Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmen. Einheitswert. Ersatzeinheitswert. Reinvermögen. Bilanz. Steuerbilanz. Handelsbilanz. Bewertungsrecht. Bewertungsgesetz. beweiskräftige Unterlage. Anlagevermögen. Umlaufvermögen. Anlage- und Umlaufvermögen. Westvermögen. Demontage. Reparationsschaden. Gebäude. Hauszinssteuerabgeltungsbetrag. Schutzrechte. Schulden. Rückstellungen. Rechnungsabgrenzungsposten. Aktive Rechnungsabgrenzungsposten. Passive Rechnungsabgrenzungsposten. Wertausgleichsposten. Wertberichtigungen. Kundenanzahlung. Kürzung. Degression
Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung des Reinvermögens nach § 4 Abs. 2 EntschG ist die Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens sowie der Schulden nach den Grundsätzen des steuerlichen Bewertungsrechts und des Lastenausgleichsrechts vorzunehmen, nicht nach denen des Handelsrechts.
Die in die maßgebliche Bilanz für den letzten Stichtag vor der Schädigung oder eine sonstige beweiskräftige Unterlage im Sinne von § 4 Abs. 2 EntschG eingestellten aktiven Rechnungsabgrenzungsposten sind beim Anlage- und Umlaufvermögen, die passiven Rechnungsabgrenzungsposten sowie die Rückstellungen sind als Schulden zu berücksichtigen.
Wird in der maßgeblichen Bilanz oder sonstigen beweiskräftigen Unterlage bei den Aktiva auch Westvermögen ausgewiesen, das nicht der entschädigungslosen Enteignung im Beitrittsgebiet unterlegen hat, sind die Betriebsschulden des Unternehmens nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 EntschG entsprechend zu mindern.
Zu Reparationszwecken demontierte Wirtschaftsgüter sind nach § 1 Abs. 3 AusglLeistG nur dann bei der Berechnung der Ausgleichsleistung auszuklammern, wenn die Wegnahme vor der entschädigungslosen Enteignung erfolgt ist. Eine entsprechende Minderung der Betriebsschulden erfolgt nicht.
Normenkette
AusglLeistG § 1 Abs. 1, 3 Nr. 1; EntschG §§ 2, 3 Abs. 3, § 4 Abs. 2, § 7 Abs. 1-2
Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 08.05.2003; Aktenzeichen 7 K 1430/00) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. Mai 2003 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Klägern für die Enteignung eines Unternehmens zustehenden Ausgleichsleistung.
Das im Jahr 1924 gegründete Unternehmen wurde in der Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) geführt. Seit 1937 war K.… alleiniger Inhaber. Der Einheitswert für das Betriebsgrundstück wurde zum 1. Januar 1940 auf 483 200 RM festgesetzt, auf dem Einheitswertbogen war außerdem ein Hauszinssteuerabgeltungsbetrag in Höhe von 18 300 RM eingetragen. Neben den eigenen Werksanlagen befand sich auf dem Firmengelände ein Hochdruckprüffeld, das im Eigentum des Deutschen Reiches stand. In der Bilanz zum 31. Dezember 1943 war eine Bilanzsumme von 7 502 165,89 RM ausgewiesen.
Das Unternehmen wurde aufgrund des Befehls Nr. 124 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 30. Oktober 1945 beschlagnahmt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurden fast alle Anlagen, Maschinen, Geräte, Werkzeuge und Vorräte demontiert. Mit dem durch Volksentscheid angenommenen Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes vom 30. Juni 1946 wurde das Unternehmen für enteignet erklärt. Mit Urkunde der Landesregierung Sachsen vom 1. Juli 1948 wurde festgestellt, dass die Enteignung des Betriebsvermögens durch Befehl Nr. 64 der SMAD vom 17. April 1948 bestätigt worden und damit rechtskräftig geworden sei.
Der ehemalige Firmeninhaber siedelte 1947 nach Hamburg um. Die von ihm mit Datum vom 8. August 1950 erstellte “Überschlägliche Bilanz zum 31. Dezember 1944” (im Folgenden: Bilanz 1944) weist für das enteignete Unternehmen eine Bilanzsumme in Höhe von 14 848 521 RM aus. Nach seinem Tod im Jahr 1978 wurde er von seinen Söhnen, dem Kläger zu 1 und dem Rechtsvorgänger der Klägerin zu 2 beerbt.
Das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Februar 1992 die von den Erben geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche auf das Unternehmen ab.
Für ein in B.… S.… gelegenes Grundstück, das zum Zeitpunkt der Schädigung im Eigentum der Ehefrau des ehemaligen Firmeninhabers gestanden hatte, erkannte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises Sächsische Schweiz den Klägern mit Bescheid vom 21. September 1999 einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz in Höhe von 19 000 DM zu.
Den Anspruch der Kläger auf Ausgleichsleistung wegen der Enteignung des Unternehmens setzte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 9. Mai 2000 auf 0 DM fest. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Kläger seien als Rechtsnachfolger nach K.… zwar Berechtigte im Sinne von § 1 Abs. 1 des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG). Da für das Unternehmen weder ein Einheitswert noch ein Ersatzeinheitswert vorliege, bemesse sich die Ausgleichsleistung nach dem Reinvermögen. Dessen Berechnung führe zu einem negativen Wert. Ihr sei die Bilanz zum 31. Dezember 1943 zu Grunde zu legen. Die von den Klägern vorgelegte Bilanz zum 31. Dezember 1944 könne nicht herangezogen werden. Sie beinhalte auch Westvermögen, im Handelsregister sei aber neben D.… keine andere Niederlassung des Unternehmens verzeichnet. Die Bilanz könne daher nicht die wahren Vermögensverhältnisse des Unternehmens dokumentieren. Bei der Berechnung des Reinvermögens seien die von Demontageschäden betroffenen Vermögenswerte nicht zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Demontagen vor oder nach der Enteignung vorgenommen worden seien. Eine anteilige Verringerung der Verbindlichkeiten dürfe nicht erfolgen. Dies komme entgegen § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EntschG im Ergebnis einer Berücksichtigung von Wertausgleichsposten gleich. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EntschG seien nur die mit Wirtschaftsgütern nach den Nummern 3 und 4 in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten im dort genannten Verhältnis zu mindern; Wertausgleichsposten im Sinne der Nr. 2 seien bewusst nicht erfasst. Das auf Grundlage der Bilanz zum 31. Dezember 1943 zu errechnende Reinvermögen betrage daher minus 2 827 649,86 DM. Ein Minuswert ergebe sich selbst dann, wenn man die Bilanz zum 31. Dezember 1944 zur Grundlage der Berechnung mache.
Mit ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage haben die Kläger einen Anspruch auf Ausgleichsleistung in Höhe von mindestens 286 000 DM geltend gemacht.
Das Verwaltungsgericht Dresden hat der Klage mit Urteil vom 8. Mai 2003 stattgegeben und den Beklagten verpflichtet festzustellen, dass den Klägern ein Ausgleichsleistungsanspruch in Höhe von 169 544,39 € zustehe. Zur Begründung heißt es: Maßgeblich sei hier die vom ehemaligen Firmeninhaber am 8. August 1950 erstellte “Überschlägliche Bilanz zum 31. Dezember 1944”. Sie gebe die Situation des Unternehmens zu einem Zeitpunkt wieder, der näher an der Schädigung liege als die Bilanz zum 31. Dezember 1943. Diese Übersicht sei auch ausreichend beweiskräftig. Die dem Gericht überreichten Unterlagen, die der ehemalige Firmeninhaber seiner Aufstellung zu Grunde gelegt habe, umfassten neben einer Firmenchronik u.a. weitere Bilanzen sowie genaue Angaben über Mitarbeiter, Maschinen, Inventar, Rohstoffe und die Umsatzentwicklung des Unternehmens. Der Unternehmensinhaber habe auch persönliche Kenntnis über die Vermögenssituation einige Monate vor der Überführung in Volkseigentum gehabt. Es sei daher davon auszugehen, dass die Auflistung hinreichend fundiert sei und die Vermögensverhältnisse zum 31. Dezember 1944 im Wesentlichen korrekt darstelle. Bei den Aktiva sei nicht zusätzlich der in der Bilanz 1944 aufgeführte Wert für Gebäude in Höhe von 970 000 RM einzustellen. Maßgeblich sei ausschließlich der zum 1. Januar 1940 festgestellte Einheitswert des Grundstücks. Anhaltspunkte für eine Berichtigung des Einheitswertes fehlten. Die Aktiva seien auch nicht um einen Kapitalwert für Schutzrechte zu ergänzen, da deren Höhe zu unbestimmt sei. Die aktiven und passiven Rechnungsabgrenzungsposten seien nicht einzurechnen. Sie seien zwar nach § 250 Abs. 1 HGB in die Bilanz aufzunehmen. Es handele sich dabei aber nicht um Vermögensgegenstände; die Rechnungsabgrenzungsposten dienten vielmehr nur der periodengerechten Erfolgsermittlung. Die in der Bilanz enthaltenen Wertberichtigungen seien bei den Aktiva abzuziehen und auf der Passivseite als Schulden zu qualifizieren. Forderungen, Wertpapiere und Geldbestände seien gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EntschG im Verhältnis 2 : 1 umzuwerten. Die im Westen befindlichen Vermögenswerte in Höhe von 2 969 530 RM seien auf der Aktivseite nicht zu berücksichtigen; die Passiva seien um den Anteil der Westwerte am Gesamtvermögen auf 62,4 % zu kürzen. Die Rückstellungen seien nicht als Schulden anzusehen, weil sie Verbindlichkeiten beträfen, deren Bestehen noch ungewiss sei. Die auf der Passivseite enthaltenen Anzahlungen von Kunden in Höhe von 8 900 000 RM seien als Schulden zu qualifizieren. Die Forderungen der Kunden seien im Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz noch nicht erfüllt gewesen, daher habe eine Pflicht zur Rückerstattung bestanden. Eine weitere Reduzierung der sonstigen Verbindlichkeiten komme nicht in Betracht. Insbesondere sei eine Korrektur der Passiva wegen der die Aktivseite mindernden Demontageschäden nicht angezeigt. Dies entspreche nicht dem Rechtsgedanken von § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG, wonach für Demontageschäden keine Ausgleichsleistungen gewährt würden. Es sei außerdem mit § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EntschG unvereinbar, wonach Wertausgleichsposten außer Ansatz blieben. Das Reinvermögen sei danach wie folgt zu ermitteln:
Aktiva:
Betriebsgrundstück |
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501 500,00 RM |
Forderungen, Wertpapiere, Geldvermögen (ohne Rechnungsabgrenzungsposten) |
8 536 000,00 RM |
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abzüglich Wertberichtigung der Forderungen |
7 948 000,00 RM |
davon 50 %: |
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3 974 000,00 RM |
sonst. Anlage- und Umlaufvermögen |
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460 000,00 RM |
Gesamt: |
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4 935 500,00 RM |
Passiva:
Lieferantenverbindlichkeiten u. Anzahlungen |
10 058 000,00 RM |
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davon 62,4 %: |
6 276 192,00 RM |
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davon 50 %: |
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3 138 096,00 RM |
langfristige Verbindlichkeiten: |
104 449,00 RM |
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davon 62,4 %: |
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65 176,18 RM |
sonst. Verbindlichkeiten: |
136 000,00 RM |
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davon 62,4 %: |
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84 864,00 RM |
Gesamt: |
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3 288 136,18 RM |
Reinvermögen |
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1 647 363,82 RM |
Das Reinvermögen sei gemäß § 25 Bewertungsgesetz der DDR (BewG-DDR) auf 1 647 300 RM zu runden und nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EntschG mit dem Faktor 1,5 zu multiplizieren (2 470 950 DM). Die dem Bescheid vom 21. September 1999 zu Grunde liegende Entschädigungssumme von 24 990 DM für das Grundstück in B.… S.… sei nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG hinzuzurechnen. Aus der Gesamtsumme von 2 495 940 DM ergebe sich nach Degression gemäß § 7 Abs. 1 EntschG ein Betrag von 351 594 DM. Von diesem Betrag sei die bereits festgesetzte Entschädigung von 19 994 DM abzuziehen. Dies führe zu einem Anspruch der Kläger in Höhe von 331 600 DM und damit umgerechnet in Höhe von 169 544,39 €.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Revision und macht zur Begründung geltend: Beim Reinvermögen nach § 4 Abs. 2 EntschG handele es sich um eine subsidiäre Bemessungsgrundlage, falls weder ein Einheits- noch ein Ersatzeinheitswert vorlägen. Der Gesetzgeber habe keine völlig neue Regelungstechnik gewählt, sondern auf dem Bewertungs- und Lastenausgleichsrecht aufgebaut, dabei aber ein stark vereinfachtes Verfahren gewählt. Die Vorschrift sei daher auf der Grundlage des Bewertungs- und Lastenausgleichsrechts auszulegen. Dies folge auch aus dem systematischen Bezug von § 4 Abs. 2 EntschG zu dessen Absatz 1. Die “Überschlägliche Bilanz zum 31. Dezember 1944” sei keine Bilanz oder sonstige beweiskräftige Unterlage im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG. Die notwendige Beweiskraft komme allein einer Steuerbilanz zu. Eine Handelsbilanz erfülle nur dann die gesetzlichen Voraussetzungen, wenn sie unter Berücksichtigung steuerlicher Vorschriften berichtigt werden könne. Dies sei vorliegend nicht möglich. Daher sei die Steuerbilanz zum 31. Dezember 1943 als die letzte vor der Schädigung erstellte Bilanz zu Grunde zu legen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass neben der Steuerbilanz auch eine Handelsbilanz oder eine sie ersetzende Unterlage die für die Reinvermögensberechnung erforderliche Beweiskraft haben könne, sei dies jedenfalls bei der vorliegenden “Überschläglichen Bilanz” nicht der Fall. Es sei nicht auszuschließen, dass die Bewertung der Bilanzposten über fünf Jahre nach dem Bilanzstichtag nicht der kaufmännischen Übung entsprochen habe. Man müsse davon ausgehen, dass die nur auf der Grundlage von mitgenommenen und unvollständigen Unterlagen und ohne Inventur erstellte Bilanz unrichtige Werte enthalte. Erst nach der Schädigung erstellte Unterlagen könnten nur nach ihrer Bestätigung durch Sachverständigenbeurteilung als beweiskräftig anerkannt werden. Eine solche Bestätigung liege hier nicht vor. Im Übrigen gebe die Bilanz 1944 den Unternehmenswert zum Schädigungszeitpunkt schon deshalb nicht richtig wieder, weil das Unternehmen bereits zum Bilanzstichtag mit dem am 3. Januar 1945 an den damaligen Inhaber ausgezahlten Barkredit in Höhe von 250 000 RM belastet gewesen sei. Da dieser den Kredit bereits im Januar 1944 beantragt habe, hätte in der Bilanz eine Rückstellung oder ein passiver Abgrenzungsposten gebildet werden müssen. Außerdem weise die Bilanz den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Vermögen und Schulden des Unternehmens nicht aufgegliedert nach Ost- und West-Werten aus. Die 1944 in die Westzonen verbrachten Vermögenswerte habe das Verwaltungsgericht aus der Aktivseite der Bilanz herausgerechnet und auf der Schuldenseite einen entsprechenden prozentualen Abzug vorgenommen. Dies sei nicht zulässig, weil nur die direkt dem Westvermögen zurechenbaren Passiva außer Ansatz bleiben dürften. Eine rein quotale Anrechnung gehe fehl, weil nicht stets 1 RM Vermögen mit 1 RM Schulden wirtschaftlich zusammenhänge. Die auf der Aktivseite gebildeten Rechnungsabgrenzungsposten seien bei der Berechnung des Reinvermögens zu berücksichtigen, weil die ihnen zu Grunde liegenden Forderungen zum Umlaufvermögen gehörten. Ebenso müssten passive Rechnungsabgrenzungsposten berücksichtigt werden, da die ihnen zu Grunde liegenden Verbindlichkeiten zu den Betriebsschulden zählten. Rückstellungen seien ebenfalls Schulden im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG. Hiervon ausgehend ergebe sich sowohl bei Zugrundelegung der Bilanz zum 31. Dezember 1943 als auch der Bilanz 1944 ein negatives Reinvermögen.
Die Kläger treten der Revision entgegen und tragen zur Begründung vor: Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass der Gesetzgeber in bewusster Abkehr von den komplizierten Regelungen des Lastenausgleichsrechts ein eigenständiges, vereinfachtes Verfahren der Reinvermögensberechnung vorgesehen habe. Der neu eingeführte Begriff des Reinvermögens sei weder dem Bilanzrecht noch dem steuerlichen Bewertungsrecht entliehen. Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung gerade nicht auf das “Betriebsvermögen” im Sinne von § 95 BewG bzw. auf die “Schulden und sonstige Abzüge” gemäß § 103 BewG abgestellt. Ebenso wenig könne nur eine Steuerbilanz als beweiskräftige Unterlage im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG in Betracht kommen. Nach dem Gesetzeswortlaut könne das Reinvermögen nicht nur anhand der Bilanz für den letzten Stichtag vor der Schädigung, sondern auch anhand von sonstigen beweiskräftigen Unterlagen ermittelt werden. Würde allein auf die Steuerbilanz abgestellt, wäre der Hinweis auf sonstige Unterlagen sinnlos. Daher müsse auch die aufgrund von detaillierten Inventaraufzeichnungen erstellte Handelsbilanz des Betriebsinhabers zum 31. Dezember 1944 als beweiskräftige Unterlage ausreichen. Diese Bilanz sei als Grundlage für die DM-Eröffnungsbilanz von einem Wirtschaftsprüfer mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen worden, so dass die Bezeichnung der Bilanz 1944 als “überschlägig” unzutreffend sei. Die verwaltungsgerichtliche Würdigung, dass der Bilanz 1944 eine ausreichende Beweiskraft zukomme, unterliege nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung sei nicht erkennbar. Die Herausrechnung des Westvermögens durch das Verwaltungsgericht sei zutreffend. Nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung müssten dann auch die Passivwerte entsprechend gekürzt werden. Rechnungsabgrenzungsposten seien bei der Berechnung des Reinvermögens nicht zu berücksichtigen. Aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten dienten ausschließlich der internen Ergebnisabgrenzung zwischen zwei Geschäftsjahren, sie berührten die Vermögensverhältnisse des Unternehmens zum Bilanzstichtag nicht. Im Übrigen seien die einzelnen Bestandteile des Anlage- und Umlaufvermögens der Schulden und Verbindlichkeiten in § 266 HGB und in § 247 HBG genannt. Aus dieser Aufzählung ergebe sich, dass die Rechnungsabgrenzungsposten bei den Aktiva nicht zum Anlage- und Umlaufvermögen und auf der Passivseite nicht zu den Schulden gehörten. Der Auffassung, dass es sich bei Rückstellungen um Schulden handele, die bei der Berechnung des Reinvermögens zu berücksichtigen seien, könne ebenfalls nicht gefolgt werden. Anders als § 103 BewG stelle § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG gerade nicht auf “Schulden und sonstige Abzüge”, sondern nur auf “Schulden” ab. Umfasst seien damit nur Schulden im eigentlichen Sinne, nicht auch andere Passiva wie Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten. Einer anderen Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG stehe der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Schließlich sei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass das angefochtene Urteil fehlerhaft den in die Bilanz eingestellten Gebäudewert in Höhe von 970 000 RM unberücksichtigt gelassen habe. Der zum 1. Januar 1940 für ein unbebautes Grundstück festgestellte Einheitswert könne nicht allein maßgeblich sein. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich durch die seitdem erfolgte Bebauung erheblich verändert. Dies könne auch an der Erhöhung dieses Bilanzpostens in den Unternehmensbilanzen für die Jahre 1939 bis 1944 abgelesen werden. Schließlich hätte für die Schutzrechte ein Wert vom Verwaltungsgericht geschätzt und angerechnet werden müssen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und trägt vor: § 4 EntschG sei auf der Grundlage des Bewertungs- und Lastenausgleichsrechts auszulegen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten sowie Rückstellungen bei der Ermittlung des Reinvermögens nicht zu berücksichtigen seien, sei unzutreffend. Die Kundenanzahlungen habe das Verwaltungsgericht zutreffend als Schulden in Ansatz gebracht. Hinsichtlich des Betriebsgrundstücks habe es zu Recht auf den letzten Einheitswert zum 1. Januar 1940 abgestellt. Zwar hätte der festgestellte Einheitswert nach § 21 RBewG durch Neu- bzw. Nachfeststellungen oder Wertfortschreibungen gemäß §§ 22, 23 RBewG auf die Wertverhältnisse zum 31. Dezember 1944 korrigiert werden können. Dies sei aber unstreitig nicht beantragt worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem erkennenden Senat ist wegen noch fehlender tatsächlicher Feststellungen eine abschließende Entscheidung verwehrt, so dass die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen ist.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG erhalten natürliche Personen, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verloren haben, oder ihre Erben oder weiteren Erben (Erbeserben) eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes. Ausgleichsleistungen werden nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG nicht gewährt für Schäden, die durch Wegnahme von Wirtschaftsgütern auf Veranlassung der Besatzungsmacht entstanden sind, soweit diese Wirtschaftsgüter der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt wurden oder bei der Wegnahme eine dahingehende Absicht bestand (Reparationsschäden im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 7 des Reparationsschädengesetzes). Die Ausgleichsleistungen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG – vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen §§ 3 und 5 AusglLeistG – nach Maßgabe der §§ 1 und 9 EntschG zu erbringen. Sie werden gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG, soweit das Ausgleichsleistungsgesetz nicht besondere Regelungen enthält, nach den §§ 1 bis 8 EntschG bemessen und erfüllt.
Streitig ist im vorliegenden Verfahren nur noch die Höhe der Ausgleichsleistung für das enteignete Unternehmen. Maßgeblich hierfür ist dessen Wert. Dieser ist nach § 4 Abs. 2 EntschG, wenn – wie hier – kein verwertbarer Einheitswert oder Ersatzeinheitswert vorhanden ist, ersatzweise aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Anlage- und Umlaufvermögen des Unternehmens und denjenigen Schulden, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des Unternehmens in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Reinvermögen), zu ermitteln. Das Reinvermögen ist anhand der Bilanz für den letzten Stichtag vor der Schädigung oder einer sonstigen beweiskräftigen Unterlage nach den in der Regelung im Folgenden genannten Maßgaben festzustellen.
Maßgeblich ist das Entschädigungsgesetz in seiner seit dem 17. Dezember 2003 geltenden Neufassung vom 13. Juli 2004 (BGBl I S. 1658). Dies hat insbesondere zur Folge, dass Forderungen, Wertpapiere und Geldbestände nicht mehr im Verhältnis 2 : 1, sondern im Verhältnis 1 : 1 zu werten sind. Entsprechendes gilt für Betriebsschulden.
Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht der Berechnung des Reinvermögens die vom ehemaligen Firmeninhaber 1950 erstellte und als “Überschlägliche Bilanz zum 31. Dezember 1944” bezeichnete Bilanz zu Grunde gelegt.
Dabei kann offen bleiben, ob Bilanz im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG, wie der Beklagte meint, nur eine Steuerbilanz sein kann und ob es sich bei der Bilanz 1944 um eine solche Steuerbilanz handelt. Jedenfalls stellt diese Bilanz eine “sonstige beweiskräftige Unterlage” im Sinne der Regelung dar. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass nach den genauen Angaben über Mitarbeiter, Maschinen, Inventar, Rohstoffe und Umsatzentwicklung des Unternehmens in den dem Gericht übergebenen Unterlagen, die der Aufstellung der Bilanz 1944 zu Grunde gelegen hätten, und im Hinblick darauf, dass der Inhaber persönliche Kenntnis über die Vermögenssituation einige Monate vor der Überführung des Unternehmens in Volkseigentum gehabt habe, davon auszugehen sei, dass die Auflistung hinreichend fundiert sei und die tatsächlichen Verhältnisse am 31. Dezember 1944 im Wesentlichen korrekt darstelle. Der Beklagte hat die Richtigkeit der Angaben in dieser Bilanz zwar im Revisionsverfahren in Zweifel gezogen, jedoch nicht dargetan, dass deren Würdigung durch das Verwaltungsgericht eine gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßende Verletzung allgemeiner Sach- und Beweiswürdigungsgrundsätze darstelle.
Hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen an die Beweiskraft einer Unterlage kann auf die Kriterien in der lastenausgleichsrechtlichen Rechtsprechung des Senats zurückgegriffen werden. Sowohl der Begriff des Reinvermögens in § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG als auch der Weg zu dessen Ermittlung knüpfen an lastenausgleichs- und bewertungsrechtliche Regelungen an. Im Lastenausgleichsrecht wird für die Schadensberechnung nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone und im Sowjetsektor von Berlin (Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz – BFG) i.V.m. § 12 Abs. 2 des Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden (Feststellungsgesetz – FstG) sowie § 9 Abs. 1 der die Ermittlung des Ersatzeinheitswertes für Schäden an gewerblichen Betrieben regelnden Sechsten Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes (6. FeststellungsDV) vom 23. März 1956 (BGBl I S. 133) ebenfalls auf das Reinvermögen abgestellt, dort zur Ermittlung des Ersatzeinheitswertes. Nach § 9 Abs. 1 der 6. FeststellungsDV ist, wenn beweiskräftige Unterlagen, insbesondere Steuerbilanzen, vorgelegt werden, als Ersatzeinheitswert das in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelte Reinvermögen anzusetzen. Auch die für die Berechnung des Reinvermögens maßgeblichen Faktoren entsprechen sich. Das Reinvermögen im Sinne von § 9 Abs. 1 der 6. FeststellungsDV ergibt sich nach den Regelungen in §§ 54 und 62 BewG a.F. daraus, dass vom Rohvermögen, das sich aus dem Anlage- und Umlaufvermögen zusammensetzt (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1967 – BVerwG III C 124.66 – Buchholz 427.206 § 9 der 6. FeststellungsDV Nr. 3), die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des Betriebes in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden abgezogen werden. Nichts anderes geschieht bei der Ermittlung des Reinvermögens im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind Unterlagen im Sinne der § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 der 6. FeststellungsDV dann beweiskräftig, wenn sich aus ihnen das Reinvermögen nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermitteln oder ablesen lässt. Ablesen lässt es sich dann, wenn die Bilanz nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes erstellt worden ist; ermitteln lässt sich das Reinvermögen aus einer schriftlichen Unterlage, wenn in ihr tatsächliche Angaben enthalten sind, die unter Anwendung der Vorschriften des Bewertungsgesetzes die Berechnung des Reinvermögens zulassen (Urteile vom 26. Mai 1971 – BVerwG III C 73.69 – Buchholz 427.208 § 6 Nr. 6 und vom 4. November 1971 – BVerwG III C 23.70 – Buchholz 427.206 § 9 6. FeststellungsDV Nr. 17). Jedenfalls letzteres ist bei der Bilanz 1944 möglich.
- Bei der Ermittlung des Reinvermögens nach § 4 Abs. 2 EntschG ist die Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens sowie der Schulden nach den Grundsätzen des steuerlichen Bewertungsrechts und des Lastenausgleichsrechts und nicht nach denen des Handelsrechts vorzunehmen. Nach § 4 Abs. 2 EntschG tritt die Ermittlung des Reinvermögens als Hilfsberechnung an die Stelle von Einheitswert und Ersatzeinheitswert, wenn diese nicht in verwertbarer Form vorhanden sind. Ebenso wie beim Einheitswert richtet sich gemäß § 15 Abs. 2 BFG i.V.m. § 12 Abs. 2 FstG die Feststellung des Ersatzeinheitswertes nach den Maßstäben des Bewertungsrechts. Der Ersatzeinheitswert ist nach § 12 Abs. 2 FstG der Wert, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor der Vertreibung bei Berücksichtigung der nach dem Bewertungsgesetz wesentlichen Gesichtspunkte als Einheitswert festzustellen gewesen wäre. Dann können aber für die Ermittlung des Reinvermögens im Sinne von § 4 Abs. 2 EntschG als an die Stelle des Einheits- und des Ersatzeinheitswertes tretenden Hilfswertes keine anderen Bewertungskriterien gelten, zumal der Rechenvorgang hier – wie dargestellt – dem der Ermittlung des Ersatzeinheitswertes im Lastenausgleichsrecht bei Vorliegen beweiskräftiger Unterlagen entspricht. Dies findet seine Bestätigung in der Gesetzesbegründung für die Schätzung des Betriebsvermögens nach § 4 Abs. 3 EntschG, die wiederum gegenüber der Ermittlung des Reinvermögens subsidiär ist. Dort wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass bei der Schätzung auf die für Zwecke des Lastenausgleichs entwickelten Bewertungsverfahren zurückgegriffen werden könne (BTDrucks 12/4887 S. 34).
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, Rechnungsabgrenzungsposten seien nicht zu berücksichtigen, da es sich dabei nicht um Vermögensgegenstände handele, sondern sie nur der periodengerechten Erfolgsermittlung dienten, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat nicht beachtet, dass für die Ermittlung des Reinvermögens nicht eine bilanzrechtliche, sondern eine bewertungsrechtliche Betrachtungsweise zu Grunde zu legen ist. Maßgeblich ist, ob die aktiven oder passiven Rechnungsabgrenzungsposten nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und damit nach der Verkehrsauffassung den Gesamtwert des Unternehmens zum Bilanzstichtag beeinflussen. Dies ist der Fall.
Wie den vom Reichsminister der Finanzen erlassenen Richtlinien für die Bewertung des Vermögens und für die Veranlagung der Vermögensteuer und der Aufbringungsumlage auf den 1. Januar 1940 – VStR – (RStBl 1940, S. 209 und 211) sowie der Kommentarliteratur zum Reichsbewertungsgesetz (vgl. etwa Krekeler, Reichsbewertungsgesetz vom 16. Oktober 1934 nebst Durchführungsverordnung, 5. Aufl. 1942, § 62 RBewG Anm. 3d und § 99 Anm. 4) zu entnehmen ist, war bereits unter der Geltung des Reichsbewertungsgesetzes anerkannt, dass der Rechnungsabgrenzung dienende transitorische Kosten bei der Ermittlung des Betriebsvermögens mit dem vollen Wert anzusetzen sind. Aktive Rechnungsabgrenzungsposten, die etwa für den Fall zu bilden sind, dass durch das bilanzierende Unternehmen im vorangegangenen Geschäftsjahr Vorauszahlungen für das nachfolgende Geschäftsjahr erbracht wurden, erhöhen den Gesamtwert des Betriebes, passive Rechnungsabgrenzungsposten, etwa für von Kunden erhaltene, aber erst auf das nachfolgende Geschäftsjahr entfallende Vorauszahlungen, verringern ihn. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass aktive Rechnungsabgrenzungsposten deshalb gebildet werden, weil ohne sie der Periodenerfolg zu niedrig angesetzt würde. Ihnen liegt zwar keine Forderung gegen Dritte zu Grunde, jedoch wurde – etwa durch die vom Unternehmen geleistete Vorauszahlung – ein der nächsten Rechnungsperiode zuzurechnender Aufwand unter Minderung der sonstigen Aktiva der vorangegangenen Rechnungsperiode bereits erbracht, so dass – untechnisch gesprochen –, ein “Guthaben” gegenüber der folgenden Rechnungsperiode entsteht. Passive Rechnungsabgrenzungsposten sind demgegenüber als “negatives Guthaben” bei den Passiva zu bilden, weil andernfalls der Erfolg der Rechnungsperiode zu hoch angesetzt würde. Ein bereits eingegangener, aber erst der nächsten Rechnungsperiode zuzurechnender Ertrag, etwa eine Mietvorauszahlung für das folgende Geschäftsjahr, darf aus bewertungsrechtlicher Sicht nicht bereits dem Betriebsvermögen des Vorjahres zugeschlagen werden.
Dies entspricht auch den Grundsätzen des heute geltenden Bewertungsrechts (vgl. etwa Teß in: Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Stand: 31. März 2004, § 103 BewG Rn. 23 m.w.N.). Gemäß § 98a BewG wird der Wert des Betriebsvermögens in der Weise ermittelt, dass die Summe der Werte, die für die zu dem Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze (Rohbetriebsvermögen) ermittelt worden sind, um die Summe der Schulden und sonstigen Abzüge (§ 103) gekürzt wird. Bei der Änderung von § 103 BewG durch das Standortsicherungsgesetz vom 13. September 1993 (BGBl I S. 1569), wonach neben Schulden nunmehr auch ausdrücklich “sonstige Abzüge” zu berücksichtigen sind, handelt es sich nach der Gesetzesbegründung um eine Klarstellung, dass neben den Schulden im eigentlichen Sinn auch andere passive Ansätze aus der Steuerbilanz (z.B. Rückstellungen, Rechnungsabgrenzungsposten) und Erbzinsverpflichtungen in die Vermögensaufstellung zu übernehmen sind (BTDrucks 12/5016 S. 106). Aus dieser nur klarstellenden Ergänzung im Bewertungsgesetz folgt für die Auslegung von § 4 Abs. 2 EntschG nicht, dass der dort verwendete Begriff der Schulden nur Schulden im engeren Sinne und damit nicht auch (passive) Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen umfasst. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die handelsrechtlichen Vorschriften zur Bilanzgliederung in § 247 Abs. 1 und in § 266 Abs. 2 und 3 HGB die Rechnungsabgrenzungsposten neben dem Anlage- und Umlaufvermögen bzw. neben den Schulden und Verbindlichkeiten gesondert aufführen. Maßgeblich ist auch insoweit nicht eine (handels-)bilanzrechtliche, sondern eine bewertungsrechtliche Würdigung.
Das angefochtene Urteil verstößt ebenfalls gegen Bundesrecht, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, Rückstellungen seien nicht als Schulden im Sinne von § 4 Abs. 2 EntschG anzusetzen, da sie Verbindlichkeiten beträfen, deren Bestehen gerade noch ungewiss sei.
Auch insoweit ist vom Maßstab des Bewertungsrechts auszugehen. Zu den Schulden, die nach § 62 RBewG zur Ermittlung des Einheitswertes eines gewerblichen Betriebes vom Rohvermögen abzuziehen waren, wurden auch die Rückstellungen gezählt, die in kaufmännischen Bilanzen als Passivposten eingestellt waren, wenn es sich um bereits entstandene bewertbare Verpflichtungen handelte. Dagegen wurden Rücklagen zur Deckung noch nicht entstandener Verbindlichkeiten, etwa die gesetzliche Rücklage der AG, und freiwillige Rücklagen für in der Zukunft liegende Zwecke (sog. echte Reserven) nicht zu den abzugsfähigen Betriebsschulden gerechnet (vgl. dazu u.a. Krekeler, Reichsbewertungsgesetz vom 16. Oktober 1934 nebst Durchführungsverordnung, 5. Aufl. 1942, § 62 RBewG Anm. 3f und 4c). Es ist, solange abweichende Anhaltspunkte fehlen, davon auszugehen, dass die in die Bilanz 1944 aufgenommenen Rückstellungen tatsächlich Rückstellungen im bilanz- und bewertungsrechtlichen Sinne und keine nicht als Schulden anzurechnenden Rücklagen waren. Rückstellungen konnten zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Bilanz, auch wenn es noch keine § 249 HGB heutiger Fassung entsprechende ausdrückliche Regelung gab, nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung für zum Bilanzzeitpunkt bestehende, der Höhe nach aber noch nicht feststehende Verbindlichkeiten eingestellt werden, etwa für den Fall, dass eine Verpflichtung von einem Dritten zwar behauptet, vom Kaufmann aber bestritten wurde (vgl. Hildebrandt in: Schlegelberger, HGB, 1939, § 39 HGB Rn. 9). Auch von den Verfahrensbeteiligten wird nicht behauptet, dass es sich bei dem in der Bilanz 1944 aufgeführten Posten in Wahrheit nicht um Rückstellungen, sondern um Rücklagen gehandelt habe.
Dass Rückstellungen für Verluste, Verbindlichkeiten und Aufwendungen anzusetzen sind, die in ihrer Entstehung und/oder Höhe gerade noch ungewiss sind, hindert entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht deren Wertung als Schulden im Rahmen von § 4 Abs. 2 EntschG. Rückstellungen sind sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz nur in Höhe des Betrages anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Es ist daher davon auszugehen, dass der bestehenden Ungewissheit bereits durch die Höhe der gebildeten Rückstellung Rechnung getragen wurde. Danach ergibt sich aber nur unter Berücksichtigung auch der Rückstellungen der als Reinvermögen festzustellende wirtschaftliche Nettowert des Betriebes.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die in der Bilanz 1944 als Westvermögen aufgeführten Vermögensbestandteile nicht für die Ermittlung des Anlage- und Umlaufvermögens nach § 4 Abs. 2 EntschG angesetzt. Es handelt sich dabei nicht um Vermögenswerte, die den Berechtigten aufgrund entschädigungsloser Enteignung im Beitrittsgebiet verloren gegangen sind. Nur für solche Vermögenswerte im Beitrittsgebiet wird aber nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG eine Ausgleichsleistung gewährt.
Ebenso wenig ist es – entgegen der Auffassung des Beklagten – zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Schulden entsprechend des Anteils des Westvermögens am Gesamt-(Roh-)Betriebsvermögen gekürzt hat. Dies folgt aus den Regelungen in § 4 Abs. 2 EntschG. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG sind vom – nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG ausgleichsleistungsrelevanten, also durch entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Beitrittsgebiet verloren gegangenen – Anlage- und Umlaufvermögen diejenigen Schulden abzusetzen, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des Unternehmens in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Besteht mit einzelnen Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens ein besonderer Zusammenhang, so sind die Verbindlichkeiten diesen Gütern zuzuordnen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EntschG). Das gilt auch für Güter des Westvermögens; ebenso wie diese selbst bleiben zugehörige Verbindlichkeiten außer Ansatz. Fehlt es hingegen an einem derartigen besonderen Zusammenhang, so sind die Verbindlichkeiten sämtlichen Wirtschaftsgütern anteilig zuzuordnen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 EntschG). Auch dies gilt in Ansehung des gesamten Betriebsvermögens, auch wenn dieses teilweise im Westen belegen ist. In diesem Falle bleiben die Verbindlichkeiten anteilig außer Ansatz.
Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung in den lastenausgleichsrechtlichen Regelungen zur Schadensberechnung bei Teilverlusten. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Achten Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes vom 31. Juli 1970 (BGBl I S. 1190) ist, falls eine wirtschaftliche Einheit des Betriebsvermögens, deren Geschäftsleitung sich im Zeitpunkt der Schädigung nicht im Geltungsbereich des Feststellungsgesetzes befand, nur teilweise von Vertreibungs- oder Ostschäden betroffen ist, von dem Einheits- oder Ersatzeinheitswert ein Kürzungsbetrag abzuziehen. Kürzungsbetrag ist nach Nr. 1 dieser Regelung der sich nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes im Zeitpunkt der Schädigung ergebende Wert derjenigen Wirtschaftsgüter oder Teile von Wirtschaftsgütern, die nicht von Vertreibungs- oder Ostschäden betroffen worden sind, abzüglich der mit ihnen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten. Soweit offensichtlich ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestimmter Verbindlichkeiten mit bestimmten Wirtschaftsgütern nicht besteht, ist nach Satz 4 der Regelung davon auszugehen, dass alle Verbindlichkeiten des Betriebs mit allen Wirtschaftsgütern anteilig in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Danach war auch hier im Ergebnis eine dem Anteil der unberücksichtigt gebliebenen Wirtschaftsgüter (“Westvermögen”) entsprechende Minderung der Verbindlichkeiten vorzunehmen.
Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der Demontagen die Reichweite des Ausschlusstatbestandes in § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG verkannt. Nach dieser Regelung werden Ausgleichsleistungen nicht gewährt für Schäden, die durch Wegnahme von Wirtschaftsgütern auf Veranlassung der Besatzungsmacht entstanden sind, sofern diese Wirtschaftsgüter der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt wurden oder bei der Wegnahme eine dahingehende Absicht bestand (Reparationsschäden im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 7 des Reparationsschädengesetzes).
Zu Reparationszwecken demontierte Wirtschaftsgüter sind nach dieser Vorschrift nur dann bei der Berechnung der Ausgleichsleistung auszuklammern, wenn die Wegnahme erfolgt ist, bevor es zur entschädigungslosen Enteignung des Unternehmens auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gekommen ist. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung in § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG und dem systematischen Zusammenhang von § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG. Der Ausschlusstatbestand in § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG setzt einen durch Wegnahme von Wirtschaftsgütern entstandenen Schaden gerade des Ausgleichsberechtigten, also des von einer entschädigungslosen Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage Betroffenen voraus. Ist die Wegnahme zu Reparationszwecken erst nach der Enteignung erfolgt, ist der Schaden nicht mehr beim vorherigen Eigentümer dieses Vermögenswertes eingetreten – er hat den Vermögenswert bereits durch die entschädigungslose Enteignung verloren –, sondern bei dem durch die vorausgegangene Enteignung Begünstigten. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass Abs. 3 Fälle regle, in denen Ausgleichsleistungsansprüche nicht gewährt werden können, weil es bei Ziffer 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 nicht um Kriegs-, Kriegsfolgen- oder Währungsschäden gehe. Nach Ziffer 1 der Gemeinsamen Erklärung sind sich die beiden deutschen Regierungen einig, dass die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) nicht mehr rückgängig zu machen sind und eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen einem künftigen gesamtdeutschen Parlament vorbehalten bleiben muss. Auch die Gesetzesbegründung differenziert damit zwischen Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die künftig Gegenstand staatlicher Ausgleichsleistung werden können, und allgemeinen Kriegs- und Kriegsfolgeschäden, für die dies nicht gilt. Auch danach ist die Trennungslinie für die Nichtgewährung einer Ausgleichsleistung dort zu ziehen, wo der Vermögensverlust nicht mehr durch die entschädigungslose Enteignung eingetreten ist, sondern einen Reparationsschaden darstellt, der nach der Gesetzesbegründung zu den allgemeinen Kriegsfolgen rechnet. Schließlich umfassen die in der Verweisung auf das Reparationsschädengesetz in § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG aufgezählten Regelungen gerade nicht § 2 Abs. 5 RepG. Nach dessen Satz 2 gilt ein Schaden, der durch Wegnahme von Wirtschaftsgütern aufgrund von Nationalisierungs- oder Sozialisierungsmaßnahmen entstanden ist, als Reparationsschaden – und wäre damit nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG nicht ausgleichsleistungsfähig –, wenn den Umständen nach anzunehmen ist, dass die Wirtschaftsgüter andernfalls durch Maßnahmen im Sinne des Absatzes 1 vorgenommen worden wären. Dies lässt sich, nachdem Erläuterungen in der Gesetzesbegründung hierzu fehlen, dahin deuten, dass eine hypothetische Kausalität für den Schadenseintritt, wie die spätere Wegnahme zu Reparationszwecken, ausgeklammert bleiben sollte (ebenso Neuhaus in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Vermögensgesetz, Stand: Januar 2004, § 1 AusglLeistG Rn. 115).
Feststellungen des Verwaltungsgerichts dazu, ob die Demontagen vor oder nach der entschädigungslosen Enteignung vorgenommen wurden, fehlen. Hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunktes ist dabei nicht auf den SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 abzustellen, der lediglich die Sequestration des Unternehmens zur Folge hatte, sondern auf das durch Volksentscheid vom 30. Juni 1946 angenommene Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes vom 30. Juni 1946. Mit dessen Artikel 1 wurde unter anderem das hier in Rede stehende Unternehmen für enteignet erklärt und in das Eigentum des Volkes überführt. Der SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 hat demgegenüber nur die Rechtsqualität einer besatzungshoheitlichen Bestätigung vorher vollzogener Enteignungen, ohne selbst als enteignender Zugriff ausgelegt werden zu können (BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 – BGH III ZR 246/94 – BGHZ 133, 98 ≪103 f.≫). Ebenso fehlt es bislang an zureichenden Feststellungen zum Umfang der Demontagen. Die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Quellen betreffen zumeist das Hochdruckprüffeld, das gerade nicht im Eigentum des Unternehmens stand, und sind daher nicht aussagekräftig.
Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht die in der Bilanz 1944 enthaltenen Posten Fertigungsmaschinen, Werkzeuge und Modelle, Ausstattung, Fertigungsstoffe, Halbfabrikate und Fremdfabrikate insgesamt nicht eingestellt hat, obwohl nach seinen Feststellungen nur “fast alle Anlagen, Maschinen, Geräte, Werkzeuge und Vorräte des Unternehmens” demontiert worden sind (vgl. UA S. 3). Schließlich enthält auch die “RM-Schluss-Bilanz zum 20. Juni 1948” detailliertere Angaben zum Umfang der Demontagen, die das Verwaltungsgericht bislang nicht berücksichtigt hat. Treffen diese Angaben zu, ist davon auszugehen, dass hinsichtlich der entsprechenden Posten nur eine Teildemontage stattgefunden hat.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dagegen nicht auch die Schulden des Unternehmens anteilig im Verhältnis von demontierten zu durch die Enteignung betroffenen Vermögenswerten gemindert. Einer solchen Minderung steht freilich nicht bereits § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EntschG entgegen. Danach bleiben Wertausgleichsposten für den Verlust von Wirtschaftsgütern im Zuge der Kriegsereignisse außer Betracht. Bei ihnen handelt es sich auf der Grundlage des Runderlasses Nr. 148 der Deutschen Zentralfinanzverwaltung in der Sowjetischen Besatzungszone vom 16. Januar 1947 (abgedruckt im Amtlichen Mitteilungsblatt des Bundesausgleichsamtes Nr. 2/1981 S. 54 ff.) ihrem Charakter nach um Gewinnkorrekturposten, denen keine Wirtschaftswerte zu Grunde lagen. Das ist der Grund, weshalb sie nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EntschG bei der Ermittlung des Reinvermögens außer Betracht bleiben sollten (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks 12/4887 S. 34). Doch trifft § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EntschG keine Aussage über die Berücksichtigungsfähigkeit von Schulden. Sowohl die Wertausgleichsposten als auch deren Ausklammerung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EntschG betreffen nur die Seite der Aktiva. Eine anteilige Minderung auch der Schulden wegen Demontagen muss gleichwohl deshalb unterbleiben, weil es – anders als bei der Ausklammerung der Reparationsschäden als solcher durch § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG – an einer rechtlichen Grundlage hierfür fehlt. Gegen eine anteilige rechnerische Minderung der Schulden spricht im Übrigen, dass eine Zerstörung oder Demontage von Vermögensgegenständen die Verbindlichkeiten des Unternehmens rechtlich unberührt lässt. Das Unternehmen muss, auch wenn die Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind, die entsprechenden Schulden gleichwohl begleichen.
Hinsichtlich des für das Betriebsgrundstück einzustellenden Wertes ist es mit § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EntschG nicht vereinbar, dass das Verwaltungsgericht die Prüfung unterlassen und damit auch die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat, ob es zwischen dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Feststellung des Einheitswertes und der Schädigung zu Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse gekommen ist, die die Ermittlung eines Hilfswertes nach § 3 Abs. 3 EntschG notwendig machen.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EntschG sind Betriebsgrundstücke mit dem Einheitswert, dem Ersatzeinheitswert oder einem Hilfswert nach § 3 Abs. 3 anzusetzen. Hier war der Einheitswert für das Betriebsgrundstück zum 1. Januar 1940 auf 483 200 RM festgesetzt worden. Aus dem Einheitswertbogen ergibt sich, dass es sich um den Einheitswert für ein bebautes Grundstück gemäß § 52 RBewG handelte. Dies folgt daraus, dass der Bescheid namentlich einen Hauszinssteuerabgeltungsbetrag in Höhe von 18 300 RM ausweist. Dieser Betrag tritt nach der Verordnung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungssteuer vom 31. Juli 1942 (RGBl I S. 501) an die Stelle der nicht mehr erhobenen Gebäudeentschuldungssteuer und findet mithin nur auf bebaute Grundstücke Anwendung.
Die Verweisung in § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EntschG auf einen “Hilfswert nach § 3 Abs. 3” umfasst auch die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. EntschG. Danach ist, wenn zwischen dem Bewertungszeitpunkt und der Schädigung Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sind, deren Berücksichtigung zu einer Abweichung um mehr als einem Fünftel, mindestens aber 1 000 DM führt, ein Hilfswert nach den Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1035) in der Fassung des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. September 1970 (Sonderdruck Nr. 674 des Gesetzblattes) zu berechnen. Allein, dass der Gesetzgeber für die Reinvermögensberechnung insgesamt ein vereinfachtes Verfahren vorsehen wollte (vgl. Gesetzesbegründung, BTDrucks 12/4887 S. 34), steht der Vornahme einer solchen Hilfswertberechnung nicht entgegen. Dass § 3 Abs. 3 EntschG für den Hilfswert einen “Berechnungsauftrag” an das Amt oder das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen erteilt, spricht gegen die Annahme, die Verweisung in § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EntschG erstrecke sich nur auf bereits festgestellte Hilfswerte.
Die Kläger hatten vorgetragen, dass in den Kriegsjahren erhebliche wertsteigernde Investitionen in die Betriebsgebäude vorgenommen worden seien. Das hat das Verwaltungsgericht für unerheblich angesehen, weil die behauptete Wertsteigerung nicht auch zu einer Neufestsetzung des Einheitswertes im Jahre 1944 geführt habe. Damit hat es § 3 Abs. 3 EntschG verkannt. Der klägerische Vortrag ist vielmehr erheblich; das Verwaltungsgericht wird ihm nachzugehen haben.
- Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abrundung des Reinvermögens auf der Grundlage von § 25 des DDR-Bewertungsgesetzes verstößt ebenfalls gegen Bundesrecht. § 4 Abs. 2 EntschG enthält für die Ermittlung des Reinvermögens als Bemessungsgrundlage der Entschädigung für Unternehmen – anders als § 3 Abs. 3 EntschG für den Hilfswert als Bemessungsgrundlage für Grundvermögen und land- und forstwirtschaftliches Vermögen – keine Verweisung auf das DDR-Bewertungsgesetz und damit auch keine Verweisung auf die Kürzungsregelung in § 25 BewG-DDR. Auch ansonsten lässt sich § 4 Abs. 2 EntschG keine solche Kürzungsregelung entnehmen. Der Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 8. Oktober 1999 sieht zwar ebenfalls eine Abrundung nach § 25 BewG-DDR vor, lässt aber nicht erkennen, auf welcher gesetzlichen Grundlage diese Regelung anwendbar sein soll.
- Schließlich hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht von dem sich nach der Kürzung des Gesamtbetrages aus der Ausgleichsleistung für das Unternehmen und der Entschädigung für das in B.… S.… gelegene enteignete Grundstück gemäß § 7 Abs. 1 EntschG ergebenden Betrag nicht den im Bescheid des Landkreises Sächsische Schweiz festgesetzten Entschädigungsbetrag in Höhe von 19 000 DM, sondern den Betrag vor Rundung nach § 2 Abs. 2 EntschG in Höhe von 19 994 DM abgezogen.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
a) Der Einwand der Kläger, dass das Verwaltungsgericht zusätzlich zum Einheitswert für das Betriebsgrundstück auch den in der Bilanz 1944 für Gebäude eingestellten Bilanzposten in Höhe von 970 000 RM hätte berücksichtigen müssen, wenn ansonsten die Bilanz zum 31. Dezember 1944 als beweiskräftige Urkunde angesehen werde, geht fehl. Die Kläger verkennen, dass nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG die Angaben aus der Bilanz oder einer anderen beweiskräftigen Unterlage nur unter den dort nachfolgend genannten Maßgaben die Grundlage für die Ermittlung des Reinvermögens sind. Nach Nr. 1 dieser Regelung sind Betriebsgrundstücke aber mit dem Einheitswert, dem Ersatzeinheitswert oder einem Hilfswert nach § 3 Abs. 3 EntschG anzusetzen, also gerade nicht durch einfache Übernahme des Bilanzwertes.
b) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Aktiva nicht um einen Betrag für die Schutzrechte erhöht hat. Der ehemalige Firmeninhaber hat den Wert für die Schutzrechte in der von ihm erstellten Bilanz 1944 selbst mit 1 RM angesetzt. Nachdem Grundlage für die Ermittlung des Reinvermögens nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG die entsprechende Bilanz oder eine sonstige beweiskräftige Unterlage ist, müssen sich auch die Kläger als seine Rechtsnachfolger an diesem Ansatz in der maßgeblichen Bilanz festhalten lassen.
c) Die in der Bilanz zum 31. Dezember 1944 als Passiva eingestellten Kundenanzahlungen in Höhe von 8 900 000 RM hat das Verwaltungsgericht zu Recht als Schulden im Sinne von § 4 Abs. 2 EntschG gewertet. Es handelte sich zu dem für die Bilanz maßgeblichen Stichtag um mit einer Verpflichtung zur Rückzahlung belastete Vorleistungen der Kunden. Der Verweis der Kläger auf die Demontagen, die ihrer Auffassung nach das Unternehmen von seiner Rückzahlungsverpflichtung befreit haben, ist – unabhängig davon, inwieweit ihre Auffassung zivilrechtlich zutreffend ist – schon deshalb unerheblich, weil dabei auf Umstände abgestellt wird, die erst zu einem Zeitpunkt nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen