Entscheidungsstichwort (Thema)
Städtebaurecht. Bauleitplanung. Belange des Denkmalschutzes. Denkmalschutzrecht. Erhaltung historischer Ortsteile. Festsetzung privater Grünflächen. Erhaltungsverordnung. Rixdorf (in Berlin)
Leitsatz (amtlich)
- Gemeinden und Städten ist es verwehrt, im Gewande des Städtebaurechts Denkmalschutz zu betreiben. Bauplanerische Festsetzungen, die nur vorgeschoben sind, in Wirklichkeit aber Zwecken des Denkmalschutzes dienen, sind rechtswidrig (§ 1 Abs. 1 und 3 BauGB).
- Ein Bebauungsplan, der auf die Erhaltung eines historisch gewachsenen – denkmalgeschützten oder (einfach) erhaltenswerten – Ortsteils gerichtet ist, überschreitet den Rahmen städtebaulicher Zielsetzungen nicht, wenn er darauf zielt, die überkommene Nutzungsstruktur oder prägende Bestandteile des Orts- und Straßenbildes um ihrer städtebaulichen Qualität willen für die Zukunft festzuschreiben.
- Die Festsetzung privater Grünflächen mit der Zweckbestimmung “Hausgärten” nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB kann auch dazu dienen, die künftige städtebauliche Funktion ortsbildprägender Freiflächen zu bestimmen.
- Die Instrumente der Bauleitplanung und die Erhaltungssatzung (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) können nebeneinander zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets eingesetzt werden. Ob sie gemeinsam zum Einsatz kommen, beurteilt sich nach den städtebaulichen Zielen des Plangebers.
Normenkette
BauGB § 1 Abs. 1, 3, 5 S. 2 Nr. 5, § 9 Abs. 1 Nr. 15, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
OVG Berlin (Urteil vom 26.11.1999; Aktenzeichen 2 A 6.95) |
Tenor
Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 26. November 1999 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan XIV-214 des Antragsgegners vom 30. April 1992 (GVBl S. 169), dessen Geltungsbereich das sog. Böhmische Dorf und angrenzende Teile von Deutsch-Rixdorf in Berlin-Neukölln erfasst. Er ist Eigentümer eines ca. 650 qm großen unbebauten, mit Obstbäumen bestandenen Grundstücks, das der Bebauungsplan als private Grünfläche mit der Zweckbestimmung “Hausgarten” ausweist. Das Grundstück, das der Antragsteller mit einem Einfamilienhaus bebauen will, liegt ferner seit 1986 im Geltungsbereich einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung. Bei Erlass des Bebauungsplans stand überdies eine Reihe älterer Gebäude im Plangebiet unter Denkmalschutz. In der Denkmalliste des Denkmalschutzgesetzes Berlin von 1995 wird das Grundstück des Antragstellers als Bestandteil eines Denkmalbereichs (Ensemble) verzeichnet.
Der Bebauungsplan zielt nach seiner Begründung auf die langfristige und umfassende Erhaltung des historisch wertvollen und stadtbildprägenden Charakters der alten Siedlungsbereiche, die allein durch die denkmalrechtliche Unterschutzstellung einer Vielzahl von Gebäuden nicht gewährleistet sei. Zusammen mit der Erhaltungsverordnung solle der Plan die Ensemblewirkungen der vielen noch vorhandenen kleinmaßstäblichen Wohngebäude mit zugehörigen Höfen, Remisen und Hausgärten vor substanzgefährdenden Eingriffen und verfälschenden baulichen Veränderungen bewahren. Zum Grundstück des Antragstellers heißt es: Auf ihm befinde sich einer der letzten[!Duden1] historischen Haus- und Bauerngärten aus dem 18. Jahrhundert, der ein wichtiger Bestandteil des historischen Ensembles sei und – wie sich insbesondere im Rahmen der Bürgerbeteiligung herausgestellt habe – als historischer Hausgarten in seiner jetzigen Form erhalten bleiben solle.
Der Antragsteller hat zur Begründung seines Normenkontrollantrages im Wesentlichen geltend gemacht: Die Ausweisung seines gesamten Grundstücks als private Grünfläche sei für die Erhaltung der historischen Eigenart des Böhmischen Dorfes planerisch nicht erforderlich. Ursprünglich habe der Plangeber das Grundstück für die Bebauung mit einer Doppelhaushälfte vorgesehen. Die Erhaltung als Hausgarten beruhe allein auf kommunalpolitischen Gründen. Die Festsetzung treffe ihn hart und unverhältnismäßig.
Das Normenkontrollgericht hat den Antrag des Klägers mit Urteil vom 26. November 1999 zurückgewiesen, im Wesentlichen aus den folgenden Gründen: Verfahrens- oder Formvorschriften seien nicht verletzt. Nach der städtebaulichen Leitvorstellung des Antragsgegners sei der Erlass des Plans auch gerechtfertigt. Die Festsetzung “Private Grünfläche (Hausgärten)” werde durch § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB ermöglicht. Sie sei nach der Planungskonzeption des Antragsgegners auch erforderlich, weil der für die älteren Gebäude bestehende Denkmalschutz sowie die auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB gestützte Erhaltungsverordnung nicht ausgereicht hätten, um die angestrebte Freihaltung der noch vorhandenen Gärten von weiterer Bebauung rechtlich abzusichern. Das planerische Erhaltungskonzept rechtfertige daher auch die gänzliche Freihaltung des Grundstücks von jeglicher Bebauung. Das planungsrechtliche Abwägungsgebot sei nicht verletzt. Eine sachwidrige Selbstbindung und Motivation des Plangebers sei eindeutig auszuschließen. Die privaten Belange des Antragstellers und die ebenfalls gewichtigen öffentlichen Belange des städtebaulichen Denkmalschutzes, die § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB hervorhebe, seien fehlerfrei gegeneinander abgewogen worden.
Mit der Revision gegen dieses Urteil rügt der Antragsteller die Verletzung von § 1 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 sowie von § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB. Die Festsetzung seines Grundstücks als private Grünfläche (Hausgarten) sei eindeutig denkmalpflegerisch motiviert. Dem Plangeber sei nicht gestattet, mit dieser Festsetzung einen denkmalrechtlichen Schutz zu verwirklichen, der durch eine Erhaltungsverordnung nach § 172 BauGB oder nach dem Denkmalschutzrecht nicht zu erreichen sei.
Der Antragsgegner verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Ansicht des Normenkontrollgerichts, der Antragsgegner habe das Grundstück des Antragstellers nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB als private Grünfläche (Hausgarten) festsetzen dürfen, verletzt Bundesrecht nicht. Die dagegen erhobenen Angriffe der Revision sind unbegründet. Ihr Einwand, der Antragsgegner habe mit den Mitteln der Bauleitplanung in unzulässiger Weise der Sache nach Denkmalschutz betrieben, greift nicht durch.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB können private Grünflächen in einem Bebauungsplan nur aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden. Die um diese Zielbestimmung ergänzte Neufassung der Vorschrift durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 (BGBl 1997 I, 2081) stellt nur klar, was zuvor ohnehin galt. Die Bauleitplanung ist nach § 1 Abs. 1 und 3 BauGB ein Instrument zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung, das die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke vorzubereiten und zu leiten hat (vgl. auch Art. 74 Nr. 18 GG). § 1 Abs. 1 BauGB steht in einem inneren Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 2 GG, der den Gemeinden als Teil der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft das Recht gewährleistet, in eigener Verantwortung im Rahmen der Gesetze für ihr Gemeindegebiet die Bodennutzung zu regeln (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 1988 – BVerwG 4 C 40.86 – BVerwGE 81, 95 ≪106 f.≫ und vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 4 C 36.86 – BVerwGE 84, 209 ≪214 f.≫). Vom Sachbereich des Städtebaurechts abzugrenzen ist die Materie des Denkmalschutzrechts, das kein Bodenrecht im Sinne von Art. 74 Nr. 18 GG darstellt und in die Regelungskompetenz der Länder fällt. Das Städtebaurecht und das Denkmalschutzrecht gehören also verschiedenen Zuständigkeitsebenen an. Den Gemeinden und Städten ist es daher verwehrt, im Gewande des Städtebaurechts Denkmalschutz zu betreiben. Bauplanerische Festsetzungen, die nur vorgeschoben sind, in Wirklichkeit aber dazu dienen, Zwecke zu erreichen, die den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 BauGB fremd sind, sind rechtswidrig. Sie sind überdies nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, da sie ungeeignet sind, einen Beitrag zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung zu leisten (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 N 4.86 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 4 und vom 10. Juli 1997 – BVerwG 4 NB 15.97 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 85; vgl. auch Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1990 – BVerwG 4 NB 8.90 – Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 47).
1. Die vom Antragsteller angegriffene Festsetzung überschreitet die Grenzen des Städtebaurechts nicht.
1.1 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Normenkontrollgerichts geht es dem Antragsgegner u.a. darum, die im Böhmischen Dorf noch in Teilbereichen vorhandenen, zu den ehemaligen Siedlerstellen gehörenden Haus- und Bauerngärten durch planerische Festsetzungen in ihrer jetzigen Form zu bewahren, weil sie ebenso wie die alte Bebauung wichtiger Bestandteil der überkommenen dörflichen Struktur sind. Diese Zielrichtung lässt sich indes nicht schon als Indiz dafür werten, dass die auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB getroffene Nutzungsregelung lediglich als Deckmantel dient, unter dem sich denkmalschutzrechtliche Absichten verbergen. Zur Erhaltung baulicher Anlagen und Gärten können die Instrumente der Bauleitplanung ebenso wie die des Denkmalschutzrechts eingesetzt werden. Welchem dieser Regelungsbereiche eine Erhaltungsmaßnahme zuzuordnen ist, beurteilt sich nach den unterschiedlichen Zielsetzungen, denen das Recht des Städtebaus und des Denkmalschutzes dient (s. dazu bereits BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1987 – BVerwG 4 C 26.85 – BVerwGE 78, 23 ≪28 f.≫):
Denkmalschutz hat die Erhaltung baulicher Anlagen aus historischen Gründen im weitesten Sinne im Auge; er will geschichtliche, insbesondere kunst- oder architekturgeschichtliche Epochen und städtebauliche Entwicklungen, aber auch allgemein- oder sozialgeschichtliche Ereignisse und Zeitabschnitte dokumentieren. Mit anderen Worten: Denkmalschutz und Denkmalpflege zielen da-rauf, historische Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage und – nach den neueren Denkmalschutzgesetzen der Länder – auch eine Mehrheit baulicher Anlagen oder Grünanlagen (Ensembles, Gesamtanlagen) sowie Straßen-, Platz- und Ortsbilder in der Gegenwart zu veranschaulichen (“zu vergegenwärtigen”). Das Bodenrecht hingegen nimmt die zu erhaltenden baulichen Anlagen, Straßen-, Platz- oder Ortsbilder in ihrer Beziehung zur aktuellen Stadtstruktur und ihrer stadträumlichen Funktion für das gegenwärtige und künftige Zusammenleben der Menschen in den Blick. Es bezieht vorhandene Anlagen von historischem Wert in ihrer Bedeutung für eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodenordnung und eine menschenwürdige Umwelt (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB) in seine Regelungen ein. Darin zeigt sich der primär räumlich-funktionale Steuerungsansatz der Bauleitplanung, die auf die gebietsbezogene Zuweisung einer zeitgerechten Nutzungsstruktur sowie auf die Erfordernisse städtebaulicher Gestaltung ausgerichtet ist. Allein die Sichtbarmachung und Präsentation historischer Zusammenhänge am konkreten Objekt aus kultur- oder bildungspolitischen Gründen dient also nicht städtebaulichen Zielen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen und mag häufig nahe liegen, dass Maßnahmen des Denkmalschutzes und des Städtebaus ein und dasselbe Objekt betreffen und sich gegenseitig ergänzen. Die gemeindliche Bauleitplanung muss sich dabei aber auf die Verfolgung städtebaulicher Ziele, nämlich auf die Regelung der Bodennutzung, beschränken.
§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB, nach dem bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen sind, bestätigt die Aufgabenteilung zwischen den Regelungsbereichen des Städtebaus und des (landesrechtlichen) Denkmalschutzes. Die Vorschrift stellt sicher, dass die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in die Bauleitplanung einbezogen werden, ohne den Gemeinden eine denkmalschutzrechtliche Regelungskompetenz zu verleihen. Die Gemeinde ist nicht bloß berechtigt, sondern je nach der konkreten Planungssituation nach Maßgabe des § 1 Abs. 6 BauGB auch verpflichtet, sich mit diesen Belangen im Wege der Abwägung auseinander zu setzen[!Duden2]. Stellt sie diese Belange in Verfolgung städtebaulicher Ziele mit dem Gewicht, das sie ihnen aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten beimessen darf, in die Abwägungsentscheidung ein, so greift sie nicht in den Zuständigkeitsbereich der Fachbehörden über, denen die Aufgaben des Denkmalschutzes obliegen.
§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB bringt überdies zum Ausdruck, dass sich die Bauleitplanung nicht einseitig in der Erneuerung und Fortentwicklung bestehender städtebaulicher Strukturen erschöpft (vgl. auch § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB). Die Vorschrift stellt klar, dass zulässiger Inhalt eines Bebauungsplans auch Festsetzungen sein können, die dazu bestimmt sind, historisch gewachsene und als schutzwürdig erachtete Verhältnisse der Bodennutzung zu erhalten (“zu konservieren”). Dabei können gerade auch denkmalgeschützte Anlagen den Anknüpfungspunkt für städtebauliche Festsetzungen bilden – sei es, dass sie z.B. Art und Maß denkmalrechtlich geschützter Gebäude bestimmen (Festsetzung einer die Erhaltung des Denkmals gewährleistenden Bodennutzung) oder dass sie Maßnahmen des Denkmalschutzes ergänzen, indem sie nutzungsbedingte Beeinträchtigungen von Baudenkmälern oder Denkmalbereichen abwehren oder mindern (Freihalten von Sichtschneisen, Vermeidung einer die Aufgaben des Denkmalschutzes störenden Nutzung in der Umgebung des geschützten Bereichs). Zugleich trägt § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB dem Umstand Rechnung, dass der Schutz erhaltenswerter Ortsteile, Straßen und Plätze städtebauliche Relevanz unabhängig davon erlangen kann, ob diese Bereiche die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung nach dem Landesdenkmalschutzrecht erfüllen.
Daraus folgt: Ein Bebauungsplan, der insgesamt oder in Teilen auf die Erhaltung eines historisch gewachsenen – denkmalgeschützten oder (schlicht) erhaltenswerten – Ortsteils gerichtet ist, überschreitet den Rahmen städtebaulicher Zielsetzungen im Sinne von § 1 Abs. 1, 3 und Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB nicht, wenn seine Festsetzungen darauf zielen, die überkommene Nutzungsstruktur und/oder prägende Bestandteile des Orts- und Straßenbildes um ihrer städtebaulichen Qualität willen für die Zukunft festzuschreiben. Die Überplanung historischer Stadtviertel beruht in diesem Fall auf der städtebaulichen (bodenrechtlichen) Entscheidung, dass die überkommene Nutzungsstruktur und die historisch gewachsene Stadtgestalt gemessen an den heutigen sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen sowie an den Erfordernissen zeitgerechter Raumgestaltung sinnvoller Weise auch künftig für die städtebauliche Ordnung des Stadtviertels (Ortsteils) maßgeblich bleiben sollen. Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB, die aus solchen Gründen die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege berücksichtigen und fördern, verlieren ihren städtebaulichen Charakter nicht.
1.2 Das Normenkontrollgericht ist auf der Grundlage der von ihm teils wiedergegebenen, teils in Bezug genommenen Planbegründung mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Antragsteller angegriffene Festsetzung seines Grundstücks als private Grünfläche nach der städtebaulichen Gesamtkonzeption des Antragsgegners im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich und nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB zulässig ist.
1.2.1 Die Planbegründung hebt hierzu hervor, Anfang der 80er-Jahre sei infolge von Grundstücksverkäufen in Rixdorf ein starker Veränderungsdruck entstanden, der den Erhalt der historischen Substanz durch zum Teil spekulative Neu- und Umbauabsichten stark gefährdet habe. Die oftmals im krassen Widerspruch zum Dorfcharakter stehende Nutzung hätte nach Ansicht des Plangebers bei ungebremster Ausweitung in absehbarer Zeit durch verfremdende bauliche Eingriffe und erhöhte Immissionen zur Zerstörung des Dorfbildes geführt. Der Bebauungsplan und die auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB gestützte Erhaltungsverordnung seien dazu bestimmt, die historische Dorflage vor derartigen[!Duden3] “substanzgefährdenden Eingriffen oder verfälschenden baulichen Veränderungen” zu bewahren. Bei der Planaufstellung seien die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie der Schutz erhaltenswerter Bauten von geschichtlicher und städtebaulicher Bedeutung ebenso wie die betroffenen privaten Eigentumsbelange gewichtet worden. Neben diesen Aspekten seien die Belange des Umweltschutzes, der Stadtgestaltung, der Erhaltung, der Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile, der Freizeit und Erholung, der Kirche sowie des Verkehrs von besonderem Gewicht und miteinander in Einklang zu bringen gewesen. Das Abwägungsergebnis gewährleiste eine geordnete städtebauliche Entwicklung. Alle Maßnahmen zusammen böten die Voraussetzung dafür, die allgemeine städtebauliche Attraktivität und den Wohnwert der Dorflage entscheidend zu verbessern. Nach alledem ging es dem Plangeber ersichtlich nicht etwa darum, den geschichtlichen oder städtebaulichen Dokumentationswert des Ortsteils aus kulturhistorischen Gründen der Nachwelt zu erhalten (Aufgabe des Denkmalschutzes), sondern darum, die überkommene städtebauliche Qualität dieses Ortsteils zu bewahren und behutsam fortzuentwickeln. Das gilt auch für die im Böhmischen Dorf noch vorhandenen historischen Haus- und Bauerngärten, die wie das Gartengrundstück des Antragstellers nach der Planbegründung ein wichtiger Bestandteil der überkommenen dörflichen Struktur des Plangebiets sind.
1.2.2 Entgegen der Revision kommt die Festsetzung einer Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB nicht nur zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder zum Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft in Betracht. Sie kann auch wie hier dazu dienen, die künftige städtebauliche Funktion von Freiflächen, die als prägende Elemente eines Ortsteils von geschichtlicher oder städtebaulicher Bedeutung angesehen werden, zu bestimmen. Das städtebauliche Erscheinungsbild kann durch unbebaute Grundstücke ebenso stark geprägt werden wie durch bauliche Anlagen. Die Art der Mischung von Bebauung und Freiflächen gehört zu den wesentlichen städtebaulichen Strukturmerkmalen.
Die Festsetzung privater Grünflächen kann nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB auch mit der Zweckbestimmung “Hausgärten” verbunden werden (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1994 – BVerwG 8 C 22.92 – Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 92 = UPR 1994, 446). Diese Zweckbestimmung führt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich an. Doch ist die Aufzählung in dieser Vorschrift – wie der Gesetzgeber durch die Verwendung des Wortes “wie” deutlich macht – nur beispielhaft und nicht abschließend. Im Übrigen kommt diese Konkretisierung dem Grundsatz der Planbestimmtheit entgegen, der verlangt, dass Festsetzungen so konkret wie möglich getroffen werden, also mit Blick auf Grünflächen über die Ausweisung “privat” oder “öffentlich” hinaus bestimmen, wie die jeweilige Fläche genutzt werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1994 a.a.O.). Die Zweckbestimmung “Hausgarten” setzt nicht voraus, dass auf dem Gartengrundstück ein Haus steht oder dass die Gartennutzung einem bestimmten Gebäude in der Nachbarschaft funktional zugeordnet werden kann. Sie bezeichnet lediglich eine Nutzungsart und bestimmt, dass das Grundstück (nur) wie ein Hausgarten genutzt werden darf.
1.2.3 Der Antragsteller macht geltend, es sei für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlich, sein Grundstück gänzlich von jeglicher Bebauung freizuhalten. Das Normenkontrollgericht weist diesen Einwand zunächst mit der Feststellung zurück, ausweislich der Planbegründung sei es dem Plangeber gerade darum gegangen, die vollständige Erhaltung aller noch im Böhmischen Dorf vorhandenen Flächen mit Haus- und Bauerngärten zu sichern und damit dem drohenden Veränderungsdruck wirkungsvoll zu begegnen. Es sieht den Grund für die Erstreckung der angegriffenen Festsetzung auf das gesamte Grundstück somit in erster Linie in der städtebaulichen Leitvorstellung des Antragsgegners. Gemessen an § 1 Abs. 3 BauGB ist dies revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Nach Ansicht des Normenkontrollgerichts rechtfertigt sich die Festsetzung des gesamten Grundstücks als private Grünfläche allerdings auch aus der Erwägung, das Grundstück lasse in seinem heutigen Zuschnitt, seiner Lage und seiner gegenwärtigen Nutzungsform für den aufgeschlossenen Betrachter ohne Schwierigkeiten erkennen, dass diese Fläche als Nutz- und Hausgarten ehemals einer benachbarten Siedlerstelle mit den zugehörigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden zugeordnet gewesen sei. Die Fläche trage so wesentlich dazu bei, dass die historische städtebauliche Struktur dieses Ortsteils als bescheidene dörfliche Ansiedlung mit zugehörigen der Selbstversorgung dienenden gärtnerischen und landschaftlichen Nutzflächen anschaulich bleibe. Hier fließen Zielsetzungen des fachbehördlichen Denkmalschutzes – Dokumentation städtebaulicher Zusammenhänge von geschichtlicher Bedeutung – ein, die den in § 1 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB vorgegebenen Rahmen städtebaulicher Leitvorstellungen überschreiten. Die vorgenannte Erwägung des Normenkontrollgerichts lässt die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Festsetzung jedoch unberührt, weil sie ersichtlich nicht urteilstragend ist. Aus der Planbegründung, die das Urteil mehrfach heranzieht, ergeben sich im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Plangeber das Grundstück des Antragstellers unter dem Vorwand städtebaulicher Gründe als private Grünfläche festgesetzt hat, um es zum Zweck des Denkmalschutzes nach Art einer Unterschutzstellung von jeglicher Bebauung freizuhalten.
1.2.4 Entgegen der Revision ist die angegriffene Festsetzung schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Erhaltungsverordnung sowie die landesrechtlichen Denkmalschutzbestimmungen ausreichten, um die dörfliche Struktur des Plangebiets zu erhalten und zu schützen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz unterlag bei Erlass des Bebauungsplans im Jahr 1992 allein eine Reihe älterer Gebäude im Böhmischen Dorf dem landesrechtlichen Denkmalschutz (vgl. § 2 Abs. 2 DSchG Berlin vom 22. Dezember 1977, GVBl. 1977, 2540). Danach war das Gartengrundstück des Antragstellers bei Planerlass weder als Teil einer baulichen Anlage noch als Gartenanlage unter Denkmalschutz gestellt. Gegenstand denkmalschutzrechtlicher Maßnahmen konnte das Grundstück nur als Bestandteil der Umgebung eines Baudenkmales sein (vgl. dazu § 16 DSchG Berlin 1977). Das Grundstück lag allerdings schon bei Planerlass im Geltungsbereich der Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart des Erhaltungsgebiets in “Rixdorf” im Bezirk Neukölln von Berlin in der Fassung vom 22. Mai 1988 (GVBl 1989, 1121), die sich auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB stützt. Wie das Normenkontrollgericht zu Recht ausführt, reichten der denkmalschutzrechtliche Umgebungsschutz und der durch die Verordnung nach § 172 BauGB begründete Erhaltungsschutz jedoch nicht aus, um das vom Plangeber verfolgte städtebauliche Ziel, das Gartengrundstück des Antragstellers als prägendes Element eines erhaltenswerten Ortsteils von Bebauung freizuhalten, rechtlich abzusichern. Nach § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB darf die Genehmigung zur Errichtung einer baulichen Anlage im Erhaltungsgebiet nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird. § 16 Abs. 1 DSchG Berlin 1977 sah vor, dass die Umgebung eines Baudenkmales durch Errichten baulicher Anlagen nicht so verändert werden durfte, dass die Eigenart und das Erscheinungsbild des Denkmales beeinträchtigt werden. Eine dem Denkmalschutz und/oder dem städtebaulichen Erhaltungszweck angepasste Bebauung des Gartengrundstücks war und ist danach nicht ausgeschlossen. Nach der städtebaulichen Planungskonzeption des Antragsgegners war es daher nur folgerichtig, eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB zu wählen, um eine zukünftige Bebauung des Grundstücks gänzlich auszuschließen. Die Behauptung des Antragstellers, das Normenkontrollgericht habe in diesem Zusammenhang festgestellt, sein denkmalpflegerisch sensibel angepasster Bebauungsvorschlag beeinträchtige die vorhandene städtebauliche Struktur nicht, beruht auf einem Missverständnis der Entscheidungsgründe. Eine derartige Feststellung hat das Normenkontrollgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß getroffen.
Im Übrigen führt die Möglichkeit, auf die Instrumente des besonderen Städtebaurechts (hier § 172 BauGB) zurückzugreifen, nicht zum Ausschluss des allgemeinen Städtebaurechts der §§ 1 ff. BauGB. Gerade § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB zeigt, dass die Gründe, die zum Erlass für eine Verordnung oder Satzung nach § 172 BauGB genommen werden können, auch geeignet sind, einen Bebauungsplan oder einzelne[!Duden4] planerische Festsetzungen zu rechtfertigen. Die Vorschrift wäre unverständlich, wenn die dort genannten Belange nur im Rahmen einer Erhaltungsverordnung (Erhaltungssatzung) berücksichtigt werden dürften. Eine Vorrangregelung der Art, dass für einen Bebauungsplan kein Raum ist, wenn sich das städtebauliche Ziel mit einer Erhaltungsverordnung erreichen lässt, trifft der Gesetzgeber nicht. Ob die Instrumente des allgemeinen oder besonderen Städtebaurechts je für sich oder gemeinsam zum Einsatz kommen, beurteilt sich nach den jeweiligen städtebaulichen Zielsetzungen des Plangebers.
2. Mängel im Abwägungsvorgang, die auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein könnten (§ 214 Abs. 3 BauGB), hat das Normenkontrollgericht nicht festgestellt. Es kommt vielmehr nach eingehender Erörterung zu dem Ergebnis, dass die nach Lage der Dinge in die Abwägung einzustellenden Eigentümerbelange des Antragstellers und die vom Antragsgegner verfolgten städtebaulichen Ziele mit dem ihnen objektiv zukommenden Gewicht berücksichtigt und fehlerfrei miteinander und gegeneinander abgewogen worden seien. Auch insoweit hat das Urteil Bestand. Der auch im Revisionsverfahren erhobene Einwand des Antragstellers, der Plangeber habe sich bei der Festsetzung seines Grundstücks als private Grünfläche kommunalpolitischem Druck gebeugt, greift nicht durch. Das Normenkontrollgericht hat hierzu festgestellt, dass eine sachwidrige Selbstbindung und Motivation des Plangebers nach der tatsächlichen Entwicklung, wie sie sich aus den Vorgängen über das Planaufstellungsverfahren und aus der Planbegründung ergebe, eindeutig ausgeschlossen werden könnten. An diese tatsächlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden, da der Antragsteller in Bezug auf diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 137 Abs. 2 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Lemmel, Halama, Rojahn
Fundstellen
BVerwGE, 247 |
BauR 2001, 1692 |
NVwZ 2001, 1043 |
IBR 2001, 640 |
DÖV 2001, 953 |
NuR 2001, 636 |
ZfBR 2001, 482 |
BRS 2002, 1 |
BRS 2002, 801 |
BRS 2002, 878 |
BayVBl. 2002, 119 |
DVBl. 2001, 1455 |
GV/RP 2002, 278 |
FSt 2002, 99 |
FuBW 2002, 141 |
FuHe 2002, 301 |
FuNds 2003, 46 |