Tenor
Das Revisionsverfahren wird hinsichtlich der Beigeladenen zu 1 und 3 eingestellt.
Die Revision der Beigeladenen zu 2 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1 und 3 als Gesamtschuldner jeweils zur Hälfte tragen und eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen nicht stattfindet.
Die bis zur Zurücknahme der Revision durch die Beigeladenen zu 1 und 3 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beigeladenen jeweils zu einem Drittel. Die danach entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beigeladene zu 2 allein. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung zweier mit Mietshäusern bebauter Grundstücke an die Beigeladene zu 1.
Die Mutter der Beigeladenen zu 1 war früher Eigentümerin dieser seinerzeit unbelasteten Grundstücke. Im Jahr 1976 verzichtete sie auf das Eigentum; Rechtsträger wurde der VEB Gebäudewirtschaft L.
Im Jahr 1990 beantragte die Beigeladene zu 1 als Alleinerbin ihrer Mutter die Rückübertragung der Grundstücke, weil ihre Mutter zum Eigentumsverzicht genötigt worden sei. Die gesamte Familie habe sich nach dem Tode ihres Vaters im Jahr 1975 entschieden, die DDR zu verlassen, nachdem die Beigeladene zu 2 – die Tochter der Beigeladenen zu 1 – bereits im Jahr 1974 legal ausgereist sei. Ihre Mutter habe ihren Ausreiseantrag im August 1975 mündlich gestellt. Da ihr vom Sachbearbeiter der Behörde erklärt worden sei, dass zuvor ein staatlicher Verwalter für die Häuser eingesetzt oder diese abgegeben werden müssten, habe sie auf die Grundstücke verzichtet. Die Ausreise sei dann aber aus gesundheitlichen Gründen zunächst nicht weiter betrieben worden. Im Jahr 1980 sei ein weiterer Ausreiseantrag ihrer Mutter abgelehnt worden; kurz danach sei sie verstorben.
Der Rat der Stadt L. – Amt zur Regelung offener Vermögensfragen – lehnte den Antrag ab, weil keine Unterlagen für eine beabsichtigte Ausreise der Mutter der Beigeladenen zu 1 vorhanden seien und sie als Rentnerin jederzeit die DDR habe verlassen können. Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1 hin hob das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den ablehnenden Bescheid des Vermögensamts auf und übertrug die umstrittenen Grundstücke an die Beigeladene zu 1 zurück. Es bejahte eine Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG, weil aufgrund einer vorliegende Zeugenaussage davon auszugehen sei, dass die damalige Eigentümerin auf die Grundstücke verzichtet habe, um ausreisen zu können.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin – die privatisierte Kommunale Wohnungsverwaltung, die Eigentümerin der umstrittenen Grundstücke ist – Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat auch die Tochter und den Sohn der Beigeladenen zu 1 beigeladen, weil diese ihren Kindern den Rückübertragungsanspruch zu je 1/3 für den Fall des Erfolgs ihres Antrags notariell abgetreten hat. Der Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben und den angefochtenen Widerspruchsbescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Entscheidung der Widerspruchsbehörde sei rechtswidrig. Der seinerzeitige Verzicht auf die Grundstücke beruhe nicht auf einer unlauteren Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Mutter der Beigeladenen zu 1 bei ihrem Gespräch auf dem Stadtbezirksamt – sofern ein solches im Jahr 1975 stattgefunden habe – entweder die Auskunft erhalten habe, sie müsse die Häuser im Falle der Ausreise abgeben oder in Verwaltung geben, oder die Auskunft, die Häuser müssten an den Staat abgegeben oder in Verwaltung gegeben werden. Im ersten Fall würde es an einer Täuschung fehlen; bei der zweiten Variante läge zwar möglicherweise eine Täuschung vor, weil die Möglichkeit des Verkaufs an private Dritte nicht erwähnt worden sei. Diese Täuschung sei jedoch nicht kausal für den Grundstücksverlust, weil dieser sowohl bei einer Veräußerung an private Dritte als auch bei Verzicht zugunsten des Staates eintrete. Schließlich fehle es selbst dann an einer Schädigungsmaßnahme, wenn man abweichend von dem Beweisergebnis unterstelle, der Eigentümerin sei gesagt worden, sie müsse die Häuser in staatliche Verwaltung geben oder an den Staat abgeben; denn der Verzicht auf die Grundstücke sei letztlich darauf zurückzuführen, dass die Eigentümerin keinen zur Verwaltung der Häuser bereiten staatlichen oder privaten Verwalter gefunden habe. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass vor 1977 für staatliche Verwalter die Anweisung bestanden habe oder auf private Verwalter Druck ausgeübt worden sei, von Privaten keine Grundstücke in Verwaltung zu nehmen.
Gegen dieses Urteil haben zunächst alle Beigeladenen Revision eingelegt. Während die Beigeladenen zu 1 und 3 ihr Rechtsmittel zurückgenommen haben, verfolgt die Beigeladene zu 2 ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Ihrer Auffassung nach ist die Klage unzulässig, weil Art. 14 GG nicht das „privatisierte” Eigentum des Staates schütze. Im Übrigen beruft sie sich im Wesentlichen darauf, dass ihr die Grundstücke zu Recht zurückübertragen worden seien; denn ihrer Mutter sei seinerzeit gar nichts anderes übrig geblieben, als ihr Eigentum aufzugeben, und dem Staat sei es von Anfang an darum gegangen, sich an dem Grundbesitz zu bereichern.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, und verteidigt die Ausführungen des angegriffenen Urteils. Der Beklagte schließt sich der Revisionsbegründung im Ergebnis an.
Entscheidungsgründe
II.
Da die Beigeladenen zu 1 und 3 ihre Revisionen zurückgenommen haben, muss das Verfahren insoweit entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 141 Satz 1 VwGO eingestellt werden.
Die Revision der Beigeladenen zu 2 bleibt in der Sache erfolglos. Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das sie nur im Hinblick auf das ihr abgetretene Drittel des Restitutionsanspruchs beschwert wird und das daher auch nur insoweit zulässiger Gegenstand ihres Rechtsmittels sein kann, lässt mit Ausnahme der Kostenentscheidung keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Es leidet weder an einem zu seiner Aufhebung führenden Verfahrensmangel, noch hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht als zulässig und begründet beurteilt.
1. Das Verwaltungsgericht hat die Revision auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 2 zugelassen, weil diese nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden und daher dort auch nicht erschienen war. Dieser Verfahrensverstoß kann der Revision jedoch nicht zum Erfolg verhelfen; denn die Beigeladene zu 2 hat ihn nicht zum Inhalt ihrer Revisionsbegründung gemacht. Die Vorschrift des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO setzt voraus, dass die Revisionsbegründung selbst den Verfahrensmangel nennt, auf den die Revision gestützt wird, oder insoweit zumindest auf die Nichtzulassungsbeschwerde oder den Zulassungsbeschluss verweist (stRspr; vgl. Urteil vom 2. Dezember 1988 – BVerwG 4 C 14.88 – Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 21 m.w.N.). Daran fehlt es. Ein solcher Verweis ist auch nicht deswegen entbehrlich, weil seit In-Kraft-Treten des Vierten Änderungsgesetzes zur VwGO – 4. VwGO ÄndG – vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2809) bei erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde nach § 139 Abs. 2 Satz 1 VwGO das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt wird; denn die gesetzlichen Anforderungen an die Begründung der Revision sind dieselben geblieben. Das im Beschwerdeverfahren Vorgebrachte gilt daher nach wie vor nicht als Revisionsvortrag. Es kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass im Revisionsverfahren dieselben Rügen erhoben werden sollen wie zuvor; denn es ist durchaus denkbar, dass der Revisionsführer auf die Geltendmachung einer Verfahrensrüge, die ihm den Weg in die Revisionsinstanz eröffnet hat, verzichtet, um eine auf die materiellrechtlichen Fragen des Rechtsstreits abstellende Revisionsentscheidung zu erstreiten.
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts steht in der Sache im Einklang mit Bundesrecht.
a) Zu Unrecht rügt die Beigeladene zu 2, die Klage sei unzulässig. Der Umstand, dass das Eigentum an den Grundstücken auch nach der Privatisierung der Klägerin mittelbar in Staatshand geblieben ist und daher am verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG nicht teilnimmt, ändert nichts an der Wehrfähigkeit der einfach-rechtlichen Eigentumsposition (vgl. Urteil des Senats vom 28. März 1996 – BVerwG 7 C 35.95 – BVerwGE 101, 47 = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 19; stRspr).
b) Eben so wenig ist zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zu Lasten der seinerzeitigen Eigentümerin verneint hat. Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und daher den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz ist der Großmutter der Beigeladenen zu 2 auf dem Stadtbezirksamt erklärt worden, sie müsse im Falle der Ausreise die Häuser abgeben oder in Verwaltung geben; möglicherweise ist ihr auch erklärt worden, sie müsse die Häuser entweder an den Staat abgeben oder in Verwaltung geben.
Nach der ersten Variante scheidet eine unlautere Machenschaft schon deswegen aus, weil die Alternativen „Abgabe” oder „Verwaltung” die Möglichkeiten umschreiben, die der Eigentümerin im Rahmen ihrer Pflicht zum Nachweis einer „ordnungsgemäßen Regelung der Grundstücksangelegenheiten” blieben (vgl. dazu Urteil des Senats vom 29. Februar 1996 – BVerwG 7 C 59.94 – BVwerGE 100, 310 ≪313 f.≫). Das Verwaltungsgericht hat auch nichts dafür feststellen können, dass die Übernahme in staatliche oder private Verwaltung gezielt verhindert wurde, wie die Beigeladene zu 2 geltend macht. Mangels einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge scheidet daher auch insoweit die Annahme einer unlauteren Machenschaft aus.
Das angegriffene Urteil lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen, soweit das Verwaltungsgericht eine Schädigungsmaßnahme auch für die zweite von ihm als möglich angesehene Variante verneint, dass die Eigentümerin über die Möglichkeit des Verkaufs an Private nicht belehrt worden ist. Dabei mag offen bleiben, ob die vom Beklagten beanstandete und in der Tat fragwürdige Kausalitätserwägung des Verwaltungsgerichts zutrifft, das Eigentum an den Grundstücken wäre auch bei ordnungsgemäßer Belehrung verloren gegangen; denn aufgrund der allgemeinkundigen Marktlage für Mietswohnhäuser in der DDR (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 ≪90≫) kann eine vom Verwaltungsgericht als möglich unterstellte Täuschung der Eigentümerin ausgeschlossen werden. Derartige Häuser waren – wovon auch alle Beteiligten in der Revisionsverhandlung ausgegangen sind – mangels Rendite unverkäuflich. Selbst wenn es dennoch in der damaligen Zeit vereinzelte Verkäufe von Mietswohnhäusern in der DDR gegeben haben sollte, kam ein solches Rechtsgeschäft unter Privaten als realistische Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Regelung der Grundstücksangelegenheiten nicht ernstlich in Betracht. Wenn daher ein entsprechender Hinweis unterblieb und als Alternative zu einer Übergabe in staatliche oder private Verwaltung nur ein Verzicht zugunsten Volkseigentums genannt wurde, war eine solche Belehrung nicht irreführend, sondern gab nur die Möglichkeiten wieder, die sich dem Ausreisewilligen nach den tatsächlichen Verhältnissen darboten.
Auch die Hilfserwägung des Verwaltungsgerichts für den Fall, dass die Eigentümerin über die Möglichkeit einer privaten Verwaltung nicht aufgeklärt worden sei, ist nicht zu beanstanden, ohne dass es darauf in diesem Revisonsverfahren noch ankäme. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass eine solche fehlerhafte Belehrung folgenlos geblieben ist, weil sich die Eigentümerin nach den Feststellungen der Vorinstanz ungeachtet dessen um eine private Wohnungsverwaltung bemüht hat.
3. Durchgreifen muss das Rechtsmittel jedoch, soweit der Beigeladenen zu 2 durch das Verwaltungsgericht in gesamthänderischer Verbundenheit mit den übrigen Beigeladenen die Hälfte der Verfahrenskosten auferlegt worden ist. Da sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keinen Antrag gestellt hat, hätte sie nach § 154 Abs. 3 VwGO nicht mit Kosten belastet werden dürfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Kley, Herbert, Neumann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.02.2001 durch Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen