Leitsatz (amtlich)
1. § 4 Satz 1 FStrG, wonach die Träger der Straßenbaulast dafür einzustehen haben, dass ihre Bauten allen Anforderungen an die Sicherheit und Ordnung genügen, gilt auch für Tank- und Rastanlagen, die als Nebenbetriebe nach § 1 Abs. 4 Nr. 5 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 FStrG zur Bundesfernstraße gehören. Er betrifft die Sicherheit der Bauwerke und der Baumaßnahmen zu ihrer Herstellung und Unterhaltung, nicht aber die im Interesse der Verkehrssicherheit liegende Einhaltung der Abstände zwischen den Rastanlagen nach den Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen (ERS 2011).
2. Bei den Abstandsregelungen der Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen handelt es sich nicht um strikt zu beachtende Rechtsnormen. Im Rahmen sachgerechter Abwägung kann von ihnen abgewichen werden.
3. Die Abwägungsgrundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht für die Auswahl zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Trassenvarianten entwickelt hat, sind auf alle Veränderungen des Wegenetzes übertragbar, die im Rahmen der Planfeststellung für eine planfeststellungsbedürftige Straße mitgeregelt werden (Fortführung von BVerwG, Urteil vom 22. November 2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 40).
Tatbestand
Rz. 1
Die klagende Gemeinde wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den 7. Bauabschnitt des Neubaus der Bundesautobahn A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg.
Rz. 2
Das planfestgestellte Vorhaben ist der südlichste Bauabschnitt einer 105 km langen Neubaustrecke der A 39, die die Lücke zwischen den Anschlussstellen Weyhausen und Lüneburg-Nord schließen soll und im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs enthalten ist. Der Bauabschnitt hat eine Länge von 14,2 km und reicht von der Anschlussstelle Weyhausen bei Bau-km 14+730 bis zur Anschlussstelle Ehra bei Bau-km 0+530. Von der Anschlussstelle Weyhausen aus führt die Trasse an Tappenbeck im Osten vorbei, kreuzt südlich von Jembke die Bundesstraße B 248, umfährt Jembke und das FFH-Gebiet "Vogelmoor" im Westen und führt zwischen Lessien und Ehra hindurch zur Anschlussstelle Ehra, die die A 39 mit der Landesstraße L 289 verbinden soll. L 289 und B 248, die sich bisher in der Ortslage von Ehra treffen, sollen zu diesem Zweck so verlegt werden, dass im Norden von Ehra eine Ortsumfahrung entsteht.
Rz. 3
Südlich von Jembke ist im Kreuzungsbereich von A 39 und B 248 eine Tank- und Rastanlage vorgesehen, die nur in ihrem westlich der Autobahn gelegenen Bereich bewirtschaftet werden und dort über 125 LKW- und 70 PKW-Stellplätze verfügen soll. Im nicht bewirtschafteten Bereich östlich der Autobahn sind weitere 50 LKW- und 20 PKW-Stellplätze geplant. Durch die Tank- und Rastanlage wird der Laijeweg teilweise überbaut. Von dem 6 967 m² großen Wegegrundstück Flurstück 29/1, Flur 16 der Gemarkung Jembke, das im Eigentum der Klägerin steht, sollen 2 705 m² zu diesem Zweck durch den Vorhabenträger erworben werden.
Rz. 4
Außerdem wird durch die Autobahntrasse der historische Kirchweg von Bokensdorf nach Jembke unterbrochen. Der Weg wird derzeit überwiegend von Fußgängern, Radfahrern und landwirtschaftlichen Fahrzeugen genutzt. Eine im Vorentwurf noch vorgesehene Unterführung ist in den festgestellten Planunterlagen nicht mehr enthalten. Die Autobahn kann künftig zwischen Bokensdorf und Jembke nur noch auf der Kreisstraße K 101 überquert werden, für die etwa 600 m nördlich des Kirchwegs eine Überführung über die A 39 geschaffen wird.
Rz. 5
Für den Neubau der A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg wurde ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, das mit der Landesplanerischen Feststellung vom 24. August 2007 endete. Die Linienbestimmung erfolgte mit Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 31. Oktober 2008.
Rz. 6
Die Planunterlagen lagen in der Zeit vom 23. Oktober 2014 bis zum 5. Dezember 2014 aus. Im Frühjahr 2017 wurde ein Planänderungsverfahren eingeleitet, nachdem insbesondere die Verkehrsuntersuchung aktualisiert und auf den Prognosehorizont 2030 fortgeschrieben worden war. Die geänderten Planunterlagen lagen in der Zeit vom 3. Mai 2017 bis zum 2. Juni 2017 aus. Die Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. April 2018 wurde durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt. Der Planfeststellungsbeschluss lag in der Zeit vom 14. Mai 2018 bis zum 28. Mai 2018 zur Einsichtnahme aus.
Rz. 7
Zur Begründung ihrer am 28. Juni 2018 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:
Rz. 8
Sie werde durch den Planfeststellungsbeschluss in ihrem Grundeigentum verletzt, weil das zugrunde liegende Rastanlagenkonzept bezüglich der Standortauswahl abwägungsfehlerhaft und die Inanspruchnahme ihres Wegegrundstücks daher rechtswidrig sei. Insbesondere widerspreche das Rastanlagenkonzept den Anforderungen der Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen für Rastanlagen an Straßen, Ausgabe 2011 (im Folgenden: ERS 2011). Auch habe es die Vorzugsvariante zu Unrecht am besten beurteilt. Darüber hinaus sei die Unterbrechung des Kirchwegs abwägungsfehlerhaft und verletze die Klägerin in ihrem Grundeigentum. Ferner sei der Neubau von L 289 und B 248 im Zusammenhang mit der Anschlussstelle Ehra zu Unrecht als notwendige Folgemaßnahme in das Planfeststellungsverfahren einbezogen worden. Außerdem macht die Klägerin Mängel der Umweltverträglichkeitsprüfung geltend.
Rz. 9
In der mündlichen Verhandlung vom 25./26. Juni 2019 hat die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss vom 30. April 2018 durch mehrere Protokollerklärungen geändert oder ergänzt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Rz. 10
Die Klägerin beantragt,
1. den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 30. April 2018 über den Neubau der Bundesautobahn A 39, 7. Bauabschnitt von Ehra bis Wolfsburg, in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung vom 25./26. Juni 2019 zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen aufzuheben,
2. hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,
3. weiter hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten,
a) den Planfeststellungsbeschluss um Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zu ergänzen, die zur Vermeidung von nachteiligen Wirkungen auf die Rechte der Klägerin erforderlich sind, und
b) den Planfeststellungsbeschluss um eine aufschiebende Bedingung mit dem Inhalt zu ergänzen, dass die planfestgestellte Tank- und Rastanlage erst nach dem Eintritt der Vollziehbarkeit des zeitlich letzten Abschnittes der geplanten sieben Abschnitte der A 39 errichtet und betrieben werden darf.
Rz. 11
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Rz. 12
Sie verteidigt den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss.
Entscheidungsgründe
Rz. 13
Die zulässige Klage (A) ist unbegründet (B).
Rz. 14
A. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Denn sie macht geltend, durch den Planfeststellungsbeschluss in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Planungshoheit, in ihrem Eigentumsrecht nach den §§ 903 ff. BGB und in ihrem Beteiligungsrecht nach Art. 6 Abs. 3 und 4 UVP-RL verletzt zu sein.
Rz. 15
Auf ihr privatrechtliches Grundstückseigentum kann sich die Klägerin dabei wie jeder andere Grundstückseigentümer im Rahmen des Abwägungsgebots nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG ungeachtet dessen berufen, dass sie als Hoheitsträgerin nicht den Schutz des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießt (BVerwG, Urteile vom 27. März 1992 - 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 ≪101 f.≫ und vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 22). Dies gilt auch, soweit ein gemeindliches Grundstück wie im Falle der hier betroffenen Wege öffentlichen Nutzungsinteressen dient (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 22).
Rz. 16
Soweit die Klägerin sich in Bezug auf die geltend gemachten Fehler im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeitsprüfung auf ihr Beteiligungsrecht aus Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen oder privaten Projekten (ABl. L 26 S. 1; im Folgenden: UVP-RL) beruft, ist eine Verletzung in ihren Rechten jedenfalls nicht von vornherein nach jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen.
Rz. 17
B. Die Klage ist sowohl mit dem Haupt- und ersten Hilfsantrag (I) als auch mit den weiteren Hilfsanträgen (II) unbegründet.
Rz. 18
I. Der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung vom 25. und 26. Juni 2019 zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen ist weder aufzuheben noch für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. Er ist rechtmäßig oder verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rz. 19
1. Soweit die Klägerin sich auf die formelle Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses beruft, hat die Klage keinen Erfolg.
Rz. 20
a) Sie wird nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die Beklagte den Neubau der L 289 und der B 248 im Bereich der Anschlussstelle Ehra nach § 17c FStrG in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwVfG als notwendige Folgemaßnahme in die Planfeststellung zu Unrecht einbezogen hat (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 -).
Rz. 21
Eine Verletzung der Klägerin in ihrer Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG scheidet aus, weil die betreffenden neuen Teilstrecken außerhalb ihres Gemeindegebiets liegen.
Rz. 22
Sie wird hierdurch auch dann nicht in Beteiligungsrechten nach Art. 6 Abs. 3 und 4 UVP-RL verletzt, wenn insoweit ein getrenntes Planfeststellungsverfahren mit einer eigenen Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen.
Rz. 23
Nach Art. 6 Abs. 3 UVP-RL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der betroffenen Öffentlichkeit die dort genannten Informationen innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens zugänglich gemacht werden. Die betroffene Öffentlichkeit erhält außerdem nach Art. 6 Abs. 4 UVP-RL frühzeitig und in effektiver Weise Gelegenheit, sich am Planfeststellungsverfahren, in dessen Rahmen die Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt (Art. 2 Abs. 2 UVP-RL), zu beteiligen. Sie hat zu diesem Zweck das Recht, den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offen stehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird.
Rz. 24
Die Klägerin gehört indes hinsichtlich der durch den Neubau der L 289 und der B 248 entstehenden Ortsumfahrung nicht zur betroffenen Öffentlichkeit im Sinne dieser Regelungen. Sie wäre durch eine solche Ortsumfahrung weder betroffen noch wahrscheinlich betroffen (Art. 1 Abs. 2 Buchst. e Satz 1 UVP-RL). Ihre Belange würden dadurch nicht berührt (§ 2 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 UVPG in der vor dem 29. Juli 2017 geltenden Fassung; jetzt: § 2 Abs. 9 Halbs. 1 UVPG).
Rz. 25
b) Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht deshalb fehlerhaft, weil sie sich auf Veränderungen des Kleinklimas und baubedingte Beeinträchtigungen bioklimatischer Verhältnisse durch Staub- und Abgasemissionen beschränkt, die vorhabenbedingte Steigerung der Treibhausgasemissionen und ihre Auswirkungen auf den menschengemachten Klimawandel aber nicht ermittelt und gewürdigt hat.
Rz. 26
aa) Nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 UVPG in der Fassung von Art. 1 Nr. 36 Buchst. a des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) - UVPG n.F. - sind verwaltungsbehördliche Verfahren, die Zulassungsentscheidungen dienen, nach der Fassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu Ende zu führen, die vor dem 16. Mai 2017 galt, wenn vor diesem Zeitpunkt die Unterlagen nach § 6 UVPG a.F. vorgelegt wurden. Dies entspricht Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 124 S. 1), wonach die Verpflichtungen nach Art. 3 und 5 bis 11 der Richtlinie 2011/92/EU vor ihrer Änderung durch die Richtlinie 2014/52/EU (im Folgenden: UVP-RL a.F.) gelten, wenn vor dem 16. Mai 2017 die Informationen nach Art. 5 Abs. 1 UVP-RL a.F. vorgelegt wurden.
Rz. 27
Danach sind hier das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die UVP-Richtlinie in der vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich. Der Vorhabenträger hat die Planfeststellungsunterlagen mit den Unterlagen nach § 6 UVPG a.F. bzw. Art. 5 Abs. 1 UVP-RL a.F. der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr als Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde mit Schreiben vom 25. September 2014 zur Durchführung des Anhörungs- und Planfeststellungsverfahrens vorgelegt. Auch die geänderten Planunterlagen hat die Beklagte vom Vorhabenträger vor dem 16. Mai 2017 erhalten. Denn sie wurden den Gemeinden bereits mit Schreiben vom 19. April 2017 zur Auslegung zugeleitet.
Rz. 28
bb) Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG a.F. umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung auch die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf das Klima. Dazu gehören aber nicht die Auswirkungen des Vorhabens auf das großräumige und globale Klima und den Klimawandel (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 180; Beschlüsse vom 22. Juni 2015 - 4 B 59.14 - NuR 2015, 772 Rn. 42 und vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 - juris Rn. 32 ff.). Vielmehr sind erst nach § 16 Abs. 3 in Verbindung mit Anlage 4 Nr. 4 Buchst. b und c Doppelbuchst. gg UVPG n.F. im UVP-Bericht auch Auswirkungen auf das Klima in Form von Veränderungen des großräumigen Klimas, z.B. durch Treibhausgasemissionen, und als mögliche Ursache der Umweltauswirkungen die Anfälligkeit des Vorhabens gegenüber Folgen des Klimawandels anzugeben.
Rz. 29
Ein anderes Verständnis von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG a.F. ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht aus europarechtlichen Gründen geboten. Der Senat hat hierzu mit Beschluss vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 - (juris Rn. 35) Folgendes ausgeführt:
"Sowohl Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UVP-RL vom 13. Dezember 2011 als auch die Vorgängerfassung (Art. 3, 2. Spiegelstrich der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 175 S. 40) verlangten lediglich in allgemeiner Form die Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Klima bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Erst durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 124 S. 1) wurde dies präzisiert. So enthalten die Erwägungsgründe 7 und 13 nähere Ausführungen zur Bedeutung des Themas Klimawandel und zum Zusammenhang von Klimawandel und Umweltschäden. Da vergleichbare Erwägungen der nahezu 30 Jahre älteren Richtlinie 85/337/EWG nicht vorangestellt waren, drängt sich der Schluss auf, dass sie die Auswirkungen eines Projekts auf das globale Klima (noch) nicht zum Gegenstand der vorhabenbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung machen wollte (BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2015 - 4 B 59.14 - NuR 2015, 772 Rn. 42 und Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 180)."
Rz. 30
Daran hält der Senat auch angesichts der Einwände der Klägerin fest. Aus den von ihr angeführten Materialien zur Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 73 S. 5) ergibt sich weder, dass sich Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2011/92/EU bereits vor dem Erlass der Richtlinie 2014/52/EU auch auf das großräumige und globale Klima und den Klimawandel beziehen sollte, noch dass diese Regelung angesichts der wachsenden Sensibilität gegenüber der globalen Klimaentwicklung in diesem Sinne auszulegen gewesen wäre.
Rz. 31
Zwar stand dem Richtliniengeber bei Erlass der Richtlinie 97/11/EG die Problematik des Klimawandels bereits deutlich vor Augen. Der Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments über den Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie 85/337/EWG vom 20. Juli 1995 wies ausdrücklich darauf hin, dass mit dem Treibhauseffekt eines der im Jahr 1985 bei Erlass der UVP-Richtlinie noch unterschätzten Umweltprobleme durch die Annahme der UN-Klimakonvention und die Verpflichtung, die CO²-Emissionen im Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren, berücksichtigt worden sei (Sitzungsdokument A4-0174/95, S. 31). Entgegen der Klagebegründung wurde Art. 3 UVP-RL aber nicht im Hinblick darauf durch die Richtlinie 97/11/EG erstmalig auf das Schutzgut Klima erstreckt. Vielmehr sah Art. 3 UVP-RL bereits in der Fassung der Richtlinie 85/337/EWG vor, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung die Auswirkungen des betreffenden Projekts auf den Faktor Klima identifiziert, beschreibt und bewertet.
Rz. 32
Soweit der Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz außerdem die UVP-Richtlinie hinsichtlich der Auswirkungen der Emission von Treibhausgasen als lückenhaft ansah, zielte dies nicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfung für das einzelne Projekt, sondern auf das Fehlen einer solchen Prüfung in Bezug auf die nationalen oder gemeinschaftlichen Politiken und Programme. Diese könnten nach Ansicht des Ausschusses zu bestimmten Typen von Projekten führen, die wie im Fall transeuropäischer Netze (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 - juris Rn. 36) durch den mit ihnen verbundenen Struktureffekt global erhebliche Umweltauswirkungen nach sich zögen, während diese Auswirkungen für ein isoliert betrachtetes Vorhaben vernachlässigt werden könnten (Sitzungsdokument A4-0174/95, S. 33). Die globalen Auswirkungen von Treibhausgasemissionen sollten also nach den Vorstellungen des Ausschusses nicht im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für ein einzelnes Projekt, sondern auf der Ebene der zugrunde liegenden Politiken und Programme Berücksichtigung finden, auf die der Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie erstreckt werden sollte. Der entsprechende Änderungsvorschlag des Ausschusses zu Art. 1 Abs. 1 UVP-RL (Änderungsantrag 19, Sitzungsdokument A4-0174/95, S. 9) hat jedoch in der Richtlinie 97/11/EG keinen Niederschlag gefunden, obwohl das Europäische Parlament ihn übernommen und im gesamten Rechtssetzungsverfahren daran festgehalten hatte (Legislative Entschließungen vom 11. Oktober 1995, Änderung 19 ≪ABl. C 287/83≫, S. 87, und vom 13. November 1996, Änderung 6 ≪ABl. C 362/103≫, S. 104). Grund dafür war, dass die Prüfung der Umweltverträglichkeit von Programmen und Plänen in einer eigenen Richtlinie behandelt werden sollte (Kommissionsdokumente vom 18. Januar 1996 - KOM≪95≫720 endg. -, S. 2, und vom 9. Januar 1997 - KOM≪96≫723 endg. -, S. 3). Die betreffende Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197/30) ist am 21. Juli 2001 in Kraft getreten.
Rz. 33
Die Auffassung des Senats wird schließlich auch durch die Begründung des Kommissionsvorschlags für diese Änderungsrichtlinie bestätigt. Danach zielt sie auf eine Anpassung der Umweltverträglichkeitsprüfung an ökologische Aspekte wie den Klimawandel (Kommissionsdokument vom 26. Oktober 2012 - KOM≪2012≫628, S. 5). Die Kommission ging also offenbar von der Vorstellung aus, dass die Auswirkungen auf den Klimawandel und das globale Klima bis dahin nicht Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung waren.
Rz. 34
2. Nicht zu beanstanden ist außerdem, dass die Auswirkungen des Sandabbauvorhabens der J. GmbH & Co. KG nicht in die Umweltverträglichkeitsprüfung einbezogen worden sind. Sie gehören nicht zu den unmittelbaren oder mittelbaren Auswirkungen des Straßenbauvorhabens, die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG a.F. im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung ermittelt, beschrieben und bewertet werden müssen.
Rz. 35
a) Die Umweltauswirkungen des Sandabbaus stellen sich nicht als unmittelbare Auswirkungen des Vorhabens dar. Die Sandabbaufläche ist keine Nebenanlage, die nach § 1 Abs. 4 Nr. 4 FStrG der Bundesfernstraße zuzurechnen ist.
Rz. 36
Nach dieser Bestimmung gehören zu den Bundesfernstraßen als Nebenanlagen diejenigen Anlagen, die überwiegend den Aufgaben der Straßenbauverwaltung der Bundesfernstraßen dienen, z.B. Entnahmestellen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die natürlichen Bodenverhältnisse fast nirgendwo geeignet sind, ohne Erdbewegungen einem weiträumigen Fahrzeugverkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG als Unterbau zu dienen, so dass der Erdkörper regelmäßig an die Erfordernisse der Straße angepasst und entsprechend befestigt werden muss. Als von dieser Zweckbestimmung des § 1 Abs. 4 Nr. 4 FStrG als sogenannte Seitenentnahme umfasste Entnahmestelle lässt sich eine Bodenentnahme nur dann qualifizieren, wenn sie sich als ein in den Bau einer Bundesstraße im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG unmittelbar eingebundener Vorgang darstellt. Um die Wesensmerkmale einer Nebenanlage zu erfüllen, muss zwischen der Entnahmestelle und dem Bauvorhaben, dem sie dient, ein technisch-funktionaler Zusammenhang bestehen. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die Planungsbehörde durch eine Flächeninanspruchnahme die Voraussetzungen dafür schafft, dass in einem Bereich, in dem der Straßenuntergrund nicht die erforderliche Tragfähigkeit aufweist, in der unmittelbaren Nachbarschaft der geplanten Trasse aber geeignete Bodenbestandteile vorhanden sind, ein Bodenaustausch stattfinden kann (BVerwG, Urteil vom 11. April 2002 - 4 A 22.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 169 S. 121 f.).
Rz. 37
Dies zugrunde gelegt, stellt das in Rede stehende Sandabbauvorhaben keine zur Autobahn gehörende Entnahmestelle dar. Nicht die Planungsbehörde schafft durch eine Inanspruchnahme geeigneter Flächen mit dem Planfeststellungsbeschluss die Voraussetzungen für einen Bodenaustausch, sondern ein privater Unternehmer bemüht sich außerhalb des Planfeststellungsverfahrens um die Zulassung eines eigenen Sandabbauvorhabens, um gegebenenfalls Sand für den Autobahnbau liefern zu können.
Rz. 38
b) Die Auswirkungen des Sandabbauvorhabens mussten auch nicht als mittelbare Auswirkungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG a.F. in die Umweltverträglichkeitsprüfung einbezogen werden.
Rz. 39
Zwar ist der Begriff der mittelbaren Auswirkungen grundsätzlich weit zu verstehen (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 30). Insbesondere kann die Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang IV Nr. 4 Buchst. b UVP-RL a.F. und § 6 Abs. 4 Nr. 2 UVPG a.F. auch eine Beschreibung der möglichen erheblichen Auswirkungen des vorgeschlagenen Projekts auf die Umwelt infolge der Nutzung der natürlichen Ressourcen bzw. der Art und des Umfangs der Nutzung des Bodens erfordern, wie sie die Verwendung von Sand für den Autobahnbau grundsätzlich darstellen kann. Bei dem fraglichen Sandabbauvorhaben handelt es sich aber um ein selbständiges Vorhaben, für das gegebenenfalls eine eigene Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss (s. oben).
Rz. 40
Solche Vorhaben müssen unter Umständen in eine Kumulationsbetrachtung einbezogen werden (vgl. Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang IV Nr. 4 Fn. 1 UVP-RL a.F.). Dies setzt indes voraus, dass die etwaigen kumulativen Auswirkungen eines anderen Projekts verlässlich absehbar sind. Die gebotene Gewissheit ist grundsätzlich erst dann gegeben, wenn die Zulassungsentscheidungen für die anderen Pläne und Projekte erteilt sind (vgl. zur FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ≪ABl. L 206 S. 7≫ - FFH-Richtlinie - FFH-RL und § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - juris Rn. 19 m.w.N.). Danach war eine Berücksichtigung des Sandabbauvorhabens hier nicht geboten. Denn bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses war die beantragte wasserrechtliche Zulassung nicht erfolgt. Es stand daher nicht fest, ob und in welchem Umfang das Vorhaben zugelassen werden würde.
Rz. 41
3. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch nicht an den von der Klägerin geltend gemachten materiell-rechtlichen Fehlern.
Rz. 42
a) Die Einwände der Klägerin gegen die Tank- und Rastanlage bei Jembke greifen nicht durch. Die Wahl ihres Standorts verstößt weder gegen § 4 Satz 1 FStrG noch gegen das Abwägungsgebot nach § 17 Satz 2 FStrG a.F.
Rz. 43
aa) Soweit die Klägerin geltend macht, das abschnittsübergreifende Rastanlagenkonzept (Planunterlage 21.6) sei rechtswidrig, weil die Abstände zwischen den Tank- und Rastanlagen nach den Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen nicht eingehalten seien, begründet dies keinen Verstoß gegen § 4 Satz 1 FStrG. Danach haben die Träger der Straßenbaulast dafür einzustehen, dass ihre Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Für Tank- und Rastanlagen, die nach § 1 Abs. 4 Nr. 5 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 FStrG als Nebenbetriebe zu den Bundesfernstraßen gehören, gilt diese Regelung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 6 Halbs. 2 FStrG auch, soweit Bau und Betrieb auf Dritte übertragen werden (Dünchheim, in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 4 Rn. 5). Sie bezieht sich aber mit den Anforderungen an die Sicherheit und Ordnung nicht auf die Abstandsregelungen der Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen, auch wenn sie aus Gründen der Verkehrssicherheit vorgesehen worden sind (Nr. 3.2.1 ERS 2011). Denn bereits nach dem Wortlaut von § 4 Satz 1 FStrG hat der Straßenbaulastträger nur dafür einzustehen, dass seine "Bauten" den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Dies sind neben den Bauwerken selbst alle Baumaßnahmen zu ihrer Herstellung und Unterhaltung (Dünchheim, in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 4 Rn. 2; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - BVerwGE 160, 78 Rn. 25 ff., 62 ff.). Standortbezogene Sicherheitsanforderungen betreffen im Rahmen von § 4 Satz 1 FStrG daher nicht den Abstand zwischen den Tank- und Rastanlagen entlang der Bundesfernstraße. Denn dieser ist ohne Einfluss auf die Sicherheit der zu den jeweiligen Anlagen gehörenden Bauwerke als solcher und der Bauarbeiten zu ihrer Herstellung und Unterhaltung.
Rz. 44
bb) Die Standortwahl verstößt auch nicht gegen das Abwägungsgebot nach § 17 Satz 2 FStrG a.F.
Rz. 45
Verletzt ist das Abwägungsgebot, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, in die Abwägung nicht alle Belange eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mussten, oder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 54 m.w.N.). Keiner dieser Fälle ist hier gegeben.
Rz. 46
aaa) Der Planfeststellungsbeschluss durfte im Einklang mit dem Rastanlagenkonzept des Vorhabenträgers der Abwägung einen Bedarf von 900 LKW-Stellplätzen für den Bereich der Neubaustrecke der A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg zugrunde legen. Prognosen sind im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob für sie eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, sie nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 30). Danach ist die Bedarfsprognose rechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 47
(1) Nach Überzeugung des Senats ist dafür eine geeignete fachspezifische Methode gewählt worden.
Rz. 48
Die Prognose beruhte auf einem Analogieschluss zum Abschnitt der A 70 zwischen Schweinfurt und Bayreuth, der mit ca. 100 km eine vergleichbare Streckenlänge und verkehrliche Konstellation wie die A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg aufweist. Der anhand einer bundesweiten Erhebung nachts abgestellter LKW aus dem Jahr 2008 für die A 70 ermittelte Bedarf von 415 LKW-Stellplätzen wurde dabei im Verhältnis der jeweiligen durchschnittlichen täglichen Schwerverkehrszahlen auf den beiden Strecken für die A 39 hochgerechnet (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 9).
Rz. 49
Das methodische Vorgehen steht mit den Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen im Einklang. Danach befindet sich das Verfahren zur Ermittlung des Parkraumbedarfs für LKW in einem andauernden Entwicklungsprozess. Beispielhaft wird als geeignete Methode das auf einem regressionsanalytischen Ansatz beruhende Schätzverfahren auf der Grundlage der genannten bundeseinheitlichen Erhebung aus dem Jahr 2008 dargestellt, auf dem der für die A 70 ermittelte Bedarf beruht. Zwar weisen die Empfehlungen ausdrücklich darauf hin, dass das Verfahren an Anwendungsgrenzen stößt, wenn eine Abschätzung des Bedarfs für Neubaustrecken allein auf der Basis von Analogieschlüssen erfolgt (ERS 2011, S. 40). Damit wird die Möglichkeit einer solchen Abschätzung aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern gerade vorausgesetzt. Hinzu kommt, dass sich ausweislich der Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen eine Standardmethode zur Ermittlung des Parkraumbedarfs für LKW noch nicht herausgebildet hat (ERS 2011, S. 40) und den Behörden in solchen Fällen bei der Entwicklung eigener, fallbezogener Methoden ein erweiterter Spielraum zusteht, soweit die gewählte Methode transparent, funktionsgerecht und schlüssig ausgestaltet ist (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 - 7 A 14.12 - DVBl 2015, 95 Rn. 6; Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - NVwZ 2016, 1710 Rn. 30 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 112). Diese Grenzen sind hier gewahrt. Es ist für den Senat nachvollziehbar und plausibel, wenn hier ausgehend von dem Stellplatzbedarf eines bestehenden Autobahnteilstücks der Bedarf an LKW-Parkraum für eine Neubaustrecke vergleichbarer Länge nach dem Verhältnis der durchschnittlichen täglichen LKW-Belastung beider Autobahnabschnitte abgeschätzt wird. Dies gilt umso mehr, als für Neubaustrecken eine geeignetere Methode weder in den Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen noch im Vorbringen der Klägerin genannt wird oder sonst ersichtlich ist.
Rz. 50
(2) Der angenommene Bedarf von 900 LKW-Stellplätzen beruht auch nicht auf unrealistischen Annahmen.
Rz. 51
Dies gilt zunächst für das Vorbringen der Klägerin, auf der A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg seien deutlich mehr LKW zu erwarten als auf der A 70 zwischen Schweinfurt und Bayreuth, auch liege der voraussichtliche LKW-Anteil in allen Planungsabschnitten der A 39 deutlich über 20 %, während der höchste LKW-Anteil auf der A 70 nur 18,1 % betrage. Denn den unterschiedlichen LKW-Zahlen trägt die Bedarfsprognose dadurch Rechnung, dass sie den für die A 70 ermittelten Bedarf von 415 LKW-Stellplätzen im Verhältnis des unterschiedlichen Schwerverkehrsaufkommens von 8 000 LKW/24 h auf der A 39 und 3 750 LKW/24 h auf der A 70 hochrechnet. Dass der LKW-Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen auf beiden Autobahnen unterschiedlich hoch ist, ist für den Analogieschluss, der allein an die Zahl der die Autobahn täglich befahrenden LKW anknüpft, unerheblich.
Rz. 52
Unrealistisch ist die Prognose auch nicht im Hinblick auf das im Vergleich zur A 70 noch geringere LKW-Aufkommen auf der A 20. Denn soweit der Vorhabenträger einen Bezug zur A 20 herstellt, betrifft dies nicht die Ermittlung des LKW-Stellplatzbedarfs, sondern die Frage der Wirtschaftlichkeit einer beidseitigen Bewirtschaftung der Tank- und Rastanlagen entlang der A 39.
Rz. 53
bbb) Die Wahl des Standorts der Tank- und Rastanlage bei Jembke ist auch nicht deshalb abwägungsfehlerhaft, weil die Bedeutung der im Hinblick auf die Bedürfnisse der Verkehrsteilnehmer und aus Gründen der Verkehrssicherheit in den Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen vorgesehenen Abstände zwischen zwei Tank- und Rastanlagen sowie zwischen benachbarten bewirtschafteten bzw. unbewirtschafteten Rastanlagen (ERS 2011, S. 11) verkannt worden wäre.
Rz. 54
Gemäß Nr. 3.2.1 ERS 2011 beträgt der Regelabstand für neue bewirtschaftete Rastanlagen 50 bis 60 km, im Ausnahmefall (geringer Fernverkehr, ausschließlich stark saisonaler Fernverkehr, hoher Pendleranteil) bis zu 80 km. Zwischen den bewirtschafteten Rastanlagen sind unbewirtschaftete Rastanlagen mit einem Regelabstand von 15 bis 20 km anzuordnen, im Ausnahmefall (geringer Fernverkehr, ausschließlich saisonaler Fernverkehr, hoher Pendleranteil) in einem Abstand von ca. 25 km.
Rz. 55
Zwar ist zweifelhaft, ob die Voraussetzungen von Nr. 3.2.1 ERS 2011 für die Annahme eines Ausnahmefalls vorliegen, wovon der Erläuterungsbericht zum abschnittsübergreifenden Rastanlagenkonzept unter Hinweis auf den hohen Anteil an Pendlerverkehr ausgeht (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 8). Denn der durch das VW-Werk in Wolfsburg hervorgerufene Pendlerverkehr dürfte sich auf den Bereich um Weyhausen beschränken. Angesichts der Zielsetzung, eine leistungsfähige großräumige Fernverkehrsverbindung zwischen den mitteldeutschen Industriezentren und der niedersächsischen Küstenregion zu schaffen, ist auf der A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg wohl auch weder ein geringer noch ein ausschließlich stark saisonaler Fernverkehr zu erwarten.
Rz. 56
Dies kann aber dahinstehen, da es sich bei den Empfehlungen nicht um strikt zu beachtende Rechtsnormen handelt. Vielmehr kann es im Einzelfall gerechtfertigt sein, von den Abstandsregelungen der Nr. 3.2.1 ERS 2011 abzuweichen, etwa um mit Blick auf die Verkehrsbelastung der Straße die Wirtschaftlichkeit der Tank- und Rastanlagen zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - juris Rn. 124, vgl. zu Wirtschaftlichkeitsfragen auch BT-Drs. 15/4013 zur Zukunftsfähigkeit deutscher Autobahnservicebetriebe), um einem erhöhten Parkplatzbedarf infolge eines gestiegenen Verkehrsaufkommens Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 9 A 1.14 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 238 Rn. 25) oder weil die vorgesehenen Regelabstände im Hinblick auf vorhandene Raumwiderstände nicht eingehalten werden können.
Rz. 57
Hiervon ausgehend ist ein Abwägungsmangel hinsichtlich der geltend gemachten Überschreitung der Abstände nicht gegeben. Die planfestgestellte Variante 5.3 hält mit 62 km den vorgesehenen Regelabstand ganz überwiegend ein (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 84). Deutlich überschritten wird er lediglich zwischen der nördlichen Tank- und Rastanlage bei Riestedt und der nächsten Tank- und Rastanlage an der A 1 in Richtung Westen. Hier beträgt der Abstand 108 km, der Regelabstand wird also um 28 km überschritten. Insoweit hält aber schon Nr. 3.2.1 ERS 2011 fest, dass insbesondere für Eckbeziehungen in Autobahnkreuzen und -dreiecken - darum geht es hier - die Regelabstände nicht immer eingehalten werden können. Die Beklagte hat die deutliche Überschreitung des empfohlenen Regelabstands im Variantenvergleich als ungünstig bewertet, jedoch im Hinblick auf die geringe Fernverkehrsrelevanz der Verbindung der A 39 mit der A 1 in Richtung Westen als noch vertretbar eingestuft (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 84). Sie hat insoweit in der Klageerwiderung nachvollziehbar erläutert, dass voraussichtlich nur wenige Verkehrsteilnehmer zunächst auf der A 39 nach Norden fahren werden, um dann auf der A 1 zurück nach Südwesten in Richtung Münster und Osnabrück zu fahren. Ausgehend von dem aus behördlicher Sicht maßgeblichen Kriterium - Abstand zur nächsten Ortslage - (s. dazu sogleich) ist diese Bewertung nicht zu beanstanden. Gegenüber den Lärmschutzinteressen der Anwohner, die im Fall der Verwirklichung der Vorzugsvariante weitgehend gewahrt werden, kommt den Belangen der Verkehrsteilnehmer und der Verkehrssicherheit, die durch die Regelabstände sichergestellt werden sollen, ein geringeres Gewicht zu.
Rz. 58
ccc) Der Variantenvergleich ist auch nicht deshalb abwägungsfehlerhaft, weil die Variante 4.1 mit einer Tank- und Rastanlage in Wollerstorf deutlich besser als die Variante 5.3 mit der Tank- und Rastanlage in Jembke hätte beurteilt werden müssen.
Rz. 59
(1) Zwar schneidet die Variante 4.1 hinsichtlich des Kriteriums "Abstand zwischen 2 bewirtschafteten Anlagen (≪ 80 km)" besser ab, weil der Abstand zwischen den Tank- und Rastanlagen bei dieser Variante mit 54 km dem Regelabstand von 50 km bis 60 km entspricht (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 59 und 61), während er bei der planfestgestellten Variante 5.3 - wie beschrieben - um 2 km überschritten ist. Die Bevorzugung gegenüber der Variante 4.1 wird aber damit gerechtfertigt, dass die Variante 4.1 in dem wichtigsten Kriterium des Abstands zur nächsten Ortslage als schlecht, die Variante 5.3 hingegen als gut bewertet worden ist (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 136 f.; PFB S. 291). Der Sache nach wird dem Belang des Lärmschutzes für die Anwohner, der im Kriterium des Abstands zur nächsten Ortslage zum Ausdruck kommt, der Vorrang vor den angesichts der nur geringfügigen Überschreitung des Regelabstands nicht erheblich beeinträchtigten Belangen der Verkehrsteilnehmer und der Verkehrssicherheit eingeräumt. Dies ist nicht zu beanstanden. Lärmschutzkonflikte betreffen die durch das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte menschliche Gesundheit. Dies rechtfertigt es, das Abstandskriterium im Interesse der Gesundheitsvorsorge als besonders wichtiges Kriterium einzustufen. Denn eine möglichst große Entfernung zwischen den Rastanlagen und den benachbarten Baugebieten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Lärmbeeinträchtigungen nicht auftreten und deshalb auch nicht durch kostenintensive Lärmschutzmaßnahmen bewältigt werden müssen.
Rz. 60
(2) Das Abwägungsergebnis ist nicht dadurch zugunsten der Variante 5.3 verfälscht worden, dass die Beklagte die Anforderungen an die erforderliche Zahl der Stellplätze im Laufe des Variantenvergleichs von ursprünglich 250 auf 175 herabgesetzt hätte.
Rz. 61
Zwar waren zunächst in Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium 250 LKW-Stellplätze je Tank- und Rastanlage vorgesehen (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 9 und 11). Die der Abwägung im Planfeststellungsbeschluss allein zugrunde liegende Variantenprüfung des abschnittsübergreifenden Rastanlagenkonzepts stellte jedoch von Anfang an nicht mehr auf diese Zahl ab. Schon bei der Ermittlung möglicher Rastanlagenstandorte und -varianten auf der Grundlage des idealisierten Rastanlagenkonzepts diente als Eignungskriterium nur der Abstand zur nächsten Rastanlage (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 12 und 18). Auf der 1. Stufe der Variantenprüfung, auf der nach Maßgabe bestimmter Ausschlusskriterien ungeeignete Varianten ausgeschieden wurden, wurde auf die Zahl der LKW-Stellplätze lediglich insoweit abgestellt, als sie möglichst homogen über die gesamte Trasse verteilt sein sollten. Zum Ausschluss einer Variante kam es nur dann, wenn die insgesamt benötigte Anzahl von 900 Stellplätzen nicht erreicht wurde (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 29). Auch bei der Auswahl der Vorzugsvariante auf der 2. Stufe des Variantenvergleichs wurde allein die Verteilung der LKW-Stellplätze innerhalb der Gesamtstrecke als Kriterium herangezogen (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 32).
Rz. 62
(3) Fehlerhaft ist die Abwägung nicht deshalb, weil die Variante 5.3 in lediglich sechs Kriterien, die Variante 4.1 aber in sieben Kriterien als gut bewertet wurde. Denn die Auswahl der Vorzugsvariante erfolgte nach dem Bewertungssystem der Beklagten nicht allein auf der Grundlage der Anzahl der als gut, mittel oder schlecht bewerteten Kriterien.
Rz. 63
Vielmehr wurden die elf Kriterien verschieden gewichtet, wobei zwischen vier maßgeblichen, drei mittelgewichtigen und vier nachrangigen Kriterien unterschieden wurde (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 32). Die Beklagte stuft die Variante 5.3 insbesondere im Hinblick darauf als vorzugswürdig ein, dass sie in dem als maßgeblich angesehenen Kriterium (Abstand der bewirtschafteten Rastanlagen zu benachbarten geschlossenen Ortslagen) deutlich besser abschneidet.
Rz. 64
(4) Dies ist auch nicht deshalb abwägungsfehlerhaft, weil das auf der 1. Stufe der Variantenprüfung verwendete Kriterium "Bebauung, Bauleitplanung, Fremdleitungen" auf deren 2. Stufe mit dem Kriterium "minimaler Abstand zwischen zu benachbarten geschlossenen Ortslagen" in rechtlich unzulässiger Weise abgeändert worden wäre. Eine derartige Modifizierung ist nicht erfolgt.
Rz. 65
Soweit es Bebauung und Bauleitplanung betraf, wurden nach dem Kriterium "Bebauung, Bauleitplanung, Fremdleitungen" im Hinblick auf die mit abnehmender Entfernung steigende Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) Abstände der Rastanlagen zu bebauten Gebieten oder geplanten Baugebieten über 600 m als günstig, Abstände zwischen 400 m und 600 m als noch möglich und Abstände unter 400 m als kritisch eingestuft (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 19 f.). Diese Abstufung wurde auf der 2. Stufe der Variantenprüfung mit dem maßgeblichen Kriterium "Minimaler Abstand zur benachbarten geschlossenen Ortslage (bei Rastanlagen)" ausdrücklich unverändert beibehalten (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 31 f.). Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Beurteilung der Lärmbetroffenheit von Bebauung in der Nachbarschaft möglicher Rastanlagenstandorte auf eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 16. BImSchV und deren Ausmaß abgestellt hat.
Rz. 66
(5) Die Variante 4.1 hätte auch nicht im Kriterium "minimaler Abstand zur geschlossenen Ortslage" statt als schlecht als mittel bewertet werden müssen. Denn nach dem abschnittsübergreifenden Rastanlagenkonzept hat die Überführung innerhalb der im Rahmen der Variante 4.1 vorgesehenen Tank- und Rastanlage bei Wollerstorf lediglich einen Abstand von etwa 250 m zur Ortslage (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 62). Er liegt daher deutlich unterhalb der Entfernung von mindestens 400 m, ab der der Abstand zu bebauten Gebieten nach den nicht zu beanstandenden Maßstäben der Beklagten nicht mehr als schlecht, sondern als mittel einzustufen ist.
Rz. 67
(6) Dass die Beklagte die Varianten 4.1 und 5.3 hinsichtlich des mittelgewichtigen Kriteriums "Verteilung der LKW-Parkstandanzahl innerhalb der Gesamtstrecke" gleichermaßen als schlecht beurteilt hat, begründet ebenfalls keinen Abwägungsmangel. Eine Bewertung der Variante 4.1 als mittel war nicht geboten.
Rz. 68
Zwar weisen im Falle der Variante 5.3 die Tank- und Rastanlage Süd bei Jembke und die PWC-Anlagen 3 und 5 eine verringerte Zahl an LKW-Stellplätzen auf. Jedoch ist die Parkstandzahl auch bei der Variante 4.1 an drei PWC-Anlagen reduziert (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, Anlage 0). Die LKW-Stellplätze sind zudem bei beiden Varianten innerhalb der Gesamtstrecke ähnlich ungleichmäßig verteilt (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 131 f.).
Rz. 69
Die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Bewertung beider Varianten hinsichtlich dieses Kriteriums folgt auch nicht daraus, dass es auf Grund der geringen Kapazität der Tank- und Rastanlage bei Jembke zu Überbelegungen und in deren Folge dazu kommen könnte, dass LKW-Fahrer kurz vor Ende ihrer Lenkzeit Ausweichplätze in den nahegelegenen Gewerbegebieten Weyhausen und Tappenbeck suchen könnten. Denn diese Gefahr bestünde erst recht in der Variante 4.1, nach der in Jembke lediglich eine PWC-Anlage vorgesehen wäre, die über eine noch geringere Kapazität als die Tank- und Rastanlage verfügen würde.
Rz. 70
(7) Auch die Einordnung des Kriteriums der Möglichkeit einer wechselseitigen Anordnung der beiden im Verlauf der Gesamtstrecke zwischen Wolfsburg und Lüneburg vorgesehenen, nur einseitig bewirtschafteten Tank- und Rastanlagen als nachrangig hält der Senat innerhalb des Abwägungsspielraums der Beklagten für gerechtfertigt.
Rz. 71
(8) Nicht zu beanstanden ist außerdem, dass auf der 2. Stufe der Variantenprüfung die auf der 1. Stufe angewandten Ausschlusskriterien entfallen sind. Denn in dieser Phase des Variantenvergleichs bedurfte es solcher Kriterien nicht mehr. Auf der 2. Stufe ging es nur noch darum, die Vor- und Nachteile der verbliebenen Varianten einander gegenüber zu stellen und zu gewichten, um so die Vorzugsvariante zu ermitteln. Daher kam es insbesondere auch bei den auf der 1. Stufe als vertretbar angesehenen Überschreitungen der Abstände nach den Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen nicht mehr auf die Abstandsüberschreitungen als solche, sondern nur noch auf die Bewertung der Rastanlagenabstände der einzelnen Varianten und ihren Vergleich miteinander an.
Rz. 72
(9) Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend macht, die Beklagte habe nicht alle entscheidungserheblichen Parameter beachtet und nicht zwischen den UVPG-Schutzgütern, Natura 2000-, Artenschutz- und Raumordnungsbelangen getrennt, wobei der Artenschutz in der Bewertungstabelle des Vorhabenträgers nicht aufgeführt worden sei, ist dies nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Welche Belange, die nach Lage der Dinge in die Abwägung hätten eingestellt werden müssen, im Einzelnen nicht abgewogen worden wären, lässt sich den Ausführungen der Klägerin nicht entnehmen. Der Artenschutz ist im Übrigen umfassend berücksichtigt worden, auch wenn er in der Tabelle der Bewertungskriterien (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 25 f.) nicht ausdrücklich unter den Umweltkriterien aufgeführt ist. Entsprechend den Erläuterungen zur Methodik der Ermittlung möglicher Rastanlagenstandorte anhand von Bewertungsbändern wurde als weiteres Teilkriterium zum Kriterium "Umwelt" namentlich das Kriterium "Auslösung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände" in den Erläuterungen zur linienhaften Bewertung der Einzelkriterien verbal argumentativ erfasst (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, S. 23 und Anlage 1, S. 29 f.).
Rz. 73
ddd) Der Planfeststellungsbeschluss ist auch nicht deshalb abwägungsfehlerhaft, weil die Vorzugsvariante hinsichtlich des Rastanlagenstandorts von dem Konzept der Linienbestimmung und dem mit dem Bundesverkehrsministerium abgestimmten Rastanlagenkonzept aus dem Jahr 2010 abweicht.
Rz. 74
Die Linienbestimmung nach § 16 Abs. 1 FStrG, die den Charakter einer vorbereitenden Grundentscheidung mit allein verwaltungsinterner Bedeutung hat und rechtliche Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Straßenbaulast und Dritten erst dadurch erlangt, dass sie in den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses ihren Niederschlag findet, gehört nicht zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Planfeststellung. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht allein deshalb fehlerhaft, weil ihm kein Linienbestimmungsverfahren vorausgegangen ist oder weil die Planfeststellungsbehörde von der in der Linienbestimmung festgelegten Linie abgewichen ist. Vielmehr muss die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde aus sich selbst heraus den rechtlichen Anforderungen genügen (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 31; Beschluss vom 22. Juni 1993 - 4 B 45.93 - juris Rn. 12). Erst recht muss dies gelten, soweit von einem nur intern mit dem Bundesverkehrsministerium abgestimmten Konzept abgewichen wird. Auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob eine Tank- und Rastanlage bei isolierter Betrachtung raumbedeutsam sein kann, bedarf insofern keiner Klärung.
Rz. 75
Aus den Übersichtslageplänen zu den Bewertungsbändern, auf die die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hat, und ihrer textlichen Erläuterung (Planunterlage 21.6, Unterlage 1, Anlage 1) ergibt sich darüber hinaus nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Beklagte von dem Rastanlagenkonzept der Linienbestimmung abgewichen ist. Danach wurden die nach der Linienbestimmung vorgesehenen Standorte der Tank- und Rastanlage bei Secklendorf und der PWC-Anlage 3 bei Langenbrügge im Hinblick auf Amphibien (insbesondere Kammmolch und Laubfrosch) und Vögel (unter anderem Schwarzspecht und Kranich) bzw. faunistisch bedeutende Bereiche von sehr hoher Bedeutung als naturschutzfachlich kritisch bewertet (Planunterlage 21.6, Unterlage 3, Bl. 2 und 6; Planunterlage 21.6, Unterlage 1, Anlage 1, S. 30 und 43). Für die nach dem Konzept der Linienbestimmung ins Auge gefasste Tank- und Rastanlage bei Eutzen wurde die Verfügbarkeit der benötigten Flächen angesichts der Existenzgefährdung von Landwirten als kritisch eingestuft (Planunterlage 21.6, Unterlage 3, Bl. 6; Planunterlage 21.6, Unterlage 1, Anlage 1, S. 1).
Rz. 76
cc) Abwägungsfehlerhaft ist schließlich auch nicht, dass der Gesamtflächenverbrauch im Gemeindegebiet der Klägerin, der mit dem Bau der Autobahn, der Errichtung der Tank- und Rastanlage und dem Sandabbauvorhaben der J. GmbH & Co. KG verbunden ist, nicht bewertet und in der Abwägung berücksichtigt worden ist. Denn das Sandabbauvorhaben musste nach Lage der Dinge nicht in die Abwägung eingestellt werden. Wie ausgeführt, war es weder Teil des planfestgestellten Straßenbauvorhabens, noch war zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses verlässlich erkennbar, ob es sich verwirklichen lassen würde.
Rz. 77
b) Abwägungsfehlerhaft ist der Planfeststellungsbeschluss schließlich auch nicht, soweit der historische Kirchweg von Bokensdorf nach Jembke durch die Autobahn unterbrochen wird.
Rz. 78
aa) Maßstab der gerichtlichen Prüfung sind insoweit die Abwägungsgrundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht für die Auswahl zwischen verschiedenen in Frage kommenden Trassenvarianten entwickelt hat. Danach müssen bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Alternative ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Vielmehr sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Die Planfeststellungsbehörde ist dabei nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht den Sachverhalt nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr auf Grund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Behörde die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22. November 2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 39, 42 m.w.N.).
Rz. 79
Die genannten Grundsätze gelten nicht nur für die Festlegung der eigentlichen Straßentrasse. Vielmehr sind sie auch auf die Auswahl einer gemeinsam mit dem eigentlichen Bauvorhaben planfestgestellten Baustraße (BVerwG, Urteil vom 22. November 2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 40) und darüber hinaus auf sonstige Veränderungen des Wegenetzes übertragbar, die im Rahmen der Planfeststellung für eine planfeststellungsbedürftige Straße mitgeregelt werden. Dementsprechend ist an diesen Grundsätzen auch die Entscheidung der Beklagten zu messen, etwa 600 m nördlich des Kirchwegs eine Brücke für die Kreisstraße K 101 zu errichten, auf der der gesamte Verkehr zwischen Bokensdorf und Jembke die Autobahn überqueren kann, statt den Kirchweg mit Hilfe einer Unterführung als Wegeverbindung zu erhalten.
Rz. 80
bb) Dies zugrunde gelegt, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte auf eine Unterführung im Bereich des Kirchwegs verzichtet hat.
Rz. 81
Die Planfeststellungsbehörde hat die Bedeutung des Kirchwegs als historische Wegeverbindung zwischen Bokensdorf und Jembke erkannt (vgl. Planunterlage 1.1, Erläuterungsbericht S. 142; PFB S. 36, 44 und 163) und auch gesehen, dass er als Verbindung zwischen Bokensdorf und Jembke unterbrochen wird. Mit Blick auf die vorgesehenen Anbindungen an einen neuen Wirtschaftsweg hält er den Kirchweg aber trotz des Wegfalls seiner Verbindungsfunktion zutreffend für weiterhin nutzbar (PFB S. 163).
Rz. 82
Die Variante einer Unterführung, mit der die Funktion des Kirchwegs als Wegeverbindung zwischen Bokensdorf und Jembke hätte erhalten werden können, wurde auch nicht unter Verstoß gegen das Abwägungsverbot im Wege der Grobanalyse in einem frühen Verfahrensstadium ausgeschieden. Vielmehr war in der ursprünglichen Planung, die dem Bundesverkehrsministerium vom Vorhabenträger mit den Vorentwurfsunterlagen zur Genehmigung vorgelegt wurde, statt der jetzigen Lösung ein Unterführungsbauwerk im Bereich des Kirchwegs mit einer lichten Höhe von 2,50 m und einer lichten Breite von 6,50 m enthalten. Zwar wurde diese Variante vom Verkehrsministerium abgelehnt. Sie ist aber auch im Planfeststellungsbeschluss noch als ernsthaft in Betracht kommende Alternative mit der planfestgestellten Lösung verglichen und gegen sie abgewogen worden (PFB S. 278).
Rz. 83
Insoweit wird ausgeführt, dass die Unterführung wegen ihrer zu geringen Höhe für den land- und forstwirtschaftlichen Verkehr nicht geeignet wäre und deshalb nur von Radfahrern und Fußgängern genutzt werden könnte. Sie sei außerdem entbehrlich, weil in nur 600 m Entfernung für die K 101 ein Brückenbauwerk errichtet werde, das so ausgestaltet sei, dass es die Anlegung eines von der Fahrbahn abgesetzten Radwegs ermögliche, der in das aktuelle Radwegeprogramm des Landkreises Gifhorn aufgenommen worden sei und zeitgleich mit dem 7. Bauabschnitt der A 39 fertiggestellt werden solle (PFB S. 278). Ein Verzicht auf das Brückenbauwerk für die Kreisstraße zugunsten einer Querung im Bereich des Kirchwegs komme nicht in Betracht, weil dadurch der Verkehr auf der Kreisstraße unterbrochen werde (PFB S. 305).
Rz. 84
Diese Abwägung ist auch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Weder drängt sich der Bau einer Unterführung für den Kirchweg als eindeutig bessere Lösung auf, noch steht der Ausgleich zwischen den abwägungserheblichen Belangen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis. Zwar kommt der Unterbrechung der historischen Wegebeziehung zwischen Bokensdorf und Jembke durchaus Gewicht zu. Dieses relativiert sich aber dadurch, dass der Kirchweg im Übrigen bestehen bleibt und mit der K 101 in geringer Entfernung zum Kirchweg eine direkte Straßenverbindung zwischen Jembke und Bokensdorf fortbesteht. Dies gilt umso mehr, als der Kirchweg auch im Falle der Anlegung einer Unterführung nur eingeschränkt genutzt werden könnte, weil diese für den land- und forstwirtschaftlichen Verkehr nicht geeignet wäre. Der Bau einer Unterführung wäre demgegenüber mit einem beträchtlichen Kostenaufwand verbunden, der nach den Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst nach dem Stand des Jahres 2013 rund 900 000 € betragen hätte. Diese Kosten können auch nicht durch einen Verzicht auf die neuen Wirtschaftswege ausgeglichen werden. Denn diese Wege werden als Ersatz für entfallende Wirtschaftswege benötigt. Angesichts des erheblichen Kostenaufwands drängt sich eine Unterführung weder als die eindeutig bessere Lösung auf, noch stellt die planfestgestellte Variante einen Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen dar, der zum Gewicht der durch die Unterbrechung des Kirchwegs beeinträchtigten Belange außer Verhältnis steht.
Rz. 85
II. Die Klage bleibt auch hinsichtlich der weiteren Hilfsanträge ohne Erfolg.
Rz. 86
Soweit die Beklagte verpflichtet werden soll, den Planfeststellungsbeschluss um Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zu ergänzen, die zur Vermeidung von nachteiligen Wirkungen auf die Rechte der Klägerin erforderlich sind, ist dem Vorbringen der Klägerin schon nicht zu entnehmen, um welche Vorkehrungen und Anlagen es sich handeln soll.
Rz. 87
Soweit die Verpflichtung der Beklagten begehrt wird, den Planfeststellungsbeschluss um eine aufschiebende Bedingung mit dem Inhalt zu ergänzen, dass die planfestgestellte Tank- und Rastanlage erst nach dem Eintritt der Vollziehbarkeit des zeitlich letzten Abschnitts der geplanten sieben Abschnitte der A 39 errichtet und betrieben werden darf, ist der Hilfsantrag unzulässig. Mangels Antragsbegründung und angesichts der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses auch in Bezug auf die Tank- und Rastanlage bei Jembke ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin ein entsprechender Anspruch zustehen könnte.
Rz. 88
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Fundstellen
BVerwGE 2020, 171 |
JZ 2020, 210 |
VR 2020, 144 |
DVBl. 2020, 567 |
UPR 2020, 200 |