Verfahrensgang

VG Dresden (Aktenzeichen 6 K 319/96)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 2. Juli 1998 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem der Beigeladenen der Erlös aus der Veräußerung eines Grundstücks der Klägerin zugesprochen wird.

Das Grundstück gehörte früher der B. Gewerkschaftszentrale GmbH. Im Jahre 1935 wurde es zwangsversteigert. Den Zuschlag erhielt Karl Johann N. Im Jahre 1948 wurde das zuvor aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 82 sequestrierte Grundstück enteignet und der Vermögensverwaltung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes GmbH übertragen. Diese Gesellschaft verzichtete gegenüber Karl Johann N. auf ihre Eintragung im Grundbuch gegen die Zahlung von 10 000 DM. Herr N. wurde im Jahre 1961 zu einem Viertel von seiner Ehefrau und zu drei Vierteln von seinem Sohn beerbt. Der Erbanteil des Sohnes am Grundstück kam unter staatliche Verwaltung. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin nach den Erben.

Im Jahre 1992 hob das Landratsamt B. die Treuhandverwaltung über den Dreiviertel-Eigentumsanteil zugunsten der Klägerin als Erbin auf. Diese veräußerte das Grundstück noch in demselben Jahr an die früheren Beigeladenen zu 2 bis 4, die im Oktober 1994 im Grundbuch eingetragen wurden. Bereits im Jahre 1990 hatten der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Vermögens- und Treuhandgesellschaft die Rückübertragung des Grundstücks beantragt, nach der Ablehnung dieses Antrags Widerspruch eingelegt und den Restitutionsanspruch an die Beigeladene abgetreten. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen gab dem Widerspruch mit Bescheid vom 10. Januar 1996 statt und übertrug der Beigeladenen das Eigentum an dem Grundstück, weil die B. Gewerkschaftszentrale GmbH von einer Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 des VermögensgesetzesVermG – betroffen gewesen sei.

Die gegen diesen Widerspruchsbescheid gerichtete Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Rechtsbehelf unzulässig sei, weil der Klägerin die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehle. Sie werde durch den Widerspruchsbescheid nicht mehr in ihren Rechten betroffen; denn sie habe sich durch die Übertragung ihrer Eigentumsrechte an die früheren Beigeladenen zu 2 bis 4 ihrer vermögensrechtlichen Rechtsposition begeben.

Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Revision, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, beruft sie sich darauf, dass der von ihr angegriffene Widerspruchsbescheid sie entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in ihren Rechten verletze. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Rückgabeentscheidung als selbständige Teilentscheidung die Feststellung der Berechtigung des Antragstellers enthalte, wodurch sie als Verfügungsberechtigte unmittelbar belastet werde. Die Sache müsse daher zur Überprüfung der Berechtigung der Beigeladenen an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden, weil es insoweit an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehle.

Der Beklagte verzichtet auf eine Stellungnahme.

Die Beigeladene beantragt, die Revision gemäß § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen, weil dem Widerspruch im Ergebnis zu Recht stattgegeben worden sei; denn es sei allgemeinkundig, dass die Nationalsozialisten am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser besetzt und dabei das gesamte Vermögen der Gewerkschaften konfisziert hätten.

Inzwischen hat das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den angegriffenen Widerspruchsbescheid dahin geändert, dass die Rückübertragung des Grundstücks abgelehnt und anstelle dessen der Klägerin aufgegeben wird, den Erlös aus dem Grundstücksverkauf an die Beigeladene herauszugeben.

Die Klägerin richtet ihre Klage nunmehr gegen den geänderten Widerspruchsbescheid.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht. Der angegriffene Widerspruchsbescheid, der in seiner geänderten Gestalt nach § 264 Nr. 3 ZPO i.V.m. § 173 VwGO Gegenstand des Verfahrens ist, entfaltet unabhängig von dieser Änderung unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin. Dieser hätte daher die Klagebefugnis nicht abgesprochen werden dürfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (erstmalig Urteil vom 29. September 1993 – BVerwG 7 C 39.92 – BVerwGE 94, 195 = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 3, bestätigt durch Urteil vom 24. Februar 1994 – BVerwG 7 C 20.93 – BVerwGE 95, 155 = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 5; zuletzt Urteile vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 71.96 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 15, vom 16. April 1998 – BVerwG 7 C 32.97 – BVerwGE 106, 310 = VIZ 1998, 450 ff., sowie vom 16. Juli 1998 – BVerwG 7 C 39.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 159) enthält ein Rückübertragungsbescheid die inzidente Feststellung, dass der Inhaber des Rückübertragungsanspruchs hinsichtlich des Vermögenswerts Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG oder gegebenenfalls im Sinne des § 6 Abs. 1 a VermG ist. Dies hat zur Folge, dass der Verfügungsberechtigte durch einen Rückübertragungsbescheid auch dann in seinen Rechten betroffen wird, wenn er zwischenzeitlich über den Vermögenswert durch Veräußerung verfügt hat. In einem solchen Fall ist die in Rede stehende Inzidentfeststellung Grundlage für einen auf den Erlös gehenden Surrogationsanspruch des Berechtigten gegen den Verfügungsberechtigten gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG. Dementsprechend ist hier die zunächst angeordnete Rückübertragung korrigiert worden mit der Konsequenz, dass die Klägerin nunmehr nicht nur durch die im Bescheid nach wie vor enthaltene Feststellung der Berechtigung der Beigeladenen, sondern auch durch die ausgesprochene Rechtsfolge, die sich jetzt ebenfalls gegen sie richtet, einen Rechtsverlust erleidet.

Da es bisher an tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts fehlt, die Grundlage einer Entscheidung über die Berechtigung der Beigeladenen sein können, müssen das angefochtene Urteil nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert, Neumann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI558334

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