Entscheidungsstichwort (Thema)
Befähigungsvoraussetzungen. Erwerb der – teilweise im bisherigen Bundesgebiet und im Beitrittsgebiet. Verjährung von Besoldungsansprüchen. Verzicht auf die Einrede der Verjährung
Leitsatz (amtlich)
Die Befähigungsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV sind auch dann im bisherigen Bundesgebiet erworben worden, wenn die im bisherigen Bundesgebiet absolvierten Teile der Ausbildung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmachen.
(Wie Urteil vom heutigen Tage BVerwG 2 C 14.05)
Die Einrede der Verjährung gegenüber Besoldungsansprüchen ist unzulässig, wenn der Beamte durch das Verhalten der Behörde veranlasst worden ist, verjährungshemmende Schritte zu unterlassen.
(Wie Urteil vom heutigen Tage BVerwG 2 C 14.05)
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; 2. BesÜV § 4; BGB § 197 a.F.
Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 03.03.2005; Aktenzeichen 6 A 3534/04) |
Tenor
Die Revision des Beklagten und die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 3. März 2005 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Beklagte zu 9/10 und der Kläger zu 1/10.
Tatbestand
I
Der Kläger ist Beamter des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Zum 1. August 1994 wurde er zunächst im Angestelltenverhältnis eingestellt und zum Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes zugelassen. Mit Wirkung vom 1. November 1994 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Justizinspektoranwärter ernannt. Den Vorbereitungsdienst leistete er von August 1994 bis Ende Juli 1997. Nach einer einmonatigen praktischen Einführungszeit in der Justizvollzugsanstalt Neubrandenburg absolvierte er die fachtheoretische Ausbildung im Geschäftsbereich des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen und die fachpraktische Ausbildung im Geschäftsbereich des Justizministeriums des Landes Schleswig-Holstein. Dort legte er auch die schriftliche Laufbahnprüfung ab. Im Anschluss daran war er im Rahmen eines Dienstleistungsauftrags bei der Justizvollzugsanstalt Bützow eingesetzt, bevor er die mündliche Prüfung nach nordrhein-westfälischem Recht vor dem Landesjustizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen ablegte, das auch das Zeugnis über die bestandene Laufbahnprüfung ausstellte.
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1997 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe beim Land Mecklenburg-Vorpommern zum Justizinspektor z.A. ernannt. Seitdem erhält er abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 73 BBesG i.V.m. §§ 1, 2 der 2. BesÜV. Mit Schreiben vom 20. Januar 2004 beantragte er die Zahlung eines Zuschusses gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab.
Nach Zurückweisung des Widerspruchs hat der Kläger Klage erhoben, der das Verwaltungsgericht teilweise stattgegeben hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Ein Beamter sei dann aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erlangten Befähigungsvoraussetzungen ernannt worden, wenn er einen beachtlichen Teil der Ausbildung im bisherigen Bundesgebiet durchlaufen habe. Der Kläger habe neben seiner theoretischen Fachstudienzeit auch die gesamte praktische Ausbildung, die von der praktischen Einführung zu trennen sei, im bisherigen Bundesgebiet absolviert. Damit habe er deutlich mehr als die Hälfte der vorgeschriebenen Ausbildungsabschnitte im bisherigen Bundesgebiet durchlaufen. Ohne erfolgreiche Absolvierung der im bisherigen Bundesgebiet durchgeführten Ausbildungsabschnitte hätte das Land Mecklenburg-Vorpommern den Kläger nicht zum Beamten auf Probe ernannt. Die Tätigkeit des Klägers im Beitrittsgebiet zwischen schriftlicher und mündlicher Laufbahnprüfung ändere nichts an dieser Beurteilung, da sie lediglich der Überbrückung zwischen den Prüfungsteilen gedient habe.
Die Klage sei jedoch unbegründet, soweit ein Zuschuss für das Jahr 1999 begehrt werde, da dieser Anspruch mit Ablauf des Jahres 2003 verjährt sei. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei dem Beklagten nicht aufgrund des Erlasses des Finanzministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juni 2004 verwehrt. Bei dem Erlass handele es sich um ein Verwaltungsinternum. Im Übrigen sei darin nur ein Verzicht auf die Erhebung der Einrede gegenüber denjenigen ausgesprochen worden, die die gesamte Ausbildung im bisherigen Bundesgebiet absolviert hätten, so dass der Kläger auch tatbestandlich nicht davon erfasst werde.
Gegen dieses Urteil richten sich die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevisionen des Beklagten und des Klägers. Beide rügen die Verletzung materiellen Rechts.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 3. März 2005 aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 3. März 2005 aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat, und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des Landesbesoldungsamts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. August und 28. September 2004 zu verurteilen, an den Kläger einen Zuschuss gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV auch für das Jahr 1999 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Die Vertreterin des Bundesinteresses trägt vor, es müsse im Einzelfall entschieden werden, inwieweit Zeiten, die im Rahmen des Erwerbs der Befähigungsvoraussetzungen für die jeweilige Laufbahn im Beitrittsgebiet abgeleistet worden seien, dem Zweck der Zuschussregelung entgegenstünden.
Entscheidungsgründe
II
1. Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage für die Zeit ab Januar 2000 zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf den begehrten ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 779) und mit Wirkung ab dem 1. Juli 1991, ergänzt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2186). Zwar ist § 4 durch Art. 1 Nr. 1 der zum 25. November 1997 in Kraft getretenen Vierten Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung vom 17. November 1997 (BGBl I S. 2713) geändert und der Zuschuss – nunmehr als Ermessensleistung – an strengere Voraussetzungen gebunden worden. Gemäß § 12 der 2. BesÜV in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 der Vierten Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung ist § 4 allerdings noch in der bis zum 24. November 1997 geltenden Fassung auf Beamte, Richter und Soldaten weiter anzuwenden, die – wie der Kläger – bis zu diesem Tage ernannt worden sind.
Gemäß § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV in der hier noch maßgeblichen Fassung erhalten Beamte mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 der 2. BesÜV einen ruhegehaltfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen, wenn sie aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden.
Der Kläger hatte seit seiner Ernennung zum Beamten auf Probe zum 1. Oktober 1997 Anspruch auf Besoldung. Er stand zwar bereits während seines Vorbereitungsdienstes in einem Dienstverhältnis zu dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Als Beamter auf Widerruf erhielt er jedoch keine Dienstbezüge, sondern sonstige Bezüge (vgl. § 59 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 BBesG). Seit dem 1. Oktober 1997 gehört der Kläger zu dem in § 1 und § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV bestimmten Personenkreis und erhält abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 73 BBesG i.V.m. mit §§ 1, 2 der 2. BesÜV, die gegenwärtig noch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 BvR 709/99 – BVerfGE 107, 257 ≪268 f.≫ unter Hinweis auf den Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 BvL 3/00 – BVerfGE 107, 218 ff.; Kammerbeschluss vom 13. November 2003 – 2 BvR 1883/99 – ZBR 2004, 100; BVerwG, Urteile vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 27.95 – BVerwGE 101, 116 ≪120 ff.≫ und vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 3 S. 6).
Den Begriff “Befähigungsvoraussetzungen” definieren weder die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung noch sonstige besoldungsrechtliche Vorschriften. Er entstammt dem Laufbahnrecht und umfasst sämtliche Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, die die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben der jeweiligen Laufbahn vermitteln (vgl. Urteile vom 25. April 1996 a.a.O. S. 118, vom 27. Februar 2001 – BVerwG 2 C 5.00 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 8 S. 17, vom 25. Mai 2004 – BVerwG 2 C 69.03 – ZBR 2005, 39, vom 25. Mai 2004 – BVerwG 2 C 70.03 – LKV 2005, 68). Allerdings gehören nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts allgemeine Schul- und Bildungsabschlüsse aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu der geforderten dienstrechtlichen Vorbildung, weil die fachliche Qualifikation, auf die es insofern maßgeblich ankomme, regelmäßig durch den Vorbereitungsdienst und – soweit vorgeschrieben – die Laufbahnprüfung erworben werde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 a.a.O. S. 272, Kammerbeschlüsse vom 13. November 2003 a.a.O. und vom 19. November 2003 – 2 BvR 538/00 – ZBR 2004, 169, 171). Dadurch werden dem Anwendungsbereich des § 4 der 2. BesÜV auch Beamte zugeordnet, die ihre Kindheit und Jugend bis zum Abitur im Beitrittsgebiet verbracht haben und sich nur vorübergehend und unter Beibehaltung ihres Lebensmittelpunktes im Beitrittsgebiet zur Ausbildung in das bisherige Bundesgebiet begeben haben. Der Senat ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt.
Davon ausgehend werden die Befähigungsvoraussetzungen für den gehobenen Dienst gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1, 3 BRRG durch den Vorbereitungsdienst erworben, der mit der Laufbahnprüfung abschließt. Entsprechende landesrechtliche Regelungen enthalten § 23 Abs. 1 Nr. 3, § 17 LBG M-V i.V.m. § 25 Abs. 1, 4 der Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamten des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 28. September 1994 (GVOBl M-V 1994, 861). Ob diese Befähigungsvoraussetzungen “im bisherigen Bundesgebiet” erlangt worden sind, ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich ortsbezogen zu beurteilen. Es kommt maßgeblich darauf an, ob der Beamte, Richter oder Soldat die als Befähigungsvoraussetzungen bestimmten Ausbildungen und Prüfungen an einem Ort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Grenzen der in Art. 3 EV genannten Länder und Landesteile oder im Ausland absolviert hat. Denn § 4 der 2. BesÜV enthält sich jeglicher Bewertung der Qualität von Ausbildung, von Vorbildungs- und Ausbildungsabschlüssen sowie der Eignung, Leistung und fachlichen Befähigung des begünstigten Personenkreises. Die Gleichwertigkeit der Vor- und Ausbildungen im bisherigen Bundesgebiet und dem Beitrittsgebiet wird vielmehr ohne weiteres vorausgesetzt (vgl. z.B. §§ 13 ff., 122 BRRG).
Nicht entscheidend ist hingegen die dienstrechtliche Verbindung eines Bediensteten zu einer Behörde oder einem Dienstherrn mit Gebietshoheit (vgl. dazu im Einzelnen Urteil vom 11. März 1999 a.a.O.). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass der Kläger seinen Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung statusrechtlich als Beamter auf Widerruf des Landes Mecklenburg-Vorpommern absolviert hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Kläger vor Beginn des Vorbereitungsdienstes einen Hauptwohnsitz im bisherigen Bundesgebiet begründet hatte. § 4 der 2. BesÜV stellt nicht auf den früheren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt ab. Im Übrigen wird der Lebensmittelpunkt in aller Regel im Beitrittsgebiet gelegen haben, wenn dort die allgemeine Schulausbildung abgeschlossen worden ist.
§ 4 der 2. BesÜV enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass die Befähigungsvoraussetzungen sowohl im bisherigen Bundesgebiet als auch im Beitrittsgebiet erworben werden. Namentlich dem Wortlaut lässt sich hierfür nichts entnehmen.
Die Befähigungsvoraussetzungen müssen auch dann als im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland erworben gelten, wenn der dort durchgeführte Teil der fachspezifischen Ausbildung und der Abschlussprüfung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmacht. Unter dieser Voraussetzung ist die örtliche Zuordnung der Ausbildung zu dem bisherigen Bundesgebiet von einem solchen Gewicht, dass ihr aus Gründen der Gleichbehandlung Rechnung getragen werden muss. Vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wäre es nicht zu rechtfertigen, dass diejenigen, die die Befähigungsvoraussetzungen gänzlich im ehemaligen Bundesgebiet erworben haben, in den Genuss des Zuschusses gelangen, während diejenigen, die Ausbildungs- oder Prüfungsteile von nachrangigem Gewicht im Beitrittsgebiet abgelegt haben, davon ausgeschlossen sind.
Danach erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 4 der 2. BesÜV, weil er zeitlich ganz überwiegend seine Fachausbildung im bisherigen Bundesgebiet durchlaufen hat. Das Verwaltungsgericht hat bindend (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass der Kläger die fachtheoretische Ausbildung in Nordrhein-Westfalen und die fachpraktische Ausbildung in Schleswig-Holstein absolviert hat; den schriftlichen Teil der Laufbahnprüfung hat er in Schleswig-Holstein, die mündliche Prüfung in Nordrhein-Westfalen abgelegt. Der anfängliche einmonatige Einführungslehrgang in Neubrandenburg sowie der Einsatz in der Justizvollzugsanstalt Bützow während der Prüfungsphase waren demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.
Der Kläger hat damit Anspruch auf den von ihm begehrten ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung seiner Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV und in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 BGB (vgl. Urteil vom 12. Juni 2002 – BVerwG 9 C 6.01 – BVerwGE 116, 312 ≪325≫ m.w.N.) auch auf Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der rückständigen Beträge.
2. Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg, weil der Anspruch auf Zahlung des Zuschusses gemäß § 4 der 2. BesÜV für vor dem 1. Januar 2000 liegende Zeiten verjährt ist. Auch insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden.
Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I S. 3138) i.V.m. § 197 BGB in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung (a.F.) galt für Ansprüche auf “Besoldungen”, die vor dem 1. Januar 2002 bestanden haben, noch eine Verjährungsfrist von vier Jahren, die gemäß § 201 BGB a.F. mit dem Schluss des Jahres begann, in dem der Anspruch entstanden ist. Danach war der Anspruch des Klägers im Jahre 2004, als er die Zahlung des ruhegehaltfähigen Zuschusses beantragt hatte, für die Zeit vor dem 1. Januar 2000 verjährt. Daran hat sich durch die Neuregelung der Verjährungsvorschriften durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts nichts geändert.
Der Dienstherr ist nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung (vgl. §§ 58, 59 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern) grundsätzlich auch verpflichtet, gegenüber Besoldungs- und Versorgungsansprüchen die Einrede der Verjährung geltend zu machen (vgl. Urteil vom 25. November 1982 – BVerwG 2 C 32.81 – BVerwGE 66, 256 ≪261≫ m.w.N.; Beschluss vom 30. Juni 1992 – BVerwG 2 B 23.92 – Buchholz 239.1 § 35 BeamtVG Nr. 3 S. 1 ≪2≫). Damit wird dem Rechtsfrieden wie auch möglichen Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen, ohne dass der Grundsatz der Alimentationspflicht prinzipiell in Frage gestellt wird. Die Geltendmachung der Einrede kann jedoch unter besonderen Umständen des einzelnen Falls als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und damit unzulässig sein. Zwar ist im Rahmen der Prüfung des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht zu berücksichtigen. Stellt die Verjährungseinrede aber keine unzulässige Rechtsausübung dar, kann sie nicht wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermessensfehlerhaft sein (vgl. Urteil vom 25. November 1982 a.a.O. S. 259 f.). Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erfordert ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn, das nicht notwendig schuldhaft zu sein braucht, das aber angesichts der Umstände des Einzelfalls die Einrede der Verjährung deshalb als treuwidrig erscheinen lässt, weil der Beamte veranlasst worden ist, verjährungsunterbrechende oder – nunmehr – verjährungshemmende Schritte zu unterlassen. Unerheblich ist, ob der Beamte keine Kenntnis von den ihm zustehenden Ansprüchen hatte oder ob er von der rechtzeitigen Geltendmachung bewusst abgesehen hat, weil er nach Treu und Glauben davon ausgehen konnte, der Dienstherr werde sich nicht auf die Verjährung berufen.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat sich der Beklagte nicht so verhalten, dass der Kläger darauf vertrauen durfte, die Einrede der Verjährung werde nicht erhoben. Der Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juni 2004 konnte dem Kläger schon deshalb keinen Anlass gegeben haben, von der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Ansprüche auf erhöhte Besoldung auch für das Jahr 1999 abzusehen, weil der Erlass zu einem Zeitpunkt ergangen ist, zu dem die Ansprüche für die Zeit vor dem 1. Januar 2000 bereits verjährt waren.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass das Landesbesoldungsamt dem Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juni 2004 zu Unrecht nicht nachgekommen ist. In welchen Fällen nach diesem Erlass von der Einrede der Verjährung abgesehen werden soll, können die Gerichte nicht durch Auslegung ermitteln. Der Erlass ist keine Rechtsnorm, sondern eine Verwaltungsvorschrift, durch die sich der Dienstherr selbst bindet, um – soweit ihm ein Ermessensspielraum zukommt – entsprechend der Zielsetzung der zugrunde liegenden Rechtsvorschriften eine gleichmäßige Ermessensausübung gegenüber den betroffenen Beamten sicherzustellen; er entfaltet Außenwirkung für den einzelnen betroffenen Beamten nur mittelbar über dessen in Art. 3 Abs. 1 GG geschütztes Recht, entsprechend der in der “antizipierten Verwaltungspraxis” zum Ausdruck kommenden Ermessensbindung der Verwaltung gleichmäßig behandelt zu werden; die gegenüber dem einzelnen Beamten unmittelbar verbindliche Konkretisierung der Besoldung erfolgt in der Regel mit der Auszahlung oder mit der Weigerung, weitere Zahlungen zu leisten. Die Verwaltungsvorschrift ist daher nicht wie eine Rechtsnorm aus sich heraus, sondern gemäß der von ihrem Urheber gebilligten oder doch geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen (stRspr, vgl. etwa Urteile vom 24. März 1977 – BVerwG 2 C 14.75 – BVerwGE 52, 193 ≪199≫, vom 30. April 1981 – BVerwG 2 C 26.78 – Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 20, vom 7. Mai 1981 – BVerwG 2 C 5.79 – Buchholz 232 § 25 BBG Nr. 1, vom 12. März 1987 – BVerwG 2 C 10.83 – Buchholz 237.0 § 87 BaWüLBG Nr. 1, vom 2. Februar 1995 – BVerwG 2 C 19.94 – Buchholz 237.6 § 75 NdsLBG Nr. 3).
Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Beklagte über die in dem Erlass angesprochenen “reinen Fälle” der ausschließlich in den Altbundesländern absolvierten Ausbildungen und Prüfungen hinaus auch bei den “Mischfällen” auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat. Dies wird auch von dem Kläger nicht behauptet.
Aus Gründen der Gleichbehandlung ist der Beklagte nicht verpflichtet, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Unter welchen Voraussetzungen Beamte einen Anspruch auf die erhöhte Besoldung geltend machen können, wenn sie die Befähigungsvoraussetzungen teilweise im früheren Bundesgebiet und teilweise im Beitrittsgebiet erworben haben, ist nicht Gegenstand der in dem Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juni 2004 angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gewesen und war auch bislang in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Danach bestand für den Beklagten, der davon ausgegangen ist, der Kläger habe bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf den ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV, ausreichender Grund, im vorliegenden Falle nicht von der Einrede der Verjährung abzusehen.
Der Beklagte war schließlich nicht verpflichtet, den Kläger über einen möglichen Anspruch aus § 4 der 2. BesÜV zu informieren. Sondergesetzliche Informationspflichten bestehen insoweit nicht. Auch die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht begründet keine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, seine Bediensteten über alle für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren oder sie auf für sie möglicherweise günstige Gerichtsentscheidungen hinzuweisen (vgl. Urteil vom 29. Oktober 1992 – BVerwG 2 C 19.90 – Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 5 S. 4 f. = ZBR 1993, 182 ≪183≫). Der Beklagte war auch nicht ausnahmsweise verpflichtet, den Kläger darüber zu unterrichten, dass ihm möglicherweise und im Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteile vom 24. Februar 2000 – 6 AZR 611/98 – AP Nr. 71 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte = ZTR 2001, 46 und vom 26. Juli 2001 – 6 AZR 401/99 – ZTR 2002, 239 ≪nur LS≫) aufgrund der (Kammer-)Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ein Anspruch auf den ruhegehaltfähigen Zuschuss zustehen könnte. Dem Kläger war es ohne weitere Voraussetzungen unbenommen, wegen der Vorenthaltung des besoldungserhöhenden Zuschusses Widerspruch und Klage zu erheben und damit eine Unterbrechung/Hemmung der Verjährung herbeizuführen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen