Entscheidungsstichwort (Thema)
Beförderungsverbot. Zwangsgeldandrohung. Zwangsgeldfestsetzung. Beugewirkung. maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt. Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion. Zuständigkeitsübertragung durch Rechtsverordnung. Zuständigkeitsübertragung durch Erlass. Veröffentlichungspflicht. Bundespolizei. Vorrang des Gesetzes. Selbstvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
- Die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldfestsetzung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem das Vollstreckungsverfahren für das festgesetzte Zwangsgeld abgeschlossen war, andernfalls nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts.
- Die sachliche Zuständigkeit für Zwangsgeldfestsetzungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG konnte nach § 58 Abs. 1 BGSG nur durch Rechtsverordnung auf die Grenzschutzdirektion übertragen werden.
Normenkette
AufenthG § 63 Abs. 2-3, § 71 Abs. 3 Nr. 2; AuslG § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2; BGSG § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2, §§ 57, 58 Abs. 1; BPolG § 58 Abs. 1; VwVG § 7 Abs. 1, § 14
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 15.07.2005; Aktenzeichen 10 A 10524/05) |
VG Koblenz (Entscheidung vom 21.03.2005; Aktenzeichen 3 K 496/04.KO) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft britischen Rechts. Sie wendet sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung des Verbots, Fluggäste ohne Pass oder Visum nach Deutschland zu befördern.
Die Beklagte erließ am 4. Dezember 2000 eine Verfügung gegenüber der Klägerin, in der sie ihr gemäß § 74 Abs. 2 Ausländergesetz (AuslG) aufgab, Ausländer nicht ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente auf dem Luftweg nach Deutschland zu befördern. Mit Bescheid vom 30. Januar 2001 drohte sie ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld von 2 000 DM (seit 1. Januar 2002: 1 000 €) an. Die hiergegen erhobene Klage wurde zurückgewiesen. Auf der Grundlage dieser Androhung setzte die Grenzschutzdirektion Koblenz mit Bescheid vom 24. April 2002 ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € gegen die Klägerin fest. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Klägerin im April 2002 einen Ausländer von London nach Düsseldorf befördert habe, dessen Schengen-Visum durch eine bereits erfolgte Einreise in die Niederlande verbraucht gewesen sei. Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 22. Juli 2002 zurückgewiesen. Zwischenzeitlich hatte die Klägerin im Mai 2002 das Zwangsgeld unter Vorbehalt gezahlt.
Das Verwaltungsgericht hat auf die Klage der Klägerin den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf den Antrag der Klägerin die Beklagte verurteilt, das Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz ab dem 4. Juli 2005 an die Klägerin zurückzuzahlen.
Zur Begründung stellte das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen darauf ab, die Grenzschutzdirektion sei für die verfügte Festsetzung des Zwangsgeldes sachlich nicht zuständig gewesen. Die Zuständigkeit der Grenzschutzbehörden werde in § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG begründet. Daraus sowie aus dem Bundesgrenzschutzgesetz von 1994 – BGSG – (BGBl I S. 2978) ergebe sich aber keine Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion. Vielmehr folge aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden vom 17. Dezember 1997 – ZustVO – (BGBl I S. 3133), dass die Bundesgrenzschutzämter zuständig gewesen seien. § 4 Abs. 4 ZustVO sei keine wirksame Ermächtigung zur Übertragung der Zuständigkeit auf die Grenzschutzdirektion. Eine solche Übertragung habe nämlich nicht durch Erlass erfolgen dürfen, wie dies der Bundesminister des Innern am 23. August 2001 verfügt habe. Im Übrigen habe es an der erforderlichen Veröffentlichung des Erlasses gefehlt. Der Klägerin stünden auch der im Berufungsverfahren erstmals geltend gemachte Anspruch auf Erstattung des gezahlten Zwangsgeldes in Höhe von 1 000 € als Folgenbeseitigungsanspruch und Prozesszinsen entsprechend § 291 BGB zu.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die sachliche Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion zu Unrecht verneint. § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG ermächtige das Bundesministerium des Innern, die Kompetenz zum Erlass von Untersagungsverfügungen, Zwangsgeldandrohungen und Zwangsgeldfestsetzungen auf eine von ihm bestimmte Stelle zu übertragen. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Zuständigkeit nicht abschließend in dieser Vorschrift festgelegt habe. Der Vorbehalt des Gesetzes sei nicht berührt, denn für die betroffenen Fluggesellschaften falle es nicht erheblich ins Gewicht, ob das Bundesministerium des Innern oder die ihm nachgeordnete Grenzschutzdirektion tätig werde. Im Übrigen habe der Gesetzgeber die Grenzschutzdirektion in § 57 Abs. 3 BGSG mit zentral wahrzunehmenden Aufgaben betraut. Hierzu zähle die Lenkung der anderen Grenzschutzbehörden, die in § 4 Abs. 1 ZustVO normiert sei. Die Zuständigkeit zur Zwangsgeldfestsetzung ergebe sich auch aus dieser Lenkungsaufgabe der Grenzschutzdirektion. Deren Zuständigkeit lasse sich auch aus dem in § 7 VwVG verankerten Grundsatz der Selbstvollstreckung ableiten. Dass das Bundesministerium des Innern durch § 4 Abs. 4 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden vom 28. Juni 2005 – BPolZV – (BGBl I S. 1870) die Bundespolizeidirektion (zuvor: Grenzschutzdirektion) ausdrücklich für den Erlass von Zwangsgeldbescheiden für zuständig erklärt habe, diene nur der Klarstellung. Da kein Zuständigkeitsmangel vorgelegen habe, verletze die vom Oberverwaltungsgericht bestätigte Aufhebung des Zwangsgeldbescheides Bundesrecht.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet, das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion (heute: Bundespolizeidirektion) für den Erlass von Zwangsgeldbescheiden nach § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG als begründet angesehen.
1. Die Rechtmäßigkeit der von der Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage angegriffenen Zwangsgeldfestsetzung bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem das Vollstreckungsverfahren für das im Einzelfall festgesetzte Zwangsgeld abgeschlossen war. Bei noch andauernden Vollstreckungsverfahren ist hingegen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts maßgeblich. Sofern die Vollstreckung noch nicht abgeschlossen ist, sind spätere – auch während des Revisionsverfahrens erfolgende – Rechtsänderungen zu berücksichtigen.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Senat hat entschieden, dass das Zwangsgeld zur Durchsetzung von Beförderungsverboten nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 und 3 AufenthG) eine ausschließlich präventive Funktion als Beugemittel hat, das darauf abzielt, künftige objektive Rechtsverletzungen zu vermeiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2003 – BVerwG 1 C 5.02 – BVerwGE 117, 332 ≪338 oben≫; Urteil vom 16. Dezember 2004 – BVerwG 1 C 30.03 – BVerwGE 122, 293 ≪297 f.≫). Entfaltet das Zwangsmittel aber in die Zukunft gerichtete Rechtswirkungen, sind auch entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seinem Erlass eintreten, der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit zugrunde zu legen (so bereits für die Zwangsgeldandrohung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG das Urteil vom 16. Dezember 2004, a.a.O., S. 301 und das gleichzeitig ergehende Urteil vom 14. März 2006 – BVerwG 1 C 3.05). Entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage sind beim Zwangsgeld nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG aber nur bis zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem dessen Vollstreckung abgeschlossen ist. Zwar ist das Vollstreckungsziel der Beugung des Willens des Beförderungsunternehmers erst verwirklicht, wenn dieser die Untersagungsverfügung befolgt (vgl. § 15 Abs. 3 VwVG). Dieses Ziel ist nicht schon mit Festsetzung und Beitreibung eines Zwangsgeldes erreicht, sondern erst dann, wenn sich der Beförderungsunternehmer pflichtgemäß verhält (vgl. auch App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, 4. Aufl. 2005, S. 238 Rn. 26). Ungeachtet dessen bildet aber der Abschluss der Einzelvollstreckungsmaßnahme hier die für die Zeitpunktfrage maßgebliche Zäsur. Denn die Zwangsvollstreckung endet in Bezug auf die einzelne Vollstreckungsmaßnahme mit deren vollständigem Abschluss (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, Vorbemerkung vor § 704 ZPO, Rn. 33). Die hier angegriffene Vollstreckungsmaßnahme war mit der freiwilligen Zahlung des festgesetzten Zwangsgeldes abgeschlossen, auch wenn sie unter dem Vorbehalt der Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit erfolgte. Denn nach der Zahlung entfaltet der einzelne Zwangsgeldbescheid ebenso wie nach der Beitreibung keine Beugewirkung mehr (sog. faktische Vollziehung). Änderungen der Sach- und Rechtslage, die hier nach der Zahlung im Mai 2002 erfolgten, etwa durch die Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden vom 28. Juni 2005 – BPolZV – (BGBl I S. 1870), berühren deshalb die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung nicht mehr.
2. Der Grenzschutzdirektion fehlte zum danach maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlung im Mai 2002 die sachliche Zuständigkeit für den Erlass von Zwangsgeldfestsetzungsbescheiden nach § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG. Die Zuständigkeitsübertragung durch Erlass des Bundesministers des Innern vom 23. August 2001 war unwirksam, da sie gegen § 58 Abs. 1 BGSG verstieß.
Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 AufenthG) war das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zuständig für die Untersagung der Beförderung von Ausländern, die nicht im Besitz eines erforderlichen Passes oder Visums waren, und für die Zwangsgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Beförderungsverbot. § 74 Abs. 2 AuslG begründete jedoch keine Zuständigkeit für die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Diese ergab sich vielmehr aus § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 71 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG), der die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden mit der “Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 2” AuslG betraute. Unter “Durchführung” war die Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG zu verstehen (so auch Ott in: GK-AufenthG, Oktober 2005, § 63 Rn. 58; Wefelmeier in: GK-AuslR, Juni 1998, § 63 AuslG Rn. 109). Denn der Begriff der Durchführung umfasst alle Vollzugsakte im Anschluss an die Androhung des Zwangsgeldes, also insbesondere auch dessen Festsetzung nach § 14 VwVG.
Wer zum hier maßgeblichen Zeitpunkt die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden im Sinne von § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG waren, ergab sich aus dem Bundesgrenzschutzgesetz vom 19. Oktober 1994 – BGSG – (BGBl I S. 2978). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BGSG hatte der Bundesgrenzschutz diese Aufgabe wahrzunehmen. Die Aufgabe, Zwangsgelder nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG festzusetzen, durfte dem Bundesgrenzschutz zwar der Sache nach übertragen werden. Insbesondere stand § 1 Abs. 2 BGSG nicht entgegen, da das Ausländergesetz 1990 diese Aufgabenübertragung bereits vor dem im BGSG genannten Stichtag vom 1. November 1994 vorsah. Die erforderliche konkrete Festlegung, welche der in § 57 Abs. 1 BGSG genannten Bundesgrenzschutzbehörden (Grenzschutzämter, Grenzschutzpräsidien, Grenzschutzdirektion, Grenzschutzschule sowie Bahnpolizeiämter) diese Aufgabe wahrnehmen sollte, durfte aber nicht – wie hier – durch Erlass erfolgen, sondern hätte einer Regelung durch Rechtsverordnung bedurft. Dies ergab sich aus § 58 Abs. 1 BGSG (jetzt: § 58 Abs. 1 BPolG). Eine solche Aufgabenübertragung durch Rechtsverordnung ist aber erst durch § 4 Abs. 4 BPolZV, mithin nach dem für die Beurteilung des angefochtenen Zwangsgeldes maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt, so dass auch eine “Heilung” der fehlenden sachlichen Zuständigkeit entgegen der Ansicht der Beklagten ausscheidet.
Die Festsetzung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG gehörte nicht schon zum gesetzlich bestimmten Aufgabenkatalog der Grenzschutzdirektion gemäß § 57 Abs. 3 BGSG. Nach dieser Vorschrift erfüllte die Grenzschutzdirektion “zentral wahrzunehmende Aufgaben des Bundesgrenzschutzes” und unterstützte die anderen Grenzschutzbehörden in überregionalen Angelegenheiten. Die in der Vorschrift nicht abschließend aufgeführten Aufgaben umfassten nicht die Zwangsgeldfestsetzung. Diese Aufgabe wurde der Grenzschutzdirektion auch nicht durch eine Rechtsverordnung zugewiesen, wie dies nach § 58 Abs. 1 BGSG erforderlich gewesen wäre. Nach dieser Vorschrift regelte das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung die sachliche und örtliche Zuständigkeit der einzelnen Bundesgrenzschutzbehörden. Die in Ausfüllung dieser – den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG entsprechenden – gesetzlichen Ermächtigung erlassene Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden vom 17. Dezember 1997 (BGBl I S. 3133) – ZustVO – übertrug der Grenzschutzdirektion keine Zuständigkeit zur Festsetzung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG. Sie bestimmte in § 3 Abs. 1 Satz 1, dass die Bundesgrenzschutzämter auf örtlicher Ebene die Aufgaben nach § 2 BGSG (Grenzschutz), § 3 BGSG (Bahnpolizei) und § 4 BGSG (Luftsicherheit) wahrnehmen. § 3 Abs. 2 ZustVO regelte hierzu die örtliche Zuständigkeit der einzelnen Grenzschutzämter, § 2 ZustVO die der Grenzschutzpräsidien. § 4 legte die Aufgaben der Grenzschutzdirektion fest, die im Wesentlichen für die Koordination und Lenkung bei Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung zuständig war. Entgegen der – erstmals im Revisionsverfahren geäußerten – Rechtsauffassung der Beklagten begründete die Lenkungsaufgabe der Grenzschutzdirektion keine Zuständigkeit für die Festsetzung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG. Lenkung im Sinne des § 4 Abs. 1 ZustVO bezog sich auf verwaltungsinterne Direktiven gegenüber den regional zuständigen Ämtern und Präsidien, umfasste aber keine Aufgabenzuweisung gegenüber außen stehenden Dritten (hier: zur Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG). Diesem Verständnis der Lenkungsaufgabe der Grenzschutzdirektion entsprach im Übrigen die zum hier maßgeblichen Zeitpunkt noch gültige Regelung in Nr. 7 des Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 27. März 1992. Danach sollte die Grenzschutzdirektion “Vorgaben an die zuständigen Grenzschutzämter und die mit der grenzpolizeilichen Kontrolle beauftragten Behörden zum Erlass und zur Begründung von Zwangsgeldbescheiden gemäß § 74 des Ausländergesetzes bzw. Widerspruchsbescheiden im Falle von Widersprüchen gegen Zwangsgeldbescheide” machen, sie aber nicht selbst erlassen.
Auch auf § 4 Abs. 4 der hier maßgeblichen ZustVO konnte die Zuständigkeitsübertragung nicht gestützt werden. Danach war zwar vorgesehen, dass das Bundesministerium des Innern “der Grenzschutzdirektion weitere zentral wahrzunehmende Aufgaben übertragen” konnte. Diese Ermächtigung verstieß aber – soweit sie sich auf eine Aufgabenübertragung durch Verwaltungsvorschriften bezog – ihrerseits gegen § 58 Abs. 1 BGSG und verletzte damit den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1958 – 2 BvL 37/56 – BVerfGE 8, 155 ≪169 ff.≫; Beschluss vom 25. Februar 1981 – 1 BvR 413/80 – BVerfGE 56, 216 ≪241 f.≫). Denn § 58 Abs. 1 BGSG ermächtigte nur zu einer Regelung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der einzelnen Bundesgrenzschutzbehörden “durch Rechtsverordnung”. Das Bundesministerium des Innern verstieß mit der erfolgten Aufgabenübertragung durch (nicht veröffentlichten) Erlass gegen diese gesetzliche Vorgabe.
Die sachliche Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion zum Erlass des streitgegenständlichen Zwangsgeldbescheides gegen die Klägerin lässt sich schließlich auch nicht aus dem in § 7 VwVG verankerten Grundsatz der Selbstvollstreckung ableiten, auf den die Beklagte sich in der Revisionsbegründung berufen hat. Das ergibt sich daraus, dass § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG eine gesetzliche Sonderregelung getroffen hat, die zugleich eine Ausnahme von dem Grundsatz der Selbstvollstreckung enthielt. Durch diese Vorschrift wurde die Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern den mit der Überwachung des grenzpolizeilichen Verkehrs betrauten Behörden übertragen, während für die Androhung der Zwangsgelder nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zuständig war.
Ist der angefochtene Bescheid mithin wegen Verstoßes gegen § 58 Abs. 1 BGSG aufzuheben, bedarf es keiner vertiefenden Prüfung und Entscheidung, ob hier auch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine Übertragung der sachlichen Zuständigkeit durch eine rechtssatzmäßige Regelung erfordert hätte (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1958 a.a.O. S. 165 ff.; Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 981/00 – BVerfGE 111, 366 ≪373≫; BVerwG, Beschluss vom 24. August 1987 – BVerwG 4 B 129.87 – DVBl 1987, 1267). Ebenso kann die vom Berufungsgericht erörterte Frage dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls welche Pflichten zur Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften gelten, die Behördenzuständigkeiten begründen oder ändern, falls eine rechtssatzmäßige Regelung nicht erforderlich sein sollte.
3. Das Berufungsgericht hat der Klägerin auch mit Recht einen Anspruch auf Rückerstattung des unter Vorbehalt gezahlten Zwangsgeldes im Wege der Folgenbeseitigung zuerkannt (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) nebst Prozesszinsen entsprechend § 291 BGB (vgl. Urteil vom 24. März 1999 – BVerwG 8 C 27.97 – BVerwGE 108, 364 ≪368 f.≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Hund, Richter, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen
BVerwGE 2006, 110 |
InfAuslR 2006, 345 |
DVBl. 2006, 1042 |