Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblicher Zeitpunkt für Klage auf Subventionsgewährung. verfassungswidrige Zweckbestimmung für Subvention im Haushaltsplan. Diskriminierung wegen des Geschlechts. Gleichberechtigungsgebot. Frauenförderung. Maßnahmen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung. unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen bei Förderung der Betriebsgründung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die Beurteilung einer Verpflichtungsklage auf Gewährung einer durch Richtlinien geregelten Subvention.
2. Eine verfassungswidrige Zweckbestimmung im Haushaltsplan für eine im Übrigen nach Richtlinien zu vergebende Subvention ist im Rechtsstreit über die Vergabe der Subvention nicht bindend.
3. Der Auftrag des Grundgesetzes an den Staat, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG), rechtfertigt es, Frauen bei der Förderung selbständiger Betriebsgründungen im Handwerk günstigere Bedingungen einzuräumen als Männern. Eine solche Bevorzugung bedarf nicht der Regelung durch Gesetz.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 2, 3 S. 1; EWGRL 207/76 Art. 2 Abs. 1, 4; EG Art. 141 Abs. 4
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 31.10.2001; Aktenzeichen 4 A 2241/99) |
VG Aachen (Urteil vom 17.03.1999; Aktenzeichen 3 K 560/97) |
Tenor
Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 2001 und des Verwaltungsgerichts Aachen vom 17. März 1999 werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger eine Meistergründungsprämie in Höhe von 20 000 DM, die das Land Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe der Richtlinien über die Gewährung von arbeitsplatzschaffenden Existenzgründungshilfen für Handwerksmeister/-innen (Meistergründungsprämie NRW) vergibt, von dem Beklagten als Beliehenem des Landes zu Unrecht verweigert worden ist.
Der Kläger legte am 28. Januar 1993 die Meisterprüfung als KFZ-Mechaniker ab. Im August 1996 machte er sich mit einem KFZ-Reparaturbetrieb selbständig. Unter dem 30. Mai 1996 beantragte er beim Beklagten die Bewilligung der Meistergründungsprämie. Durch Bescheid vom 19. November 1996 lehnte der Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, der Kläger habe die Frist zur Selbständigmachung von zwei Jahren nach Bestehen der Meisterprüfung gemäß Ziffer 4.1.2 der genannten Richtlinien vom 8. Dezember 1995 (MBl NW 1996 S. 233) nicht eingehalten. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch: Es verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, dass Handwerksmeisterinnen in der genannten Vorschrift eine Frist von fünf Jahren eingeräumt werde, während Handwerksmeister nur eine Frist von zwei Jahren hätten. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 27. Januar 1997 unter Berufung auf die eindeutige Regelung der Richtlinien zurück.
Der Kläger hat gegen die Versagung der Zuwendung Klage auf Neubescheidung erhoben. Er hat vorgetragen, die generelle Einräumung einer längeren Frist zur Niederlassung für Handwerksmeisterinnen als für Handwerksmeister verletze das Verbot des Art. 3 Abs. 3 GG, jemanden wegen seines Geschlechts zu benachteiligen oder zu bevorzugen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat vorgetragen, die Einräumung einer längeren Frist für Handwerksmeisterinnen sei als Maßnahme zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie zur Beseitigung bestehender Nachteile nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt. Im Bereich der Wirtschaft und insbesondere des Handwerks weise die Stellung der Frauen in Nordrhein-Westfalen nach wie vor massive Defizite auf. Während Frauen 51,4 % der Wohnbevölkerung ausmachten, liege ihr Anteil an den Erwerbstätigen bei 40,7 %. Von den Selbständigen insgesamt seien 25,7 % Frauen, während der Anteil der selbständigen Frauen im Handwerk nur bei 13,6 % liege. Dabei sei die Tendenz sogar fallend. Die Ursachen für diesen Befund seien vielfältig. Zum einen spiele eine Rolle, dass Männer wie Frauen die Meisterprüfung regelmäßig um das 30. Lebensjahr ablegten. Traditionell seien die Frauen gerade in dieser Lebensphase stärker durch Familienpflichten belastet als die Männer. Zum anderen seien die psychologischen und die finanziellen Hemmnisse für eine Selbständigkeit bei Frauen größer als bei Männern. So fehle es weitgehend an selbständigen Frauen, die durch ihre Vorbildfunktion die Anregung zur Selbständigkeit gäben. Die finanzielle Ausstattung der Frauen sei, nicht zuletzt wegen ihres geringeren durchschnittlichen Einkommens, schlechter als bei Männern. Auch sei die Bereitschaft zur Betriebsübergabe an eine Frau geringer als an einen Mann. Die Landesregierung habe daher im April 1994 ein Aktionsprogramm „Frau und Beruf” beschlossen. Danach sollten in allen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsprogrammen frauenspezifische Regelungen verankert werden. Bestehende Regelungen sollten gegebenenfalls zu Gunsten von Frauen modifiziert und neue Programme der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung mit frauenfördernden Regelungen versehen werden.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 17. März 1999 stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Einräumung einer längeren Niederlassungsfrist für Männer als für Frauen sei willkürlich, da sie generell an das Geschlecht und nicht an im Einzelfall konkret festzustellende tatsächliche Benachteiligungen anknüpfe. Wie der Gleichheitsverstoß zu beheben sei, müssten die zuständigen Behörden entscheiden.
Mit seiner Berufung hat der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und ergänzt. Der Kläger hat das Urteil des Verwaltungsgerichts verteidigt.
Durch Urteil vom 31. Oktober 2001 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, maßgeblich für die Beurteilung des Klagebegehrens sei die Sach- und Rechtslage zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung. Das folge aus dem allgemeinen Grundsatz, dass bei Verpflichtungsklagen regelmäßig dieser Zeitpunkt entscheidend sei. Das hier einschlägige materielle Recht enthalte keine abweichende Regelung. Es gehe auch nicht an, hinsichtlich der im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigenden Umstände auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen.
Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung stehe der Haushaltsplan des Landes einem Erfolg der Klage nicht entgegen, da die darin enthaltenen Erläuterungen seit 1998 keine Differenzierung zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Frist zur Betriebsgründung mehr enthielten, sondern nur von einer „baldigen” Niederlassung sprächen.
Eine gesetzliche Regelung sei für die streitige Subventionsvergabe nicht notwendig, da der allgemeine Gesetzesvorbehalt hier grundsätzlich nicht gelte und die Frage, ob bei der Vergabe der Meistergründungsprämie eine nach dem Geschlecht differenzierende Fristenregelung getroffen werden solle, nicht von grundlegender Bedeutung sei.
Die Förderpraxis des Beklagten, die für Männer und Frauen unterschiedliche Betriebsgründungsfristen anwende, sei rechtswidrig, weil sie gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstoße. Sie beinhalte eine Benachteiligung bzw. Bevorzugung wegen des Geschlechts, da Männern allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit kürzere Fristen gesetzt würden, während Frauen allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit ein längerer Zeitraum zur Verfügung stehe. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt. Danach sei der Gesetzgeber zwar berechtigt, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen; Entsprechendes gelte für Ermessensentscheidungen der Exekutive. In diesem Rahmen obliege es dem Beklagten, alle für seine Entscheidung wesentlichen Umstände zu ermitteln. Das sei nicht geschehen. Es sei nicht erkennbar, welche konkreten faktischen Nachteile für Frauen durch die längere Niederlassungsfrist ausgeglichen werden sollten. Ebenso bleibe unklar, welche konkreten Nachteile sich hinter dem Begriff der Gleichstellungsdefizite verbergen würden.
Nachvollziehbar sei allerdings, dass Frauen wegen Schwangerschaften und Mehrfachbelastungen durch Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf Nachteile erleiden könnten. Dass dies im Handwerk generell der Fall sei, erscheine aber zweifelhaft. Die in den Richtlinien getroffene generelle Regelung könne nicht mit der Notwendigkeit einer Typisierung gerechtfertigt werden, weil Ermittlungen darüber fehlten, wie hoch der Anteil der tatsächlich benachteiligten Frauen sei. Auf die Vereinbarkeit der Förderpraxis des Beklagten mit dem Gemeinschaftsrecht komme es nicht an.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Beklagte, das Berufungsgericht habe die Regeln für die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen verkannt und Art. 3 Abs. 2 GG verletzt.
Was den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage angehe, sei es zwar richtig darauf abzustellen, ob der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf Neubescheidung habe. Ein solcher Anspruch scheide aber aus, wenn die Behörde eine rechtmäßige Ermessensentscheidung getroffen und damit den Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung erfüllt habe.
Im Übrigen habe das Berufungsgericht zu Unrecht die Rechtfertigung der streitigen Förderpraxis durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verneint. Die vorliegenden Daten belegten eindeutig und zwingend, dass Frauen im Bereich der Tätigkeit als selbständige Unternehmerinnen und insbesondere als selbständige Handwerksmeisterinnen in gravierender Weise faktisch strukturell benachteiligt seien. Die Verlängerung der Niederlassungsfrist für Frauen sei ein geeignetes Mittel, diese Nachteile zu vermindern, denn durch die Verlängerung der Frist auf fünf Jahre habe der Anteil der geförderten Frauen gegenüber den Männern von 16 auf 19 % gesteigert werden können. Zur Beseitigung der entsprechenden Nachteile seien bevorzugende Regelungen zulässig. Diese hielten vorliegend die für Typisierungen geltenden Grenzen ein.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht an dem Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei wegen Verstoßes gegen das Verbot einer Diskriminierung wegen des Geschlechts nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zur Neubescheidung des Zuwendungsantrages verpflichtet, ist mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht vereinbar und verletzt daher Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
1. Das Berufungsgericht sieht als maßgeblichen Zeitpunkt für die zu berücksichtigende Sach- und Rechtslage den Termin seiner eigenen mündlichen Verhandlung an. Es stützt sich dabei auf den Grundsatz, dass für die Beurteilung von Verpflichtungsklagen dieser Zeitpunkt entscheidend sei, soweit das materielle Recht keine abweichende Regelung treffe. Letzteres verneint es hier. Es gebe keine ausdrückliche Regelung, die einen anderen Zeitpunkt als maßgeblich bestimme. Außerdem sei das streitige Förderprogramm nach wie vor in Geltung. Diese – allerdings missverständlichen – Ausführungen greift der Beklagte im Ergebnis zu Unrecht an.
1.1 Maßgeblich für die Entscheidung eines Gerichts sind die Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen, und zwar gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage handelt; dabei kann das insoweit maßgebende Recht seinerseits auf früheres – d.h. außer Kraft getretenes – Recht verweisen und dieses für anwendbar erklären (vgl. Urteil vom 3. November 1994 – BVerwG 3 C 17.92 – BVerwGE 97, 79 ≪82≫). Dieser nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zweifelhafte Ausgangspunkt kann in Verfahren, in denen über die Vergabe einer durch Richtlinien geregelten Subvention gestritten wird, zu Schwierigkeiten führen. Grundlage für die Beurteilung eines solchen Begehrens ist, da die Richtlinien als solche keine Rechtsnormqualität aufweisen, regelmäßig in erster Linie der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG. Diese Bestimmung unterliegt ihrerseits zwischen der Behördenentscheidung und der gerichtlichen Entscheidung regelmäßig keiner Veränderung. Verändern kann sich aber der aufgrund des Gleichheitssatzes zu berücksichtigende Bezugsrahmen. Subventionsregelungen erstreben häufig eine zeitlich begrenzte Einflussnahme des Staates auf bestimmte Entwicklungen. Ändern sich die insoweit maßgeblichen Verhältnisse, so kann eine Änderung der Vergabevoraussetzungen notwendig werden, ohne dass dies sich auch zu Gunsten oder zu Lasten der unter den früheren Bedingungen durchgeführten Vorhaben auswirken müsste. In solchen Fällen ist daher stets die Prüfung notwendig, ob eine Änderung der Vergabebedingungen bereits zuvor zur Förderung gestellte Vorhaben erfasst und ob dies insbesondere im Hinblick auf den Zuwendungszweck mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 113 Rn. 221). Dabei geht es hinsichtlich des zu berücksichtigenden Sachverhalts häufig nicht um die vom Berufungsgericht angesprochene Alternative der letzten Verwaltungsentscheidung oder der mündlichen Verhandlung vor Gericht; vielfach kommt es vielmehr auf den Zeitpunkt der Antragstellung oder der Durchführung des Vorhabens an.
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat zwischen Antragstellung und Entscheidung des Berufungsgerichts eine für das vorliegende Verfahren relevante Änderung der Vergabebedingungen nicht stattgefunden. Zwar ist durch die Änderungsrichtlinie vom 17. Februar 1998 (MBl NW 1998 S. 385) die Niederlassungsfrist für Handwerksmeister – die Frist für Handwerksmeisterinnen blieb unverändert bei fünf Jahren – auf drei Jahre heraufgesetzt worden. Dies ist hier jedoch ohne Bedeutung, da der Kläger auch diese Frist nicht eingehalten hat.
1.2 Das Berufungsgericht hat die Aussage, maßgeblich sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung, deshalb für entscheidungserheblich gehalten, weil der Haushaltsplan des Jahres 1997, der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung galt, in den Erläuterungen zu dem hier maßgeblichen Titel die Festlegung der Niederlassungsfrist von zwei Jahren für Handwerksmeister und von fünf Jahren für Handwerksmeisterinnen selbst enthielt. Die späteren Haushaltspläne sprechen insoweit einheitlich von einer „baldigen” Betriebsgründung. Das Berufungsgericht meint, die genannte Vorgabe des Haushaltsplanes sei für Behörden und Gerichte unbedingt verbindlich und stünde, wenn es auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankäme, einem Klageerfolg zwingend entgegen.
Dem ist jedoch nicht zu folgen. Richtig ist, dass die Bereitstellung von Mitteln im Haushaltsplan Voraussetzung für eine rechtmäßige Subventionsgewährung ist (vgl. Urteil vom 8. April 1997 – BVerwG 3 C 6.95 – BVerwGE 104, 220 ≪222≫). Der Haushaltsplan ermächtigt die Exekutive zur Vergabe der vorgesehenen Mittel. Das ändert aber nichts daran, dass die Regelungen des Haushaltsplanes nur verwaltungsinterne Bedeutung haben. Für die Rechtsstellung des Bürgers sind sie nicht unmittelbar relevant. Außerdem ist auch der Haushaltsgesetzgeber an die Grundrechte, insbesondere also an Art. 3 GG gebunden. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Verletzung dieses Grundrechts etwa durch eine gleichheitswidrige Bestimmung des Bezieherkreises durch den Haushaltsgesetzgeber müsse von den (Fach-)Gerichten hingenommen werden und sei für sie unbedingt verbindlich, verletzt die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Danach steht demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Dies verbietet die Annahme, ein Bürger könne sich gegen eine behördliche Maßnahme, die seinen Anspruch auf Gleichberechtigung verletzt, nicht gerichtlich zur Wehr setzen, weil diese Maßnahme der Behörde durch den Haushaltsplan vorgegeben ist. Zwar hat das angerufene Gericht keine Möglichkeit, den Haushaltsplan dem Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG zur Überprüfung seiner Verfassungsmäßigkeit vorzulegen, weil der Haushaltsplan als solcher nicht entscheidungserheblich sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1974 – 1 BvL 3/72 – BVerfGE 38, 121; Sturm in: Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 100 Rn. 9). Daraus ist aber nicht seine Unüberprüfbarkeit zu folgern. Vielmehr ist er außer Betracht zu lassen, soweit er der Verwaltung verfassungswidrige Vorgaben für die Mittelverwendung macht. Dies gilt auch für eine etwaige verfassungswidrige Festlegung des Zuwendungszwecks.
Das verhilft der Klage aber deshalb nicht zum Erfolg, weil die vom Berufungsgericht beanstandete unterschiedliche Betriebsgründungsfrist für Männer und Frauen aus den folgenden Gründen nicht verfassungswidrig ist:
2. Das Berufungsgericht stützt seine Entscheidung, der Kläger habe einen Anspruch auf Neubescheidung, tragend auf die Aussage, die Festsetzung unterschiedlich langer Fristen für die Betriebsgründung bei Handwerksmeistern und Handwerksmeisterinnen verletze das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Dies ist im Prinzip richtig. Der Beklagte macht die Vergabe der Subvention bei Frauen und Männern von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig. Dies stellt eine direkte Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts dar, die Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich untersagt.
Allerdings verstößt nicht jede Ungleichbehandlung, die an das Geschlecht anknüpft, gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können differenzierende Regelungen vielmehr zulässig sein, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 u.a. – BVerfGE 85, 191 ≪207≫). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch offenkundig nicht vor. Die Schwierigkeiten einer Existenzgründung, die durch die Gewährung der Meistergründungsprämie abgemildert werden sollen, treten bei Männern und Frauen auf. Das zeigt schon die Tatsache, dass beide Gruppen gleichermaßen als Zuwendungsbegünstigte in Betracht kommen. Frauen mögen dabei aus vielfältigen Gründen größere Probleme haben als Männer. Es handelt sich aber keinesfalls um Probleme, die ihrer Natur nach nur bei Frauen oder bei Männern auftreten könnten.
3. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ist jedoch entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt. Das gilt sowohl für die materiellen Rechtfertigungsvoraussetzungen (3.1) als auch für die formellen Voraussetzungen, d.h. für die Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Regelung (3.2).
3.1 Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Diese Bestimmung hat das Bundesverfassungsgericht seit langem als Gleichberechtigungsgebot verstanden. Sie enthalte den bindenden Auftrag für den Staat, für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen, und ziele auf die Angleichung der Lebensverhältnisse (vgl. Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 u.a. – a.a.O.). Seit 1994 ist dieses Gebot durch die Anfügung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ausdrücklich normiert und konkretisiert. Danach fördert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Auch diese Vorschrift ist dem Ziel verpflichtet, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollenverteilungen zu überwinden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 u.a. – BVerfGE 92, 91 ≪112≫).
Das Berufungsgericht meint, diese Regelung komme hier nicht zum Zuge, weil nicht dargetan sei, dass Handwerksmeisterinnen bei der Gründung einer selbständigen Existenz etwa durch familiäre Pflichten wesentlich größeren Belastungen ausgesetzt seien als Handwerksmeister und dass deshalb die Einräumung einer längeren Niederlassungsfrist zum Ausgleich faktischer Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, notwendig sei. Darin liegt eine unzulässige Verengung der Regelung auf den Nachteilsausgleich und damit auf den 2. Halbsatz des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Einschlägig ist aber in erster Linie der 1. Halbsatz, wonach der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert. Dieses Ziel verfolgen die in Rede stehenden Richtlinien mit ihrer vom Kläger angegriffenen Differenzierung in sachgerechter und verhältnismäßiger Weise.
Die Begünstigung der Frauen bei den Vergabebedingungen soll dazu beitragen, die drastische Unterrepräsentanz der Frauen in gehobenen Positionen der Wirtschaft insgesamt und konkret im Bereich des Handwerks zu reduzieren. Die Regelung ist Teil des im April 1994 von der Landesregierung beschlossenen Aktionsprogramms „Frau und Beruf”, das vorsieht, in allen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsprogrammen frauenspezifische Regelungen zu verankern. Durchgängiges Ziel ist es dabei, die Chancen der Frauen zur Erlangung einer ihren Fähigkeiten entsprechenden Position im Wirtschaftsleben durch Fördermaßnahmen zu verbessern. Hintergrund war die in vielen Untersuchungen getroffene Feststellung, dass die gehobenen Positionen tatsächlich nach wie vor weitgehend den Männern vorbehalten waren und sind.
Das Berufungsgericht hat die Angaben des Beklagten über die massive Unterrepräsentanz von Frauen gegenüber Männern in der selbständigen Handwerksausübung zwar nicht ausdrücklich positiv festgestellt. Es hat die entsprechenden Angaben aber referiert und in den Gründen lediglich als nicht ausreichend zur Rechtfertigung der Differenzierung angesehen. Daher bestehen keine Bedenken, sie gemäß § 137 Abs. 2 VwGO im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, zumal sie auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen werden und überdies als allgemeinkundige Tatsachen i.S. des § 291 ZPO anzusehen sein dürften. Danach machen die Frauen in Nordrhein-Westfalen zwar 51,4 % der Wohnbevölkerung, aber nur 13,6 % der Selbständigen im Handwerk aus.
Zu Unrecht hält das Berufungsgericht diesen Befund für irrelevant, weil nicht dargetan sei, welche konkreten frauentypischen Nachteile dafür verantwortlich seien. Damit übersieht es, dass Einschränkungen der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen in der Lebenswirklichkeit aus einer Vielzahl von Umständen gespeist werden, die von einer stärkeren Inanspruchnahme durch Familienarbeit über eine geringere Finanzausstattung wegen schlechterer Verdienstmöglichkeiten bis hin zu schwer ausrottbaren Vorurteilen reichen können. Dazu gehören auch psychologische Hemmnisse, die sich aus dem Fehlen weiblicher Vorbilder, der Abneigung von Männern, ihren Betrieb einer Frau zu übertragen, oder aus einer gewissen Risikoscheu ergeben können. Das jeweilige Gewicht derartiger Hemmnisse zu ermitteln, dürfte oft kaum möglich sein. Dies erscheint aber auch nicht notwendig, wenn der statistische Befund über die ungleiche Verteilung der Chancen in der Lebenswirklichkeit so massiv ist wie im vorliegenden Zusammenhang. Es ist nicht zu bezweifeln, dass diese drastische Unterrepräsentanz Ausdruck vielfältiger objektiver und subjektiver Hemmnisse für Frauen ist, den Schritt in die selbständige Berufstätigkeit als Handwerksmeisterin zu tun. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass die Staatszielbestimmung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG eben darauf zielt, derartige Hemmnisse nach Möglichkeit zu beseitigen.
Die Aussetzung einer Subvention ist ein typisches Mittel, ein vom Staat gewünschtes Verhalten des Bürgers anzuregen. Dieses Mittel eignet sich besonders zur Überwindung psychologischer Hemmnisse aber auch zur Behebung wirtschaftlicher Widerstände. Dass beide Elemente bei der auffälligen Zurückhaltung von Frauen gegenüber der selbständigen Handwerkstätigkeit eine Rolle spielen, liegt zumindest sehr nahe. Der Beklagte hat vorliegend nicht den Weg gewählt, allein eine Existenzgründungsprämie für Frauen auszusetzen. Er hat vielmehr eine solche Prämie gleichermaßen für Männer und Frauen in Aussicht gestellt, den Zugang für Frauen aber dadurch erleichtert, dass er ihnen eine längere Frist für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit eingeräumt hat. Dies erscheint insbesondere unter subventionsrechtlichen Gesichtspunkten als sachgerecht: Grundlegendes Element jeder Subvention ist die so genannte Anstoßfunktion, deren Gegenstück der so genannte Mitnahmeeffekt ist. Angesichts der wesentlich größeren Bereitschaft der Männer, sich als Handwerker selbständig zu machen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein in jedem Fall zur Selbständigkeit entschlossener Handwerksmeister die Meistergründungsprämie „mitnimmt”, mit zunehmendem Abstand von der Meisterprüfung relativ groß. Ziel der Richtlinien ist es daher, einen Anreiz für eine möglichst schnelle Selbständigkeit nach Ablegung der Meisterprüfung zu geben. Dies rechtfertigt die Vorgabe einer zeitlichen Befristung für die Selbständigkeit. Die deutlich geringere Neigung von Frauen, sich im Handwerk selbständig zu machen, rechtfertigt es hingegen, für sie die Anreizfunktion zeitlich auszudehnen.
Die Rechtfertigung der streitigen Differenzierung durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG setzt voraus, dass sie in jeder Hinsicht verhältnismäßig ist. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt.
Die Eignung ist gegeben, weil die Maßnahme mit ihrer Anreizwirkung gerade auf die Überwindung wirtschaftlicher und psychologischer Hemmnisse zielt. Sie erscheint auch erfolgreich, weil durch die Verlängerung der Niederlassungsfrist der Anteil der Frauen an den Zuwendungsempfängern von 15 % auf 19 % gesteigert werden konnte. Ein anderes gleich wirksames und das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG weniger tangierendes Mittel ist nicht ersichtlich.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass sich die Beeinträchtigung der Männer durch die Frauenförderung allein auf die Tatsache der Ungleichbehandlung beschränkt. Sie erleiden im Übrigen keinen Eingriff in ihre Rechtssphäre. Sie sind vom Zuwendungsprogramm auch nicht völlig ausgeschlossen, sondern werden nur bei einer Zugangsvoraussetzung strengeren Anforderungen unterworfen. Vor allem ist der ihnen gegebenenfalls entgehende Vorteil nicht von existenzieller Bedeutung. Angesichts der üblichen Kosten für die Einrichtung eines Handwerksbetriebes hängt die Möglichkeit, sich selbständig zu machen, regelmäßig nicht entscheidend vom Erhalt einer Zuwendung von 20 000 DM ab.
Hiernach werden die Ausführungen des Berufungsgerichts der Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht gerecht. Sie verkennen den dem Staat in dieser Bestimmung erteilten Gleichberechtigungsauftrag.
3.2 Unter den hier gegebenen Bedingungen konnte das Land den Gleichberechtigungsauftrag durch bloße Richtlinien erfüllen; es bedurfte dazu nicht eines förmlichen Gesetzes. In der Literatur wird teilweise die gegenteilige Auffassung vertreten (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 3 Rn. 93). Auch das Bundesverfassungsgericht spricht davon, das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG berechtige den Gesetzgeber, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen (vgl. Beschluss vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 u.a. – a.a.O. S. 109). Es erscheint aber zweifelhaft, ob insbesondere das Bundesverfassungsgericht damit die unbedingte Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zur Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 GG festschreiben wollte. Dies stünde nämlich nicht im Einklang mit den Aussagen des Gerichts zum Umfang des Gesetzesvorbehalts im Rahmen der sog. Wesentlichkeitstheorie. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, – losgelöst vom Merkmal des „Eingriffs” – in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1975 – 2 BvR 883/73 u.a. – BVerfGE 40, 237, ≪249≫; Beschluss vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89 ≪126≫; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. November 1974 – BVerwG 7 C 12.74 – BVerwGE 47, 201). Geht man hiervon aus, so besteht für die Annahme eines Gesetzesvorbehalts keine Grundlage.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Gleichberechtigungsgebot einschließlich des Auftrags, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern, in der Verfassung selbst enthalten ist. Diese Bestimmung richtet sich an alle Staatsgewalten (vgl. Scholz in: Maunz/Dürig/Herzog, GG ≪Okt. 1996≫, Art. 3 Abs. 2 Rn. 66). Sie ist daher auch von der Exekutive – etwa im Rahmen der ihr obliegenden Ermessensentscheidungen – zu beachten. Angesichts dieser Grundentscheidung der Verfassung erscheint es nicht vertretbar, allein dem Gesetzgeber die Entscheidung über Maßnahmen vorzubehalten, die in Durchbrechung des Diskriminierungsverbots die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zum Gegenstand haben, wenn nicht die Bedeutung der Maßnahme im Übrigen das Tätigwerden des Gesetzgebers gebietet. Das ist aber in Fällen der hier vorliegenden Art nicht anzunehmen.
Diese Fälle sind – wie bereits ausgeführt – dadurch gekennzeichnet, dass die Förderung der Frauen in keiner Weise mit einem Nachteil für Männer verbunden ist. Anders als beispielsweise bei der Privilegierung von Frauen im öffentlichen Dienst, die stets zu Lasten eines männlichen Konkurrenten geht, handelt es sich bei der Förderung durch Vergabe finanzieller Zuwendungen um eingriffsneutrale Maßnahmen, die niemandem einen Nachteil zufügen. Bei ihnen besteht daher verfassungsrechtlich ebenso wie bei speziell frauenadressierten Informations- und Bildungsangeboten nur ein geringer Rechtfertigungsbedarf (vgl. Osterloh in: Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 3 Rn. 281; Eckertz-Höfer in: AK-GG, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 66). Es erscheint vertretbar, unter diesen Voraussetzungen unmittelbar in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG eine ausreichende Rechtsgrundlage für das Zurücktreten des Gleichbehandlungsanspruchs nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu sehen. Die Notwendigkeit, für jeden Förderungsakt zu Gunsten des unterrepräsentierten Geschlechts eine gesetzliche Grundlage bereitzustellen, auch wenn Angehörige des tatsächlich privilegierten Geschlechts keinerlei Nachteil erleiden, würde dagegen die Realisierung des Gleichberechtigungsgebots wesentlich erschweren, ohne mit einem konkreten rechtsstaatlichen Gewinn verbunden zu sein.
4. Das Berufungsgericht ist auf die Zulässigkeit der streitigen Differenzierung nach Gemeinschaftsrecht – von seinem Standpunkt aus zu Recht – nicht näher eingegangen. Die Prüfung ergibt aber, dass das Gemeinschaftsrecht dieser Differenzierung nicht entgegensteht, so dass sich das Berufungsurteil auch nicht im Ergebnis als zutreffend erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Einschlägig ist hier die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl 1976 Nr. L 39/40). Nach Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie beinhaltet der Grundsatz der Gleichberechtigung, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf. Wie zu Art. 3 Abs. 3 GG ausgeführt, liegt in der Bevorzugung der Frauen bei der Vergabe der Meistergründungsprämie eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie bestimmt aber – inhaltlich gleichgerichtet mit Art. 141 Abs. 4 EG –, dass diese Richtlinie nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des Aufstiegs, der Arbeitsbedingungen und der sozialen Sicherheit beeinträchtigen, entgegensteht. Der Europäische Gerichtshof hat sich mit diesen Grundsätzen mehrfach in Verfahren befasst, in denen es um die Konkurrenzsituation mehrerer Bewerber um Einstellung oder Aufstieg im öffentlichen Dienst ging (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1995 – Rs C-450.93 – EuGHE 1995 I S. 3069 „Kalanke”; Urteil vom 11. November 1997 – Rs C-409.95 – EuGHE 1997 I S. 6383 „Marschall”; Urteil vom 6. Juli 2000 – Rs C-407.98 – „Abrahamsson”). In diesen Urteilen hat der Europäische Gerichtshof eine bevorzugte Beförderung von Frauen bei gleicher Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts für zulässig erachtet, wenn die entsprechende Regelung eine „Öffnungsklausel” enthält, die die Prüfung ermöglicht, ob nicht in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Die Entscheidungen sind nicht ohne weiteres übertragbar, weil sie von der hier nicht vorliegenden Konkurrenzsituation zwischen bestimmten Männern und Frauen ausgehen. Immerhin heißt es im Urteil Marschall, Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie habe den bestimmten und begrenzten Zweck, Maßnahmen zuzulassen, die zwar dem Anschein nach diskriminierend seien, tatsächlich aber in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten beseitigen oder verringern sollen; so seien danach nationale Maßnahmen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des Aufstiegs zulässig, die Frauen spezifisch begünstigen und ihre Fähigkeit verbessern sollen, auf dem Arbeitsmarkt mit anderen zu konkurrieren und unter den gleichen Bedingungen wie Männer eine berufliche Laufbahn zu verwirklichen (a.a.O. Rz. 26 und 27). Diese Ausführungen lassen erkennen, dass Fördermaßnahmen zu Gunsten von Frauen, die allein eine Verbesserung von deren Ausgangssituation erstreben, ohne irgendwelche Männer zu benachteiligen, ohne weiteres nach Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie zulässig sein sollen.
Hinzuweisen ist außerdem auf ein Urteil des Gerichtshofs vom 19. März 2002 (– Rs C-476.99 – „Lommers”), das sich mit der bevorzugten Bereitstellung subventionierter Kindergartenplätze an weibliche Beschäftigte eines Ministeriums durch diesen Arbeitgeber beschäftigt. Der Europäische Gerichtshof hat die generelle Beschränkung der Vergabe der Kindergartenplätze an Frauen für zulässig erachtet, dies allerdings unter dem Vorbehalt, dass die in der Regelung zu Gunsten der männlichen Beamten vorgesehene Ausnahme „für Notfälle” dahin ausgelegt werde, dass sie allein erziehenden männlichen Beamten den Zugang zu dem Kinderbetreuungssystem zu den gleichen Bedingungen eröffne wie den weiblichen Beamten.
Als entscheidenden Maßstab hat der Gerichtshof hierbei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen (a.a.O. Rz. 39). Dazu hat er ausgeführt, es sei grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu überwachen (a.a.O. Rz. 40). Damit ist die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung nach demselben Maßstab vorzunehmen, der oben bei der Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zugrunde gelegt worden ist. Da die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach dem genannten Urteil Sache des nationalen Gerichts ist, besteht zu einer – auch von den Verfahrensbeteiligten nicht angeregten – Vorlage nach Art. 234 EG kein Anlass.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Fundstellen
Haufe-Index 840600 |
NVwZ 2003, 92 |
DÖV 2003, 288 |
GewArch 2003, 111 |
BayVBl. 2003, 631 |
DVBl. 2003, 139 |
LL 2003, 280 |