Entscheidungsstichwort (Thema)
Beförderungsverbot. Zwangsgeldandrohung. Zwangsgeldfestsetzung. Beugewirkung. faktische Vollziehung. maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt. Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion. Zuständigkeitsübertragung durch Rechtsverordnung. Zuständigkeitsübertragung durch Erlass. Veröffentlichungspflicht. Bundespolizei. Vorrang des Gesetzes. Mandat
Leitsatz (amtlich)
- Die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz, es sei denn, das Vollstreckungsverfahren für das angedrohte Zwangsgeld war zuvor abgeschlossen oder die Zwangsgeldandrohung ist zuvor durch eine neue, niedrigere Zwangsgeldandrohung ersetzt worden. Dann ist dieser frühere Zeitpunkt maßgeblich.
- Die Androhung eines Zwangsgelds nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG gehörte zu den dem Bundesgrenzschutz obliegenden Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 2 BGSG.
- Die sachliche Zuständigkeit für Zwangsgeldandrohungen nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG konnte nach § 58 Abs. 1 BGSG nur durch Rechtsverordnung auf die Grenzschutzdirektion übertragen werden.
Normenkette
AufenthG § 63 Abs. 2-3, § 71 Abs. 3 Nr. 2; AuslG § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; BGSG § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2, §§ 57, 58 Abs. 1; BPolG § 58 Abs. 1; Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden §§ 2-3, 4;; Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.01.2005; Aktenzeichen 10 A 11817/04) |
VG Koblenz (Entscheidung vom 19.01.2004; Aktenzeichen 3 K 513/03.KO) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft britischen Rechts. Sie wendet sich gegen die Androhung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung des Verbots, Fluggäste ohne Pass und Visum nach Deutschland zu befördern.
Die Beklagte erließ am 4. Dezember 2000 eine Verfügung gegenüber der Klägerin, in der sie ihr gemäß § 74 Abs. 1 und 2 Ausländergesetz (AuslG) aufgab, Ausländer nicht ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente auf dem Luftweg nach Deutschland zu befördern; außerdem wurde ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 2 000 DM angedroht. Grundlage für dieses Vorgehen waren 27 unerlaubte Beförderungsfälle aus dem 3. Quartal 2000. Ein gegen die Verfügung angestrengtes gerichtliches Verfahren blieb erfolglos.
Mit Schreiben vom 12. März 2002 mahnte die Grenzschutzdirektion Koblenz die Klägerin wegen weiterer 36 unerlaubter Beförderungen im 4. Quartal 2001 ab und kündigte an, das angedrohte Zwangsgeld auf 3 000 DM zu erhöhen, wenn die Verstöße nicht um mindestens 30 % reduziert würden. Mit Verfügung vom 29. Juli 2002 drohte die Grenzschutzdirektion entsprechend dieser Ankündigung der Klägerin nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG ein erhöhtes Zwangsgeld von 1 500 € an. Zur Begründung verwies sie darauf, dass es trotz der Abmahnung zu keinem Rückgang der Anzahl unerlaubter Beförderungen gekommen sei; im Gegenteil sei die Zahl mit 28 bzw. 40 derartigen Beförderungen im 1. und 2. Quartal 2002 in etwa gleich geblieben. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Grenzschutzdirektion mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2003 zurück.
Auf der Grundlage der angegriffenen Zwangsgeldandrohung erließ die Grenzschutzdirektion mehr als 40 Leistungsbescheide, mit denen jeweils ein Zwangsgeld gegen die Klägerin festgesetzt wurde. Gegen die meisten dieser Leistungsbescheide legte die Klägerin Widerspruch ein und bezahlte den geforderten Betrag – unter dem Vorbehalt der Rückforderung – jeweils zeitnah. Die Widerspruchsverfahren wurden bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die angegriffene Zwangsgeldandrohung ausgesetzt. In den übrigen Fällen bezahlte die Klägerin, ohne Widerspruch einzulegen. Unter dem 19. März 2003 drohte die Beklagte der Klägerin ein auf 1 000 € reduziertes Zwangsgeld an und erließ weitere Leistungsbescheide.
Zur Begründung ihrer gegen die Zwangsgeldandrohung vom 29. Juli 2002 gerichteten Klage hat die Klägerin ausgeführt, diese Androhung sei bereits in formeller Hinsicht fehlerhaft, da die Grenzschutzdirektion Koblenz für den Erlass nicht zuständig sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den angegriffenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass der Grenzschutzdirektion die sachliche Zuständigkeit gefehlt habe. Dies gelte auch in Ansehung der beiden Erlasse des Bundesministeriums des Innern vom 27. März 1992 und 23. August 2001, da die darin vorgenommene Bestimmung der Grenzschutzdirektion als für Zwangsgeldandrohungen zuständige Stelle zumindest mangels Veröffentlichung rechtsunwirksam sei. Grundsätzlich könnten behördliche Zuständigkeitsregelungen sowohl mittels einer Rechtsverordnung als auch durch Verwaltungsvorschriften vorgenommen werden. Das Ausländergesetz enthalte diesbezüglich weder in § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG noch an anderer Stelle entsprechende Vorgaben. Auch in den ergänzend heranzuziehenden Vorschriften des Bundesgrenzschutzgesetzes fänden sich keine verlässlichen Anhaltspunkte zur Form der Zuständigkeitsbestimmung. Zwar dürfe das Bundesministerium des Innern die sachliche Zuständigkeit der einzelnen Grenzschutzbehörden nach § 58 Abs. 1 BGSG grundsätzlich nur durch eine Rechtsverordnung regeln. Spätestens § 4 Abs. 4 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden vom 17. Dezember 1997 – ZustVO – (BGBl I S. 3133) lasse jedoch seinerseits offen, ob dieses Erfordernis auch dann noch gelte, wenn das Ministerium der Grenzschutzdirektion – wie hier der Sache nach geschehen – weitere zentral wahrzunehmende Aufgaben übertrage. Dem Ministerium stehe es dennoch nicht frei, ob es die in Rede stehende Zuständigkeitsbestimmung mittels einer Rechtsverordnung oder aber einer Verwaltungsvorschrift treffe. Die generelle Übertragung von einer bestimmten Behörde gesetzlich zugewiesenen Zuständigkeiten dürfe jedenfalls grundsätzlich nur mittels einer Rechtsverordnung erfolgen. Indessen bedürfe diese Frage keiner abschließenden Entscheidung. Die Erlasse des Bundesministeriums des Innern vom 27. März 1992 und 23. August 2001 seien nämlich bereits deshalb nicht wirksam, weil sie nicht allgemein veröffentlicht worden seien.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die sachliche Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion zum Erlass von Zwangsgeldandrohungen zu Unrecht verneint. § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG enthalte insoweit eine hinreichende Normierung. Der Gesetzgeber habe in dieser Vorschrift eine rechtssatzmäßige Regelung getroffen, die dem Bundesministerium des Innern oder der von ihm bestimmten Stelle “Sanktionsmaßnahmen” gegen Beförderungsunternehmen erlaube. Dabei sei die Zuständigkeit in dieser Vorschrift nicht abschließend festgelegt worden. Mit dem Erlass vom 23. August 2001 habe das Bundesministerium des Innern der Grenzschutzdirektion die generelle Zuständigkeit für Zwangsgeldbescheide mit Wirkung vom 1. Januar 2002 übertragen. Wie das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt habe, könne es keinem Zweifel unterliegen, dass die Grenzschutzdirektion somit auch zum Erlass von Zwangsgeldandrohungen befugt sei. Das Bundesministerium des Innern habe insoweit durch bloßes Mandat für den Erlass von Verwaltungsakten im Bereich der repressiven Maßnahmen die eigene Kompetenz der Grenzschutzdirektion übertragen. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gebiete nicht die öffentliche Bekanntmachung dieser Verwaltungsvorschrift.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet, das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion (heute: Bundespolizeidirektion) für den Erlass von Zwangsgeldandrohungen nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 AufenthG) als begründet angesehen.
1. Die Rechtmäßigkeit der von der Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage angegriffenen Zwangsgeldandrohung vom 29. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2003 bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage im Frühjahr 2003. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich. Ist allerdings – wie hier – das Vollstreckungsverfahren für das angedrohte Zwangsgeld zuvor abgeschlossen oder ist die Zwangsgeldandrohung zuvor durch eine neue, niedrigere Zwangsgeldandrohung ersetzt worden, so sind nur die bis zu diesem (früheren) Zeitpunkt eingetretenen Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen. Diese Grundsätze ergeben sich aus folgenden Erwägungen: Der Senat hat entschieden, dass das Zwangsgeld zur Durchsetzung von Beförderungsverboten nach § 74 Abs. 2 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 und 3 AufenthG) eine ausschließlich präventive Funktion als Beugemittel hat, das darauf abzielt, künftige objektive Rechtsverletzungen zu vermeiden (vgl. Urteile vom 21. Januar 2003 – BVerwG 1 C 5.02 – BVerwGE 117, 332 ≪338 oben≫ und vom 16. Dezember 2004 – BVerwG 1 C 30.03 – BVerwGE 122, 293 ≪297 f.≫). Entfaltet das Zwangsmittel aber in die Zukunft gerichtete Rechtswirkungen, sind auch entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seinem Erlass eintreten, der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit zugrunde zu legen (so bereits für die Zwangsgeldandrohung das Urteil vom 16. Dezember 2004 a.a.O. S. 301; vgl. zur Zwangsgeldfestsetzung nach § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG das gleichzeitig ergehende Urteil des Senats vom 14. März 2006 – BVerwG 1 C 11.05 – ≪zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen≫). Entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage sind bei der Zwangsgeldandrohung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG aber nur bis zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem die Vollstreckung abgeschlossen ist (vgl. nochmals Urteil vom 16. Dezember 2004 a.a.O. S. 301). Zwar ist das Vollstreckungsziel der Beugung des Willens des Beförderungsunternehmers erst verwirklicht, wenn dieser die Untersagungsverfügung befolgt (vgl. § 15 Abs. 3 VwVG). Dieses Ziel ist nicht schon mit Festsetzung und Beitreibung eines Zwangsgelds erreicht, sondern erst dann, wenn sich der Beförderungsunternehmer pflichtgemäß verhält (vgl. auch App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, 4. Aufl. 2005, S. 238 Rn. 26). Ungeachtet dessen bildet aber der Abschluss der Einzelvollstreckungsmaßnahme hier die für die Zeitpunktfrage maßgebliche Zäsur. Denn die Zwangsvollstreckung endet in Bezug auf die einzelne Vollstreckungsmaßnahme mit deren vollständigem Abschluss (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, Vorbemerkung vor § 704 ZPO, Rn. 33). Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Zwangsgeldandrohung durch eine neue, niedrigere Zwangsgeldandrohung ersetzt wird. Auch in diesem Fall sind danach eintretende Änderungen der Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der früheren Zwangsgeldandrohung unerheblich, da ihr eine Beugewirkung für die Zukunft nicht mehr zukommt.
Die Vollstreckung war hier dadurch abgeschlossen, dass die Klägerin – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – die aufgrund der angefochtenen Zwangsgeldandrohung durch mehr als 40 Leistungsbescheide (zuletzt im Frühjahr 2003) festgesetzten Zwangsgelder freiwillig zeitnah bezahlt hat. Unerheblich ist insoweit, dass die Zahlung hinsichtlich der meisten Bescheide unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgt ist. Denn nach der Zahlung entfaltete die Zwangsgeldandrohung ebenso wie nach der Beitreibung keine Beugewirkung mehr (sog. faktische Vollziehung). Außerdem ist die angegriffene Zwangsgeldandrohung durch die neue – auf einen Betrag von 1 000 € – reduzierte Zwangsgeldandrohung vom 19. März 2003 ersetzt worden. Spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage, etwa durch die Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden vom 28. Juni 2005 – BPolZV – (BGBl I S. 1870), berühren deshalb die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung nicht mehr.
2. Der Grenzschutzdirektion fehlte zum danach maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2003 die sachliche Zuständigkeit für Zwangsgeldandrohungen nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Die Zuständigkeitsübertragung durch Erlass des Bundesministers des Innern vom 23. August 2001 war unwirksam, da sie gegen § 58 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes vom 19. Oktober 1994 – BGSG – (BGBl I S. 2978; jetzt: BPolG) verstieß.
Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG konnte das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle dem Beförderungsunternehmer für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Untersagungsverfügung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder ein Beförderungsverbot nach Abs. 1 Satz 2 das Zwangsgeld nach Abs. 2 Satz 2 androhen. Darin lag keine abschließende Regelung in dem Sinne, dass es dem Bundesministerium des Innern entgegen § 58 Abs. 1 BGSG überlassen geblieben wäre, in welcher Weise es die Grenzschutzdirektion als die für Zwangsgeldandrohungen sachlich zuständige Stelle bestimmte. Vielmehr durfte die Bestimmung der Grenzschutzdirektion als insoweit zuständige Behörde nicht – wie hier – durch Erlass erfolgen, sondern hätte einer Regelung durch Rechtsverordnung bedurft. Dies ergab sich aus § 58 Abs. 1 BGSG (jetzt: § 58 Abs. 1 BPolG). Eine solche Aufgabenübertragung durch Rechtsverordnung ist aber erst nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt durch § 4 Abs. 4 BPolZV erfolgt, so dass eine “Heilung” der fehlenden sachlichen Zuständigkeit entgegen der Ansicht der Beklagten ausscheidet.
Die Androhung eines Zwangsgelds nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG gehörte auch – wie für die Anwendung des § 58 Abs. 1 BGSG erforderlich – zu den dem Bundesgrenzschutz obliegenden Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 2 BGSG. Danach oblagen dem Bundesgrenzschutz “die Aufgaben, die ihm entweder durch dieses Gesetz (d.h. das BGSG) übertragen werden oder ihm bis 1. November 1994 durch ein anderes Bundesgesetz oder aufgrund eines Bundesgesetzes zugewiesen worden sind”. Ausdrücklich zugewiesen war den mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden zu dem genannten Stichtag (vgl. zur Bedeutung der Stichtagsregelung Heesen/Hönle/Peilert, Bundesgrenzschutzgesetz, 4. Aufl. 2002, § 1 BGSG Rn. 9 ff. m.w.N.) nach § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG die “Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 2” AuslG, mithin die Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BGSG hatte der Bundesgrenzschutz diese Aufgabe wahrzunehmen (vgl. das gleichzeitig ergehende Urteil des Senats vom 14. März 2006 – BVerwG 1 C 11.05 –). Der Gesetzgeber hat den Grenzschutzbehörden die genannte Aufgabe ersichtlich im Hinblick auf die Sachnähe zu anderen von ihnen wahrgenommenen Aufgaben insbesondere im Zusammenhang mit der Einreise von Ausländern übertragen (vgl. die weiteren Zuständigkeiten nach § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG; vgl. ferner Wefelmeier, GK-AuslR § 63 AuslG Rn. 109). Diese gesetzgeberische Intention schließt auch die Androhung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG ein. Es kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Zwangsgeldfestsetzung und -beitreibung gegen Beförderungsunternehmer den Grenzschutzbehörden übertragen, die ihr im Vollstreckungsverfahren vorausgehende Zwangsgeldandrohung aber anderen Behörden überlassen wollte.
Die erforderliche konkrete Festlegung, welche der in § 57 Abs. 1 BGSG genannten Bundesgrenzschutzbehörden (Grenzschutzämter, Grenzschutzpräsidien, Grenzschutzdirektion, Grenzschutzschule sowie Bahnpolizeiämter) mit der Androhung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG betraut wurden, war nicht durch Gesetz erfolgt. Namentlich gehörte die Zwangsgeldandrohung nicht schon zum gesetzlich bestimmten Aufgabenkatalog der Grenzschutzdirektion gemäß § 57 Abs. 3 BGSG. Nach dieser Vorschrift erfüllte die Grenzschutzdirektion “zentral wahrzunehmende Aufgaben des Bundesgrenzschutzes” und unterstützte die anderen Grenzschutzbehörden in überregionalen Angelegenheiten. Die in der Vorschrift nicht abschließend aufgeführten Aufgaben umfassten nicht die Zwangsgeldandrohung.
Diese Aufgabe wurde der Grenzschutzdirektion auch nicht durch eine Rechtsverordnung zugewiesen, wie dies nach § 58 Abs. 1 BGSG erforderlich gewesen wäre. Nach dieser – den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG entsprechenden – Vorschrift regelte das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung die sachliche und örtliche Zuständigkeit der einzelnen Bundesgrenzschutzbehörden. Das Erfordernis der Regelung nicht nur der örtlichen, sondern auch der sachlichen Zuständigkeit war aufgrund der Erweiterung der Aufgabenstellung des Bundesgrenzschutzes (Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und Luftsicherheit) durch Gesetz vom 23. Januar 1992 (BGBl I S. 178) mit Wirkung zum 1. April 1992 in die Vorgängervorschrift (§ 44 BGSG a.F.) aufgenommen worden (vgl. auch BTDrucks 12/1537 S. 12). Die in Ausfüllung der gesetzlichen Ermächtigung des § 58 Abs. 1 BGSG erlassene Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden vom 17. Dezember 1997 (BGBl I S. 3133) – ZustVO – übertrug der Grenzschutzdirektion keine Zuständigkeit zur Androhung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Sie bestimmte in § 3 Abs. 1 Satz 1, dass die Bundesgrenzschutzämter auf örtlicher Ebene die Aufgaben nach § 2 BGSG (Grenzschutz), § 3 BGSG (Bahnpolizei) und § 4 BGSG (Luftsicherheit) wahrnehmen. § 3 Abs. 2 ZustVO regelte hierzu die örtliche Zuständigkeit der einzelnen Grenzschutzämter, § 2 ZustVO die der Grenzschutzpräsidien. § 4 dieser Verordnung legte die Aufgaben der Grenzschutzdirektion fest, die im Wesentlichen für die Koordination und Lenkung bei Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung zuständig war. Entgegen der Ansicht der Beklagten begründete die Lenkungsaufgabe der Grenzschutzdirektion keine Zuständigkeit für die Androhung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Lenkung im Sinne des § 4 Abs. 1 ZustVO bezog sich auf verwaltungsinterne Direktiven gegenüber den regional zuständigen Ämtern und Präsidien, umfasste aber keine eigene Aufgabenzuweisung gegenüber außen stehenden Dritten (hier: zur Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG).
Auch auf § 4 Abs. 4 ZustVO konnte die Zuständigkeitsübertragung nicht gestützt werden. Danach war zwar vorgesehen, dass das Bundesministerium des Innern “der Grenzschutzdirektion weitere zentral wahrzunehmende Aufgaben übertragen” konnte. Diese Ermächtigung verstieß aber – soweit sie sich auf eine Aufgabenübertragung durch Verwaltungsvorschriften bezog – ihrerseits gegen § 58 Abs. 1 BGSG und verletzte damit den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 1958 – 2 BvL 37/56 – BVerfGE 8, 155 ≪169 ff.≫ und vom 25. Februar 1981 – 1 BvR 413/80 – BVerfGE 56, 216 ≪241 f.≫). Denn § 58 Abs. 1 BGSG ermächtigte nur zu einer Regelung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der einzelnen Bundesgrenzschutzbehörden “durch Rechtsverordnung”. Das Bundesministerium des Innern verstieß mit der erfolgten Aufgabenübertragung durch (nicht veröffentlichten) Erlass gegen diese gesetzliche Vorgabe. Die Urteile des Senats vom 21. Januar 2003 und vom 16. Dezember 2004 (a.a.O.) erfordern keine abweichende Betrachtung. Sie ergingen, ohne dass die sachliche Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion von den Beteiligten im vorangegangenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren problematisiert worden wäre; der erkennende Senat hatte daher keinen Anlass, in der Revisionsinstanz hierauf einzugehen.
Ist der angefochtene Bescheid mithin wegen Verstoßes gegen § 58 Abs. 1 BGSG aufzuheben, bedarf es keiner vertiefenden Prüfung und Entscheidung, ob hier auch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine Übertragung der sachlichen Zuständigkeit durch eine rechtssatzmäßige Regelung erfordert hätte (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 1958 a.a.O. ≪165 ff.≫ und vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 981/00 – BVerfGE 111, 366 ≪373≫; BVerwG, Beschluss vom 24. August 1987 – BVerwG 4 B 129.87 – DVBl 1987, 1267). Ebenso kann die vom Berufungsgericht erörterte Frage dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls welche Pflichten zur Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften gelten, die Behördenzuständigkeiten begründen oder ändern, falls eine rechtssatzmäßige Regelung nicht erforderlich sein sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Mallmann, Hund, Richter, Beck
Vizepräsidentin Eckertz-Höfer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert.
Dr. Mallmann
Fundstellen
Haufe-Index 1535286 |
DÖV 2007, 213 |
InfAuslR 2006, 382 |
ZLW 2007, 283 |
AuAS 2006, 167 |
BayVBl. 2007, 440 |