Die Neuregelung der §§ 32 ff. StUG ist auch nicht wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beklagten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) nichtig. Allerdings nötigt das Grundrecht zu einer einschränkenden Auslegung und Anwendung namentlich des § 32 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StUG n.F., was zum teilweisen Erfolg der Revision und zur teilweisen Abweisung der Klage führt.
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht weist unterschiedliche Gewährleistungsbereiche auf. Hier ist es in dreierlei Hinsicht angesprochen:
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt zunächst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, nämlich die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfGE 65, 1 ≪41 f.≫; vgl. BVerfGE 103, 21 ≪32 f.≫). Dies umfasst nicht nur elektronisch speicherbare, sondern sämtliche personenbezogenen Daten (BVerfGE 78, 77 ≪84≫). Dabei ist grundsätzlich gleichgültig, wo die Information gewonnen wurde oder welchen Inhalt sie hat; das Schutzbedürfnis ergibt sich vor allem aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren – zu “verdinglichen” – und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren, dabei auch zu verändern oder zu manipulieren (BVerfGE 101, 361 ≪381≫; 106, 28 ≪40≫).
In der Verbreitung personenbezogener Informationen kann auch ein Eingriff in die Privatsphäre liegen. Das kann zum einen wegen des Inhalts der Information der Fall sein. So umfasst die Privatsphäre Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als “privat” eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist (BVerfGE 101, 361 ≪382≫ m.w.N.). Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre erstreckt sich aber zum anderen auch auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein (private Rückzugsbereiche). Hierzu gehören jedenfalls der eigene häusliche Bereich, darüber hinaus aber weitere Örtlichkeiten, die von der breiten Öffentlichkeit deutlich abgeschieden sind; entscheidend ist insofern, ob der Einzelne eine Situation vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und damit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein (BVerfGE 101, 361 ≪382 ff.≫).
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt schließlich das Recht am gesprochenen Wort (dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99 – NJW 2004, 999). Insofern besteht Schutz dagegen, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Dieses Recht ist nicht identisch mit dem Schutz der Privatsphäre. Anders als dieses ist der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort nicht auf bestimmte Inhalte und Örtlichkeiten begrenzt, sondern bezieht sich allein auf die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation, also etwa über die Herstellung einer Tonaufnahme oder die Kommunikationsteilhabe einer dritten Person. Es schützt vor Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts darüber, wem der Kommunikationsinhalt zugänglich sein soll (BVerfGE 106, 28 ≪40 f.≫). Insofern steht es dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nahe.
b) Träger des Grundrechts in allen genannten Aspekten sind auch Amtsträger, und zwar nicht nur für Informationen mit privatem, sondern auch für solche mit amtsbezogenem Inhalt.
Der Schutz der Privatsphäre spricht den Amtsträger ohnehin nicht als solchen, sondern als Privatperson an; selbst demokratisch gewählten Amtswaltern steht ein privater Rückzugsbereich zu (BVerfGE 90, 255 ≪260≫; 101, 361 ≪383≫).
Ein Amtsträger genießt jedoch auch, und zwar auch als solcher, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Gefahr, dass das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abgelöst und in anderen Zusammenhängen vor einem unüberschaubaren Personenkreis reproduziert, dabei verändert oder manipuliert wird, besteht bei Amtsträgern nicht anders als bei anderen, und sie besteht auch – und vielleicht gerade – hinsichtlich seines Erscheinungsbildes “im Amt”. Die Folgen einer solchen beliebigen Darstellung treffen den Einzelnen nicht nur in seinem Amt – dessen Ausübung ja häufig zugleich sein Beruf ist –, sondern regelmäßig zugleich in seiner persönlichen und privaten Existenz. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass amts- oder funktionsbezogene Informationen – richtige und erst recht manipulierte – für einen Politiker in einem demokratischen Staat existenzvernichtende Folgen mit schwerwiegenden Auswirkungen auch auf die Privatsphäre haben können (Urteil vom 8. März 2002 – BVerwG 3 C 46.01 – BVerwGE 116, 104 ≪112≫).
Nichts anderes gilt hinsichtlich des Rechts am gesprochenen Wort, und zwar wiederum auch für Gespräche mit amtsbezogenem Inhalt. Der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort hängt nicht davon ab, ob es sich bei den ausgetauschten Informationen um personale Kommunikationsinhalte oder gar besonders persönlichkeitssensible Daten handelt (BVerfGE 106, 28 ≪41≫). Entscheidend ist die autonome Entscheidung des Sprechenden, mit wem er sprechen und wen er vom Gespräch fernhalten will. Der Schutz dieser Autonomie erstreckt sich auf Gespräche – einschließlich Telefonaten – in dienstlichen Büro- und Sitzungsräumen über amtsbezogene Gegenstände. Gewählte Amtsträger benötigen und verdienen auch grundrechtlichen Schutz davor, im Amt von anderen Stellen heimlich überwacht und abgehört zu werden. Auch hier gilt, dass eine Verwertung derart gewonnener Informationen durch Dritte, namentlich eine Veröffentlichung, den Amtsträger nicht nur in seinem Amt, sondern zugleich in seiner privaten Existenz vernichten kann.
c) § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 StUG n.F. greifen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in mehrfacher Hinsicht ein.
Zunächst ist festzuhalten, dass jegliche Zurverfügungstellung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen durch eine Behörde, wie sie § 32 Abs. 1, § 34 Abs. 1 StUG n.F. erlauben, einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Hierfür ist gleichgültig, wie die Information gewonnen wurde. Das Grundrecht schützt nicht nur gegen die Erhebung, sondern unabhängig hiervon auch gegen jede weitere Verwendung personenbezogener Daten, zumal in anderen Verwendungszusammenhängen (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪43≫; 67, 100 ≪143≫).
In bestimmten Fällen liegt in der Freigabe darüber hinaus aber zugleich ein Eingriff in weitere Gewährleistungsbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, was das Gewicht des Eingriffs erhöht.
Kein Eingriff in die Privatsphäre ist allerdings zu besorgen, soweit der Inhalt der zur Verfügung gestellten Information in Rede steht. Wie gezeigt, ermächtigen § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 StUG n.F. nicht zur Weitergabe von Informationen, die – allein oder unter anderem – das Privatleben betreffen (oben 2. b). Damit bleibt die Privatsphäre, soweit diese Angelegenheiten umfasst, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als “privat” eingestuft werden, unberührt.
Jedoch kommt dem Ort der Informationsgewinnung sowie ihrer Art und Weise Bedeutung zu. § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StUG n.F. sieht die Weitergabe von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen auch dann vor, wenn diese Informationen im häuslichen Bereich oder sonst im räumlichen Rückzugsbereich des Betroffenen – am Urlaubsort usw. – gewonnen wurden, etwa wenn es sich um private Gespräche mit Angehörigen oder persönlichen Freunden über Themen handelt, welche die Amtsführung betreffen. In derartigen Fällen steht ein Eingriff in die Privatsphäre in deren räumlicher Hinsicht in Rede. Wurde ein Gespräch heimlich aufgezeichnet, so liegt auch ein Eingriff in das Recht am gesprochenen Wort vor, und zwar auch wenn das Gespräch außerhalb des privaten Rückzugsbereichs, etwa in Büro- oder Sitzungsräumen geführt wurde, aber nicht für fremde Ohren bestimmt war. Das wird nicht dadurch ausgeräumt, dass die Klägerin im Erstprozess versichert hat, keine Tonaufzeichnungen und keine Wortlautprotokolle herauszugeben. Das Recht, über die Teilnehmer einer Kommunikation selbst zu bestimmen, wird auch durch zusammenfassende Inhaltsangaben sowie Auswertungen, Kommentierungen und Analysen betroffen, die das Abgehörte zur Grundlage haben.
Der Annahme eines Eingriffs steht nicht entgegen, dass der Weitergabe aufgezeichneter Informationen die eigentliche Verletzung durch das Eindringen in den privaten Rückzugsbereich und die Aufzeichnung des gesprochenen Wortes zeitlich vorausgeht. Der grundrechtliche Schutz beschränkt sich nicht nur auf den Kommunikationsvorgang als solchen, sondern setzt sich an dem einmal gesprochenen und durch Aufzeichnung oder Protokollierung “verdinglichten” Wort fort. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht dies bislang nur für Fallgestaltungen ausgesprochen, in denen nicht nur die Verwendung, sondern schon die Erhebung von Daten und Informationen unter der Geltung des Grundgesetzes stand und sich daher an Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG messen lassen musste. Dann beziehen sich die Schutzwirkungen des Grundrechts nicht nur auf die Erhebung, sondern ebenso auf die Weitergabe von Informationen, die durch einen Eingriff in die räumliche Privatsphäre und/oder in das Recht am gesprochenen Wort gewonnen worden sind (BVerfG, Urteil vom 3. März 2004, NJW 2004, 999 ≪1018≫; vgl. BVerfGE 85, 386 ≪399≫; 100, 313 ≪360≫). Nichts anderes gilt jedoch, wenn die Informationen wie hier durch Stellen der DDR gewonnen worden sind, die an das Grundgesetz nicht gebunden waren, und erst später – schon bemakelt – in die Verfügungsgewalt der Klägerin gelangt sind. Dieser Umstand schließt nicht aus, in der Weitergabe derartiger Informationen durch die Klägerin einen Eingriff in die räumliche Privatsphäre bzw. in das Recht am gesprochenen Wort zu sehen. Jede einwilligungslose Verwendung eines heimlich aufgezeichneten, vertraulich gesprochenen Wortes ist ein neuer Bruch der Vertraulichkeit und damit ein erneuter Eingriff in das Grundrecht. Denn die Eigenschaft, vertraulich gesprochen zu sein, haftet dem Wort, auch dem aufgezeichneten, unverändert an. Nur so lässt sich auch begründen, weshalb spätere Änderungen der Verwendungszwecke sich daran messen lassen müssen, ob die neuen Zwecke schon die ursprüngliche Datenerhebung hätten rechtfertigen können (BVerfGE 65, 1 ≪46≫; 100, 313 ≪360≫; NJW 2004, 999 ≪1018 f.≫).
d) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinen verschiedenen Gewährleistungsbereichen ist – außerhalb des hier nicht in Rede stehenden unantastbaren Kernbereichs (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 3. März 2004, NJW 2004, 999 ≪1001 f.≫) – nicht schrankenlos geschützt. Der Einzelne muss vielmehr Einschränkungen dieses Rechts im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (BVerfGE 65, 1 ≪43 f.≫). Solche Beschränkungen bedürfen aber nach Art. 2 Abs. 1 GG einer gesetzlichen Grundlage – was hier außer Frage steht – und müssen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen. Dieses verlangt, dass eine Grundrechtsbeschränkung von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (BVerfGE 71, 183 ≪196 f.≫; 78, 77 ≪85≫). Außerdem hat der Gesetzgeber organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken (BVerfGE 65, 1 ≪44≫). Namentlich muss er sicherstellen, dass die Verwendung personenbezogener Informationen nur zu einem Zweck erfolgt, der auch ihre Erhebung rechtfertigen konnte oder könnte (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪46, 61 f.≫; 67, 100 ≪143≫; 100, 313 ≪360, 385 ff.≫; Urteil vom 3. März 2004, NJW 2004, 999 ≪1018≫).
aa) Soweit Unterlagen der Forschung zum Zwecke der wissenschaftlichen – politischen oder historischen – Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes (§ 32 Abs. 1 StUG; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 StUG) sowie der nationalsozialistischen Vergangenheit (§ 32 Abs. 4 StUG) zur Verfügung gestellt werden sollen, durfte der Gesetzgeber die Entscheidung hierüber von einer Abwägung im Einzelfall abhängig machen. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Unterlagen ausschließlich für diesen Forschungszweck genutzt werden. Tonbänder und Wortlautprotokolle über Gespräche des Betroffenen oder Dritter bleiben von der Weitergabe ausgenommen. Das hatte die BStU stets zugesichert und war auch im Urteil vom 4. Juli 2001 vorausgesetzt; es ist der Klarstellung halber nochmals auszusprechen.
(1) An der Erforschung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes bestand bei Erlass des Gesetzes ein nachhaltiges öffentliches Interesse, das auch heute noch besteht. Das gilt zunächst und vor allem angesichts der systematischen und umfassenden Ausforschung der eigenen Bevölkerung der DDR – einschließlich Personen der Zeitgeschichte sowie politischer Amts- und Funktionsträger – mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Gerade diese war ein besonders abstoßendes Herrschaftsinstrument des Einparteiensystems (vgl. BVerfGE 96, 189 ≪198≫). Zudem vermag die historische Erfahrung mit einer Diktatur und ihren Repressionsinstrumenten eine Anschauung darüber zu vermitteln, welchen Gefahren die Freiheitsrechte der Bürger ausgesetzt sein können, wenn die Sicherungen eines freiheitlichen Rechtsstaats außer Kraft gesetzt sind (so BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2000 – 1 BvR 1582/94 – NJW 2000, 2413 ≪2415≫). Das öffentliche Interesse an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes besteht jedoch auch hinsichtlich seiner “Auslandsaufklärung”, namentlich gegenüber Politik, Wirtschaftsunternehmen und gesellschaftlichen Organisationen des westlichen Teils Deutschlands. Schließlich besteht unverändert ein öffentliches Interesse an der Erforschung der nationalsozialistischen Vergangenheit, über die die Stasi-Unterlagen neue Aufschlüsse bieten können.
Dieses öffentliche Interesse ist von erheblichem Gewicht. Daran ändert nichts, dass Grundrechte interessierter Forscher und Forschungseinrichtungen nicht in Rede stehen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat. § 32 StUG begünstigt zwar die Träger der Forschung; hierauf besteht jedoch kein grundrechtlicher Anspruch. Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistet als Abwehrrecht nur die Freiheit der wissenschaftlichen Fragestellung und Methode sowie der Bewertung und Verbreitung der Forschungsergebnisse, erweitert jedoch nicht die der Forschung zugrunde gelegten Quellen über den Umkreis der allgemein zugänglichen Informationen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) hinaus (BVerfG, Urteil vom 30. Januar 1986 – 1 BvR 1352/85 – NJW 1986, 1243; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1985 – BVerwG 7 B 188.85 – Buchholz 11 Art. 5 GG Nr. 72 = NJW 1986, 1277).
(2) Stasi-Unterlagen mit Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen und Amtsträger Personen und Institutionen der Forschung zur Verfügung zu stellen, ist zur historischen Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit und der NS-Vergangenheit zweifellos geeignet. Daran ändert auch der vom Beklagten bezweifelte Wahrheitsgehalt der Unterlagen nichts; gerade die Unwahrheit solcher Informationen kann Forschungsgegenstand sein. Auch dass das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse der Forschung an einer Aufarbeitung mit zunehmendem zeitlichem Abstand schwinden mag, beseitigt die prinzipielle Eignung nicht; allenfalls wird die Häufigkeit entsprechender Anträge abnehmen.
Der Gesetzgeber durfte die Einsichtgewährung und Herausgabe von Unterlagen mit – nicht anonymisierten – personenbezogenen Informationen jedenfalls über Personen der Zeitgeschichte, Amts- und Funktionsträger auch für erforderlich halten. Ein Forschungsmonopol der BStU selbst (§ 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG) widerspräche dem auf Pluralität angelegten Wissenschaftsverständnis in einer freiheitlichen Gesellschaft. Gerade an Personen der Zeitgeschichte oder – jedenfalls bedeutenderen – Amts- oder Funktionsträgern kann ein spezifisches Interesse des Staatssicherheitsdienstes bestanden haben, das zu besonderen Zielen und Methoden der Überwachung geführt hat; das ließe sich allein aus den Unterlagen über andere nicht erforschen. Das Verwaltungsgericht weist auch zutreffend darauf hin, dass dem Gesetzgeber an einer zeitnahen Aufarbeitung gelegen sein durfte, weshalb ein Abwarten der üblichen dreißigjährigen Sperrfrist des allgemeinen Archivrechts (§ 5 Abs. 1 und 2 BArchG) nicht als gleichermaßen taugliches Mittel erscheinen konnte. Schließlich durfte der Gesetzgeber annehmen, dass sich das beschriebene legitime Aufarbeitungsinteresse allein anhand der Unterlagen über solche Personen der Zeitgeschichte, Amts- und Funktionsträger, die mit der Herausgabe einverstanden sind, nicht hinlänglich befriedigen ließe.
(3) Das beschriebene öffentliche Forschungsinteresse rechtfertigt die Zurverfügungstellung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen allerdings nur dann, wenn es nach seinem Gewicht den damit verbundenen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht überwiegt und dem Betroffenen darum zumutbar ist (BVerfGE 65, 1 ≪44≫; 78, 77 ≪85≫).
(a) Der Schutz der räumlichen Privatsphäre besitzt im freiheitlichen Rechtsstaat überragendes Gewicht. Dasselbe gilt für das Recht am gesprochenen Wort. Zu Forschungszwecken dürfte unter der Geltung des Grundgesetzes niemand belauscht oder abgehört werden, auch nicht Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger. Wurde das derart geschützte Wort gleichwohl aufgezeichnet, so rechtfertigen keinerlei Forschungszwecke es, den darin liegenden schwerwiegenden Grundrechtseingriff dadurch zu wiederholen, dass die Aufzeichnung selbst weitergegeben wird. Denn die Aufzeichnung konserviert das Gespräch und seine Situation; aus ihr spricht der Betroffene unmittelbar und persönlich; sie erhebt den Anspruch der Autentizität, ohne Dazwischentreten berichtender oder interpretierender Dritter. Daher verzichtet die BStU mit Recht darauf, Tonbänder und Wortlautprotokolle von Abhörmaßnahmen zur Verfügung zu stellen; das schließt Wortlautprotokolle in indirekter Rede ein.
Zusammenfassenden Inhaltsangaben über Abgehörtes fehlt demgegenüber die angesprochene Autentizität und Unmittelbarkeit. Das gilt erst recht für bewertende Stellungnahmen. Ungeachtet ihrer grundrechtswidrigen Herkunft unterliegen sie daher einem vergleichbaren unbedingten Verwendungsverbot nicht. Vielmehr kommt eine Zurverfügungstellung für die in § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 32 Abs. 1 und 4 StUG genannten Forschungszwecke nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall in Betracht. In deren Rahmen wird die BStU den Umstand, dass derartige Inhaltsangaben, Berichte und Stellungnahmen eine Verletzung der Privatsphäre und/oder des Rechts am gesprochenen Wort zur Grundlage haben, besonders zu berücksichtigen haben (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 3 StUG n.F. sowie unten e). Das wird sie dazu veranlassen, derartige Unterlagen nur in seltenen Ausnahmefällen zur Verfügung zu stellen, wenn ein besonders bedeutendes Forschungsvorhaben anders nicht verwirklicht werden könnte.
(b) Bei diesen wie bei allen anderen Unterlagen mit personenbezogenen Informationen stellt die Weitergabe zugleich einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dies nicht generell zu verbieten, sondern zu Forschungszwecken nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall zu gestatten, ist dem Betroffenen zumutbar. Allerdings darf die Abwägung nicht nach dem Vorbild des allgemeinen Archivrechts erfolgen (§ 5 Abs. 5 Sätze 3 und 4 BArchG). Die Stasi-Unterlagen unterscheiden sich von den gewöhnlichen Aktenbeständen aus öffentlichen Archiven der Bundesrepublik Deutschland darin, dass sie – auch jenseits einer Verletzung der Privatsphäre und/oder des Rechts am gesprochenen Wort – zu rechtsstaatswidrigen Zwecken und vielfach auf rechtsstaatswidrige Weise erhoben worden sind und dass sie bis zur Auflösung des Staatssicherheitsdienstes auch zu propagandistischen Zwecken verwendet worden sind, was die Gefahr ihrer Manipulation nahe legt. Dies führt dazu, dass sie grundsätzlich unter Verschluss bleiben müssen und dass die Zurverfügungstellung zu Zwecken der Forschung die eng umgrenzte Ausnahme ist und bleiben muss.
Eine Einsichtgewährung oder Herausgabe kommt daher nur in Betracht, wenn sichergestellt ist, dass die herausgegebenen Informationen ausschließlich für das konkrete Forschungsvorhaben genutzt werden (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪46, 61 f.≫; 67, 100 ≪143≫). Das erfordert – zum ersten –, dass die BStU bei jedem derartigen Antrag die Übereinstimmung des angegebenen Forschungsvorhabens mit den gesetzlichen Zwecken sowie seine Ernsthaftigkeit prüft. Hierzu muss sie die eigenen Angaben des Antragstellers überprüfen. Es erfordert – zum zweiten –, dass die herausgegebene Information von dem Forscher – vorbehaltlich der auch für die Presse geltenden Ausnahmen (vgl. unten bb) – nicht an Dritte weitergegeben wird, und zwar auch nicht im Wege der wissenschaftlichen Veröffentlichung. Das schließt die Edition aus und im Regelfall auch das wörtliche Zitat im Rahmen der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse, die als solche unbenommen bleibt. Die im wissenschaftlichen Diskurs erforderliche intersubjektive Überprüfbarkeit ist dadurch gewährleistet, dass die BStU anderen Forschern die benutzten Stasi-Unterlagen auf Antrag unter den gleichen Voraussetzungen zur Verfügung stellt. Dieselben Regeln gelten im Übrigen für die eigene Forschungstätigkeit der Bundesbeauftragten (vgl. § 37 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 32 Abs. 3 StUG). Die gebotene Sicherstellung des Verwendungszwecks erfordert schließlich – drittens –, dass der jeweilige Forscher die Gewähr dafür bietet, die beschriebenen Regeln auch einzuhalten. Das wird bei Forschern an Hochschulen, Akademien und vergleichbaren Institutionen regelmäßig anzunehmen sein; es kann in anderen Fällen besondere zusätzliche Garantien, etwa eine ausdrückliche schriftliche Versicherung, voraussetzen; bei verbleibenden Zweifeln ist der Antrag abzulehnen. Die BStU wird die Einhaltung der genannten Regeln zu überwachen und Verletzungen nachzugehen, auch etwa Strafanzeige zu erstatten haben (vgl. § 44 StUG).
bb) Die Zurverfügungstellung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen für Zwecke der Presse, von Rundfunk und Film (§ 34 Abs. 1 StUG) kommt demgegenüber nur in sehr engem Umfang in Betracht. Das liegt daran, dass die Herausgabe an die Presse eine beliebige Veröffentlichung ermöglicht, die dem davon Betroffenen grundsätzlich unzumutbar ist.
(1) Gemäß § 34 Abs. 1 StUG gelten die §§ 32 und 33 für die Verwendung von Unterlagen durch Presse, Rundfunk, Film, deren Hilfsunternehmen und die für sie journalistisch-redaktionell tätigen Personen – im Folgenden zusammenfassend: durch die Presse – entsprechend. Die “entsprechende” Anwendung der §§ 32 und 33 StUG bedeutet nicht, dass die Freigabe zu Forschungszwecken erfolgt. Der Presse obliegt nicht die forschende, sondern die publizistische Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit. Gleichwohl bleibt auch die Presse an den gesetzlichen Zweck der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes gebunden.
Die Herausgabe von Informationen an die Presse kann ebenfalls im öffentlichen Interesse liegen. Die Presse wirkt an der öffentlichen Meinungsbildung mit und versieht so eine für die freiheitliche Demokratie überaus bedeutsame Funktion. Hieraus begründet sich zugleich das öffentliche Interesse an einer Versorgung der Presse mit Informationen, die sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigt. Allerdings wiegt dieses öffentliche Interesse nicht schwerer als dasjenige an der wissenschaftlichen Erforschung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und der nationalsozialistischen Vergangenheit. Dabei muss hervorgehoben werden, dass auch die Herausgabe an die Presse grundrechtlich nicht gefordert ist. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gibt der Presse zwar einen Anspruch auf Nutzung von Informationsquellen, die aufgrund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt sind, bietet jedoch keinen Anspruch auf Eröffnung einer Informationsquelle jenseits der im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG allgemein zugänglichen Quellen (BVerfGE 103, 44 ≪59 f.≫; vgl. schon BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1984 – BVerwG 7 C 139.81 – BVerwGE 70, 310; Urteil vom 3. August 1990 – BVerwG 7 C 14.90 – BVerwGE 85, 283 ≪284≫).
(2) (a) Vermag schon der Zweck der wissenschaftlichen Forschung die Zurverfügungstellung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen nicht zu rechtfertigen, wenn sich nicht sicherstellen lässt, dass diese nicht an die Allgemeinheit weitergegeben werden, so muss dasselbe für die Zwecke der Presse gelten.
Das aber führt dazu, dass die Zurverfügungstellung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen an die Presse im Grundsatz weitgehend unzulässig ist. Hierzu muss in Rechnung gestellt werden, dass die Aufgabe der Presse in der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die für die Allgemeinheit bedeutsamen Angelegenheiten liegt. Die Tätigkeit der Presse zielt dementsprechend geradezu auf Veröffentlichung, ohne dass sich die jeweilige Fragestellung und Zielrichtung vorherbestimmen ließe. Die Ausrichtung auf Veröffentlichung bestätigt das Gesetz in § 34 Abs. 2 StUG. Auch § 32 Abs. 3 StUG denkt – außer an Veröffentlichungen durch die BStU selbst – vornehmlich an Veröffentlichungen durch die Presse; insofern soll in der Veröffentlichung durch die Presse offenbar auch keine Weitergabe an andere Stellen im Sinne von § 33 Abs. 4 StUG zu sehen sein. Einmal veröffentlicht, sind die Informationen aber frei verfügbar. Selbst die Klägerin räumt ein, dass auf dieser “zweiten Stufe” – der Veröffentlichung durch die Presse – keine Zweckbindung mehr möglich ist. Das macht aber jede Zweckbindung auf der “ersten Stufe” – der Zuverfügungstellung durch die BStU an die Presse – ebenfalls zur Illusion. Informationen, die der Presse zur Verfügung gestellt werden, werden vielmehr der Allgemeinheit selbst zugänglich gemacht, werden potentiell zu allgemein zugänglichen Quellen.
(b) Schlechthin unzulässig ist hiernach die Einsichtgewährung und Herausgabe sämtlicher personenbezogenen Informationen an die Presse, die durch Verletzung der räumlichen Privatsphäre und/oder des Rechts am gesprochenen Wort gewonnen worden sind. Das schließt alle Informationen ein, die in irgendeiner Weise auf einer solchen Verletzung beruhen. Das erfordert das Gebot eines wirksamen Grundrechtsschutzes. Erfasst sind also nicht nur Tonaufzeichnungen und Wortlautmitschriften von Gesprächen, sondern auch Inhaltsangaben, Zusammenfassungen und Berichte über diese Gespräche. Ebenso erfasst sind Auswertungen, Kommentierungen und Analysen, die zu oder aus Anlass derart gewonnener Informationen gefertigt wurden.
In gleicher Weise umfasst das Herausgabeverbot sämtliche personenbezogenen Informationen, die im weitesten Sinne auf Spionage gegenüber westdeutschen Staatsorganen und Behörden, Parteien, Wirtschaftsunternehmen und gesellschaftlichen Organisationen beruhen. Auch wenn eine Verletzung der räumlichen Privatsphäre oder des Rechts am gesprochenen Wort vielfach ausscheidet, liegt doch gleichwohl eine rechtsstaatswidrige und illegitime Informationserhebung zugrunde. Hinzu kommt, dass das allgemeine Informationsrecht der Presse hinsichtlich der bei den (ehedem westdeutschen) Staatsorganen und Behörden noch vorhandenen Originale durch das allgemeine Presserecht geordnet ist; das darf nicht umgangen werden, indem eine andere Behörde – die BStU – Kopien dieser Aktenbestände aus den Stasi-Unterlagen zur Verfügung stellt. Ebenso wenig darf das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Parteien, Wirtschaftsunternehmen und gesellschaftlichen Organisationen unterlaufen werden.
(c) Auch wenn damit eine Zurverfügungstellung von Stasi-Unterlagen mit personenbezogenen Informationen für Zwecke der Presse weitgehend unzulässig ist, so ist sie doch nicht völlig ausgeschlossen. Im Gewahrsam der BStU befinden sich auch Unterlagen mit personenbezogenen Informationen, die weder auf einer Verletzung der räumlichen Privatsphäre und/oder des Rechts am gesprochenen Wort noch auf Spionage beruhen. So ist denkbar, dass personenbezogene Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen, aus öffentlichen Reden oder aus Äußerungen des Betroffenen gegenüber Dritten – namentlich Politikern oder Diplomaten des ehemaligen Ostblocks – gewonnen wurden, die darüber ihrerseits berichtet haben. Hierher zählen auch zusammenfassende Berichte, Bewertungen und Analysen des Staatssicherheitsdienstes, die auf der alleinigen Grundlage derartiger Informationen erarbeitet wurden.
Solche Informationen verdienen jedenfalls bei Personen der Zeitgeschichte, Inhabern politischer Funktionen und Amtsträgern keinen absoluten Schutz. Vielmehr kann es bei einer Abwägung im Einzelfall verbleiben. Dem steht das Interesse des Betroffenen daran, vor entstellenden oder verfälschenden Darstellungen sowie vor kompletten “Persönlichkeitsbildern” geschützt zu werden, nicht entgegen. Auch insofern verbietet Verfassungsrecht nicht, Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu lassen. So verdienen niedrigere Amts- und Funktionsträger größeren Schutz als höhere und als Personen der Zeitgeschichte. Gerade herausragende Amtsträger müssen sich auch mit entstellenden Darstellungen konfrontieren lassen und können sich nicht dagegen verwahren, sich öffentlich verteidigen zu müssen (vgl. BVerfGE 82, 272 ≪282≫). Allerdings müssen sie die Möglichkeit zur Verteidigung und Rechtfertigung behalten (vgl. BVerfGE 99, 185). Im Rahmen der Abwägung ist daher zu berücksichtigen, welche Möglichkeiten der Verteidigung, Gegendarstellung oder Richtigstellung der Betroffene hat. In jedem Falle muss sichergestellt sein, dass die Herkunft der personenbezogenen Information aus den Stasi-Unterlagen auch im Falle einer Weiterverbreitung erkennbar bleibt. Zu entsprechenden Kennzeichnungen muss die BStU den jeweiligen Antragsteller verpflichten.
cc) § 32 Abs. 1 StUG n.F. räumt schließlich auch den Institutionen der politischen Bildung ein eigenes Antragsrecht ein. Derartige Bildungseinrichtungen betreiben zum Teil eigene Forschungen; insofern gelten für sie dieselben Regeln wie für die wissenschaftliche Forschung selbst (oben aa). Im Übrigen werten sie Ergebnisse anderweitiger Forschung aus, bereiten sie didaktisch auf und publizieren sie. Hierzu benötigen sie kein eigenes Antragsrecht, jedenfalls keines, das weiter reicht als das Antragsrecht der Presse (oben bb).
Soweit die Recherche in den Stasi-Unterlagen schon als solche der politischen Bildung – etwa im Rahmen einer Schülerarbeit – dienen soll, vermag der damit verfolgte Zweck einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen keinesfalls zu rechtfertigen. Derartige Anträge müssen stets abgelehnt werden.
e) Die Neufassung der §§ 32 ff. StUG durch das Fünfte Änderungsgesetz genügt den beschriebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen. § 32 Abs. 1 Satz 3 StUG n.F. und § 34 Abs. 1 StUG bedürfen allerdings einer – einschränkenden – Auslegung und Anwendung, welche den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung trägt.
aa) Dass § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Sätze 2 und 3, § 34 Abs. 1 StUG n.F. die Zurverfügungstellung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen und Amtsträger, soweit sie deren zeitgeschichtliche Rolle, Funktions- oder Amtsausübung betreffen, ohne deren Einwilligung überhaupt erlauben, lässt sich nicht beanstanden. Hierfür ist ausschlaggebend, dass die Entscheidung nicht ins Ermessen der Behörde gestellt ist, sondern nach Maßgabe einer Abwägung getroffen werden muss, die uneingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
Allerdings muss die betroffene Person die realistische Möglichkeit besitzen, um vorbeugenden – ggfs. einstweiligen – Rechtsschutz nachzusuchen. Das soll § 32a StUG n.F. sicherstellen. Die Vorschrift erfüllt ihre grundrechtssichernde Funktion nur, wenn sie auch im Bereich von § 34 Abs. 1 StUG und insgesamt rechtsschutzfreundlich angewendet wird. Die Benachrichtigung nach § 32a Abs. 1 Satz 1 StUG n.F. muss daher auch den Anlass und rechtfertigenden Grund der beabsichtigten Zurverfügungstellung und damit den Antragsteller und den konkreten Antragszweck – etwa das konkrete Forschungsvorhaben – angeben. Die Benachrichtigung der betroffenen Person kann nach § 32a Abs. 2 StUG n.F. nur entfallen, wenn eine nach den vorstehenden Maßstäben unzumutbare Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von vornherein und unter jedem möglichen Gesichtspunkt ausgeschlossen ist, oder wenn die Benachrichtigung der betroffenen Person oder ihres Erben unmöglich oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre, wobei gegebenenfalls auf die Mithilfe des Antragstellers zurückzugreifen ist.
bb) Es ist ebenfalls frei von Einwänden, dass das Gesetz die Maßstäbe, nach denen die gebotene Abwägungsentscheidung zu treffen ist, nur sehr allgemein umschreibt. Die geringe Bestimmtheit der gesetzlichen Abwägungsformel begründet deren Flexibilität; darin liegt gerade ihre Stärke. Im Übrigen ist sie der näheren Bestimmung im Wege der – auch richterlichen – Auslegung zugänglich. Bedenken ergäben sich allerdings, wenn das Gesetz nicht erkennen ließe, dass bestimmte Umstände einer Zurverfügungstellung zwingend entgegenstehen, so dass die Abwägung in derartigen Fällen zur Versagung der Einsichtgewährung und Herausgabe führen muss. Das ist aber nicht der Fall. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 3 StUG n.F. ist bei der Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob die Informationserhebung erkennbar auf einer Menschenrechtsverletzung beruht. Diese Vorschrift ist einer Auslegung zugänglich, durch die sich jedenfalls ein wichtiger Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzminimums sicherstellen lässt. Damit belegt sie zugleich, dass das Gesetz jenseits der reinen Einzelfallentscheidung die Bildung von Fallgruppen mit abgestuftem Schutzniveau vorsieht und als Endpunkt der Skala auch einen vollständigen Schutz nicht von vornherein ausschließt. Dabei gestattet die nur “entsprechende” Anwendung im Rahmen von § 34 Abs. 1 StUG, den Besonderheiten von Presse, Rundfunk und Film Rechnung zu tragen.
Allerdings ist § 32 Abs. 1 Satz 3 StUG n.F. zu weit formuliert. Die daher gebotene verfassungskonforme Auslegung ergibt Folgendes:
(1) Der Begriff “Menschenrechtsverletzung” erfasst – abgesehen von verbotenen Verhörmethoden (Folter usw.) – das Eindringen in die (räumliche) Privatsphäre, darüber hinaus jede Verletzung des Rechts am gesprochenen Wort, auch außerhalb der Privaträume in dienstlichen Büro- und Sitzungsräumen, namentlich durch unbefugtes Abhören sowie im Wege der unbefugten Überwachung des Brief- und Telekommunikationsverkehrs. Geschützt sind mithin auch etwa Parteivorstandssitzungen, Kabinettssitzungen usw. Auch wenn der Gesetzgeber die Klausel enger verstanden wissen wollte (ursprünglich sogar noch weiter reduziert nur auf “schwere” Menschenrechtsverletzungen, vgl. BTDrucks 14/9641, 14/9717), streiten für die weitere Fassung ihres Anwendungsbereichs – neben dem Gesichtspunkt des gebotenen Grundrechtsschutzes – namentlich auch der Gesetzeszweck des § 1 Abs. 1 Nr. 2 StUG und damit der allgemeine Charakter des Gesetzes als Opferschutzgesetz (vgl. etwa Abg. Wiefelspütz ≪SPD≫, BT-Prot. 14/24947).
Nicht als Menschenrechtsverletzung anzusehen ist die Spionage durch den Staatssicherheitsdienst. Weil diese jedoch eine jedenfalls rechtsstaatswidrige Methode der Informationsgewinnung darstellt, beansprucht sie im Rahmen der Abwägung ebenfalls eine besondere Berücksichtigung, so dass § 32 Abs. 1 Satz 3 StUG n.F. auf derartige Fälle entsprechende Anwendung findet. Das bedeutet freilich nicht, dass beide Fallgruppen stets gleich behandelt werden müssen.
(2) Zu Recht erklärt das Gesetz die besondere Schutzklausel des § 32 Abs. 1 Satz 3 StUG n.F. schon dann für anwendbar, wenn die Erhebung der fraglichen personenbezogenen Information auf einer Menschenrechtsverletzung in dem beschriebenen Sinne “beruht”. Das erfasst nicht nur die derart gewonnene Information selbst, sondern auch sämtliche Zusammenfassungen, Berichte, Stellungnahmen und Analysen, die eine derart gewonnene Information – und sei es neben anderen – zur Grundlage haben.
(3) Dass die Erhebung der Information “erkennbar” auf einer derartigen Menschenrechtsverletzung beruhen soll, muss in Rechnung stellen, dass der Staatssicherheitsdienst personenbezogene Informationen, die ihre Quelle nicht erkennen lassen, häufig aufgrund einer Menschenrechtsverletzung gewonnen hat. Dem Betroffenen darf nicht das Risiko einer Nichterweislichkeit einer solchen Menschenrechtsverletzung aufgebürdet werden; sonst liefe der gebotene Grundrechtsschutz weitgehend leer. “Erkennbarkeit” liegt daher schon dann vor, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Information – auch – auf einer derartigen Menschenrechtsverletzung beruht, wobei als Anhaltspunkt genügt, dass die Information keine unbedenkliche Quelle nennt oder erkennen lässt; denn dann spricht eine tatsächliche Vermutung für ihre illegitime Gewinnung.
(4) Schließlich berechtigt das Wort “berücksichtigen” die Behörde nicht dazu, den Gesichtspunkt der menschenrechtswidrigen Informationsgewinnung in sämtlichen Fällen im Wege der Abwägung zu überwinden. Vielmehr wird der Gesichtspunkt der menschenrechtswidrigen Informationsgewinnung – und entsprechend der Informationsgewinnung aus Spionage – nur dann rechtmäßig berücksichtigt, wenn sichergestellt wird, dass eine Weitergabe derartiger personenbezogener Informationen an die Öffentlichkeit ausgeschlossen bleibt. Dies führt dazu, dass eine Zurverfügungstellung nur für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung – und auch dies nur unter zwecksichernden Umständen – in Betracht kommt, während eine Zurverfügungstellung für Zwecke der politischen Bildung oder der Presse in derartigen Fällen – übrigens ebenso wie eine eigene Veröffentlichung durch die BStU (§ 32 Abs. 3 StUG n.F.) – ausscheidet (vgl. Abg. Schmidt-Jortzig ≪FDP≫, BT-Prot. 14/24951). Tonaufzeichnungen und Wortlautprotokolle dürfen auch für Forschungsvorhaben nicht zur Verfügung gestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.