Entscheidungsstichwort (Thema)
vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes. Mindestruhegehalt
Leitsatz (amtlich)
Auch der sog. amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. kann gemäß § 14a BeamtVG vorübergehend erhöht werden.
Normenkette
BeamtVG §§ 4, 14 Abs. 1; BeamtVG § Abs. 4; BeamtVG § 14a
Verfahrensgang
Tenor
Die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2004 und des Verwaltungsgerichts Hannover vom 29. August 2002 sowie die Bescheide des Beklagten vom 22. Dezember 2000 und vom 19. April 2001 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, ab dem 1. Januar 2001 den Ruhegehaltssatz der Klägerin vorübergehend auf 52 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge zu erhöhen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die im Jahre 1947 geborene Klägerin war Lehrerin an einer Realschule (BesGr A 13) des Landes Niedersachsen und wurde mit Ablauf des 31. Dezember 2000 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge legte der Beklagte eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von 11,11 Jahren zugrunde und errechnete einen erdienten Ruhegehaltssatz von 20,84 v.H. Diesen erhöhte er auf den Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. und setzte die Versorgungsbezüge auf 3 224,59 DM fest. Mit weiterem Bescheid vom 22. Dezember 2000 erhöhte der Beklagte den mit 20,84 v.H. berechneten Ruhegehaltssatz wegen einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit der Klägerin von 17 Jahren (211 Kalendermonate Wartezeit) vorübergehend um 17 v.H. auf 37,84 v.H.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes sei der Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. zugrunde zu legen, so dass der Ruhegehaltssatz vorübergehend 52 v.H. betrage.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Bei dem Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 BeamtVG handele es sich nicht um einen “berechneten Ruhegehaltssatz” im Sinne von § 14a Abs. 1 BeamtVG, sondern um eine abstrakte Festlegung der Höhe des Ruhegehaltes. Systematisch knüpfe § 14a Abs. 1 BeamtVG an Zeiten an, die für die Berechnung der Höhe der Renten und für die Höhe der Versorgungsbezüge maßgeblich seien. Die Berücksichtigung einer abstrakten, aus Fürsorgegründen festgesetzten Mindestversorgung widerspräche dieser Systematik. Ziel der Regelung des § 14a BeamtVG sei es, der durch Änderung des Rentenversicherungsrechts entstandenen Versorgungs-/Versicherungslücke entgegenzuwirken, ohne die durch die rentenrechtliche Regelung entstehenden Auswirkungen völlig auszugleichen. Da ähnlich wie im Rentenrecht auch im Versorgungsrecht Anknüpfungspunkt für die Höhe der Versorgungsbezüge der Umfang der zuvor für den Versorgungspflichtigen geleisteten Arbeit sei, liege es nahe, bei Bestimmung des Umfangs der hier umstrittenen, dem Ausgleich rentenversicherungsrechtlich bedingter Einbußen dienenden Regelung für die Höhe der Fürsorgeleistungen die für den Fürsorge- und Versorgungspflichtigen geleistete Arbeit (ruhegehaltfähige Dienstzeit) ebenfalls maßgeblich sein zu lassen. Sinn und Zweck des Mindestruhegehalts sei nicht die dienstzeitbedingte Versorgung des Beamten, sondern die Gewährleistung einer Mindestversorgung aus fürsorgerechtlichen Gründen für einen Beamten, dessen geringe Dienstzeit nur geringe Versorgungsbezüge rechtfertige. Dem widerspräche es, einen Beamten mit nur sehr geringer aktiver Dienstzeit zweimal fürsorgerechtlich zu begünstigen, nämlich einmal durch die Garantie eines Mindestruhegehalts und zum anderen durch die vorübergehende Erhöhung dieses Mindestruhegehalts aufgrund rentenrechtlich anrechnungsfähiger Pflichtversicherungszeiten.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2004 und des Verwaltungsgerichts Hannover vom 29. August 2002 sowie die Bescheide des Beklagten vom 22. Dezember 2000 und vom 19. April 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Ruhegehalt der Klägerin ab dem 1. Januar 2001 vorübergehend auf der Basis eines Ruhegehaltssatzes von 52 v.H. zu erhöhen.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigt ebenfalls das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass ihr Ruhegehalt ab dem Eintritt in den Ruhestand gemäß § 14a BeamtVG vorübergehend nach einem um 17 v.H. auf 52 v.H. erhöhten Ruhegehaltssatz bemessen wird. Das entgegenstehende Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt revisibles Recht und muss aufgehoben werden.
Gemäß § 14a BeamtVG in der zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in den Ruhestand am 1. Januar 2001 maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322), geändert durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes und anderer Gesetze vom 19. April 2000 (BGBl I S. 570), erhöht sich unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz um 1 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je 12 Kalendermonate der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten. Der Mindestruhegehaltssatz gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG in Höhe von 35 v.H. ist ebenfalls ein “nach den sonstigen Vorschriften berechneter Ruhegehaltssatz”. Nach geltendem Recht besteht keine Rechtfertigung, diejenigen Beamten, die nur Anspruch auf das sog. amtsabhängige Mindestruhegehalt haben, von der begünstigenden Wirkung des § 14a BeamtVG teilweise oder ganz auszuschließen.
Dem Ruhegehalt, das die Klägerin bezieht, liegt ein “berechneter Ruhegehaltssatz” im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG zugrunde. “Ruhegehaltssatz” ist der nach den §§ 4 ff. BeamtVG (gegebenenfalls auch nach Sondervorschriften) ermittelte individuelle Vom-Hundert-Satz der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, der dem Ruhegehalt zugrunde gelegt wird. Der Ruhegehaltssatz knüpft an die ruhegehaltfähige Dienstzeit, die neben den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen der maßgebende Faktor für die Berechnung des Ruhegehaltes ist (vgl. § 4 Abs. 3 BeamtVG); er kann sich jedoch von der Dienstzeit lösen und abstrakt oder nach zeitunabhängigen Umständen festgelegt sein (vgl. § 36 Abs. 3, § 37 Abs. 1 BeamtVG). “Ruhegehaltssatz” ist auch der in § 14 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 BeamtVG bestimmte Bruchteil der jeweiligen Bemessungsgrundlage. Insoweit wird ebenfalls ein Vom-Hundert-Satz bezeichnet, aus dem sich das Ruhegehalt ergibt.
Nicht nur bei dem das “erdiente Ruhegehalt” betreffenden Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG, sondern auch bei dem Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG handelt es sich um einen “berechneten” Ruhegehaltssatz. Bereits der Wortlaut des § 14a BeamtVG spricht dafür, dass der individuell ermittelte und festgesetzte Ruhegehaltssatz stets “berechnet” ist, auch wenn er auf der Basis der Vom-Hundert-Sätze des § 14 Abs. 4 BeamtVG gewonnen worden ist. Der Festsetzung des Ruhegehalts liegt nach § 14 BeamtVG ein mehrfacher Vergleich zugrunde: Zunächst ist das Ruhegehalt gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und dem sich daraus ergebenden Ruhegehaltssatz “exakt” zu berechnen. Sodann ist das amtsbezogene Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG auf der Grundlage des feststehenden Ruhegehaltssatzes von 35 v.H. zu bestimmen. Da die Bemessungsgrundlagen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 BeamtVG identisch sind, ergibt sich bereits aus einem Vergleich der beiden Ruhegehaltssätze, welcher für die Festsetzung des Ruhegehalts maßgebend sein soll. Sodann ist das sog. amtsunabhängige Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG zu berechnen. Da diesem eine andere Bemessungsgrundlage zugrunde liegt, wird das Ruhegehalt nach den Vorgaben dieser Bestimmung ausgerechnet. Übersteigt es den zuvor ermittelten Wert, ist der (Ruhegehalts-) Satz in Höhe von 65 v.H. nach dieser Bestimmung der gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG “berechnete” Ruhegehaltssatz, wobei gemäß der in § 14a Abs. 1 Nr. 3 BeamtVG bestimmten Obergrenze nur ein geringer Spielraum für eine vorübergehende Erhöhung verbleibt.
Das “Berechnen” nach § 14a Abs. 1 BeamtVG muss sich dem Wortsinn nach nicht auf die vier Grundrechenarten beschränken, sondern kann auch weitere mathematische Verfahren umfassen. Zu diesen Operationen nach den Regeln der Algebra gehören die von § 14 BeamtVG geforderten Vergleiche mehrerer Zahlenwerte. Der sich dabei ergebende Ruhegehaltssatz ist im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG ebenfalls “berechnet”. § 14a BeamtVG fordert eben nicht, dass das Ruhegehalt “erdient” und ausschließlich nach § 14 Abs. 1 BeamtVG bestimmt ist. Anders als in § 14 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 1 BeamtVG wird in § 14a Abs. 1 BeamtVG auf diesen Begriff nicht abgestellt. § 14a Abs. 1 BeamtVG kennt weder den Begriff “erdient” noch enthält die Regelung einen Verweis auf § 14 Abs. 1 BeamtVG. Schon diese im Wortlaut des Gesetzes auszumachende Differenzierung spricht für das Auslegungsergebnis.
Dass der amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz im Wortsinne des § 14a BeamtVG “berechnet” ist, entspricht im Übrigen der Entstehungsgeschichte der Norm. § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist gemeinsam mit der Umstellung der degressiven Ruhegehaltsskala auf die lineare Ruhegehaltstabelle durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218) eingefügt worden. Der Mindestsatz ist an die Stelle des früheren Sockelruhegehaltssatzes von 35 v.H. für die ersten zehn Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit getreten. Insoweit ist im Ergebnis die bis zum 31. Dezember 1991 geltende Rechtslage übernommen worden (vgl. GKÖD, Stand: Mai 2005, O § 14 Rn. 57). Nach zu jener Zeit einhelliger Auffassung war der Sockelruhegehaltssatz in Höhe von 35 v.H. “berechnet” im Sinne des § 14a BeamtVG (vgl. z.B. Ziff. 2.1 Buchst. a des Rundschreibens des Bundesministeriums des Innern vom 27. Januar 1986; abgedruckt bei Plog/Wiedow/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: April 2005, zu § 14a BeamtVG). Dass dieses dem Gesetzgeber bekannte Begriffsverständnis durch die “gesetzessystematische Verschiebung” korrigiert werden sollte oder aus sonstigen Gründen in das Gegenteil verkehrt worden sein könnte, ist nicht erkennbar.
Die Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14a BeamtVG gebieten es, auch das nach § 14 Abs. 4 BeamtVG berechnete Mindestruhegehalt vorübergehend zu erhöhen, wenn die gesetzliche Rente noch nicht gezahlt wird. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 6. April 2000 – BVerwG 2 C 25.99 – (BVerwGE 111, 93 ≪96 f.≫) ausgeführt hat, erhöhen gemäß § 14a BeamtVG solche Zeiten vorübergehend den Ruhegehaltssatz, für die auf einer Versicherungspflicht beruhende Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden sind, ohne dass der Träger der Rentenversicherung zeitgleich zu dem Ruhegehalt zu leisten hat. § 14a BeamtVG ursprünglicher Fassung ist durch Art. 2 Nr. 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1985 (BGBl I S. 2466) vor dem Hintergrund vorangegangener Einschränkungen im Recht der Rentenversicherung eingefügt worden. Da nach dem Haushaltsbegleitgesetz vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532) eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nur noch dann beansprucht werden konnte, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt waren, blieben Beamte vor Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum Bezug der Altersrente in aller Regel ausschließlich auf Versorgungsbezüge angewiesen. Diese waren häufig deshalb geringer, weil durch die späte Übernahme in ein Beamtenverhältnis und dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nur wenige Dienstjahre berücksichtigt werden konnten. Dem sollte durch die neue Vorschrift “entgegengewirkt” werden (vgl. BTDrucks 10/4225 S. 21).
§ 14a BeamtVG greift über das System der Beamtenversorgung hinaus und gleicht versorgungsrechtlich Nachteile aus, die wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen von Ansprüchen aus der Rentenversicherung und aus der Beamtenversorgung für die Zeit eintreten können, während der ein Besoldungsanspruch nicht mehr besteht, die beamtenrechtlichen Versorgungsansprüche wegen der außerhalb des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses verbrachten Zeiten einer Erwerbstätigkeit gering sind und die für Invalidität und Alter vorgesehenen Leistungen entsprechend den erworbenen Anwartschaften in der Sozialversicherung noch nicht ausgeschöpft werden können. Danach soll § 14a BeamtVG solchen Einbußen entgegenwirken, die durch einen “Statuswechsel” und den dadurch bedingten Wechsel des Systems der Alterssicherung eintreten. Die “Versorgungslücke”, die sich aus dem niedrigeren Ruhegehalt und dem vorübergehenden Ausschluss des Beamten von einer gesetzlichen Rente bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand ergibt, wird dadurch geschlossen, dass für jeweils 12 Kalendermonate einer Pflichtversicherung der Ruhegehaltssatz vorübergehend – in der Regel bis zum Bezug der Altersrente – um einen bestimmten Vom-Hundert-Satz erhöht wird.
Allerdings wird der Beamte nicht so gestellt, als hätte er Anspruch auf eine Rente. Er erhält keinen Zuschlag zum Ruhegehalt in Höhe dieses Betrages; vielmehr erfolgt der Ausgleich durch Erhöhung des Ruhegehaltssatzes – nach der früheren hier noch maßgebenden Fassung des § 14a Abs. 2 Satz 1 BeamtVG – um 1 v.H. für ein Jahr der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten. Dieses “Entgegenwirken” nach den Strukturprinzipien des Beamtenversorgungsrechts schließt in der Regel einen vollständigen Ausgleich aus. Stattdessen hat der Gesetzgeber für ein Pflichtbeitragsjahr bei der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes normativ typisierend einen maßvollen Steigerungssatz in Höhe von 1 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge festgelegt. Die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes um 1 v.H. pro anno bleibt deutlich hinter dem Steigerungsssatz gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG (1,875 v.H. nach früherem Recht) zurück. Schon nach dem gesetzessystematischen Standort des § 14a BeamtVG im Anschluss an die Berechnungsregelungen des § 14 BeamtVG geht es nicht um eine Erweiterung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit, die in §§ 6 bis 13 BeamtVG geregelt ist. Vielmehr wird entsprechend dem ausdrücklichen Wortlaut der nach “sonstigen” Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz erhöht, um diejenigen zu schützen, die aus einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit in eine versorgungsberechtigende Tätigkeit gewechselt sind und vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen.
Die Ausgleichsfunktion der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG entfällt nur dann, wenn die Obergrenze des Abs. 2 Satz 2 (70 v.H. nach früherem Recht) überschritten wird. Eine Untergrenze ist nicht vorgegeben. § 14a BeamtVG begünstigt auch und gerade diejenigen, die Versorgungsbezüge nach dem Mindestsatz erhalten. Diese Gruppe muss bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters ebenfalls auf (Renten-) Bezüge verzichten, die sie nach Erreichen der Altersgrenze neben ihren ungeschmälert weitergezahlten Versorgungsbezügen erhält. Würden diese Beamten auf den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG ermittelten Ruhegehaltssatz verwiesen, liefe die Erhöhung nach § 14a BeamtVG ganz oder teilweise leer. Dies stünde in deutlichem Widerspruch zu der Zielsetzung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG und zu der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG.
Die amtsbezogene Mindestversorgung in Höhe von 35 v.H. der jeweiligen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge gemäß § 5 BeamtVG dient der Sicherstellung einer nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen amtsangemessenen Mindestalimentation (vgl. BTDrucks 11/5136 S. 23). Mit diesem Sinngehalt des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG wie auch mit der versorgungsrechtlichen Bedeutung des § 14a BeamtVG ist die Auffassung des Berufungsgerichts unvereinbar, beide Vorschriften dienten “der Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn” und es sei ausgeschlossen, “einen Beamten mit nur sehr geringer aktiver Dienstzeit zweimal fürsorgerechtlich zu begünstigen …”. Die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist weder Sozialleistung noch Fürsorgeleistung. Aus dem Alimentationscharakter der Mindestversorgung folgt vielmehr, dass auch sie im Beamtenstatus “erdient” ist. Allerdings setzt sie keine genau bestimmte Dienstzeit voraus, sondern kennzeichnet den geringsten Umfang der Versorgung, wenn – wie im Regelfalle – die Mindestdienstzeit des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG von fünf Jahren absolviert und nach § 14 Abs. 1 BeamtVG noch keine ruhegehaltfähige Dienstzeit erreicht worden ist, die einen Ruhegehaltssatz von mehr als 35 v.H. ermöglicht. Die amtsbezogene Mindestversorgung folgt unmittelbar aus der Alimentationspflicht des Dienstherrn, die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet ist (vgl. z.B. BVerfGE 3, 58 ≪160≫; BVerfGE 46, 97 ≪117≫; BVerfGE 70, 69 ≪79≫). Sie bringt die verfassungsrechtlichen Anforderungen der amtsgemäßen (BVerfGE 61, 43 ≪58≫; BVerfGE 76, 256 ≪324 f.≫; Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8) sowie der (bedarfs-)angemessenen Versorgung (vgl. BVerfGE 44, 249 ≪263≫; BVerfGE 81, 363 ≪383 ff.≫; BVerfGE 99, 300 ≪314 ff.≫) zur Geltung.
Das Gebot, den Mindestruhegehaltssatz des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vorübergehend zu erhöhen, gibt den Pflichtversicherungszeiten nach § 14a BeamtVG in aller Regel auch kein höheres Gewicht als den ruhegehaltfähigen Dienstzeiten gemäß § 6 BeamtVG. Zwar könnte der amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz nicht wegen Zeiten nach §§ 6 ff. BeamtVG erhöht werden. Die erheblich abweichende Staffelung der Sätze nach § 14 Abs. 1 BeamtVG und nach § 14a Abs. 2 BeamtVG hat jedoch zur Konsequenz, dass selbst bei einer deutlich längeren Pflichtversicherungszeit und einer geringeren ruhegehaltfähigen Dienstzeit die Aufstockung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a BeamtVG allenfalls in besonderen Ausnahmefällen einen Anspruch auf ein höheres Ruhegehalt verleiht, als dies bei einer (fiktiven) Einbeziehung der Zeit nach § 14a BeamtVG in die ruhegehaltfähige Dienstzeit der Fall wäre. So würde sich im vorliegenden Verfahren bei einer Pflichtversicherungszeit von 211 Kalendermonaten und einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 11,11 Jahren fiktiv ein Ruhegehaltssatz von 53,8 v.H. ergeben, der immer noch – trotz erheblich längerer Pflichtbeitragszeiten – höher als das Ruhegehalt bei vorübergehender Erhöhung gemäß § 14a BeamtVG wäre. Deshalb braucht nicht entschieden zu werden, ob die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 14 Abs. 5 BeamtVG zu begrenzen ist, wenn die Pflichtversicherungszeiten zu einem höheren Ruhegehaltssatz führten, als dies bei einer vergleichsweisen Berücksichtigung als ruhegehaltfähige Dienstzeit der Fall wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Groepper, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
Haufe-Index 1412609 |
BVerwGE 2006, 19 |
ZBR 2006, 170 |
ZTR 2006, 171 |
DÖV 2006, 38 |
RiA 2006, 38 |
NPA 2006 |