Entscheidungsstichwort (Thema)
Außenbereich. Windenergieanlage. Photovoltaikanlage. Solaranlage. kombinierte Windenergie-/Photovoltaikanlage. Hybridanlage. Hybrid. Erforschung und Entwicklung der Windenergie. Anlage zur –. Forschungs- und Entwicklungskonzept. Privilegierung. Mitziehung. Dienen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anlage ist ein Vorhaben zur Erforschung und Entwicklung der Windenergie im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, wenn der Bauherr anhand eines Forschungs- und Entwicklungskonzepts plausibel darlegt, dass die von ihm konstruierte Anlage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand geeignet ist, die Nutzung der Windenergie mehr als nur unerheblich zu verbessern, die Anlage aber noch praktisch erprobt werden muss. Das Konzept muss die hinreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit und – bezogen auf das konkrete Forschungs- und Entwicklungsziel – die Dauerhaftigkeit des Privilegierungszwecks bieten.
2. Die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erlaubt auch die Erforschung und Entwicklung solcher Anlagen, die zwar nicht unter den gegenwärtigen Netzbedingungen und Energiepreisen, jedoch unter insoweit veränderten Rahmenbedingungen als Vorhaben zur Nutzung der Windenergie im Außenbereich zulässig wären, vorausgesetzt, eine solche Veränderung der Netzbedingungen und Energiepreise kann auch für Deutschland vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden.
Normenkette
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.09.2007; Aktenzeichen 8 A 10669/07) |
VG Trier (Entscheidung vom 28.09.2005; Aktenzeichen 5 K 699/05.TR) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. September 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
I
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Erteilung eines Bauvorbescheides zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der “Errichtung einer hybriden Klein-Windkraftanlage T 5,5 R 17 (4 kW) mit einem 1-achsigen sektoriell helligkeitsnachgeführten Beplattungsvarianten-Modulträger für PV-Beplattung mit 12 kWp und Vorrichtung zur Adaption zweier magnetdynamischer Speicher mit einer Leistung von jeweils 900 kW” auf dem Außenbereichsgrundstück Nr. … der Flur … in der Gemarkung Sefferweich in Anspruch.
Die Klägerin beabsichtigt, auf einem 2 m hohen und 4 m breiten Sockel einen ca. 17 m hohen Turm mit aufgesetztem Windrad (Rotorblattradius 2,77 m) und einen um den Fuß des Turmes drehbaren Modulträger mit einer Breite von 10 m, einer Länge von 12 m und einem Neigungswinkel von 45 Grad zur Beplattung mit Solarzellen zu errichten. Sie gab verschiedene Zwecke an, denen der Hybrid zu dienen bestimmt sei, u. a. als Symbiont für die auf dem Baugrundstück vorhandene, 50 bis 60 m weit entfernt stehende Groß-Windenergieanlage des Typs S70R85 mit einer Nabenhöhe von 85 m und einem Rotordurchmesser von 70 m. Das Vorhaben ziele u. a. darauf ab, den Nutzen des Klein-Hybriden als Hilfsenergiequelle für die Deckung des Eigenstrombedarfs der Groß-Windenergieanlage zu erforschen.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides mit Bescheid vom 21. April 2005 und der Begründung ab, das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, weil es Belange der Landespflege und des Naturschutzes beeinträchtige und die Erschließung nicht gesichert sei. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 28. September 2005 zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheides verpflichtet, das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Das Vorhaben der Klägerin sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB planungsrechtlich zulässig, weil öffentliche Belange nicht entgegenstünden und die ausreichende Erschließung gesichert sei.
Das umstrittene Vorhaben, das bei isolierter Betrachtung nicht privilegiert sei, werde von der Privilegierung der benachbarten Groß-Windenergieanlage “mitgezogen”, weil es der Erforschung und Entwicklung der Windenergie diene. Die Klägerin habe das Ziel ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit hinreichend deutlich umschrieben. Danach wolle sie vor allem untersuchen, welche Leistungen der Klein-Hybrid als Hilfsenergiequelle zur Deckung des Eigenenergiebedarfs der Groß-Windenergieanlage bei längerfristigem Ausfall des Windrades (insbesondere während Schwach- und Starkwindphasen) und bei längerfristigen Netzausfällen (als Notstromaggregat) erbringen könne. Zum Ausgleich der für den Betrieb der Windenergieanlage nachteiligen Folgen kurzfristiger Unterbrechungen des Stromnetzes (sog. KU-Abschaltungen im Millisekundenbereich) solle die Photovoltaikkomponente mittelbar dienlich sein, indem sie die insofern wesentliche Speichereinheit speise. Das Vorhaben sei der Groß-Windenergieanlage durch seinen Standort in einer Entfernung von 50 bis 60 m räumlich zugeordnet. Gegenüber der Groß-Windenergieanlage weise der Klein-Hybrid, insbesondere die darin enthaltene Photovoltaikkomponente mit einer Höhe von 12 m und einer Breite von 10 m, auch hinsichtlich seines Erscheinungsbildes die gebotene Unterordnung auf. Ferner sei die Dimensionierung der Photovoltaikkomponente hinreichend an dem erstrebten Hilfsnutzen für die Groß-Windenergieanlage orientiert. Ob die Funktion der Hilfsenergiequelle auch bei der Stationierung des Klein-Hybriden in einem nahe gelegenen Gewerbegebiet erfüllt werden könnte, könne dahinstehen. Da es sich hier nicht um ein Vorhaben der (Dauer-)Nutzung der Windenergie handele, stelle das Interesse an der Mitbenutzung der am Windradstandort vorhandenen Messeinrichtungen einen gewichtigen Belang für die von der Klägerin getroffene Standortentscheidung dar.
Das Vorhaben sei auch unter Berücksichtigung des Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs vernünftig. Zwar erweise sich der Vorteil der Photovoltaikkomponente nach den aktuellen Bedingungen am Standort nicht als so groß, dass ein verständiger Windenergienutzer das Vorhaben im Außenbereich verwirklichen würde. Da der beim Stillstand des Windrades (während Schwach- oder Starkwindphasen) bestehende Eigenenergiebedarf der Windenergieanlage derzeit preiswerter durch Strombezug aus dem öffentlichen Netz oder durch den Einsatz von Dieselgeneratoren gedeckt werden könne, erscheine die Investition in eine aufwändige Photovoltaikanlage nur zur Schaffung einer autarken Hilfsenergiequelle unter dem Aspekt des Schonungsgebots nicht sinnvoll. Die Wertung falle jedoch anders aus, wenn man die langfristigen Prognosen über die Preisentwicklung einbeziehe und nach der Rechtfertigung der Inanspruchnahme des Außenbereichs für ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt frage. Die Annahme der Klägerin, in Zukunft sei mit steigenden Kosten sowohl für den Strombezug aus öffentlichen Netzen als auch für Dieselkraftstoff und mit fallenden Kosten für Solarstrom zu rechnen, werde man nicht offensichtlich verwerfen können. Ob die Einrichtung einer Photovoltaikanlage eine auch unter Berücksichtigung des Schonungsgebotes vernünftige Lösung zur Deckung des Notstrombedarfs der Groß-Windenergieanlage darstelle, würden die Ergebnisse der von der Klägerin beabsichtigten Untersuchungen zeigen. Jedenfalls lasse sich nicht ausschließen, dass die Photovoltaikanlage möglicherweise eine sinnvolle Funktion als Hilfsenergiequelle für eine Windenergieanlage erfüllen könne. Dass alternative Hilfsenergiequellen auch in der Zukunft offensichtlich überlegen sein würden und bereits das Beschreiten des von der Klägerin verfolgten Forschungs- und Entwicklungspfades als unvernünftige Inanspruchnahme des Außenbereichs erscheinen ließen, sei nicht ersichtlich.
Des Weiteren spreche für die Vernünftigkeit des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens der Klägerin der Umstand, dass die von ihr geplante Windenergieanlage nebst autarker Hilfsenergiequelle in erster Linie für den ausländischen Markt entwickelt werden solle. Die Klägerin dürfe deshalb zur Rechtfertigung ihres Vorhabens und der dienenden Funktion der Solaranlage für die Windenergienutzung auf den schlechteren Standard der öffentlichen Strom-, aber auch der Mineralölversorgung in den von ihr genannten Zielregionen Osteuropas, Asiens und Südamerikas verweisen. Würde die von der Klägerin geplante autarke Hilfsenergiequelle den Einsatz der Windenergie auch im Ausland erweitern, so entspräche dies den gesetzgeberischen Motiven zur Einführung des Privilegierungstatbestandes in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Der Gesetzgeber habe den bundesdeutschen Außenbereich nicht nur für eine solche Erforschung und Entwicklung der Windenergie öffnen wollen, die auf eine Nutzung in Deutschland ausgerichtet sei. Zwar enthielten die Gesetzesentwürfe, die Grundlage des neuen Privilegierungstatbestandes seien, keinen ausdrücklichen Hinweis auf das Motiv einer Exportförderung für deutsche Anlagenbauer. Indes greife die zentrale Begründung für die Gesetzesnovelle über eine ausschließlich innerstaatliche Nutzanwendung deutlich hinaus. So werde insbesondere im Koalitionsentwurf der Schutz der Erdatmosphäre ganz allgemein als Ziel der neuen Privilegierung herausgestellt und auf die Notwendigkeit einer Verminderung der CO(2)-Emissionen hingewiesen. Die Reduktionen des CO(2)-Gehalts der Erdatmosphäre könne jedoch nur durch weltweit wirksame Maßnahmen erreicht werden, wozu auch der vermehrte Einsatz erneuerbarer Energien wie etwa der Windenergie gehören könne. Zwar ziele die Privilegierung der Nutzung der Windenergie auf eine Änderung der innerstaatlichen Energieversorgung ab, die darüber hinaus zusätzlich erfolgte Privilegierung der Erforschung und Entwicklung der Windenergie schließe jedoch auch Nutzeffekte für einen verstärkten Einsatz von Windenergieanlagen im Ausland ein. Mit diesem Verständnis des Privilegierungstatbestandes in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB werde zugleich der starken Exportorientierung deutscher Windenergieanlagenbauer Rechnung getragen.
Schließlich sei der Forschungsbedarf für das Vorhaben zu bejahen. Es handele sich um einen weiteren Anlagentyp im Rahmen des von der Klägerin vorgestellten “Trinity”-Konzepts mit den drei Varianten eines Klein-, Medium- und Groß-Hybriden.
Gegen das Berufungsurteil hat der Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er in Abrede stellt, dass das Vorhaben der Klägerin vom Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erfasst wird.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht im Einklang.
Nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und es der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dient. Der Ausgang des Revisionsverfahrens hängt davon ab, ob das Vorhaben als Zwecken der Windenergie dienend privilegiert zulässig ist. Das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
1. Das Oberverwaltungsgericht hat sich davon überzeugt, dass der Klein-Hybrid ein Projekt zur Erforschung und Entwicklung der Windenergie ist. Es hat entscheidungstragend darauf abgestellt, dass die Klägerin hinreichend deutlich gemacht habe, vor allem untersuchen zu wollen, welche Leistungen der Klein-Hybrid als Hilfsenergiequelle zur Deckung des Eigenenergiebedarfs der benachbarten Groß-Windenergieanlage bei längerfristigem Ausfall des Windrades und bei längerfristigen Netzausfällen erbringen könne. Die Photovoltaikkomponente solle zum Ausgleich der für den Betrieb der Groß-Windenergieanlage nachteiligen Folgen kurzfristiger Unterbrechungen des Stromnetzes (sog. KU-Abschaltungen im Millisekundenbereich) mittelbar dienlich sein, indem sie die insofern wesentliche Speichereinheit speise.
Dem Befund des Oberverwaltungsgerichts liegt die zutreffende Auffassung zugrunde, dass eine Anlage als Projekt zur Erforschung und Entwicklung der Windenergie anzuerkennen ist, wenn der Antragsteller anhand eines Forschungs- und Entwicklungskonzepts plausibel darlegt, dass die von ihm konstruierte Anlage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand geeignet ist, die Nutzung der Windenergie mehr als nur unerheblich zu verbessern, die Anlage aber noch praktisch erprobt werden muss. Das Konzept muss die hinreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit und – bezogen auf das konkrete Forschungs- und Entwicklungsziel – die Dauerhaftigkeit des Privilegierungszwecks bieten (OVG Koblenz, Urteil vom 24. Mai 2006 – 8 A 10892/05 – ZfBR 2006, 571 ≪574 r.Sp. – dort nur für die Forschung≫). Welche Anforderungen an ein solches Konzept, namentlich an den Grad seiner Detaillierung, zu stellen sind, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gegenstand und vom Umfang der Forschung und Entwicklung. Möchte ein Vorhabenträger zu Forschungs- und Entwicklungszwecken mehrere Anlagen vergleichbarer oder gar identischer Bauart errichten, muss er für jede Anlage einen Forschungsbedarf darlegen und aufzeigen, warum er das Forschungsziel nicht bereits mit einer anderen Anlage erreichen kann. Je ähnlicher und je zahlreicher die Anlagen sind, umso detaillierter und substanziierter müssen die Darlegungen sein. Plant ein Unternehmen selbst oder durch Tochterfirmen an einer Vielzahl von Standorten gleichartige Forschungsprojekte, so setzt es sich dem berechtigten Bedenken aus, das Forschungsziel sei nur vorgeschoben und in Wahrheit solle eine am inländischen Standort nicht privilegierte Nutzung der Solarenergie oder eine ebenso wenig privilegierte Produktpräsentation betrieben werden (OVG Koblenz, Urteil vom 12. September 2007 – 8 A 11166/06 – BauR 2008, 337 ≪342≫). Je nach Forschungs- und Entwicklungskonzept kann sich auch aus der unterschiedlichen Größe und Leistungsfähigkeit der Anlagen ein gesonderter Forschungsbedarf ergeben. Davon ist das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf die im “Trinity”-Konzept der Klägerin aufgeführten drei Baugrößen (Groß-, Medium- und Klein-Hybride) ausgegangen. Diese tatrichterliche Würdigung ist bundesrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie der Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht auch im Übrigen keine weitergehenden Anforderungen an das Forschungs- und Entwicklungskonzept der Klägerin gestellt, sondern die Formulierung konkreter Forschungs- und Entwicklungsziele aus Anlass ablehnender fachgutachterlicher Stellungnahmen in den Verfahren 8 A 10892/05 (a. a. O.) und 8 A 11729/05 als ausreichenden Beleg für die Ernsthaftigkeit des Forschungswillens angesehen hat. Mit geringeren Anforderungen an die Präzisierung des Forschungs- und Entwicklungsbedarfs hätte sich das Oberverwaltungsgericht allerdings nicht zufrieden geben dürfen.
Dass das Oberverwaltungsgericht nicht zwischen den Begriffen der Erforschung und der Entwicklung unterschieden hat, ist nicht zu beanstanden. Im Bereich der angewandten Forschung, die zur Ausweitung des Erkenntnisstandes bei praktischen, zumeist technischen, Problemen beiträgt, ist der Begriff der Forschung mit dem Begriff der Entwicklung eng verbunden (Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl. 2006, Stichwort Forschung). Im allgemeinen Sprachgebrauch werden beide Begriffe häufig miteinander kombiniert. Sie kennzeichnen einen einheitlichen Prozess, der sich aus der Versuchsplanung und der Versuchsdurchführung einschließlich der Dokumentation der Ergebnisse und deren Interpretation zusammensetzt. Die Frage, ob innerhalb dieses Prozesses die Erprobung einer Anlage der Phase der Forschung oder der Phase der Entwicklung zuzurechnen ist, braucht nicht beantwortet zu werden; denn unterschiedliche Rechtsfolgen sind daran nicht geknüpft.
2. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass der Klein-Hybrid der Erforschung und Entwicklung der Windenergie “dient”. Das hält der revisionsgerichtlichen Kontrolle stand.
a) Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass sowohl der Klein-Hybrid als auch die in ihm enthaltene Photovoltaikkomponente bei isolierter Betrachtung nicht privilegiert sind und der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie daher nur “dienen” können, wenn sie von der Privilegierung der benachbarten Groß-Windenergieanlage “mitgezogen” werden (zur Mitziehung vgl. Urteile vom 30. November 1984 – BVerwG 4 C 27.81 – BRS 42 Nr. 81 und vom 19. April 1985 – BVerwG 4 C 54.82 – BRS 44 Nr. 82; Beschlüsse vom 23. Juni 1995 – BVerwG 4 B 22.95 – BRS 57 Nr. 102 und vom 28. August 1998 – BVerwG 4 B 66.98 – BRS 60 Nr. 89). Die Teilnahme einer nichtprivilegierten Anlage an der Privilegierung einer anderen Anlage ist zunächst davon abhängig, dass die hinzutretende Anlage eine bodenrechtliche Nebensache ist. Das ist dann der Fall, wenn sie der Hauptanlage unmittelbar (funktional) zu- und untergeordnet ist und durch diese Zu- und Unterordnung auch äußerlich erkennbar geprägt wird.
Die funktionale Zu- und Unterordnung des Klein-Hybriden unter die benachbarte privilegierte Groß-Windenergieanlage folgt daraus, dass der Klein-Hybrid in seiner Funktion als Hilfsenergiequelle für die benachbarte Groß-Windenergieanlage erprobt werden soll. Sie wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Betreiber der beiden Anlagen personenverschieden sind. Ob zwischen Haupt- und Nebenanlage eine Beziehung besteht, die die Anwendung der Grundsätze über den mitgezogenen Betriebsteil rechtfertigt, bestimmt sich nach der Zweckbestimmung der Anlagen, nicht nach der Person ihrer Bauherren, Eigentümer oder Betreiber (vgl. Urteil vom 14. April 1978 – BVerwG 4 C 85.75 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 148). Allerdings muss gewährleistet sein, dass die mitgezogene Nebenanlage zur Unterstützung der Hauptanlage eingesetzt wird. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist das der Fall, weil sich die zukünftigen Betreiber der Groß-Windenergieanlage gegenüber der Klägerin bereit erklärt haben, ihre Anlage für die Erprobung des Klein-Hybriden zur Verfügung zu stellen.
Der Einbeziehung des Klein-Hybriden in die Privilegierung der Groß-Windenergieanlage steht nicht entgegen, dass ein Vorhaben das Privileg des § 35 Abs. 1 BauGB nur dann genießt, wenn es den Privilegierungstatbestand absehbar auf Dauer erfüllen soll. Mit der Forderung nach dauerhafter Zuordnung eines Vorhabens zu einer Privilegierung (Weyreuther, Bauen im Außenbereich, 1979, Stichwort Dienen Nr. 4, S. 136) soll verhindert werden, dass das Vorhaben zwar zu einem privilegierten Zweck errichtet wird, die spätere Nutzung zu einem nichtprivilegierten Zweck aber beabsichtigt ist. Die Annahme des Beklagten, dass der Klein-Hybrid in seiner Funktion als Forschungs- und Entwicklungsprojekt vor Abgängigkeit der Groß-Windenergieanlage ausgedient haben wird, mag zutreffen. Das bedeutet jedoch nicht, dass er lediglich genehmigungsfähig wäre, wenn auch die Groß-Windenergieanlage nur zur Erforschung und Entwicklung der Windenergie genehmigt und errichtet worden wäre. Die Einschätzung des Beklagten, er sei im Falle des Misserfolgs seiner Revision zur uneingeschränkten Erteilung eines Bauvorbescheides verpflichtet und könne nicht verhindern, dass der Klein-Hybrid nach Abschluss der Erprobungsphase bis zur Beseitigung der Groß-Windenergieanlage privilegierungsfremd genutzt würde, ist unzutreffend. Die im Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils ausgesprochene, im Berufungsverfahren bestätigte Verpflichtung, der Klägerin einen Bauvorbescheid dahingehend zu erteilen, dass der Neubau der streitgegenständlichen hybriden Kleinwindenergieanlage bauplanungsrechtlich zulässig ist, beruht allein darauf, dass das Vorhaben als Projekt zur Erforschung und Entwicklung der Windenergie zulässig ist. Dass das Vorhaben der Nutzung der Windenergie dient, hat das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich verneint (UA S. 10). Vor diesem Hintergrund verwehrt die ausgesprochene Verpflichtung dem Beklagten nicht, dem Bauvorbescheid die Inhaltsbestimmung beizulegen, dass der Klein-Hybrid lediglich zur Erprobung als Hilfsenergiequelle für die benachbarte Groß-Windenergieanlage betrieben werden darf, und von der Klägerin die Erklärung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 BauGB zu verlangen, dass der Klein-Hybrid nach dauerhafter Aufgabe der Nutzung als Forschungs- und Entwicklungsprojekt zurückzubauen ist. Außerdem mag er die Einhaltung der Inhaltsbestimmung nach Maßgabe des Landesrechts durch Nebenbestimmungen sichern und in diesem Zusammenhang beispielsweise prüfen, ob der Klägerin Berichtspflichten auferlegt werden können oder ob der Bauvorbescheid nach § 70 Abs. 2, § 72 LBauORhPf mit einem Widerrufsvorbehalt erteilt werden darf. Kommt ein Widerrufsvorbehalt in Betracht, darf von ihm Gebrauch gemacht werden, wenn der Klein-Hybrid für die beabsichtigte Forschung und Entwicklung nicht mehr benötigt wird. An der Klärung, ob dies der Fall ist, muss die Klägerin mitwirken. Dabei werden die Anforderungen an die eventuelle Darlegung, dass der Forschungszweck noch nicht erreicht ist, umso höher sein, je länger der Klein-Hybrid im Einsatz gewesen sein wird.
Gegen die Wertung des Oberverwaltungsgerichts, dass das Vorhaben der Klägerin der Groß-Windenergieanlage räumlich zu- und untergeordnet ist, ist bundesrechtlich nichts zu erinnern. Die räumliche Zuordnung des Klein-Hybriden zur Groß-Windenergieanlage setzt nicht voraus, dass beide Anlagen zu einer Gesamtanlage verbunden werden. Es genügt, dass sie den Eindruck der Zusammengehörigkeit vermitteln (vgl. Weyreuther, a. a. O., Stichwort Altenteilerhaus Nr. 16, S. 29). Wann benachbarte Anlagen als zusammengehörig in Erscheinung treten, beurteilt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls und lässt sich nicht schematisch, beispielsweise mit Meterangaben, bestimmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Höhen- und Breitenmaße der Groß-Windenergieanlage und des Klein-Hybriden zueinander in Beziehung gesetzt und aus den Werten den Schluss gezogen, dass bei dem geplanten Abstand von 50 bis 60 m die Anlagen einander zugehörig erscheinen und sich der Klein-Hybrid, insbesondere die enthaltene Photovoltaikkomponente mit den Maßen 10 × 12 m, der Groß-Windenergieanlage optisch auch unterordnet. Diese tatrichterlichen Würdigungen sind für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO), weil ihnen keine unzutreffenden materiellrechtlichen Maßstäbe zugrunde liegen.
b) Dass der Klein-Hybrid der Groß-Windenergieanlage zu- und untergeordnet ist und durch diese Zu- und Unterordnung auch äußerlich erkennbar geprägt wird, ergibt für sich allein noch kein “Dienen”. Es reicht nicht aus, dass das klägerische Vorhaben der Windenergie in irgendeiner Weise förderlich ist. Andererseits kann auch die Notwendigkeit bzw. Unentbehrlichkeit nicht verlangt werden. Vielmehr muss für das Merkmal des Dienens darauf abgestellt werden, ob ein vernünftiger Bauherr – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und gleicher Ausstattung errichten würde (Urteil vom 3. November 1972 – BVerwG 4 C 9.70 – BVerwGE 41, 138 ≪141≫; stRspr).
Die eigentliche Zweckbestimmung des Erfordernisses des Dienens liegt darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können (Urteile vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 C 2.89 – BRS 52 Nr. 70 und vom 19. Juni 1991 – BVerwG 4 C 11.89 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 273). Nicht der nur behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion soll entscheidend sein. Es sollen Vorhaben verhindert werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Vorhaben zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden (Urteil vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 C 2.89 – a. a. O.). Deshalb ist das Merkmal des Dienens zu verneinen, wenn das Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck gerechtfertigt sein mag, nach seiner Gestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung aber nicht durch diesen Verwendungszweck erschöpfend geprägt wird (vgl. insbesondere Urteile vom 3. November 1972 – BVerwG 4 C 9.70 – a. a. O. S. 141 und vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 C 2.89 – a. a. O.). Fehlt es an einer entsprechenden Prägung, wird in aller Regel auch die Frage zu verneinen sein, ob ein vernünftiger Bauherr – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – ein Vorhaben mit gleicher Gestaltung und Ausstattung errichten würde (Urteil vom 3. November 1972 – BVerwG 4 C 9.70 – a. a. O. S. 141). Von diesen Grundsätzen hat sich das Oberverwaltungsgericht leiten lassen und ist zu Recht der – von ihm im Ergebnis bejahten – Frage nachgegangen, ob die Dimensionierung der Photovoltaikkomponente an dem erstrebten Hilfsnutzen für die Groß-Windenergieanlage orientiert ist (UA S. 12).
Die Rechtsfrage, ob der Klein-Hybrid nur dann der Forschung und Entwicklung der Windenergie dient, wenn er auch der Nutzung der Windenergie im Außenbereich zugute käme und sich seine Einsatzmöglichkeiten nicht auf das Ausland beschränkten, bedarf aus Anlass dieses Falles keiner Klärung. Zwar schätzt das Oberverwaltungsgericht den Vorteil der Photovoltaikkomponente nach den aktuellen Bedingungen am Standort nicht als so groß ein, dass ein verständiger Windenergienutzer das Vorhaben im Außenbereich verwirklichen würde. Der beim Stillstand des Windrades (während Schwach- oder Starkwindphasen) bestehende Eigenenergiebedarf der Groß-Windenergieanlage kann nach den vorinstanzlichen Feststellungen nämlich durch Strombezug aus dem öffentlichen Netz oder durch den Einsatz von Dieselgeneratoren derzeit preiswerter gedeckt werden, so dass bei einem Vorhaben der Nutzung der Windenergie am Standort der Anlage die Investition in eine aufwändige Photovoltaikanlage nur zur Schaffung einer autarken Hilfsenergiequelle unter dem Aspekt des Schonungsgebots unvernünftig erscheint. Das schließt die Privilegierung des strittigen Vorhabens jedoch nicht aus. Die Privilegierung erlaubt auch die Entwicklung solcher Anlagen, die zwar nicht unter den gegenwärtigen Netzbedingungen und Energiepreisen, wohl aber unter insoweit veränderten Rahmenbedingungen als Vorhaben zur Nutzung der Windenergie zulässig wären, vorausgesetzt, eine solche Veränderung der Netzbedingungen und Energiepreise kann auch für Deutschland vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden. Diese Voraussetzungen hat das Oberverwaltungsgericht im Wege der Bezugnahme auf sein Urteil vom 12. September 2007 – 8 A 11166/06 – (a. a. O. S. 342) bejaht. Schon deshalb ist das Berufungsurteil insoweit richtig. Dass der Klein-Hybrid auch im Ausland sinnvoll zum Einsatz kommen kann, hindert seine privilegierte Zulassung zu Forschungs- und Entwicklungszwecken im Außenbereich jedenfalls nicht.
c) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist nicht von Belang, ob der Klein-Hybrid ohne Einbußen in seiner Funktion als Hilfsenergiequelle für die Groß-Windenergieanlage statt im Außenbereich auch in einem benachbarten Gewerbegebiet aufgestellt werden könnte. Die Wahl des Standorts ist keine Frage des Dienens (Urteil vom 19. Juni 1991 – BVerwG 4 C 11.89 – a. a. O.). Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des Dienens kann der beabsichtigte Standort nur ein (bestätigendes oder abweisendes) Indiz im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung sein, ob eine privilegierte Nutzung tatsächlich beabsichtigt oder nur wahrheitswidrig behauptet wird. Ergibt die Würdigung – wie hier –, dass das Vorhaben dem privilegierten Vorhaben unmittelbar zugeordnet ist, durch den Verwendungszweck äußerlich geprägt wird und seine Errichtung auch mit Blick auf das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs “vernünftig” ist, so kann seine privilegierte Zulässigkeit im Außenbereich nicht mit der Begründung verneint werden, das Vorhaben könne ohne nennenswerte Nachteile auch im Innenbereich verwirklicht werden (vgl. Urteil vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 C 2.89 – a. a. O.). Die mögliche Vorstellung des Beklagten, das Gebot der “erschöpfenden” Prägung der Gestaltung und Ausstattung eines Vorhabens durch den Privilegierungszweck stehe der bevorzugten Zulassung eines Vorhabens entgegen, das – wie dasjenige der Klägerin – objektiv geeignet ist, auch für privilegierungsfremde Zwecke genutzt zu werden, ist unrichtig. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Privilegierung nicht ausgeschlossen, wenn ein Vorhaben objektiv verschiedenen Nutzungen zugeführt werden kann, es aber nach der Zweckbestimmung des Bauherrn zu privilegierten Zwecken genutzt werden soll und nach den gegenwärtigen und auf Dauer absehbaren Erfordernissen angemessen ist (Urteil vom 14. April 1978 – BVerwG 4 C 85.75 – a. a. O.). Die Privilegierung hat der Senat nur abgelehnt, wenn Größe, Beschaffenheit und Ausstattung des Vorhabens deutlich erkennen ließen, dass es in Wirklichkeit nicht dauerhaft für den privilegierten Zweck verwendet werden soll, sondern die privilegierte Nutzung nur vorgetäuscht und in Wahrheit eine nichtprivilegierte Nutzung angestrebt wird (Urteil vom 22. November 1985 – BVerwG 4 C 71.82 – BRS 44 Nr. 76). So verhält es sich hier nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, dass das primäre Forschungsziel der Klägerin die nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierte Entwicklung der Klein-Hybridanlage zur kontinuierlichen Stromerzeugung ist, es hat aber nicht erkennen können, dass der Wunsch der Klägerin, auch untersuchen zu wollen, welche Leistungen die Klein-Hybridanlage als Hilfsenergiequelle für den kontinuierlichen Betrieb der Groß-Windenergieanlage erbringen kann, der Wahrheit zuwider lediglich behauptet worden ist. Hieran ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Gatz, Dr. Philipp, Dr. Bumke, Petz
Fundstellen
Haufe-Index 2141142 |
BauR 2009, 1115 |
BauR 2009, 854 |
DÖV 2009, 421 |
NJ 2009, 482 |
NuR 2009, 251 |
VR 2009, 249 |
ZfBR 2009, 358 |
BayVBl. 2011, 188 |
GV/RP 2010, 172 |
KomVerw/LSA 2010, 112 |
UPR 2009, 188 |
FSt 2010, 15 |
FuBW 2010, 102 |
FuHe 2010, 179 |
KomVerw/B 2010, 110 |
KomVerw/MV 2010, 115 |
KomVerw/S 2010, 106 |
KomVerw/T 2010, 111 |