Entscheidungsstichwort (Thema)
Altvertragler. Äquivalenzprinzip. Bundespflegesatzverordnung. Einkünfte aus Nebentätigkeit;. Entgelt;. Gebührenvorsprung;. Kostenerstattung. Krankenhausträger. Mindestbehalt;. Nebentätigkeit;. Nutzungsentgelt. Pflegesatz. Privatbehandlung. Privatliquidation. Sonderabgaben. Vermögensausgleich. Vorteilsausgleich. wahlärztliche Leistungen
Leitsatz (amtlich)
Beamtete Ärzte mit einer vor dem 1. Januar 1993 erteilten Genehmigung, Wahlleistungen zu erbringen, waren 1996 auf der Grundlage des Nebentätigkeitsrechts des Landes Schleswig-Holstein verpflichtet, einen Teil ihrer privat liquidierten Honorare abzuführen.
Normenkette
BRRG § 42; LBG SH § 85; HNtVO SH 1996 § 14 Abs. 1 Nr. 2; BPflV 1996 § 7 Abs. 2 S. 2 Nr. 5, § 24 Abs. 3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Entscheidung vom 27.07.1999; Aktenzeichen 3 L 197.98) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 22.06.1998; Aktenzeichen 11 A 253/97) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist als Universitätsprofessor und Direktor einer Klinik Beamter im Dienste des Landes Schleswig-Holstein. Auf Grund einer vor dem 1. Januar 1993 erteilten allgemeinen Genehmigung ist er berechtigt, Patienten stationär und ambulant privat zu behandeln und hierfür zu liquidieren. Dabei darf er Einrichtungen, Material und Personal des Universitätsklinikums in Anspruch nehmen.
Auf der Grundlage der Angaben des Klägers über die abgerechneten privatärztlichen Honorare für stationäre und teilstationäre Behandlungen setzte der Beklagte mit Bescheid vom 8. August 1996 für das erste Halbjahr 1996 gemäß § 14 Abs. 1 der Hochschulnebentätigkeitsverordnung (HNtVO) ein Entgelt von 11 853,63 DM fest.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die nur noch auf Aufhebung der Bescheide gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen, im Wesentlichen aus folgenden Gründen:
Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 HNtVO sei bei einer Bruttovergütung bis 500 000 DM ein Nutzungsentgelt von 25 v.H. zu erstatten, wenn, wie im Falle des Klägers, die stationären Leistungen aufgrund einer vor dem 1. Januar 1993 erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung erbracht würden. Die Erhebung eines pauschalen Nutzungsentgelts entspreche dem Kostendeckungsprinzip und dem Äquivalenzprinzip. Es verstoße auch nicht gegen das Kostendeckungsprinzip, dass der Kläger als „Altvertragler” zweifach – nämlich auch noch auf der Grundlage der Bundespflegesatzverordnung – zur Kostenerstattung herangezogen werde, weil die bundesrechtliche Anspruchsgrundlage von den landesbeamtenrechtlichen Nutzungsentgeltvorschriften konsumiert werde, soweit es um die pflegesatzmindernde Kostenerstattungspflicht gehe. Ebensowenig verstoße die Höhe des Nutzungsentgelts gegen das Äquivalenzprinzip. Soweit der Kläger die Staffelung des Nutzungsentgelts angreife, fehle ihm die Klagebefugnis, weil er lediglich nach dem niedrigsten Staffelbeitrag (für eine Bruttovergütung bis 500 000 DM im Kalenderjahr) herangezogen worden sei. Ob er später auf höherer Stufe veranlagt werde, sei nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 1999 und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 1998, den Bescheid des Beklagten vom 8. August 1996, mit dem ein Nutzungsentgelt für den Zeitraum 1. Halbjahr 1996 in Höhe von 11 853,63 DM festgesetzt worden ist, und den Widerspruchsbescheid vom 5. November 1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
und verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Der Beklagte hat den Kläger zu Recht zu einem Nutzungsentgelt in der festgesetzten Höhe herangezogen.
Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 14 Abs. 1 Nr. 2 der Landesverordnung über die Nebentätigkeit der im Hochschulbereich tätigen Beamtinnen und Beamten (HNtVO) i.d.F. vom 1. Februar 1996 (GVOBl 1996, S. 189). Danach ist für wahlärztliche Leistungen, die in klinischen Abteilungen aufgrund einer vor dem 1. Januar 1993 erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung stationär erbracht werden, ein Nutzungsentgelt zu erstatten, das im Kalenderjahr 25 v.H. der Bruttovergütung bis 500 000 DM beträgt. Die Verordnung ist auf§ 85 LBG gestützt. Nach dieser Vorschrift erlässt die Landesregierung durch Verordnung die zur Ausführung der §§ 80 bis 84 LBG notwendigen Vorschriften über die Nebentätigkeit der Beamten. In der Verordnung kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen der Beamte bei der Ausübung von Nebentätigkeiten Personal, Einrichtungen und Material des Dienstherrn in Anspruch nehmen darf und in welcher Höhe hierfür ein Entgelt an den Dienstherrn zu entrichten ist; das Entgelt kann pauschaliert in einem Vomhundertsatz des aus der Nebentätigkeit erzielten Bruttoeinkommens festgelegt werden.
In Anwendung dieser Vorschriften hat der Kläger von seiner Bruttovergütung, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im ersten Halbjahr 1996 unter 500 000 DM gelegen hat, 25 v.H. abzuführen. Die Höhe des abzuführenden Betrages – 11 853,63 DM – ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
Das Nutzungsentgelt nach beamtenrechtlichen Vorschriften soll einen Ausgleich für die Vorteile schaffen, die dem Beamten dadurch wirtschaftlich zugute kommen, dass er die Hilfsmittel nicht auf eigenes Risiko anzuschaffen und zu unterhalten hat und nicht die Arbeitskraft des Personals vergüten muss (stRspr; z.B. Urteile vom 31. Januar 1974 – BVerwG 2 C 36.70 – Buchholz 237.5 § 81 HessBG Nr. 1 S. 13 und vom 2. September 1999 – BVerwG 2 C 22.98 – BVerwGE 109, 283 ≪291≫). Aufgrund der Genehmigung, Personal, Material und Einrichtungen des Dienstherrn im Rahmen einer Nebentätigkeit in Anspruch zu nehmen, bleibt dem Beamten das betriebliche Risiko eines effizienten Einsatzes der bereits vorhandenen, kostenaufwendigen materiellen und personellen Ausstattung erspart. Dieser Nutzungsvorteil wird durch das Nutzungsentgelt abgeschöpft.
Ein Nutzungsentgelt in Höhe von 25 v.H. der Bruttovergütung ist regelmäßig angemessen (stRspr; vgl. BVerwGE 87, 1 ≪9 f.≫; 109, 283 ≪289≫). Besondere Umstände, nach denen im vorliegenden Fall der Vom-Hundert-Satz unangemessen sein könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden.
An der Höhe des auf beamtenrechtlicher Grundlage zu entrichtenden Nutzungsentgelts ändert die bundespflegesatzrechtliche Kostenerstattungspflicht nichts. Das ergibt sich aus Wortlaut, Sinnzusammenhang, Zweck und Entstehungsgeschichte der bundesrechtlichen Regelung. Nach der ab 1. Januar 1996 geltenden Fassung des § 24 Abs. 3 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Bundespflegesatzverordnung (BPflV) – vom 26. September 1994 (BGBl I S. 2750) ist der Arzt, dessen Berechtigung, wahlärztliche Leistungen nach § 22 Abs. 3 BPflV gesondert zu berechnen, auf einem mit dem Krankenhausträger vor dem 1. Januar 1993 geschlossenen Vertrag oder einer von diesem vor dem 1. Januar 1993 auf Grund beamtenrechtlicher Vorschriften genehmigten Nebentätigkeit beruht, verpflichtet, dem Krankenhaus die auf diese Wahlleistungen im Pflegesatzzeitraum entfallenden, nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BPflV nicht pflegesatzfähigen Kosten zu erstatten. Nicht pflegesatzfähig sind nach der zuletzt genannten Bestimmung wahlärztliche Leistungen bei Verpflichtung zur Erstattung nach § 24 Abs. 3 BPflV (Altverträge und diesen vergleichbare Rechtsverhältnisse); als Kosten sind 85 vom Hundert des für diese Leistungen vor dem 1. Januar 1993 auf Grund beamtenrechtlicher Vorschriften zu entrichtenden Nutzungsentgelts (Kostenerstattung und Vorteilsausgleich sowie diesen vergleichbare Abgaben) abzuziehen, höchstens jedoch ein dem Abzug nach Nr. 4 entsprechender Betrag.
§ 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BPflV, auf den die Verpflichtung des Altvertraglers zur Kostenerstattung in § 24 Abs. 3 BPflV verweist, setzt ausdrücklich einen Anspruch des Krankenhausträgers gegen den liquidationsberechtigten Krankenhausarzt auf vertraglicher oder beamtenrechtlicher Grundlage voraus. Die bundesrechtliche Vorschrift beschränkt diesen Anspruch nicht. Sie kappt durch die Begrenzung auf 85 v.H. des Gesamtbetrages des Nutzungsentgelts, höchstens auf den Betrag nach Nr. 4, lediglich die pflegesatzmindernden Einnahmen der Krankenhäuser aus den Nutzungsentgelten. Die Bestimmung, inwieweit das Nutzungsentgelt den Pflegesatz mindert, stellt eine Höchstbetragsregelung zugunsten der Krankenhäuser dar. Sie erfasst entsprechend dem bisherigen Pflegesatzrecht nur den pflegesatzmindernd zu berücksichtigenden Teil des beamtenrechtlich zu entrichtenden Nutzungsentgelts. Auf die Höhe des vom Arzt zu entrichtenden Nutzungsentgelts wirkt sie sich nicht aus. Das verdeutlicht zusätzlich § 24 Abs. 6 BPflV. Danach werden „beamtenrechtliche oder vertragliche Regelungen über die Entrichtung eines Entgelts bei der Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Krankenhauses, soweit sie ein über die (bundespflegesatzrechtliche) Kostenerstattung hinausgehendes Nutzungsentgelt festlegen, … durch die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 nicht berührt”.
Der in § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BPflV geregelte Abzug betrifft lediglich die Berechnung der nicht pflegesatzfähigen Kosten des Krankenhauses und begründet auch in Verbindung mit der Erstattungspflicht nach § 24 Abs. 3 BPflV keine weitergehende Zahlungspflicht des Klägers. Diese wird vielmehr durch § 14 HNtVO begrenzt (vgl. Tuschen/Quaas, Bundespflegesatzverordnung, 4. Aufl. 1998, S. 414).
Die Zahlungspflicht des Klägers auf beamtenrechtlicher Grundlage war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BPflV die auf wahlärztliche Leistungen entfallenden Kosten teilweise pflegesatzfähig und somit in diesem Umfang Kosten des Krankenhauses bereits anderweitig gedeckt waren. Hieraus ergab sich keine Beschränkung der Abführungspflicht der Ärzte auf beamtenrechtlicher Grundlage, weil das von ihnen zu entrichtende Nutzungsentgelt – anders als die Pflegesätze – jedenfalls nicht ausschließlich der Kostenerstattung und Kostendeckung dient.
Soweit § 81 Abs. 4 LBG in Übereinstimmung mit § 42 Abs. 4 Satz 2 BRRG vorsieht, dass sich das Nutzungsentgelt nach den dem Dienstherrn entstehenden Kosten zu richten hat und den besonderen Vorteil berücksichtigen muss, der dem Beamten durch die Inanspruchnahme entsteht, geht es nicht um zwei Berechnungsfaktoren, die in Kombination die Höhe des Nutzungsentgelts bestimmen, sondern um verschiedene Gesichtspunkte, nach denen die Höhe des Nutzungsentgelts ermittelt werden kann. Während sich die „Kostenerstattung” auf die betriebswirtschaftlichen Kosten bezieht, die dem Krankenhausträger durch die Bereitstellung von Personal, Material und Einrichtungen entstehen, bestimmt sich der Nutzungsvorteil ausschließlich aus der Sicht des Arztes, der wahlärztliche Leistungen erbringt. Da diese beiden Werte nicht einander entsprechen, sondern in einen Vergleich miteinander treten, ist das Nutzungsentgelt der Höhe nach gerechtfertigt, wenn es einer dieser Vergleichsgrößen entspricht (vgl. Urteil vom 26. Januar 1978 – BVerwG 2 C 34.74 – Buchholz 237.7 § 75 LBG NW Nr. 1 S. 3 f.).
Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht verletzt. Es gibt keinen durch diese Bestimmung geschützten herkömmlichen Grundsatz des Berufsbeamtentums des Inhalts, dass der Dienstherr dem Beamten Einkünfte aus Nebentätigkeiten ungeschmälert belassen muss, wenn der Beamte sich zu ihrer Erzielung des Materials oder Personals des Dienstherrn bedient (BVerfGE 52, 303 ≪344≫; BVerwGE 87, 1 ≪3≫). Art. 33 Abs. 5 GG schützt auch nicht ein Vertrauen der liquidationsberechtigten Ärzte dahin gehend, dass sie wegen einer Inanspruchnahme von Personal, Material und Einrichtungen des Krankenhauses zu keinen weitergehenden Zahlungen verpflichtet werden als zu dem Zeitpunkt, zu dem ihnen die Berechtigung eingeräumt worden ist.
Auch das Äquivalenzprinzip ist nicht verletzt. Die Inanspruchnahme des Klägers nach § 14 HNtVO beträgt 25 v.H. Deswegen bedarf es auch im vorliegenden Falle keiner Entscheidung, ob an dem in der bisherigen Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz festzuhalten ist, dass dem Beamten der eindeutig überwiegende Teil des aus der Nebentätigkeit gewonnenen Nutzens verbleiben muss (vgl. Urteile vom 31. Januar 1974 – BVerwG 2 C 36.70 – Buchholz 237.5 § 81 HessBG Nr. 1 S. 13; vom 26. Januar 1978 – BVerwG 2 C 34.74 – Buchholz 237.7 § 75 LBG NW Nr. 1 S. 4; BVerwGE 87, 1 ≪6≫; 109, 283 ≪290≫).
Im Hinblick auf den „Mindestbehalt” der liquidationsberechtigten Ärzte ist es unerheblich, dass diese aus Anlass ihrer Nebentätigkeit weitere Kosten haben – z.B. wegen der Mitarbeitervergütung nach § 7 Abs. 4 HNtVO, wegen Auslagen für Versicherungen usw. Derartige Aufwendungen lassen den Vorteil unberührt, der dem Beamten aus der Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Dienstherrn erwächst (vgl. BVerwGE 109, 283 ≪290≫).
Zu Unrecht greift der Kläger die Staffelung des § 14 HNtVO an. Das Berufungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Kläger, der lediglich in der untersten Stufe veranlagt worden ist, die Rechtmäßigkeit einer progressiven Inanspruchnahme bei höheren Einnahmen in diesem Verfahren nicht zur Nachprüfung stellen kann, weil er auf der Grundlage der angefochtenen Bescheide insoweit nicht betroffen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.11.2000 durch Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
ZBR 2001, 178 |
ZTR 2001, 287 |
DÖD 2001, 122 |
DÖV 2001, 434 |