Entscheidungsstichwort (Thema)
Autobahnmaut. Maut. Mautflucht. Mautausweichverkehr. erhebliche Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse. Durchgangsverkehr. Durchfahrverbot. Erheblichkeitsschwelle. Verkehrslärm. Wohnbevölkerung. Lärm. Grenzwert. Sichtbarkeitsgrundsatz. Verkehrszeichen. Zusatzzeichen. Erkennbarkeit. Erfassbarkeit. Bestimmtheit
Leitsatz (amtlich)
Ausnahmen von einem durch Verkehrszeichen angeordneten Durchfahrverbot können nicht durch eine nur schriftlich ergangene und bekanntgemachte Allgemeinverfügung zugelassen werden.
Den Anforderungen an die sofortige Erkennbarkeit des Regelungsgehalts von Verkehrszeichen (Sichtbarkeitsgrundsatz) genügt jedenfalls eine Schilderkombination nicht mehr, die aus einem Verbotszeichen und vier Zusatzzeichen besteht.
Orientierungspunkte dafür, wann die Beeinträchtigungen durch Mautausweichverkehr die Erheblichkeitsschwelle des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO erreichen, können unter anderem der Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV – entnommen werden.
Erhebliche Auswirkungen liegen danach unter anderem dann vor, wenn der Beurteilungspegel durch den Mautausweichverkehr um mindestens 3 dB (A) oder auf mindestens 70 dB (A) am Tage oder 60 dB (A) in der Nacht erhöht oder ein schon in dieser Höhe bestehender Beurteilungspegel weiter erhöht wird.
Normenkette
StVO § 41 Abs. 2 Nr. 6 Sätze 5-6, § 45 Abs. 1, 4, 9 S. 3, § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1; BayVwVfG Art. 41 Abs. 3; 16. BImSchV § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Ansbach (Urteil vom 25.05.2007; Aktenzeichen AN 10 K 06.02661) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 1 zwei Drittel und die Beklagte zu 2 ein Drittel.
Tatbestand
I
Die klagenden Speditions- und Logistikunternehmen, die zumeist im Großraum Augsburg ansässig sind, wenden sich gegen verkehrsrechtliche Verfügungen, mit denen die Beklagten zur Unterbindung von Mautausweichverkehr die nächtliche Durchfahrt mit schweren Nutzfahrzeugen auf der B 25 verboten hatten.
Mit Allgemeinverfügung vom 19. Juli 2006 und verkehrsrechtlichen Anordnungen vom 21. Juni 2006, 30. Juni 2006 sowie 24. Juli 2006 verhängte das Landratsamt Ansbach versuchsweise für die Dauer eines halben Jahres, beginnend mit der Aufstellung der Verkehrszeichen am 8. August 2006, im Verlauf der B 25 in Fahrtrichtung Süd ab der Einmündung der St 1066 aus Richtung Sommerau bei Feuchtwangen und an der südlichen Landkreisgrenze in Fahrtrichtung Nord ab der Einmündung der St 1076 ein Verbot für den Durchgangsverkehr mit schweren Nutzfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 12 Tonnen. Das auf die Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr beschränkte Verbot wurde mit dem Verkehrszeichen 253 und den beiden Zusatzzeichen “Durchgangsverkehr” und “12 t” sowie einem weiteren Zusatzzeichen mit der Angabe der tageszeitlichen Geltung der Sperrung umgesetzt; in Fahrtrichtung Süd wurde außerdem ein Zusatzzeichen mit der Angabe “B 25 Zufahrt Landkreise Ansbach und Donau-Ries frei” und in Fahrtrichtung Nord ein Zusatzzeichen mit der Angabe “B 25 Zufahrt Landkreis Ansbach frei” angebracht. Auf die Durchfahrverbote wurde vorab durch Hinweisschilder mit den genannten Verkehrszeichen sowie weiteren Zusatzzeichen aufmerksam gemacht. Eine nur schriftlich erlassene und in verschiedenen Mitteilungsblättern und Zeitungen bekannt gemachte Allgemeinverfügung vom 19. Juli 2006 sah außerdem vor, dass Fahrten zum Be- und Entladen bei Unternehmen in einem Korridor von ca. 30 km Luftlinie westlich und östlich der B 2 zwischen der Landkreisgrenze Donau-Ries (nördliche Grenze) und der Autobahn A 8 West (südliche Grenze) von dem Verbot ausgenommen seien.
Die Beklagte zu 2 ordnete mit Allgemeinverfügung und verkehrsrechtlicher Anordnung vom 20. Juli 2006 ein entsprechendes Durchfahrverbot nebst Ausnahmeregelungen auf der B 25 nach der Einmündung der St 2218 in Fahrtrichtung Nördlingen sowie für die Zufahrt zur B 25 am Südring und an der St 2220 an.
Den Antrag der Klägerinnen auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 18. August 2006 abgelehnt. Auf die Beschwerde der Klägerinnen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung mit Beschluss vom 7. Dezember 2006 geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, da die angegriffenen Verfügungen voraussichtlich rechtswidrig seien.
Der Klage, die die Klägerinnen wegen des Ablaufs der Geltungsdauer der Durchfahrverbote vom ursprünglichen Anfechtungs- auf einen Feststellungsantrag umgestellt haben, hat das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 25. Mai 2007 stattgegeben. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Regelung verstoße nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Zwar übersteige die Zahl der an einem Pfosten angebrachten Verkehrszeichen die Soll-Vorgabe in der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung. Doch sei die Beschilderung zur Unterbindung des Mautausweichverkehrs, da sie sich an Lkw-Fahrer und damit besonders qualifizierte Verkehrsteilnehmer richte und sie außerdem durch Hinweisschilder mehrmals vorab angekündigt werde, ein atypischer Sonderfall, so dass von der Regel abgewichen werden dürfe. Fehlerhaft sei aber die Bekanntmachung der den 30-km-Korridor betreffenden Ausnahmeregelung in Mitteilungsblättern und Zeitungen. § 45 Abs. 4 StVO lasse nur eine Bekanntgabe durch Verkehrszeichen und -einrichtungen zu. Auch § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO stehe einer öffentlichen Bekanntmachung von Ausnahmen entgegen. Die fehlerhafte Bekanntmachung der Korridorregelung habe analog Art. 44 Abs. 4 BayVwVfG die Unwirksamkeit der verkehrsrechtlichen Anordnung insgesamt zur Folge, da die Beklagten das Durchfahrverbot nicht ohne die Korridorregelung erlassen hätten. Abgesehen davon erreiche die von den Beklagten nachgewiesene mautbedingte Zunahme des Schwerlastverkehrs auf dem streitigen Streckenabschnitt nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO. Wegen der mit der Regelung beabsichtigten Absenkung der Eingriffsschwelle seien erhebliche Auswirkungen von Mautausweichverkehr nicht erst dann anzunehmen, wenn die Lärmbelastung um mindestens 3 dB (A) zugenommen habe. Statt des Abstellens auf die Überschreitung fester Lärmwerte sei eine Einzelfallbetrachtung notwendig, maßgeblich sei ein spezifisch örtlicher Zunahmewert. Ausgehend hiervon reiche der bisher für die B 25 belegte Anstieg des Verkehrsaufkommens nicht aus, der nach Abzug der allgemeinen Zunahme des Straßenverkehrs bei knapp zwei Lkw pro Nachtstunde liege.
Zur Begründung ihrer Sprungrevision gegen dieses Urteil tragen die Beklagten vor: Der Inhalt einer verkehrsrechtlichen Anordnung müsse sich nicht immer in vollem Umfang aus Verkehrszeichen ergeben. § 45 Abs. 4 StVO meine nur das Verbot als solches, dagegen seien für Ausnahmen alle Formen der Bekanntgabe möglich. Die Korridorregelung sei deshalb nicht fehlerhaft bekannt gemacht worden. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO vor, da das Vorliegen einer Ausnahme vom Durchfahrverbot für die bei Kontrollen eingesetzten ortskundigen Beamten überprüfbar sei. Im Übrigen habe das Bayerische Staatsministerium des Innern konkludent von der Ermächtigung in § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO Gebrauch gemacht und für den Einzelfall der Sperrung der B 25 vom Erfordernis der Bekanntgabe durch Verkehrszeichen abgesehen. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO hätten vorgelegen. Obwohl das Verwaltungsgericht zu Recht eine umfassende Einzelfallbetrachtung für erforderlich gehalten habe, habe es die Auswirkungen allein anhand der absoluten Zunahme um zwei Lkw pro Nachtstunde beurteilt. Damit habe es in Abweichung von seinem eigenen Ansatz weitere Kriterien nicht in den Blick genommen. Aus der mit § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO bezweckten Absenkung der Eingriffsschwelle folge, dass der Mautausweichverkehr schon bisher unzuträgliche Lärmverhältnisse nicht noch weiter verschlechtern oder auch nur festschreiben dürfe. Aus der Normbegründung ergebe sich zudem, dass die Straßenverkehrsbehörde keine Lärmberechnung oder Abgasmessung vornehmen müsse, sondern die Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Anlieger abschätzen dürfe; sie habe somit eine Einschätzungsprärogative. An verschiedenen Stellen der von den Durchfahrverboten betroffenen Strecke sei schon vorab ein nächtlicher Lärmwert von 65 dB (A) überschritten worden, die Anwohner seien deshalb ohnehin einer unzumutbar hohen Lärmbelastung ausgesetzt gewesen. Daher könne es für das Erreichen der Eingriffsschwelle nicht darauf ankommen, ob sich durch den Mautausweichverkehr der Lärmpegel noch zusätzlich um mindestens 3 dB (A) erhöht habe. Der weitere mautfluchtbedingte Anstieg sei bereits im Hinblick auf die Überschreitung der Grenzwerte erheblich im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO; geboten sei gerade auch eine Kappung von Lärmspitzen.
Die Klägerinnen treten der Revision entgegen. Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend, soweit das Verwaltungsgericht die Bekanntgabe der Korridorregelung für fehlerhaft gehalten und angenommen hat, dass die Beeinträchtigungen durch den Mautausweichverkehr die Erheblichkeitsschwelle des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nicht erreichten. Außerdem seien die Durchfahrverbote wegen der Vielzahl der verwendeten Verkehrszeichen zu unbestimmt.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Dem Verwaltungsgericht sei darin zuzustimmen, dass die öffentliche Bekanntmachung der für den 30-km-Korridor zugelassenen Ausnahmen fehlerhaft gewesen sei. Die Erheblichkeitsschwelle des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO sei nicht erst bei einer Erhöhung des Lärmpegels um 3 dB (A) erreicht, geboten sei eine Einzelfallprüfung. Die Erwägung der Beklagten, sie müssten bei einer weiteren Verschlechterung schon bisher unerträglicher Lärmverhältnisse einschreiten können, sei ebenso nachvollziehbar wie der Gedanke einer Kappung von Lärmspitzen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen verkehrsrechtlichen Verfügungen mit Recht aufgehoben. Die Durchfahrverbote waren, soweit sie durch Verkehrszeichen umgesetzt wurden, rechtswidrig, weil sie nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurden (1.). Auch die mit der Korridorregelung bezweckten Ausnahmen wurden nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht; zudem war die Korridorregelung zu unbestimmt (2.). Danach kann es der Revision nicht mehr zum Erfolg verhelfen, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO zu Unrecht verneint hat (3.).
1. Soweit die angegriffenen Durchfahrverbote durch Verkehrszeichen umgesetzt wurden, waren sie rechtswidrig, weil sie nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts genügte die Bekanntgabe nicht den Anforderungen an die Erkennbarkeit der Regelung, die nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz für Verkehrszeichen gelten. Das ergibt sich schon aus der Zahl der verwendeten Verkehrszeichen; die Regelung umfasste das Zeichen 253 sowie vier Zusatzzeichen. Hinzu kommt, dass das Zusatzzeichen, mit dem die Zufahrt zum Landkreis Ansbach bzw. zu den Landkreisen Ansbach und Donau-Ries freigegeben werden sollte, nicht ohne Rückgriff auf Hilfsmittel erfasst werden konnte.
a) Da Verkehrszeichen sofort befolgt werden müssen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO), muss eine durch das Aufstellen von Verkehrszeichen bekannt gegebene Regelung klar und eindeutig sein. Verkehrszeichen sind deshalb nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon “mit einem raschen und beiläufigen Blick” erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 11. Dezember 1996 – BVerwG 11 C 15.95 – BVerwGE 102, 316 ≪318≫; BGH, Urteil vom 8. April 1970 – III ZR 167/68 – NJW 1970, 1126 f., jeweils m.w.N.).
Dementsprechend wird in Abschnitt III Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung vom 22. Oktober 1998 (VwV-StVO) vorgegeben, dass Häufungen von Verkehrszeichen zu vermeiden sind. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Bedeutung von Verkehrszeichen bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit zweifelsfrei erfassbar sein muss. Da mehr als drei zugleich angebrachte Verkehrszeichen die individuelle Wahrnehmbarkeit überschreiten, sie die Reaktion verzögern und dadurch gefährdend wirken können (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, § 39 StVO Rn. 36 m.w.N.), dürfen gemäß Abschnitt III Nr. 11 Buchst. a VwV-StVO am gleichen Pfosten oder sonst unmittelbar über- oder nebeneinander nicht mehr als drei Verkehrszeichen angebracht werden. Auch Zusatzzeichen sind gemäß § 39 Abs. 2 Satz 2 StVO Verkehrszeichen. Abschnitt III Nr. 17 Buchst. b Satz 1 VwV-StVO regelt, dass mehr als zwei Zusatzzeichen an einem Pfosten, auch zu verschiedenen Verkehrszeichen, nicht angebracht werden sollen. Bei diesen durch Verwaltungsvorschrift getroffenen Regelungen handelt es sich zwar nicht um Rechtsvorschriften, doch binden sie die nachgeordneten Behörden und sind auch für die gerichtliche Entscheidung eine Auslegungshilfe.
Danach ergibt sich hier ein Verstoß gegen die Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes bereits aus der Vielzahl der gleichzeitig verwendeten Verkehrszeichen. Die angegriffenen Verkehrsverbote wurden durch eine Kombination aus fünf Einzelzeichen, nämlich dem Zeichen 253 und vier Zusatzzeichen umgesetzt. Bei dieser Vielzahl war das Gebot einer raschen und zuverlässigen Erfassbarkeit der Regelung nicht mehr erfüllt.
Zwar sieht bereits § 41 Abs. 2 Nr. 6 Satz 5 StVO selbst die Ergänzung des Zeichens 253 um zwei Zusatzzeichen vor (“Durchgangsverkehr”; “12 t”), so dass schon für die Grundregelung drei Verkehrszeichen erforderlich sind. Angesichts dessen wird ein weiteres Zusatzzeichen, das – wie die zeitliche Begrenzung des Durchfahrverbots (“22 bis 6 Uhr”) – rasch erfasst werden kann, noch hinzunehmen sein. Die Grenze des Erfassbaren wird aber durch das vierte Zusatzzeichen überschritten. Dieses vierte Zeichen (“B 25 Zufahrt Landkreise Ansbach und Donau-Ries frei” bzw. “B 25 Zufahrt Landkreis Ansbach frei”) lässt sich ohnehin nicht auf einen Blick erfassen, sondern muss erst verstanden werden.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts konnte dem Gebot einer sofortigen Erkennbarkeit und Erfassbarkeit der Verkehrszeichen nicht dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass die Durchfahrverbote vorab durch Hinweiszeichen angekündigt wurden. Die eingesetzten Vorwegweiser wiesen dieselbe Zahl von Einzelzeichen auf, sie enthielten darüber hinaus sogar noch weitere Zusatzzeichen. Damit war aber auch hinsichtlich dieser Vorwegweiser die nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz erforderliche rasche und beiläufige Erfassbarkeit nicht gewährleistet. Auch die Wiederholung dieser Verkehrszeichen beseitigte die bestehenden Unsicherheiten nicht, da sich für die Verkehrsteilnehmer bei einer Mehrfachbeschilderung zusätzlich die Frage stellt, ob es sich tatsächlich um inhaltlich identische Regelungen handelt.
Die Beklagten können sich schließlich nicht darauf berufen, dass die Zahl der Verkehrszeichen hier ausnahmsweise deshalb höher sein dürfe, weil sie sich an die Fahrer von schweren Nutzfahrzeugen und damit einen besonders erfahrenen und qualifizierten Kreis von Verkehrsteilnehmern richteten. Sie verkennen dabei, dass Maßstab für die Erfüllung der Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes grundsätzlich der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer ist (vgl. BVerwG und BGH, a.a.O.). Das gilt auch hier.
b) Die Zusatzzeichen “B 25 Landkreise Ansbach und Donau-Ries frei” bzw. “B 25 Landkreis Ansbach frei” genügten zudem deshalb nicht den Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes, weil sie von den Fahrern nicht ohne einen Rückgriff auf Hilfsmittel, wie etwa eine Karte mit eingezeichneten Landkreisgrenzen, sofort umgesetzt werden konnten.
Ortsunkundige Fahrer, die bei der Durchfahrt unvermutet auf diese Beschilderung trafen, konnten ihr Verhalten daran nicht ohne Weiteres ausrichten, da ihnen regelmäßig geeignete Hilfsmittel zur Lokalisierung der Landkreisgrenzen gefehlt haben dürften. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass auf der Strecke, wie die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unbestritten ausgeführt haben, auch internationaler Speditionsverkehr abgewickelt wird. Da sich die verwendeten Zusatzzeichen nicht nur an Ortskundige richten, ist unerheblich, ob jedenfalls den Fahrern im Regionalverkehr die Landkreisgrenzen bekannt sind.
Dass auch die Legaldefinition des Durchgangsverkehrs in § 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO Schwierigkeiten bei ihrer Anwendung aufwirft, führt zu keiner anderen Bewertung. Von den Verkehrsteilnehmern kann erwartet werden, dass sie sich vorab die erforderliche Kenntnis vom Inhalt von Rechtsnormen als abstraktgenerellen Regelungen und deren Anwendungsbereich verschaffen. Anders verhält es sich bei Verkehrszeichen, die dem Fahrer erst vor Ort begegnen.
2. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die von den Beklagten vorgesehene Korridorregelung, wonach – gestützt auf § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO – von den Durchfahrverboten auf der B 25 Be- und Entladungen bei Unternehmen in einem Korridor von ca. 30 km Luftlinie westlich und östlich der B 2 zwischen der Landkreisgrenze Donau-Ries (nördliche Grenze) und der A 8 West (südliche Grenze) freigestellt sein sollten, in fehlerhafter Weise, nämlich nicht in Form von Verkehrszeichen, getroffen und bekannt gemacht wurde. Abgesehen davon genügt die Regelung wegen ihrer nur ungenau bezeichneten räumlichen Abgrenzung (“ca.”) nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes.
a) Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 StVO dürfen “die genannten Behörden”, also insbesondere die Straßenverkehrsbehörden, den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Damit wird das den Behörden zu diesem Zweck zur Verfügung stehende rechtliche Instrumentarium im Hinblick auf die Form der Regelung und die Art der Bekanntgabe beschränkt.
Den Beklagten kann nicht in der Annahme gefolgt werden, zwischen einem Verkehrsverbot und hiervon gewährten Ausnahmen sei in der Weise zu trennen, dass die Ausnahmen nicht unter die Vorgabe des § 45 Abs. 4 Satz 1 StVO fielen. Für eine solche Differenzierung gibt der Wortlaut der Regelung keinen Anhalt. Zudem verweist § 41 Abs. 2 Satz 5 StVO für allgemeine Beschränkungen von Ge- oder Verboten oder allgemeine Ausnahmen von ihnen gerade auf die Verwendung von Zusatzschildern.
Auch bei den hier von den zuständigen Straßenverkehrsbehörden erlassenen Durchfahrverboten handelt es sich um eine einheitliche Lenkung und Regelung des Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 1 StVO. Die getroffene Gesamtregelung ergibt sich erst aus dem Zusammenwirken von Verbot und Ausnahmen, zu denen auch die Korridorregelung gehört. Die einzelnen Elemente des Gesamtkonzepts waren schon deshalb zu einer Einheit verklammert, weil die Beklagten eine einheitliche Ermessensentscheidung getroffen und die Ausnahmen beigefügt hatten, um Einwänden gegen die Verhältnismäßigkeit des Durchfahrverbotes Rechnung zu tragen und die Zustimmung der höheren Straßenverkehrsbehörde zu erhalten.
b) Für eine Anwendung der allgemein für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten geltenden verfahrensrechtlichen Regelungen bleibt kein Raum. Ein Rückgriff auf Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG, wonach eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gemacht werden darf, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist, ist ausgeschlossen.
Dass § 45 Abs. 4 Satz 1 StVO insoweit abschließend ist, folgt schon aus dem Wortlaut der Regelung (“nur”). Dies wird durch die Systematik der Norm bestätigt. § 45 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 StVO benennt Ausnahmen zu dem im ersten Halbsatz aufgestellten Grundsatz und ermöglicht in diesem Umfang eine abweichende Form der Bekanntgabe. Danach dürfen die Behörden den Verkehr in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 5 – also bei Maßnahmen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit – und des Absatzes 1f – bei Maßnahmen zur Umsetzung von Smog-Verordnungen – auch durch Anordnungen regeln und lenken, die durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise bekannt gegeben werden können, sofern die Aufstellung von Verkehrszeichen und -einrichtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist. Wird jedoch vom Normgeber eine von der Aufstellung von Verkehrszeichen abweichende Art der Bekanntgabe nur für bestimmte Fälle erlaubt, ist daraus zu schließen, dass dies für weitere Fälle gerade nicht gelten soll. Eine Abweichung wäre zudem mit dem Sinn und Zweck von § 45 Abs. 4 Satz 1 StVO nicht vereinbar. Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen, die für jedermann gelten sollen, müssen auch für alle Verkehrsteilnehmer erkennbar sein, die den betroffenen Streckenabschnitt durchfahren. Dies ist nur durch – zumal standardisierte – Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen hinreichend gewährleistet. Dabei müssen sich die Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit dieser Regelungen verlassen können. Dass auch ortsfremde Verkehrsteilnehmer von einer nur in örtlichen Bekanntmachungsblättern und Zeitungen bekannt gegebenen Regelung ausreichend Kenntnis erlangen könnten, ist zudem lebensfremd.
c) Auf § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO können die Beklagten die Korridorregelung nicht stützen. Danach können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von den Verboten oder Beschränkungen genehmigen, die durch Vorschriftzeichen (§ 41), Richtzeichen (§ 42), Verkehrseinrichtungen (§ 43 Abs. 1 und 3) oder Anordnungen (§ 45 Abs. 4) erlassen sind.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht erteilt werden können, wenn sie einen unbestimmten Personenkreis begünstigen sollen (Urteil vom 22. Dezember 1993 – BVerwG 11 C 45.92 – Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 9). Gerade darum ging es aber im vorliegenden Fall. Begünstigt werden sollten nicht nur die im Korridor ansässigen Unternehmen, sondern auch deren Geschäftspartner. Erstreckt sich aber die einem Gewerbetreibenden erteilte Ausnahmegenehmigung von einem Verkehrsverbot (§ 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO) auch auf Fahrzeuge seiner “Kunden”, so betrifft sie einen unbestimmten Personenkreis, nicht aber, wie von § 46 Abs. 1 StVO vorausgesetzt, “bestimmte Einzelfälle” oder “bestimmte Antragsteller”.
Diese Beschränkung können die Beklagten nicht dadurch aushebeln, dass sie das Befahren der B 25 zu den in der Korridorregelung genannten Zwecken zu dem hier zu begünstigenden Einzelfall erklären. Damit ist keine Konkretisierung der begünstigten Adressaten verbunden, wie sie § 46 Abs. 1 und 3 StVO voraussetzt. Aus § 46 Abs. 3 Satz 3 StVO, wonach die Bescheide mitzuführen und auf Verlangen den zuständigen Personen auszuhändigen sind, folgt, dass solche Ausnahmegenehmigungen eine präventive Individualprüfung durch die Straßenverkehrsbehörde voraussetzen (Urteil vom 22. Dezember 1993 – BVerwG 11 C 45.92 – a.a.O.). Daraus ist zu schließen, dass diese Genehmigungen in Form von (Einzel-)Bescheiden gegenüber konkreten Begünstigten ergehen müssen, nicht aber einen unbestimmten oder allenfalls bestimmbaren Kreis von Adressaten begünstigen können.
d) Ebenso wenig greift der Einwand, das Bayerische Staatsministerium des Innern habe als zuständige oberste Landesbehörde zumindest konkludent nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO für den Einzelfall der Sperrung der B 25 vom Erfordernis der Bekanntgabe durch Verkehrszeichen abgesehen. Nach dieser Regelung können u.a. die zuständigen obersten Landesbehörden von allen Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller genehmigen. Der behauptete konkludente Erlass einer solchen Genehmigung scheitert bereits daran, dass selbst nach dem Beklagtenvortrag das Staatsministerium davon ausgegangen ist, eine solche Ausnahmegenehmigung sei nicht erforderlich. Soll aber eine Regelung, wenn schon nicht ausdrücklich, so doch jedenfalls durch schlüssiges Handeln, getroffen worden sein, setzt dies zumindest einen entsprechenden Regelungswillen voraus. Abgesehen davon können auch nach § 46 Abs. 2 StVO Ausnahmen nur für bestimmte Einzelfälle oder bestimmte Antragsteller erteilt werden.
e) Die Korridorregelung war außerdem wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig. In den Allgemeinverfügungen der Beklagten wird die Begrenzung des Korridors mit “ca. 30 km Luftlinie westlich und östlich der B 2” angeben. Einen Maßstab dafür, welche räumliche Ausdehnung infolge der Relativierung durch die Angabe “ca.” noch erfasst ist, geben weder die Allgemeinverfügung selbst noch deren Begründung an die Hand. Bei einer solch vagen Abgrenzung ergeben sich Unklarheiten sowohl für die Verkehrsteilnehmer selbst, die nicht genau wissen, wann ihnen eine Durchfahrt noch erlaubt ist, als auch für die das Durchfahrverbot kontrollierenden Polizeibeamten.
3. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO für ein Einschreiten gegen den Mautausweichverkehr hier erfüllt.
Nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO, der mit der Fünfzehnten Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 22. Dezember 2005 (BGBl I S. 3714) eingefügt wurde, dürfen abweichend von Satz 2 zum Zwecke des Absatzes 1 Satz 1 oder 2 Nr. 3 Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs auch angeordnet werden, soweit dadurch erhebliche Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge hervorgerufen worden sind, beseitigt oder abgemildert werden. Der Verordnungsgeber sah es wegen der nach Einführung der Autobahnmaut zu verzeichnenden Zunahme des Schwerlastverkehrs auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen als geboten an, die Eingriffsschwelle für Verkehrsbeschränkungen speziell für Mautausweichverkehre abzusenken, da das nach dem geltenden Recht zur Verfügung stehende verkehrsrechtliche Instrumentarium zu deren wirksamer Eindämmung in einigen Fällen nicht ausreiche (BRDrucks 824/05 S. 7 f.).
a) § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO setzt voraus, dass die Auswirkungen des Mautausweichverkehrs “erheblich” sind. Soweit es um den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm geht (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO), können Orientierungspunkte für eine nähere Bestimmung, wann eine Lärmzunahme “erheblich” ist, der Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV – vom 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036) entnommen werden (vgl. zur Heranziehung im Rahmen von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO u.a. Urteil vom 22. Dezember 1993 – BVerwG 11 C 45.92 – a.a.O.). § 1 Abs. 2 16. BImSchV legt unter anderem fest, welche Lärmzunahme dazu führt, dass die Änderung einer öffentlichen Straße als “wesentlich” im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG anzusehen ist. Damit erfüllt die Vorschrift eine ähnliche Funktion wie § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO: Beidesmal geht es darum, die Zunahme des Verkehrslärms als solche zu bewerten. Die Vorschriften unterscheiden sich zwar hinsichtlich der Ursache der Veränderung (Straßenausbau dort, Mautausweichverkehr hier), aber nicht hinsichtlich der Veränderung selbst; diese muss hier wie dort in einer Lärmzunahme bestehen, die in ihrem Ausmaß “wesentlich” oder “erheblich” ist.
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 16. BImSchV liegt eine “wesentliche” Lärmzunahme vor, wenn der Beurteilungspegel des Verkehrslärms um mindestens 3 dB (A) oder auf mindestens 70 dB (A) am Tage oder mindestens 60 dB (A) in der Nacht erhöht wird. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchV gilt dasselbe, wenn der Beurteilungspegel von mindestens 70 dB (A) am Tage oder 60 dB (A) in der Nacht weiter erhöht wird; das gilt nicht in Gewerbegebieten. Dem liegt eine Wertung des Verordnungsgebers zugrunde, die sich auf § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO übertragen lässt. Das gilt für ihre beiden Elemente gleichermaßen. Das 3-dB-(A)-Kriterium beruht auf der Einschätzung, dass geringere Veränderungen der Geräuschsituation nach allgemeinen Erkenntnissen der Akustik vom menschlichen Ohr noch nicht oder kaum wahrgenommen werden können (vgl. Urteile vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 33 bis 35.83 – BVerwGE 77, 285 ≪293≫ und vom 19. August 1988 – BVerwG 8 C 51.87 – BVerwGE 80, 99 ≪101 f., 108 ff.≫; vgl. auch die Begründung zu § 1 Abs. 2 16. BImSchV in BRDrucks 661/89 S. 32 f.). Dies beansprucht auch für den Sachzusammenhang des Straßenverkehrsrechts Beachtung. Nichts anderes gilt für die Wertung, dass auch eine geringere Lärmzunahme erheblich ist, wenn dadurch ein Beurteilungspegel von 70 dB (A) am Tage oder 60 dB (A) in der Nacht erreicht oder überschritten wird. Dann nämlich droht eine ohnehin bereits unzumutbare Situation noch verschlechtert oder jedenfalls verfestigt zu werden. Ließe man auch hier erst einen Zuwachs um 3 dB (A) genügen, so liefe § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO gerade bei einer derart hohen Vorbelastung vielfach leer. Eine Erhöhung des Mittelungspegels um 3 dB (A) setzt nämlich etwa eine Verdoppelung der Verkehrsstärke voraus (vgl. Nr. 3.2 der Vorläufigen Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm vom 6. November 1981, VkBl 1981 S. 428). Ein derartiges Ausmaß wird der Mautausweichverkehr gerade bei einer ohnehin hohen Ausgangsbelastung der Ausweichstrecke schon im Hinblick auf deren beschränkte Aufnahmefähigkeit nur selten erreichen.
Offenbleiben kann, ob und unter welchen Voraussetzungen eine “erhebliche” Verkehrslärmzunahme im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO auch aus anderen Gründen als einer Zunahme des Beurteilungspegels um 3 dB (A) oder auf mindestens 70 dB (A) am Tage oder mindestens 60 dB (A) in der Nacht angenommen werden kann. Mit Recht verweisen die Beklagten darauf, dass § 1 Abs. 2 16. BImSchV nur auf Mittelungspegel abstellt, Lärmspitzen als solche aber nicht erfasst. Es spricht manches für die Annahme, dass auch eine Zunahme von Lärmspitzen, wenn sie bestimmte Grenzen überschreitet, für sich genommen als eine erhebliche Auswirkung des Mautausweichverkehrs angesehen werden kann. Doch bedarf dies hier keiner Vertiefung.
b) Für die Feststellung, ob eine mautfluchtbedingte Verkehrslärmzunahme hiernach erheblich ist, bedarf es nicht der sonst im Immissionsschutzrecht üblichen Lärmmessungen. Vielmehr darf sich die Behörde mit fundierten Schätzungen begnügen. Das ergibt sich aus der Begründung der Verordnung sowie aus den verwaltungspraktischen Gegebenheiten bei ihrem Erlass. In der Normbegründung wird ausgeführt, dass keine Lärmberechnung oder Abgasmessung vorausgesetzt werde; selbstverständlich sei aber, dass vor der Anordnung verkehrsbeschränkender oder -verbietender Maßnahmen insbesondere die Verkehrsbelastung und die Verkehrsstrukturen auf der Ausweichstrecke erhoben und auf dieser Grundlage die Auswirkungen des Mautausweichverkehrs auf die Umwelt und die Gesundheit der Anlieger abgeschätzt würden (BRDrucks 824/05 S. 8). Mehr als solche Schätzungen zu verlangen, ließe die Neuregelung auch ins Leere laufen. Für den gebotenen Vergleich der Verkehrs- und Belastungssituation vor und nach der Einführung der Autobahnmaut fehlt es nämlich regelmäßig an genauen Zahlen über das Aufkommen an Lkw über 12 t für die Zeit vor Einführung der Autobahnmaut, weil diese Kategorie bis 2005 von den Dauerzählstellen nicht isoliert erfasst wurde.
c) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts war die durch Mautausweichverkehr hervorgerufene Lärmzunahme im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO erheblich. Zwar betrug der Anstieg des Lärmpegels, der zudem auf alle Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t zurückzuführen ist, hiernach nur 1,1 dB (A). Doch hatte der Lärmpegel schon im Jahr 2000 an fünf Stellen des betroffenen Streckenabschnitts die Grenze von 60 dB (A) in der Nacht deutlich, nämlich um mehr als 5 dB (A) überschritten. Die mithin schon bislang für die Anwohner unzumutbare Situation wurde durch den Mautausweichverkehr verfestigt und noch weiter verschlechtert.
Daher lagen hier die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür vor, zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Verkehrslärm Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs auch abweichend von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO anzuordnen. Die Freistellung von den Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO entbindet dabei nicht auch von den im Grundsatz geltenden Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO (vgl. hierzu Urteile vom 4. Juni 1986 – BVerwG 7 C 76.84 – BVerwGE 74, 234 ≪239≫ und vom 22. Dezember 1993 – BVerwG 11 C 45.92 – a.a.O. S. 14 sowie BRDrucks 824/05 S. 5). Im Übrigen ist die Behörde nicht darauf beschränkt, lediglich den mautfluchtbedingten Mehrverkehr herauszufiltern. Derart selektive Maßnahmen könnte sie praktisch nicht treffen. Die Ermächtigung in § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen, “soweit” dadurch die Auswirkungen des Mautausweichverkehrs beseitigt oder abgemildert werden können, ist daher dahin aufzufassen, dass die Behörde derartige Maßnahmen auch dann treffen darf, wenn diese im Ergebnis über eine bloße Mautfluchtbekämpfung hinausgehen, dass sie ihre Maßnahmen aber nach Möglichkeit auf die Mautfluchtbekämpfung zu beschränken hat. Hierzu sieht die Verordnung selbst schon die Zusatzzeichen “Durchgangsverkehr” und “12 t” vor; die Beschränkung eines Durchfahrverbots auf bestimmte Tageszeiten kann hinzutreten.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der internen Verteilung der Verfahrenskosten auf die beiden Beklagten war das unterschiedliche Gewicht zu berücksichtigen, das die von ihnen erlassenen Anordnungen in Bezug auf die streitigen Durchfahrverbote hatten.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
BVerwGE 2008, 383 |
DÖV 2008, 680 |
DAR 2008, 656 |
DVP 2008, 476 |
VRS 2008, 66 |
VR 2008, 323 |
ZfS 2008, 714 |
BayVBl. 2008, 669 |
DVBl. 2008, 869 |
NPA 2009 |
SVR 2008, 231 |
UPR 2008, 315 |
Immissionsschutz 2008, 140 |
KommP BY 2008, 187 |
KommP BY 2008, 352 |