Entscheidungsstichwort (Thema)
Erschließungsbeitrag. Erschließungsaufwand. Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße. erforderliche Breite der Fahrbahn. anschließende freie Strecke. maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt. Abschnittsbildung. Willkürverbot
Leitsatz (amtlich)
Die Festsetzung der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße gemäß § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG hat Tatbestandswirkung für die Anwendung des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB im Erschließungsbeitragsverfahren.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Breite der anschließenden freien Strecken der Bundesstraße (§ 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB) ist spätestens der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten.
Für die Breite der freien Strecke kommt es grundsätzlich auf den im maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Ausbauzustand an. Ein geplanter Ausbau kann nur dann berücksichtigt werden, wenn in diesem Zeitpunkt eine entsprechende Planungsentscheidung bestandskräftig und mit ihrer Ausführung bereits begonnen war.
Normenkette
BauGB § 128 Abs. 3 Nr. 2, § 130 Abs. 2; FStrG § 5 Abs. 4; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG Berlin (Entscheidung vom 30.04.1998; Aktenzeichen 5 B 28.96) |
VG Berlin (Entscheidung vom 12.10.1995; Aktenzeichen 13 A 32/95) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 30. April 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung eines Abschnitts der Neuköllner Straße in Berlin-Rudow.
Die Neuköllner Straße bildet ein Teilstück der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 179 durch Berlin. Der in Berlin liegende Abschnitt dieser Bundesstraße, der von der Skalitzer Straße bis zur südlichen Landesgrenze reicht, wurde durch Verfügung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 23. Dezember 1979 als Ortsdurchfahrt festgesetzt.
Das Teilstück der Neuköllner Straße zwischen der Einmündung der Straße Alt-Rudow (im Norden) und der Groß-Ziethener Chaussee (im Süden) war in den Jahren 1970/1971 (damals noch unter der Bezeichnung „Umgehungsstraße”) mit (nur) einer Fahrbahn errichtet worden. Ab 1987 ließ das Bezirksamt Neukölln von Berlin zunächst den etwa 222 m langen Abschnitt zwischen der Einmündung Alt-Rudow und dem Bildhauerweg entsprechend dem 1973 festgesetzten Bebauungsplan XIV-62 ausbauen, wobei westlich der vorhandenen Fahrbahn eine zusätzliche Richtungsfahrbahn angelegt wurde. Dieser Abschnitt wurde am 6. September 1989 mit einer Fahrbahnbreite (beider Richtungsfahrbahnen zusammengerechnet) von 15 m sowie mit einem 5 m breiten Mittelstreifen bautechnisch fertiggestellt. Am 23. August 1990 beschloß das Bezirksamt die gesonderte Abrechnung dieses Abschnitts. Der anschließende Abschnitt der Neuköllner Straße zwischen Bildhauerweg und Groß-Ziethener Chaussee wurde alsdann ebenfalls mit einer zweiten Fahrbahn ausgebaut und im Jahre 1993 bautechnisch fertiggestellt.
Die Klägerin ist Eigentümerin zweier Grundstücke, die im Abschnitt zwischen Alt-Rudow und Bildhauerweg westlich und östlich an die Neuköllner Straße angrenzen. Diese Grundstücke, die jeweils aus mehreren Flurstücken bestehen, sind 22.291 und 4.287 qm groß und mit mehrstöckigen Wohnhäusern bebaut. Sie sind im Bebauungsplan XIV-62 als allgemeines Wohngebiet mit unterschiedlichen Geschoßflächenzahlen ausgewiesen.
Durch zwei Bescheide vom 2. November 1993 zog das Bezirksamt Neukölln die Klägerin für diese Grundstücke zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von 374 261,16 DM und in Höhe von 456 705,64 DM heran. Ausgehend von einer Fahrbahnbreite der Bundesstraße 179 außerhalb Berlins von 6,5 m bezog das Bezirksamt dabei die Kosten der Fahrbahn nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB nur entsprechend der darüber hinausgehenden Breite von 8,5 m ein.
Die Klägerin erhob gegen diese Bescheide jeweils Widerspruch und begründete dies u.a. damit, gemäß einer Planung aus den Jahren 1990/1991 sei im Jahre 1992 damit begonnen worden, die Bundesstraße 179 im Zuständigkeitsbereich des Brandenburgischen Straßenbauamts Potsdam mit einer Fahrbahnbreite von 13 m auszubauen. Diese Fahrbahnbreite – und nicht lediglich die noch aus der Vorkriegszeit stammende Breite der Bundesstraße von 6,5 m – hätte von der Fahrbahnbreite von 15 m in Abzug gebracht werden müssen, so daß gemäß § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB allenfalls die Kosten eines 2 m breiten Fahrstreifens auf die Anlieger hätten umgelegt werden dürfen. Ebenso hätte von dem 5 m breiten Mittelstreifen die Breite des Mittelstreifens der im Ausbau befindlichen Bundesstraße außerhalb Berlins (von 2,8 m) abgezogen werden müssen.
Das Bezirksamt wies die Widersprüche der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 1994 zurück.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 12. Oktober 1995 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Die Beitragspflicht der Klägerin sei am 23. August 1990 mit dem Beschluß über die Abschnittsbildung entstanden. Die Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes sei rechtsfehlerfrei. Der Beklagte habe den beitragsfähigen Umfang der Fahrbahn nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB zutreffend ermittelt. Die freie Strecke der Bundesstraße 179 habe bis zur Abschnittsbildung eine Breite von 6,5 m aufgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die geplante Fahrbahnerweiterung auf 13 m nicht berücksichtigt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, die sie u.a. damit begründet hat, das Verwaltungsgericht habe verkannt, daß die Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 179 nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht erst an der Landesgrenze ende. Aber auch abgesehen davon hätte der Beklagte die Kosten einer 13 m breiten Fahrbahn und eines 2,8 m breiten Mittelstreifens aus den Erschließungskosten herausnehmen müssen. Für die Beurteilung der Breite der freien Strecke der Bundesstraße müsse der Zeitpunkt maßgeblich sein, in dem die Erschließungsanlage insgesamt endgültig hergestellt worden sei. Dies sei nach den Angaben des Beklagten erst 1993 geschehen. Zu diesem Zeitpunkt sei aber die verbindliche Planung für den vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 179 jenseits der Landesgrenze bereits abgeschlossen gewesen. Diese Planung habe schon vor der Wiedervereinigung bestanden. Zu Unrecht habe sich das Verwaltungsgericht darauf berufen, es sei offen, ob sie auch verwirklicht werde. Denn inzwischen – in den Jahren 1996/1997 – sei die Bundesstraße 179 von der Landesgrenze bis zum Anschluß Notteweg mit zwei Fahrbahnen vierspurig ausgebaut worden.
Mit Urteil vom 30. April 1998 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, daß die Beklagte die Kosten für die Fahrbahn insoweit in den beitragsfähigen Erschließungsaufwand einbezogen habe, als deren Breite über 6,5 m hinausgehe. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Breite der anschließenden freien Strecke sei der Zeitpunkt der Abschnittsbildung im August 1990. Grundsätzlich komme es bei dieser Beurteilung auf den tatsächlichen Ausbauzustand an. Dabei könne offenbleiben, ob es Fälle gebe, in denen es der Beitragsgerechtigkeit widerspräche, auf die tatsächliche Breite der anschließenden freien Strecke abzustellen, wenn es sich z.B. um einen einheitlich geplanten und durchgeführten Ausbau einer Bundesstraße in der Ortsdurchfahrt sowie in der freien Strecke handele und es nur vom Zufall abhänge, ob die freie Strecke vor der Ortsdurchfahrt fertiggestellt werde. Eine solche einheitliche Planung und Durchführung liege hier nicht vor, da die Ortsdurchfahrt mit dem im Jahre 1973 festgesetzten Bebauungsplan geplant worden sei, eine rechtsverbindliche Planung der freien Strecke aber erst mit der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses im Jahre 1993 vorgelegen habe. Jedenfalls fehle es an einer einheitlichen Durchführung des Ausbaus. Die Abschnittsbildung sei auch nicht willkürlich gewesen, da der Beklagte seinerzeit nicht habe erkennen können, daß die Abwälzung eines größeren Kostenanteils der Fahrbahn auf die Anlieger später nicht mehr möglich sein werde. Der Ausbau der Neuköllner Straße habe auch nichts mit der Wiedervereinigung zu tun. Vielmehr stamme die Planung aus einer Zeit, als die Straße im wesentlichen nur den innerörtlichen Verkehr habe aufnehmen müssen.
Mit der Revision gegen dieses Urteil macht die Klägerin geltend, die Kosten der Herstellung einer 13 m breiten Fahrbahn seien zunächst deshalb gemäß § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB von dem beitragsfähigen Aufwand auszunehmen, weil der Planfeststellungsbeschluß vom 26. April 1993 für den an die Landesgrenze anschließenden Ausbau der Bundesstraße 179 im Zeitpunkt der Beitragserhebung im November 1993 schon vorgelegen habe. Außerdem habe damals schon festgestanden, daß mit der Realisierung dieser Planung kurzfristig begonnen werde. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts komme es für die nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB maßgebliche Breite der freien Strecke der Bundesstraße nicht auf den tatsächlichen Ausbauzustand, sondern auf die schon vor der Wiedervereinigung beschlossene konkrete Planung an, die durch den Planfeststellungsbeschluß bestätigt und dann auch realisiert worden sei.
Des weiteren seien die Fahrbahnkosten in der durch verbindliches Planungsrecht festgesetzten Breite auch deshalb aus dem Erschließungsaufwand herauszunehmen, weil der Abschnitt der Neuköllner Straße zwischen Bildhauerweg und Groß-Ziethener Chaussee und damit die Erschließungsanlage insgesamt erst im Spätsommer 1993 fertiggestellt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Planfeststellungsbeschluß vom 26. April 1993 bereits bestandskräftig gewesen. Der Planfeststellungsbeschluß erbringe den Nachweis, daß der Ausbau der Bundesstraße für ein funktionsfähiges überregionales Verkehrsnetz zwingend geboten sei.
Im übrigen verstoße der Beschluß über die Abschnittsbildung vom 23. August 1990 gegen das Willkürverbot. Die Abschnittsbildung bedeute eine erhebliche Mehrbelastung für die Anlieger zwischen Alt-Rudow und Bildhauerweg, da die Beitragspflicht sonst erst entstanden wäre, als der Planfeststellungsbeschluß vom 26. April 1993 bereits vorlag. Im Zeitpunkt der Abschnittsbildung sei dem Beklagten auch schon bekannt gewesen, daß einer Realisierung der verabschiedungsreif vorliegenden Planung des Bundesverkehrsministeriums keine Hindernisse mehr entgegenstanden.
Abgesehen davon verstoße eine unterschiedliche Behandlung der Anlieger der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 179 in Berlin-Rudow hinsichtlich der dem beitragsfähigen Erschließungsaufwand zugrunde zu legenden Breite der anschließenden freien Strecke gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei dieser Ortsdurchfahrt handele es sich insgesamt um nureine Erschließungsanlage. Es sei willkürlich, die Klägerin insoweit schlechter zu stellen als Anlieger in einem noch nicht veranlagten Abschnitt dieser Anlage, bei denen die Kosten für die Fahrbahnen in der jetzt bestehenden Breite der anschließenden freien Strecke von 13 m aus dem Erschließungsaufwand herauszunehmen seien. Bereits bei der Abschnittsbildung vom 23. August 1990 sei zu erwarten gewesen, daß in diesem Abschnitt die von den Anliegern zu tragenden Erschließungskosten infolge der Berücksichtigung nur der damals bestehenden Breite der anschließenden freien Strecke von 6,5 m um mehr als ein Drittel höher liegen würden als in den südlichen Abschnitten der Ortsdurchfahrt, insbesondere in dem unmittelbar vor der Stadtgrenze liegenden Abschnitt. Abgesehen davon sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB aus dem beitragsfähigen Erschließungsaufwand der Kostenanteil herauszunehmen, der sich nach der erforderlichen Breite der anschließenden freien Strecke bestimme. Erforderlich sei jedoch nach dem im Zeitpunkt der angefochtenen Bescheide bereits vorliegenden Planfeststellungsbeschluß vom 26. April 1993 für die anschließende freie Strecke eine Breite von 13 m zuzüglich eines 2,8 m breiten Mittelstreifens.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Oktober 1995 und des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 30. April 1998 die beiden Erschließungsbeitragsbescheide des Bezirksamts Neukölln von Berlin vom 2. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1994 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung im wesentlichen auf die Urteilsgründe der Vorinstanzen und trägt ergänzend vor, auch bei der Abrechnung des südlich angrenzenden Abschnitts der Neuköllner Straße zwischen Bildhauerweg und Groß-Ziethener Chaussee sei von einer Breite der anschließenden freien Strecke von 6,5 m ausgegangen worden, da im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht für diesen Abschnitt die Bauarbeiten für diese freie Strecke im Land Brandenburg noch nicht begonnen hätten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil steht mit dem Bundesrecht in Einklang.
1. Das Berufungsgericht geht für die Anwendung des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB davon aus, daß die Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 179 durch Berlin an der südlichen Landesgrenze endet, weil dies von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen durch Verfügung vom 23. Dezember 1979 so festgesetzt worden ist. Deshalb komme es auf die Ausführungen der Klägerin zur Grenze der geschlossenen Ortslage (§ 5 Abs. 4 Satz 1 bis 3 FStrG) nicht an. Dagegen ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nichts einzuwenden.
Nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB umfaßt der Erschließungsaufwand nicht die Kosten für die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen sowie von Landstraßen I. und II. Ordnung (sog. klassifizierten Straßen), soweit die Fahrbahnen dieser Straßen keine größere Breite als ihre anschließenden freien Strecken erfordern. Was eine Ortsdurchfahrt ist, ist im Baugesetzbuch nicht geregelt. Hierfür sind die einschlägigen Straßengesetze – also für Bundesstraßen das Bundesfernstraßengesetz (FStrG) – maßgeblich (vgl. BVerfGE 34, 139, 148; Ernst in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Komm., Stand: 1. Februar 1999, § 128 BauGB Rn. 48). Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FStrG (in der seit dem 1. Januar 1975 geltenden Fassung) ist eine Ortsdurchfahrt der Teil der Bundesstraße, der innerhalb der geschlossenen Ortslage liegt und auch der Erschließung der anliegenden Grundstücke oder der mehrfachen Verknüpfung des Ortsstraßennetzes dient. In Satz 2 und 3 der genannten Vorschrift wird der Begriff der geschlossenen Ortslage inhaltlich näher bestimmt. Satz 4 sieht sodann vor, daß die oberste Landesstraßenbaubehörde im Benehmen mit der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Gemeinde die Ortsdurchfahrt festsetzt und dabei mit Zustimmung des Bundesministers für Verkehr und der Kommunalaufsichtsbehörde von der Regel der Sätze 1 und 2 abweichen kann. Diese Festsetzung ist ein Verwaltungsakt mit konstitutiver Wirkung, was sich daraus ergibt, daß sie nicht mit der Grenze der geschlossenen Ortslage übereinstimmen muß, sondern auch abweichend erfolgen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 1975 – BVerwG IV C 2.73 – Buchholz 406.11 § 123 BBauG Nr. 13 S. 4 f.; Marschall, FStrG, 5. Aufl. 1998, § 5 Rn. 28). Die durch Verfügung der Senatsverwaltung vom 23. Dezember 1970 getroffene Festsetzung, daß die Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 179 an der Landesgrenze endet, hat mithin für das vorliegende Verfahren Tatbestandswirkung.
2. Das Berufungsgericht geht weiter davon aus, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Breite der anschließenden freien Strecke der Bundesstraße (§ 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB) sei im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der Abschnittsbildung am 23. August 1990. Zu diesem Zeitpunkt ist nach den Entscheidungsgründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt, die sachliche Beitragspflicht entstanden. Auch dies ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Zunächst ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 1990 – BVerwG 8 C 76.88 – (BVerwGE 85, 66 ff.) nichts für die Maßgeblichkeit eines späteren Zeitpunkts ergibt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort ausgeführt (a.a.O., S. 76 ff.), Grund und Höhe der Erschließungsbeitragsansprüche bestimmten sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten (§ 133 Abs. 2 BBauG). Das schließe jedoch nicht aus, daß für einzelne für den Grund und die Höhe der Beitragspflicht bedeutsame Elemente (wie etwa bei den Merkmalen der endgültigen Herstellung) die Sach- und Rechtslage in dem früheren Zeitpunkt der Technischen Herstellung der Fahrbahn maßgebend sein könne. Darauf kommt es indessen für die vorliegende Sache nicht an. Denn die anschließende freie Strecke der Bundesstraße 179 – soweit davon angesichts der damaligen politischen Verhältnisse jenseits der Landesgrenze überhaupt gesprochen werden kann – wies schon bei der technischen Fertigstellung der Fahrbahn des abgerechneten Abschnitts im Jahre 1988 dieselbe Breite von 6,5 m auf wie im Zeitpunkt der Abschnittsbildung, den das Berufungsgericht als maßgeblich angesehen hat.
Auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen, würde auch gegen den anerkannten Grundsatz verstoßen, daß die Höhe des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflichten feststeht und daß später eintretende Änderungen der Sach- und Rechtslage hieran nichts mehr ändern können (vgl. BVerwGE 49, 131 ≪135≫; 75, 356 ≪359≫; BVerwG, Urteile vom 13. Mai 1977 – BVerwG IV C 82.74 – Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 18 S. 7 und vom 29. November 1985 – BVerwG 8 C 59.84 – Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 93 S. 58 f.). Unter der noch zu erörternden Voraussetzung, daß der Beschluß vom 23. August 1990 über die Bildung des Erschließungsabschnitts zwischen Alt-Rudow und Bildhauerweg rechtswirksam war, sind die Beitragspflichten für diesen Abschnitt mit jenem Beschluß entstanden. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts waren sämtliche Teileinrichtungen in diesem Abschnitt schon im September 1989 fertiggestellt. Weiter ergibt sich aus den im Berufungsurteil in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen (Bl. 23 der Hauptakte), daß die sonstigen Voraussetzungen für die Entstehung der sachlichen Beitragspflichten am 23. August 1990 vorlagen. Die letzte Voraussetzung für die Entstehung der sachlichen Beitragspflichten ist in dem Beschluß über die Abschnittsbildung selbst zu sehen. Denn die Bildung des Abschnitts ist Voraussetzung für die Feststellbarkeit des insoweit entstandenen beitragsfähigen Aufwands.
3. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis weiter darin zuzustimmen, daß es für den Kostenausschluß nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB nicht auf die lediglich geplante, sondern auf die tatsächliche Breite der anschließenden freien Strecke der Bundesstraße 179 in dem zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Ausbauzustand ankam. Die gegenteilige Ansicht der Revision läßt sich mit Wortlaut sowie Sinn und Zweck der genannten Vorschrift nicht begründen.
Nach dem Wortlaut des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB kommt es, wie auch das Berufungsgericht zutreffend feststellt, auf die anschließende freie Strecke und nicht auf die Planung einer solchen an. Allerdings ermöglicht der Wortlaut allein noch keine eindeutige Beantwortung der Frage, ob sich der aus dem Erschließungsaufwand auszunehmende Kostenanteil nach der tatsächlichen oder der erforderlichen Breite der anschließenden freien Strecke bestimmt. Sinn und Zweck der Regelung besteht nach der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BTDrucks 3/336 S. 103 zu § 150 Abs. 3 der Regierungsvorlage) darin, sicherzustellen, daß der Aufwand für die Anlegung aller Fahrbahnen von Verkehrsanlagen mit überlokaler Bedeutung aus allgemeinen Haushaltsmitteln bestritten werden muß. Die Vorschrift verbietet eine Refinanzierung durch Beiträge jedoch nicht, soweit die Ortsdurchfahrt breiter ist als die anschließende freie Strecke der klassifizierten Straße. Insoweit ordnet die Vorschrift die Fahrbahnkosten der Ortsdurchfahrt nicht ihrer Funktion als Teil der überörtlichen Verkehrsanlage, sondern ihrer Funktion als Erschließungsanlage (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) zu. Zur näheren Abgrenzung dieser Funktionen ergibt der dargelegte Sinn und Zweck der Vorschrift indes nichts.
Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß es mit dem Grundsatz der Bestimmtheit im Erschließungsbeitragsrecht nicht vereinbar wäre, für die maßgebliche Breite der freien Strecke auf Prognosen und Wertungen abzustellen, die keine eindeutige Abgrenzung ermöglichen. Vielmehr muß dieses Kriterium so ausgelegt werden, daß es einfach zu handhaben ist und eindeutige Berechnungsergebnisse gewährleistet. Danach kommt es grundsätzlich auf den tatsächlich vorhandenen Ausbauzustand an, der wiedergibt, welche Breite die Straße auf der anschließenden freien Strecke tatsächlich erfordert (im Sinne von „einnimmt” oder „beansprucht”), und damit auch regelmäßig den Umfang des durch sie fließenden Verkehrs zum Ausdruck bringt. Ein geplanter Ausbau der freien Strecke kann ohne Beeinträchtigung des Grundsatzes der Bestimmtheit sowie der Praktikabilität des in Rede stehenden Tatbestandsmerkmals nur dann berücksichtigt werden, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt (hier: der Abschnittsbildung) eine entsprechende Planungsentscheidung bestandskräftig und mit ihrer Ausführung bereits begonnen war. Denn erst dann steht sowohl rechtlich als auch tatsächlich fest, daß die anschließende freie Strecke eine dieser Planungsentscheidung entsprechend breite Fahrbahn erforderte. Da nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsurteils im Zeitpunkt der Abschnittsbildung hier noch keine rechtsverbindliche Planungsentscheidung vorlag und der vierspurige Ausbau der anschließenden freien Strecke nach den Angaben der Klägerin erst in den Jahren 1996/97 erfolgte, lag ein solcher Ausnahmefall nicht vor.
4. Frei von revisiblen Rechtsfehlern geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß der Beschluß des Bezirksamtes vom 23. August 1990 über die gesonderte Abrechnung des Erschließungsabschnitts zwischen Alt-Rudow und Bildhauerweg rechtmäßig und wirksam ist.
Nach § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann der beitragsfähige Erschließungsaufwand für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Die Entscheidung über die Abschnittsbildung stellt einen verwaltungsinternen Ermessensakt dar. Formelle Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Abschnittsbildung auch nicht willkürlich, weil der Beklagte, als er im August 1990 die Abschnittsbildung beschlossen habe, nicht habe erkennen können, daß die Abwälzung eines größeren Kostenanteils der Fahrbahn auf die Anlieger später nicht mehr möglich sein werde. Auf der Grundlage der damit getroffenen tatsächlichen Feststellung, an die das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, ist diese Auffassung nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung eine bundesrechtliche Schranke im Willkürverbot. Die hierdurch gezogene Grenze ist überschritten, wenn auf der Grundlage der für die Gemeinde im Zeitpunkt der Entscheidung über die Abschnittsbildung ermittelbaren Daten bereits erkennbar ist, daß in der darauf bis zur endgültigen Herstellung der gesamten Erschließungsanlage folgenden Zeit (hier bis 1993) eine Änderung der Sach- oder Rechtslage – etwa hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB – eintreten wird, die dazu führt, daß bei im wesentlichen gleicher Vorteilssituation die insoweit berücksichtigungsfähigen Kosten der erstmaligen Herstellung der Fahrbahn einer Teilstrecke der in Rede stehenden Erschließungsanlage je Quadratmeter Straßenfläche erheblich höher liegen als die entsprechenden Kosten für die erstmalige Herstellung einer anderen Teilstrecke derselben Anlage (vgl. BVerwGE 101, 225 ≪232≫).
Gegen die tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe bei der Abschnittsbildung eine derartige ungleiche Kostenbelastung der Anlieger an beiden Abschnitten derselben Erschließungsanlage nicht voraussehen können, hat die Klägerin keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht. Sie beruft sich in tatsächlicher Hinsicht im wesentlichen darauf, daß die Planung zur Verbreiterung der Fahrbahn der Bundesstraße 179 auf 13 m schon vor der Wiedervereinigung im Bundesverkehrsministerium vorbereitet gewesen sei und daß im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung des zweiten Erschließungsabschnitts bereits ein entsprechender bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluß vorgelegen habe. Abgesehen davon, daß hierin von vornherein keine beachtlichen Revisionsrügen gegen die tatsächlichen Feststellungen des Revisionsgerichts gesehen werden können, steht dieser Sachvortrag auch nicht im Widerspruch zu den das Berufungsurteil tragenden tatsächlichen Feststellungen. Denn wie dargelegt, kommt es für die Berechnung des nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB abzusetzenden Kostenanteils nach der (zutreffenden) Auffassung des Berufungsgerichts grundsätzlich nur auf dietatsächliche Breite der anschließenden freien Strecke der klassifizierten Straße an. Auch bei der im Zusammenhang mit dem Willkürverbot anzustellenden Prognose der beitragsfähigen Kosten des zweiten Erschließungsabschnitts war mithin grundsätzlich nur die voraussichtlichetatsächliche Breite der anschließenden Bundesstraße (im maßgeblichen Zeitpunkt der technischen Fertigstellung oder der endgültigen Herstellung des zweiten Erschließungsabschnitts) in den Blick zu nehmen. Ob der Beklagte bei der Abschnittsbildung damit zu rechnen hatte, daß im maßgeblichen Zeitpunkt eine Fahrbahnverbreiterung der freien Strecke der Bundesstraße auf 13 m schon planfestgestellt sein würde, ist dagegen unerheblich. Denn auch ein solcher Planfeststellungsbeschluß hätte es – wie dargelegt – allein nicht erlaubt, für den zweiten Erschließungsabschnitt nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB einen höheren Kostenanteil der Fahrbahn in Abzug zu bringen. Daß bei Entstehung der sachlichen Beitragspflicht für den zweiten Erschließungsabschnitt auch bereits mit der Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses begonnen gewesen sei und der Beklagte dies ebenfalls hätte voraussehen können, hat die Klägerin selbst nicht behauptet, sondern vorgetragen, der Ausbau sei erst in den Jahren 1996/97 erfolgt. Im übrigen hat sich die Prognose des Beklagten, daß sich eine dem Willkürverbot widersprechende unterschiedliche Kostenbelastung der Anlieger der beiden Abschnitte nicht ergeben werde, auch tatsächlich bestätigt. Nach den Angaben des Beklagten, an denen zu zweifeln kein Anlaß besteht, ist auch bei der Berechnung der Erschließungsbeiträge für den folgenden Abschnitt zwischen Bildhauerweg und Groß-Ziethener Chaussee die anschließende freie Strecke der Bundesstraße 179 nur mit einer Breite von 6,5 m berücksichtigt worden.
5. Die im Revisionsverfahren von der Klägerin schließlich aufgeworfene Frage, ob die unterschiedliche Belastung der Anlieger an der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 179 in Berlin-Rudow gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil die Beklagte diese Ortsdurchfahrt nicht insgesamt als einheitliche Erschließungsanlage behandelt hat, ist schon deshalb zu verneinen, weil nichts dafür ersichtlich ist, daß diese mehrere Kilometer lange Straßenstrecke, die aus der Neuköllner Straße und der Waltersdorfer Chaussee gebildet wird, bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise, die auf das durch die tatsächlichen Verhältnisse geprägte Erscheinungsbild abstellt (vgl. BVerwGE 101, 12 ≪16≫, 225 ≪229≫), eine einheitliche Erschließungsanlage sein könnte. Unter diesen Umständen liegt von vornherein kein Sachverhalt vor, der eine Gleichbehandlung aller Anlieger in erschließungsbeitragsrechtlicher Hinsicht gebieten könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.04.2000 durch Stoffenberger Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558164 |
NVwZ-RR 2000, 530 |
DÖV 2000, 820 |
FiWi 2001, 223 |
BayVBl. 2001, 281 |
DVBl. 2000, 1707 |
GK/BW 2001, 36 |
GV/RP 2000, 742 |
FuBW 2000, 774 |
FuHe 2000, 679 |