deutschen Einigung von der Gemeinde Brieskow-Finkenheerd gekauft hatte. Die Klägerin schloss in der Folgezeit Mietverträge mit verschiedenen Gewerbetreibenden, zuletzt mit einem Möbelfachhandel, einer Tischlerei und einem Vogelzuchtbetrieb.
Die Planung des Vorhabenträgers sieht den Ausbau der Bundesstraße 112 zur dreispurigen Kraftfahrstraße vor. Die Zufahrt zum Grundstück der Klägerin soll geschlossen werden und die Anbindung zukünftig über einen ländlichen Weg erfolgen, der zunächst parallel zur B 112 verläuft und in einer Entfernung von ca. 1,75 km in die L 381 einmündet. Hierdurch verlängert sich die Anfahrt zum Grundstück der Klägerin auf der B 112 aus südlicher Richtung um ca. 3 km.
Im Anhörungsverfahren erhob die Klägerin Einwendungen und forderte, die direkte Zufahrt zur Bundesstraße zu belassen. Die vorgesehene Ersatzzuwegung sei für Anlieger, Lieferanten und Kunden mit einem erheblichen Umweg verbunden und führe, da bereits jetzt absehbar sei, dass die Gewerbeflächen nicht mehr vermietet werden könnten, zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen.
Im Planfeststellungsbeschluss wies der Beklagte die Einwendungen der Klägerin zurück. Eine Wiederanbindung des Gewerbegebiets an die B 112 komme wegen der besonderen Bedeutung dieser Bundesfernstraße (Ausbau als Kraftfahrstraße und Bestandteil des Blauen Netzes und der Oder-Lausitz-Straße) nicht in Betracht. Die Straße sei im Interesse der Aufnahme des regionalen und überregionalen Kraftfahrzeugverkehrs mit entsprechend hohem Schwerverkehrsanteil und damit zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und zur Erhöhung der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit als Kraftfahrstraße geplant, was gemäß § 18 Abs. 2 StVO sowie im Hinblick auf die geforderte Mindestgeschwindigkeit und die potentielle Verkehrsgefährdung Zufahrten zu einzelnen Gewerbegrundstücken ausschließe. Dem Problem der schwierigeren und umständlicheren Anfahrt könne durch eine entsprechende Beschilderung Rechnung getragen werden. Einen gesetzlichen Anspruch auf Beibehaltung der bisherigen Zufahrtsverhältnisse habe die Klägerin – auch auf der Grundlage der für sie günstigsten Annahme einer seit alters her unterwiderruflich bestehenden Zufahrt – nicht. Dasselbe gelte für eine Umwegentschädigung. Die Erschließung über den landwirtschaftlichen Weg garantiere eine ausreichende Verbindung zur Straße. Über weitergehende Ersatzansprüche könne im Planfeststellungsbeschluss nicht entschieden werden, weil die Klägerin hierzu keine detaillierten und nachvollziehbaren Angaben gemacht habe und sich eine Existenzvernichtung jedenfalls nicht aufdränge. Der vorgesehene Straßenquerschnitt des ländlichen Weges von 3,50 m zuzüglich jeweils 1 m Seitenstreifen sei im Hinblick auf die zu erwartende Verkehrsbelastung ausreichend. Es werde dem Vorhabenträger jedoch aufgegeben zu prüfen, ob im Hinblick auf den im Gewerbebetrieb ansässigen Tischlereibetrieb und den insoweit entstehenden Fahrzeugverkehr Ausweichstellen geschaffen werden müssten.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend: Die vorgesehene Zufahrtslösung stelle im Ergebnis einen enteignenden Eingriff dar, weil wegen des damit verbundenen unzumutbaren Umwegs die auf dem Grundstück befindlichen Betriebe teilweise ihre Existenzgrundlage verlören und das Grundstück mangels wirtschaftlich sinnvoller Nutzung bzw. Vermietbarkeit weitgehend entwertet werde. So habe der bisher ansässige Vogelzuchtbetrieb aufgrund der Planung seine Räumlichkeiten bereits aufgegeben. Die Schließung der Zufahrt sei nicht unvermeidlich. Planungsalternativen habe der Beklagte aufgrund der Vorfestlegung auf eine Kraftfahrstraße nicht hinreichend in das Planfeststellungsverfahren einbezogen. Sofern zumutbare Ersatzzufahrten nicht möglich seien, hätte dem Grunde nach über eine angemessene Entschädigung entschieden werden müssen. Von einer unerlaubten Sondernutzung könne im Zusammenhang mit der bisherigen Zufahrt angesichts der unveränderten Nutzung jedenfalls keine Rede sein. Der Nutzen einer nur 1,8 km langen Kraftfahrstraße sei zweifelhaft. Auch sei darauf hinzuweisen, dass in einem bereits dreispurig ausgebauten Teil der B 112 ein weiteres Gewerbegebiet bestehe, das nach wie vor über eine einfache Zufahrt von der Straße erreicht werden könne. Im Übrigen lasse der Planfeststellungsbeschluss eine substantiierte Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Verkehrssituation vor Ort vermissen. Das gelte auch für die geltend gemachte Existenzgefährdung.
Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2002 insoweit aufzuheben, als eine Zufahrt zur Bundesstraße 112 bei Baukilometer 2 + 920 nicht vorgesehen ist,
hilfsweise,
der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld für die Unterbrechung der bestehenden Grundstückszufahrt zu dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück Flurstück … Flur … der Gemarkung Frankfurt (Oder) und Flurstücke … und … Flur … der Gemarkung Brieskow-Finkenheerd zu zahlen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, den Anspruch der Klägerin auf eine angemessene Entschädigung in Geld für die Unterbrechung der bestehenden Grundstückszufahrt zu dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück dem Grunde nach in den Planfeststellungsbeschluss aufzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält den Planfeststellungsbeschluss für rechtmäßig. Die Frage der Existenzgefährdung sei in der Abwägung berücksichtigt worden; mangels geeigneten Vortrages und im Hinblick auf die vorgesehene Ersatzzuwegung sei jedoch nicht von einer tatsächlichen Existenzgefährdung auszugehen. Auch vor diesem Hintergrund könne nicht zugunsten der Aufrechterhaltung einer Zufahrt auf wesentliche Elemente einer Straßenplanung – hier: die Zweckbestimmung einer Kraftfahrstraße mit drei Fahrstreifen sowie erhöhter Grundgeschwindigkeit – verzichtet werden. Der Zweck der Baumaßnahme könne ohne Einordnung als Kraftfahrstraße nicht erreicht werden. Die Beibehaltung der Zufahrt, die schon heute eine erhebliche Gefahrenquelle darstelle, würde in besonderer Weise die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen. Es sei nicht zutreffend, dass bei einem Verzicht auf die Ausweisung als Kraftfahrstraße die Aufrechterhaltung der Zufahrt möglich sei. Der Ausweisung als Kraftfahrstraße stehe auch nicht die Länge von nur 1,8 km entgegen. Der Ausbau des Blauen Netzes erfolge in mehreren Bauabschnitten. Das Gesamtkonzept werde hierdurch nicht in Frage gestellt. Eine Entschädigungspflicht sei mangels Anspruchs auf Aufrechterhaltung der günstigen Grundstücksanbindung nicht gegeben. Die Ersatzzuwegung sei ausreichend. Zusätzliche Ausweichstellen seien, wie eine zwischenzeitlich erfolgte Prüfung durch den Straßenbaulastträger ergeben habe, nicht erforderlich. Die Beseitigung der von der Klägerin als Vergleichsfall bezeichneten Zufahrt zu einem weiteren Grundstück habe die zuständige Behörde nach der den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses widersprechenden Wiedereröffnung der Zufahrt zwischenzeitlich angeordnet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage hat mit Haupt- und Hilfsanträgen keinen Erfolg.
1. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Die Klägerin kann die begehrte Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht verlangen. Die Schließung ihrer Zufahrt zur B 112 ist rechtmäßig.
a) Soweit die Klägerin geltend macht, der Nutzen einer nur 1,8 km langen Kraftfahrstraße, deren Ausweisung der Beklagte unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) als Begründung für den Wegfall der Zufahrt anführt, sei zweifelhaft, rügt sie in der Sache das Fehlen der Planrechtfertigung des planfestgestellten Vorhabens. Dieser Einwand greift jedoch nicht durch: Zwar bedarf jeder planfestgestellte Straßenabschnitt einer eigenen Planrechtfertigung (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1.92 bis 11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 89 f.). Sie ist aber vor dem Hintergrund der Gesamtplanung zu sehen. Diese ist auf die schrittweise Errichtung eines “Blauen Netzes” leistungsfähiger Bundesstraßen zur Ergänzung der Bundesautobahnen in Brandenburg gerichtet, wodurch ein wesentlicher Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der einzelnen Regionen Brandenburgs geleistet werden soll. Die Erforderlichkeit und Realisierbarkeit eines solchen Netzes stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Die darüber hinaus erforderliche selbständige Verkehrsfunktion des planfestgestellten Teilstücks ist gegeben. Auch von einem etwaigen “Planungstorso” von 1,8 km Länge ginge wegen der baulichen Ausgestaltung als Kraftfahrstraße (vgl. § 18 Abs. 1, 2 StVO) jedenfalls ein spürbarer Beschleunigungseffekt aus.
b) Auch ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot des § 17 Abs. 1 Satz 2 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) liegt nicht vor. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Beibehaltung der Zufahrt noch erweist sich die Zufahrtsschließung aus anderen Gründen als abwägungsfehlerhaft.
aa) Eine gesetzliche Vorschrift, aus der die Klägerin einen Anspruch auf Beibehaltung ihrer bisherigen Zufahrt herleiten könnte, existiert nicht. Vielmehr ergibt sich aus der Regelung des § 8a Abs. 4 FStrG, dass kein Anspruch auf unveränderten Zugang zu einem Grundstück besteht, sondern lediglich auf eine Verbindung zum Wegenetz, die eine angemessene Nutzung des Grundeigentums ermöglicht. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber für die Anlieger von Bundesstraßen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) Inhalt und Schranken des Eigentums gesetzlich bestimmt, so dass ein Anspruch auf Beibehaltung der Zufahrt auch nicht unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 GG gestützt werden kann. Die über den aus § 8a Abs. 4 FStrG folgenden Anspruch auf eine Verbindung zum Wegenetz hinaus gehenden Interessen des Grundeigentümers sind, soweit sie nicht als geringfügig von vornherein nicht zu Buche schlagen, im Rahmen der Planfeststellung in die Abwägung einzustellen, können jedoch durch überwiegende Gemeinwohlbelange zurückgedrängt werden (vgl. zum Ganzen: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Mai 1999 – BVerwG 4 VR 7.99 – Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 11 m.w.N.).
Ein Anspruch der Klägerin auf Beibehaltung der bisherigen Zufahrt ergibt sich auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung. Der Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe an anderer Stelle vergleichbare Zufahrten gestattet, ist der Beklagte entgegengetreten und hat dargelegt, die fragliche Zufahrt sei nach den Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses ebenfalls zu schließen; ihre baubedingte Nutzung sei zwischenzeitlich unterbunden worden. Dieses einen Vergleichsfall ausschließende Vorbringen gibt dem Senat keinen Anlass zu weiteren Sachverhaltserforschungen, zumal die Klägerin seine Richtigkeit nicht in Frage gestellt hat.
bb) Die Schließung der Zufahrt der Klägerin zur B 112 erweist sich auch im Übrigen nicht als abwägungsfehlerhaft.
Zutreffend ist der Beklagte bei seiner Abwägung vom für die Klägerin günstigsten Fall einer “von alters her” bestehenden bzw. dem Gemeingebrauch unterliegenden Zufahrt ausgegangen. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 27. November 2002 (BVerwG 9 A 3.02 – Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 12) entschieden hat, dürfen Zufahrten, die – wie hier – an der freien Strecke einer Bundesstraße im Beitrittsgebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrages bereits vorhanden waren, weiterhin genutzt werden und genießen insoweit innerhalb der Grenzen des § 8a Abs. 4 bis 6 FStrG auch Bestandsschutz, sofern sie nicht im Sinne von § 8a Abs. 1 FStrG geändert werden. Eine Änderung aufgrund baulicher Maßnahmen hat hier unstreitig nicht stattgefunden. Eine Änderung hat sich auch nicht daraus ergeben, dass die Zufahrt gegenüber dem früheren Zustand einem erheblich größeren oder einem andersartigen Verkehr als bisher dient (vgl. § 8a Abs. 1 Satz 2 FStrG). Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin wurde das Grundstück zu DDR-Zeiten durch den VEB Möbelwerke Finkenheerd zum Zwecke der Möbelproduktion sowie für den Einzel- und Großhandel benutzt. Dass sich durch die Nutzung des Grundstücks durch den jetzt ansässigen “Möbelfachhandel” und die “Tischlerei” eine Änderung ergeben haben soll, ist nicht ersichtlich. Das gilt auch für den mittlerweile nicht mehr existenten Vogelzuchtbetrieb. Denn maßgeblich für das Vorliegen einer Änderung ist nicht die konkrete Nutzung des Grundstücks und seiner Baulichkeiten, sondern allein Menge, Art und Zusammensetzung des Zufahrtsverkehrs. Insoweit ist festzustellen, dass nach wie vor Lastwagenverkehr sowie Kundenverkehr stattfindet. Eine räumliche Ausdehnung des Gewerbegebiets, die sich auf die Verkehrsmenge hätte niederschlagen können, hat ersichtlich nicht stattgefunden. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass der Geschäftsbetrieb auf dem Gelände dauerhaft unterbrochen gewesen wäre. Dass eine Zunahme des Zufahrtsverkehrs entsprechend der allgemeinen Steigerung des Kraftfahrzeugverkehrs stattgefunden haben mag, ist jedenfalls unschädlich.
Wie der Hinweis des Planfeststellungsbeschlusses auf die zukünftigen Umwege und den schwierigeren und umständlicheren Kontakt nach außen zeigt, hat der Beklagte im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG auch das Interesse der Klägerin an verkehrsgünstiger, auch für Laufkundschaft attraktiver und mithin die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks nicht beschränkender Zufahrtsmöglichkeit gesehen. Er hat darüber hinaus mit dem Hinweis auf die teilweise Problemlösung durch eine entsprechende Anfahrtsbeschilderung eine zutreffende Gewichtung dieser Belange der Klägerin vorgenommen und die verbleibenden Beeinträchtigungen im Hinblick auf das § 18 Abs. 2 StVO zu entnehmende Verbot von Zufahrten auf Kraftfahrstraßen sowie auf die Bedeutung des planfestgestellten Straßenabschnittes für die Verwirklichung des “Blauen Netzes” hingenommen. Selbst wenn man Ausnahmegenehmigungen vom Verbot des § 18 Abs. 2 StVO für möglich hielte, würde sich die Entscheidung des Beklagten als tragfähig erweisen, weil er nicht allein auf ein uneingeschränktes Verbot des § 18 Abs. 2 StVO, sondern vielmehr nachvollziehbar auch auf die konkrete Situation (nicht unerheblicher Ziel- und Quellverkehr, der zu potentieller Verkehrsgefährdung mit möglicherweise schweren Auffahrunfällen führen könne) abgestellt hat, was eine Ausnahmegenehmigung jedenfalls ausschließt und auch im – vom Beklagten nicht erwogenen – Fall eines Verzichts auf die Ausweisung der Ausbaustrecke als Kraftfahrstraße nicht zu einer veränderten Abwägungslage geführt hätte (vgl. auch § 8a Abs. 6 FStrG).
2. Auch die Hilfsanträge, die wegen § 19a FStrG im vorliegenden Verfahren zulässigerweise nur auf eine Verpflichtung des Beklagten dem Grunde nach gerichtet sein können, eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, sind unbegründet. Der Klägerin steht ein solcher Anspruch nicht zu, weil der Beklagte für die Schließung ihrer Zufahrt einen angemessenen Ersatz im Sinne von § 8a Abs. 4 Satz 1 FStrG planfestgestellt hat, der eine (auch teilweise) Entschädigung ausschließt.
a) Die Auswahl einer konkreten Trasse als Ersatzlösung für eine geschlossene Zufahrt liegt im planerischen Ermessen der Planfeststellungsbehörde (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. November 2002 – BVerwG 9 A 3.02 – a.a.O.).
Der Beklagte hat sich für eine Lösung entschieden, die im Einklang mit § 18 Abs. 2 StVO einen unmittelbaren Zugang zur B 112 vermeidet und die Erschließung über einen auch zur Anbindung anderer Grundstücke erforderlichen, in die L 381 einmündenden ländlichen Weg ermöglicht. Das lässt Abwägungsfehler nicht erkennen. Alternativen zu dieser Lösung hat die Klägerin zwar behauptet, jedoch nicht näher dargelegt. Soweit ersichtlich handelt es sich um Varianten, die entweder die Anlegung zusätzlicher öffentlicher Straßen oder die Schaffung aufwändiger Kreuzungs- oder gar Brückenbauwerke voraussetzen, um die von der Klägerin erstrebte unmittelbare Anbindung an die B 112 zu erhalten. Sofern solche Lösungen überhaupt als für den Träger der Straßenbaulast “zumutbar” im Sinne von § 8a Abs. 4 Satz 1 FStrG bezeichnet werden können, drängt sich ihre Wahl angesichts der jedenfalls zu erwartenden Mehrkosten und der Belastung des planfestgestellten Streckenabschnitts mit einer den angestrebten Zielen der Beschleunigung und der Verkehrssicherheit entgegenstehenden Anschlussstelle jedenfalls nicht auf.
b) Anders als die Trassenwahl unterliegt die Frage, ob es sich bei der gewählten Zufahrtslösung um einen angemessenen Ersatz für die geschlossene Zufahrt im Sinne von § 8a Abs. 4 Satz 1 FStrG handelt, der vollen gerichtlichen Überprüfung (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. November 2002 – BVerwG 9 A 3.02 – a.a.O.). Diese ergibt, dass die planfestgestellte Anbindung des klägerischen Grundstücks nicht zu beanstanden ist.
Die Angemessenheit einer Ersatzzufahrt bestimmt sich nach der jeweiligen konkreten Situation. Entscheidend ist, ob eine angemessene Grundstücksnutzung weiterhin möglich bleibt. Angemessen ist nicht schon jede Nutzung, zu der das Grundstück Gelegenheit bietet. Maßgebend ist vielmehr, was aus dem Grundstück unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten als anerkennenswertes Bedürfnis hervorgeht (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Mai 1999 – BVerwG 4 VR 7.99 – a.a.O., m.w.N.). Deswegen ist auf Quantität und Qualität des Verkehrs abzustellen, der in rechtmäßiger Weise über die bisherige Zufahrt abgewickelt wurde. Er muss auch in Zukunft und ohne wesentliche Erschwernis technisch über die Ersatzzufahrt möglich sein. Hieraus sind Folgerungen für Ausbaustandard und Zufahrtslänge zu ziehen. Ob über die bisherige Zufahrt auch ein wesentlich anderer Verkehr hätte abgewickelt werden können, der auf der Ersatzzufahrt nicht mehr möglich ist, ist demgegenüber grundsätzlich ohne Belang, weil auf die Abwicklung eines derart veränderten Zufahrtsverkehrs schon auf der bisherigen Zufahrt kein Anspruch besteht (vgl. § 8a Abs. 1 Satz 2, § 8 FStrG). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Ersatzzufahrt dem Grundstück denselben oder zumindest einen vergleichbaren Lagevorteil wie bisher vermittelt. Denn aus § 8a FStrG lässt sich kein Anspruch auf den Fortbestand einer Verkehrsanbindung herleiten, die für eine bestimmte Grundstücksnutzung von besonderem Vorteil ist (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 VR 7.99 – a.a.O., m.w.N.). Diesem Umstand ist vielmehr – was hier, wie dargelegt, geschehen ist – ausschließlich, allerdings auch mit dem entsprechenden Gewicht und hieraus sich ergebenden etwaigen Konsequenzen für das Abwägungsergebnis, im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG Rechnung zu tragen.
Diesen Maßstäben wird die Ausgestaltung der planfestgestellten Ersatzzuwegung für das klägerische Grundstück gerecht. Es ist nach wie vor für den schon bisher bestehenden Liefer- und Kundenverkehr zu erreichen. Dass der in der unmittelbaren Verkehrsbeziehung zwischen Grundstück und B 112 bestehende Lagevorteil verloren geht und durch die angebotene Beschilderung zwar abwägungsfehlerfrei, aber wirtschaftlich nicht in vollem Umfang ausgeglichen wird, ist im Rahmen von § 8a Abs. 4 FStrG ohne Bedeutung.
Dasselbe gilt für die Verlängerung der Anfahrt zum klägerischen Grundstück. Denn es ist zu beachten, dass sich eine Wegeverlängerung nur bei Anfahrt über die B 112 aus südlicher Richtung (um ca. 3 km) ergibt. Aus nördlicher Richtung bleibt die Länge des Anfahrtsweges weitgehend gleich. Insofern ist die Situation einer Beschränkung der Zufahrt zu einem Grundstück auf eine Fahrtrichtung (z.B. durch Anlegung eines nicht zu überfahrenden Mittelstreifens) vergleichbar. Wie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber geklärt ist, berühren solche Einschränkungen den Schutzbereich von § 8a Abs. 4 FStrG von vornherein nicht (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Mai 1999 – BVerwG 4 VR 7.99 – a.a.O.). Auch für sich gesehen erreicht der (einseitige) Umweg von 3 km angesichts der hierfür aufzuwendenden geringen Fahrzeit keine Größenordnung, die die Unangemessenheit der Ersatzzuwegung begründen könnte.
Die Angemessenheit der Ersatzlösung wird schließlich auch durch den gewählten Ausbaustandard des ländlichen Wegs nicht in Frage gestellt. Wie der Beklagte nachvollziehbar und von der Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, reicht der Wegequerschnitt von 3,50 m zuzüglich zweier nicht asphaltierter, aber auch mit schweren Fahrzeugen ohne weiteres zu befahrenden Bankette von jeweils 1 m aus, um den zu erwartenden Verkehr aufzunehmen und auch einen sicheren Begegnungsverkehr zwischen Personen- und Lastkraftwagen sowie zwischen Lastkraftwagen abzuwickeln und mithin auch ohne besondere Ausweichstellen eine zügige Zu- und Abfahrt ohne Notwendigkeit des Rangierens zu ermöglichen.
c) Hat der Beklagte im Planfeststellungsbeschluss mithin “angemessenen Ersatz” im Sinne von § 8a Abs. 4 FStrG für die zu schließende Zufahrt zum Grundstück der Klägerin geschaffen, ist – wie sich schon aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift ergibt – kein Raum für eine Entschädigung in Geld. Der Klägerin steht es auch nicht frei, entgegen dem klaren gesetzlichen Rangverhältnis anstelle des Anspruchs auf angemessene Zufahrt eine angemessene Entschädigung in Geld zu verlangen (vgl. auch Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 8a, Rn. 31).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Dr. Eichberger
RiBVerwG Vallendar ist wegen Urlaubs gehindert, zu unterschreiben.
Hien
Fundstellen