Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 13.12.2000; Aktenzeichen 5 Bf 100/97) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Der 1952 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, war von 1977 bis 1993 auf verschiedenen deutschen Seeschiffen bei wechselnden Arbeitgebern tätig. Er erhielt hierfür jeweils befristete Aufenthaltserlaubnisse, deren Gültigkeit auf die Erwerbstätigkeit in der deutschen Seeschifffahrt beschränkt war. Die Beschäftigung des Klägers im genannten Zeitraum weist neben Unterbrechungen wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit insgesamt 17 Unterbrechungen von zum Teil ein bis zwei Monaten auf, die von dem Kläger verallgemeinernd als Zeiten “unbezahlten Urlaubs” bezeichnet werden. Seit Januar 1993 ist der Kläger aus gesundheitlichen Gründen seedienstuntauglich, nicht jedoch generell erwerbsunfähig.
1992 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Beschränkung auf eine Erwerbstätigkeit in der deutschen Seeschifffahrt, um einer unselbständigen Beschäftigung an Land nachgehen zu können. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte unter Hinweis auf Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation – ARB 1/80 –, dem Kläger eine Aufenthaltsgenehmigung für eine Erwerbstätigkeit an Land zu erteilen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen; der Kläger könne sich nicht auf Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 berufen, da er die dort geforderte vierjährige ununterbrochene Beschäftigung nicht vorweisen könne.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision gewandt und insbesondere die Verletzung von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 gerügt. Er hat beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen. Der erkennende Senat hat das Revisionsverfahren durch Beschluss vom 18. März 2003 – BVerwG 1 C 2.02 – (BVerwGE 118, 61 = Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 36) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 1 und 3 EG Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 gestellt. Insbesondere ging es dabei um die Klärung der Frage, ob die von einem türkischen Seemann während seiner insgesamt über 15-jährigen Tätigkeit in der deutschen Seeschifffahrt jeweils zwischen zwei befristeten Beschäftigungsverhältnissen verbrachten beschäftigungslosen Zeiten im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 entgegenstehen. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen. Mit Urteil vom 10. Januar 2006 (C-230/03 = InfAuslR 206, 106) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Vorlage wie folgt beschieden: Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 ist in dem Sinne auszulegen, dass
“– die Rechte aus Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich einem türkischen Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann zustehen, wenn dieser zuvor den Tatbestand des zweiten Gedankenstrichs dieser Bestimmung erfüllt hat;
– ein türkischer Arbeitnehmer, der noch kein Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis nach Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich hat, im Aufnahmemitgliedstaat einer ununterbrochenen ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgehen muss, sofern er sich nicht auf einen legitimen Grund der in Artikel 6 Absatz 2 genannten Art berufen kann, der seine vorübergehende Abwesenheit vom Arbeitsmarkt rechtfertigt;
– Unterbrechungen der Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter Artikel 6 Absatz 2 fallen und die zuständigen nationalen Behörden im vorliegenden Fall nicht das Aufenthaltsrecht des betreffenden türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat in Frage stellen können.”
Die Beklagte hat daraufhin erklärt, der Kläger werde im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften klaglos gestellt; die angefochtenen Bescheide würden aufgehoben; es werde zugesichert, dass dem Kläger eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit an Land erteilt werde; das Revisionsverfahren habe sich damit erledigt, da das Begehren des Klägers erfüllt werde. Die Beklagte hat zusätzlich klargestellt, dass der Aufenthalt des Klägers – aufgrund des 1992 gestellten Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis – durchgehend als erlaubt und rechtmäßig anzusehen ist.
Der Kläger hat den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt; er beantragt nunmehr,
festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 10. September 1992, durch den die vom Kläger am 22. Januar 1992 beantragte Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt wurde, sowie der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 10. September 1993 rechtswidrig gewesen sind;
das Verfahren gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Frage vorzulegen, ob in Anbetracht der überlangen Verfahrensdauer (14 Jahre) eine Beschränkung auf den Streitgegenstand eines lediglich 2-jährigen Aufenthalts zulässig ist.
Der Kläger macht geltend, durch bloße Klaglosstellung könne der Rechtsstreit nicht erledigt werden. Er strebe an, im Wege gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung so gestellt zu werden, als sei ihm die Aufenthaltsgenehmigung bereits 1992 erteilt worden. Er wolle so die “doppelte Staatsbürgerschaft”, zumindest die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung erreichen. Außerdem gehe es ihm um finanziellen Schadenersatz. Für diese Folgeverfahren sei es unabdingbar, dass die Rechtswidrigkeit der Bescheide gerichtlich festgestellt bzw. das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werde.
Im Laufe des Verfahrens ist – auf Vorschlag der Beklagten und auf gerichtlichen Vorschlag – mehrfach versucht worden, im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles, die offenen Erfolgsaussichten der Klage und die Dauer des Verfahrens eine vergleichsweise Lösung dergestalt zu finden, dass dem Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, die ihm ermöglicht, eine Arbeitsstelle an Land zu finden und damit seinen Aufenthalt zu sichern. So ist beispielsweise im Dezember 2000 vor dem Oberverwaltungsgericht ein Vergleich mit diesem Inhalt abgeschlossen worden, von dem der Kläger später zurückgetreten ist. Auch der Senat hat sich um einen Vergleich bemüht. Die im November 2002 – nach Vorabsprachen – vorgeschlagene Regelung sah vor, dass die Beklagte dem Kläger eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erteilt. Dieser Vorschlag ist vom Kläger abgelehnt worden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung für eine Erwerbstätigkeit an Land hat sich dadurch erledigt, dass die Beklagte den Kläger im Revisionsverfahren klaglos gestellt hat (1.). Der Kläger ist daraufhin zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO übergegangen mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide festzustellen. Diese vom Kläger nunmehr verfolgte Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unzulässig, da der Kläger kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat (2.). Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt nicht in Betracht (3.).
1. Das Verpflichtungsbegehren des Klägers hat sich in der Hauptsache erledigt.
a) Das Klagebegehren zielte darauf ab, dass die ablehnenden Bescheide der Beklagten aufgehoben werden und die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis für eine Erwerbstätigkeit an Land zu erteilen. Der Antrag des Klägers vom 22. Januar 1992, auf den sich die ablehnenden Bescheide der Beklagten beziehen und auf den sich auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seinem nunmehr gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag bezieht, spricht ausdrücklich von einer “Aufenthaltsgenehmigung für eine Tätigkeit an Land”, nicht von einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung, die als qualifizierter Aufenthaltstitel von zusätzlichen Voraussetzungen abhängt. Damit ist auch nur die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden. Selbst wenn man erwägen würde, ob der vormals gestellte Antrag dadurch erweitert worden sein könnte, dass der Kläger persönlich in einem formularmäßigen Antrag vom 7. September 1992 die Dauer des von ihm beabsichtigten weiteren Aufenthalts mit “unbefristet” angegeben hat, würde dies nichts daran ändern, dass spätestens das Berufungsgericht nur noch über den Streitgegenstand einer befristeten Aufenthaltserlaubnis zu befinden hatte. Denn dadurch, dass der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, das die Beklagte zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, nicht aber einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis verpflichtet hat, keine Berufung eingelegt hat, wäre der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens in jedem Falle auf die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis beschränkt worden. Im Übrigen hat der Kläger im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht mit seinen Anträgen zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, dass er mehr oder anderes als die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis erstrebt (vgl. auch den Antrag der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 8. Februar 1993 und seine Revisionsbegründung vom 4. März 2002, S. 6).
b) Geht man von diesem Streitgegenstand aus, hat der Kläger alles erreicht, was er mit seiner Verpflichtungsklage begehrt hat.
Die Beklagte hat nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ihre ablehnenden Bescheide vom 10. September 1992 und vom 10. September 1993 aufgehoben und dem Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit einer Geltungsdauer von zwei Jahren zugesichert (Schriftsatz vom 20. März 2006). Sie hat zusätzlich klargestellt, dass der Aufenthalt des Klägers zwischen 1992 und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durchgehend als erlaubt und rechtmäßig anzusehen ist. Damit ist dem Kläger nicht nur die mit der Klage erstrebte (befristete) Aufenthaltserlaubnis ex nunc verbindlich zugesagt, sondern es ist auch sichergestellt, dass die vergangenen Zeiten seit September 1992 (ex tunc) wie Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angesehen werden. Letzteres ergibt sich im Übrigen ohnehin aus der Rechtsprechung des Senats zu Fällen, in denen – wie hier – der die Aufenthaltserlaubnis versagende Verwaltungsakt aufgrund eines erfolgreichen Rechtsbehelfs aufgehoben und eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (vgl. dazu Urteil des Senats vom 24. Mai 1995 – BVerwG 1 C 7.94 – BVerwGE 98, 313 ≪321 f.≫). Dem Verpflichtungsbegehren des Klägers ist damit in vollem Umfang entsprochen.
Die Rechtswidrigkeit der ablehnenden Bescheide der Beklagten und das Bestehen eines Aufenthaltsrechts des Klägers ergeben sich im Übrigen eindeutig aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 10. Januar 2006 (C-230/03 – InfAuslR 2006, 106). Der Gerichtshof hat an mehreren Stellen seiner Entscheidung ausgeführt, dass die fraglichen Unterbrechungen der Beschäftigungsverhältnisse des Klägers als Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 zu beurteilen seien und die Ansprüche des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht hätten entfallen lassen (Rn. 56, 58, 62 und 69). Die nationalen Behörden seien unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles nicht berechtigt, im Nachhinein – nach dem vom Kläger angestrebten Wechsel von der Seeschifffahrt zu einer Erwerbstätigkeit an Land – den Status des Klägers im Aufnahmemitgliedstaat in Frage zu stellen (Rn. 66 und 68). Dies gelte namentlich auch deshalb, weil der Kläger infolge eines Arbeitsunfalls, den er auf einem Schiff erlitten habe, nicht mehr in der Lage sei, seiner Tätigkeit auf See weiterhin nachzugehen (Rn. 67). Derartige Unterbrechungen der von einem türkischen Arbeitnehmer zurückgelegten Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung fielen daher unter Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80; der Arbeitnehmer könne sich demnach auf Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 berufen, um die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu dem Zweck zu erreichen, seine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis in diesem Mitgliedstaat weiterhin auszuüben (Rn. 68). Die im vorliegenden Fall zuständigen nationalen Behörden könnten das Aufenthaltsrecht des betreffenden türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat nach alledem nicht in Frage stellen (Rn. 69 und Tenor am Ende des Urteils). Angesichts des danach unstreitig bestehenden assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Klägers ist diesem antragsgemäß, wie von der Beklagten zugesagt, eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen, die im Übrigen lediglich deklaratorische Wirkung hat (§ 4 Abs. 5 AufenthG).
Der Kläger selbst hat im Übrigen auch die eingetretene Erledigung im Ergebnis dadurch anerkannt, dass er seinen ursprünglichen Revisionsantrag, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verpflichtende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen, nicht mehr aufrechterhalten hat.
2. Sein im Revisionsverfahren – nach Eintritt der das ursprüngliche Klagebegehren erledigenden Ereignisse – gestellter Fortsetzungsfeststellungsantrag ist unzulässig. Mit ihm will der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides (1992) in der Fassung des Widerspruchsbescheides (1993) der Beklagten erreichen sowie die Feststellung, dass die Versagung der befristeten Aufenthaltserlaubnis (mit der Möglichkeit der Ausübung einer Beschäftigung an Land) rechtswidrig war.
Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist auch nach Erledigung einer Verpflichtungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO grundsätzlich statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 4. November 1976 – BVerwG 2 C 40.74 – BVerwGE 51, 264 ≪265≫ und vom 24. Januar 1992 – BVerwG 7 C 24.91 – BVerwGE 89, 354) und – unbeschadet des § 142 Abs. 1 VwGO – auch im Revisionsverfahren möglich. Die gerichtliche Feststellung, dass die Nichterteilung des ursprünglich verlangten Verwaltungsakts rechtswidrig gewesen ist, kann nach Erledigung aber nur dann erreicht werden, wenn der Kläger gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung hat. Dieses ist vom Kläger indessen nicht nachvollziehbar dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich.
Der Kläger macht geltend (Schriftsatz vom 19. Juli 2006, Anlage zum Protokoll vom 23. Januar 2007), dass er durch die rechtswidrige Versagung der beantragten Aufenthaltserlaubnis infolge des langen Zeitablaufs einen erheblichen materiellen Schaden erlitten habe und ausländerrechtlich benachteiligt worden sei. Wäre ihm 1993 die beantragte Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, hätte er eine Anstellung finden, ein ordentliches Gehalt beziehen und Rentenanwartschaften aufbauen können. Stattdessen habe er von Sozialhilfe leben müssen. Sein Aufenthaltsrecht wäre mittlerweile zu einer Aufenthaltsberechtigung/Niederlassungserlaubnis erstarkt. Zudem ist er der Auffassung, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit die “doppelte Staatsbürgerschaft” (gemeint: die deutsche Staatsangehörigkeit unter Beibehaltung der türkischen), die nach damaliger Rechtslage noch zulässig gewesen sei, erhalten hätte. Er wolle deshalb die Beklagte für alle erlittenen Schäden in Anspruch nehmen und zudem fordern, dass sie ihn auch ausländerrechtlich so stelle, wie “er bei rechtmäßiger und zeitgerechter Bescheidung seines 1993 gestellten Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwecks Arbeitsaufnahme an Land heute stehen würde”. Maßgeblich sei insoweit nicht das deutsche Amtshaftungsrecht, sondern die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung. Deren Voraussetzungen lägen hier vor.
Aus diesem wie seinem weiteren Vorbringen ergibt sich das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Interesse an der begehrten Feststellung indessen nicht. Da hier durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Januar 2006 und das Anerkenntnis der Beklagten die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide und der Versagung der befristeten Aufenthaltserlaubnis (mit der Möglichkeit der Ausübung einer Beschäftigung an Land) unzweifelhaft feststeht und zwischen den Beteiligten unstreitig ist, hätte eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die dies wiederholt, keine eigenständige Funktion. Im Übrigen ist das erforderliche Feststellungsinteresse im Hinblick auf beabsichtigte Schadenersatzklagen auch deshalb nicht gegeben, weil die maßgeblichen Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs oder eines im Gemeinschaftsrecht wurzelnden Schadenersatzanspruches (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 5. März 1996 – C-46/93 – Slg. 1996 S. I-01026 Rn. 56 f., 75 ff. und vom 30. September 2003 – C-224/01, Slg. 2003 S. I-10239) offensichtlich nicht vorliegen.
Soweit der Kläger meint, gegen die Beklagte weitere aufenthaltsrechtliche Ansprüche geltend machen zu können, führt auch dies nicht zu einem berechtigten Interesse für sein zur Entscheidung gestelltes Fortsetzungsfeststellungsbegehren. Ein solches Interesse wäre dann zu bejahen, wenn die begehrte Feststellung für den Kläger bei der künftigen Erlangung eines unbefristeten Aufenthaltstitels oder bei einem Einbürgerungsantrag von Vorteil wäre, etwa weil sie eine rechtliche Klärung im Hinblick auf streitige anzurechnende Voraufenthaltszeiten (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 104 Abs. 2 AufenthG, § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG) enthielte. Das wäre indes bei der vom Kläger begehrten Feststellung nicht der Fall. Denn dass ihm ab September 1992 ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zustand und diese Zeiten deshalb als Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis anzusehen sind, hat die Beklagte selbst ausdrücklich anerkannt. Eine künftige Aufenthaltsverfestigung des Klägers würde aus diesem Grunde jedenfalls nicht an den zu erbringenden Voraufenthaltszeiten scheitern. Eine zusätzliche gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der – ohnehin von der Beklagten aufgehobenen – angefochtenen Bescheide brächte dem Kläger keinen Vorteil. Auf die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels oder für eine Einbürgerung – etwa die erforderliche Sicherung des Lebensunterhalts –, die nie Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren, könnte sich die beantragte Feststellung ohnedies nicht erstrecken.
3. Die vom Kläger unter Hinweis auf Art. 100 GG beantragte Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ist nicht veranlasst. Sowohl eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG wie auch eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG wäre im vorliegenden Fall offensichtlich unzulässig.
Die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil ein nachkonstitutionelles Gesetz, auf dessen Gültigkeit es im vorliegenden Verfahren ankäme und das der Senat für mit dem Grundgesetz unvereinbar halten könnte, vom Kläger nicht benannt worden ist und auch sonst nicht ersichtlich ist.
Art. 100 Abs. 2 GG, auf den es dem Kläger ausweislich der mündlichen Verhandlung entscheidend ankommt, erlaubt ebenfalls keine Vorlage. Nach dieser Bestimmung ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch dann einzuholen, wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt. Art. 25 GG regelt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind; sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Gegenstand des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 2 GG nur diese allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG, also das universell geltende Völkergewohnheitsrecht sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze; alle übrigen völkerrechtlichen Regeln und insbesondere das Völkervertragsrecht haben die Fachgerichte selbst anzuwenden und auszulegen (vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 15. Mai 1995 – 2 BvL 19/91 u.a. – BVerfGE 92, 277 ≪316≫, vom 13. Mai 1996 – 2 BvL 33/93 – BVerfGE 94, 315 ≪328≫; vgl. auch Beschluss vom 6. Dezember 2006 – 2 BvM 9/03 – Rn. 26 – juris). Dass eine solche allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG hier einschlägig sein könnte, gibt der Kläger selbst schon nicht an. Eine derartige Regel, die eine Erweiterung des Streitgegenstandes eines gerichtlichen Verfahrens – hier etwa auf den Erwerb eines qualifizierten Aufenthaltstitels oder der deutschen Staatsangehörigkeit – im Falle längerer Verfahrensdauer vorsähe, besteht auch nicht. Dies gilt auch, soweit der Kläger im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Schadenersatz wegen langer Verfahrensdauer erstrebt. Auch insoweit handelt es sich nicht um einen nach Art. 100 Abs. 2 GG vorlagefähigen Streitgegenstand.
4. Der Kläger ist mehrfach – vor und in der mündlichen Verhandlung – auf die rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit seiner Fortsetzungsfeststellungsklage hingewiesen worden. Da er gleichwohl an seinem Fortsetzungsfeststellungsantrag festgehalten hat, war für eine andere Entscheidung als die Zurückweisung seiner Revision kein Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Richter, Beck, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen