Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmensrestitution. Unternehmensreste. Erbbaurecht. Laufzeit. Erlöschen. Restitutionsanspruch. Wiederbegründung des Rechts. Inhalt des Rechts. Entschädigung für das Bauwerk. dingliches Recht. Surrogat. Vermögenswert
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Restitution eines befristeten Erbbaurechts umfaßt auch den Anspruch auf Entschädigung für das Bauwerk gemäß § 27 ErbbauVO und das zugehörige dingliche Recht gemäß § 28 ErbbauVO. Daher sind dem Geschädigten nach dem Ablauf der Zeit, für die das Erbbaurecht bestellt wurde, statt des Erbbaurechts diese Rechte zurückzugewähren.
Normenkette
VermG § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 1a S. 1, § 6 Abs. 6a Sätze 1-2; ErbbauVO §§ 1-2, 5, 12, 27-29
Verfahrensgang
VG Leipzig (Entscheidung vom 12.10.1995; Aktenzeichen 3 K 1636/94) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 12. Oktober 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten wie folgt lautet:
„Der Beklagte wird verpflichtet, zugunsten der Klägerin anstelle der ihr ehemals zustehenden, im Urteil des Verwaltungsgerichts näher bezeichneten Erbbaurechte Ansprüche gegen die Beigeladene auf Entschädigung für das jeweilige Bauwerk gemäß § 27 der Erbbaurechtsverordnung in Verbindung mit den zugrundeliegenden Erbbaurechtsverträgen sowie an rangbereiter Stelle entsprechende dingliche Rechte gemäß § 28 der Erbbaurechtsverordnung zu begründen, und zwar gegen Zahlung der noch festzusetzenden Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 2 des Vermögensgesetzes.”
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt die Restitution von Entschädigungsansprüchen nach § 27 der Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO) und der zugehörigen dinglichen Rechte nach § 28 ErbbauVO aufgrund der Vorschriften des Vermögensgesetzes (VermG).
Die früher im Immobiliengeschäft tätige Klägerin war Inhaberin von Erbbaurechten an drei in L. gelegenen und aufgrund dieser Rechte mit Mietwohnhäusern bebauten Grundstücken (H.straße Nr. 42/44 und Nr. 46/48 sowie P.Straße Nr. 73/75). Die Erbbaurechte waren in den Jahren 1926 und 1927 für die Zeit bis zum 30. Juni 1996 bzw. 31. Dezember 1997 bestellt worden. Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Klägerin war seit 1936 Herr Dr. Otto E. Nachdem dieser aus der DDR geflohen war, wurde die Klägerin mit Urkunde des Rates der Stadt L. vom 15. August 1951 unter staatliche Treuhandverwaltung gestellt. Im Jahre 1954 wurde das Betriebsvermögen der Klägerin einschließlich der genannten Erbbaurechte auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 in Volkseigentum überführt und die Klägerin im Handelsregister gelöscht. Die Erbbaurechte der Klägerin wurden im Jahre 1963 im Grundbuch gelöscht und die Erbbaugrundbuchblätter geschlossen.
Auf den von den Erben des Herrn Dr. E. gestellten Restitutionsantrag lehnte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 18. November 1994 die Rückübertragung des Unternehmens der Klägerin und darüber hinaus auch die Rückübertragung ihrer früheren Erbbaurechte ab; zugleich stellte es fest, daß die Klägerin Berechtigte sei und daß ihr wegen des erlittenen Vermögensverlustes ein Entschädigungsanspruch zustehe. Zur Begründung führte es aus, daß die Klägerin von einer entschädigungslosen Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 a VermG betroffen und daher Berechtigte im Sinne von § 6 Abs. 1 a Satz 1 VermG sei. Dennoch könne sie gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG die Restitution ihres Unternehmens nicht verlangen, weil dieses seinen Geschäftsbetrieb eingestellt habe und eine Wiederaufnahme einer Neugründung gleichkäme. In Betracht komme nur ein Anspruch auf Rückgabe von einzelnen ehemals zum Betriebsvermögen gehörigen Vermögensgegenständen nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG. Eine Wiederbegründung von Erbbaurechten sei indes im Rahmen der Unternehmensrestitution nach § 6 VermG nicht möglich. Über die Rückgabe des sonstigen früheren Grundvermögens der Klägerin werde gesondert entschieden.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie zunächst die Rückübertragung ihres Unternehmens oder eines vergleichbaren Unternehmens, hilfsweise die Rückübertragung ihrer früheren Erbbaurechte erstrebt hat. Später hat sie das Klagebegehren auf die Rückübertragung der Erbbaurechte beschränkt.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12. Oktober 1995 den Beklagten zur Rückübertragung der umstrittenen Erbbaurechte verpflichtet und zur Begründung ausgeführt: Das von der Klägerin aufrechterhaltene Klagebegehren sei nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG gerechtfertigt. Die Erbbaurechte seien Vermögensgegenstände, die aus dem stillgelegten Unternehmen stammten. Ihre Rückübertragung scheitere nicht daran, daß sie im Grundbuch gelöscht und daher nicht mehr vorhanden seien. Entscheidend sei, daß ein Erbbaurecht ein eigentumsähnliches Recht sei, das nicht losgelöst von dem auf seiner Grundlage errichteten Gebäude gesehen werden könne. Die von der Klägerin errichteten Wohngebäude seien als Vermögensgegenstände im Sinne von § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG weiterhin vorhanden.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt.
Mit Urteil vom 24. September 1996 – BVerwG 7 C 65.95 – (Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 22) hat der erkennende Senat der Revision des Beklagten stattgegeben und die Klage in dem noch anhängigen Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, daß die Klägerin zwar nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG die Rückgabe der von ihrem Unternehmen verbliebenen Vermögensgegenstände verlangen könne, daß ihr Anspruch aber nicht die umstrittenen Erbbaurechte betreffe. Diese seien im Jahre 1963 im Grundbuch gelöscht worden und seitdem nicht mehr als selbständige Vermögensgegenstände vorhanden; aus diesem Grunde sei die Rückgabe der Erbbaurechte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 a VermG über die Wiederbegründung dinglicher Rechte könne im Rahmen der Unternehmensrestitution nicht angewendet werden.
Auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 28. Oktober 1998 – 1 BvR 2349/96 – (BVerfGE 99, 129) das Urteil des Senats vom 24. September 1996 aufgehoben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, obwohl mittlerweile bei allen drei ehemals zum Unternehmen der Klägerin gehörenden Erbbaurechten das Ende der vereinbarten Laufzeit erreicht sei; denn die Klägerin werde im Hinblick auf mögliche Entschädigungsansprüche nach § 27 ErbbauVO durch das Urteil des Senats selbst dann weiterhin beeinträchtigt, wenn ihre früheren Erbbaurechte jetzt nicht mehr zurückgegeben werden könnten. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet, weil die Klägerin durch das angegriffene Urteil in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt werde. Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete, Erbbaurechte im Rahmen der Restitution von Unternehmensresten gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG ebenso zu behandeln wie das Eigentum an Grundstücken. Das gelte auch dann, wenn das Erbbaurecht im Grundbuch gelöscht worden sei, weil das Recht bei der Restitution wiederbegründet werden könne. Eine solche Wiederbegründung sei in § 3 Abs. 1 a VermG ausdrücklich vorgesehen.
Die Klägerin hat in dem durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wiedereröffneten Revisionsverfahren ihren bisherigen Klageantrag durch einen neuen Antrag ersetzt. Sie beantragt nunmehr,
den Beklagten zu verpflichten, zu ihren Gunsten anstelle der ihr ehemals zustehenden, im Klageantrag vor dem Verwaltungsgericht näher bezeichneten Erbbaurechte Ansprüche gegen die Beigeladene auf Entschädigung für das jeweilige Bauwerk gemäß § 27 ErbbauVO in Verbindung mit den zugrundeliegenden Erbbaurechtsverträgen sowie an rangbereiter Stelle entsprechende dingliche Rechte gemäß § 28 ErbbauVO zu begründen, und zwar gegen Zahlung der noch festzusetzenden Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG.
Zur Begründung führt sie aus: Da mittlerweile bei allen ihren früheren Erbbaurechten das Ende der vereinbarten Laufzeit erreicht sei, komme die vom Verwaltungsgericht angeordnete Wiederbegründung der Erbbaurechte nicht mehr in Betracht. Statt dessen müßten ihr nunmehr Ansprüche auf Entschädigung für die aufgrund der Erbbaurechte errichteten Gebäude gemäß § 27 ErbbauVO sowie die zugehörigen dinglichen Rechte gemäß § 28 ErbbauVO eingeräumt werden.
Der Beklagte und die Beigeladene treten dem Antrag der Klägerin entgegen und bezweifeln, ob die Restitutionsbehörde über einen zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch entscheiden könne. Ferner weisen sie darauf hin, daß der Anspruch auf Entschädigung nach § 27 ErbbauVO nur an die Stelle eines bestehenden und durch Zeitablauf erloschenen, nicht aber an die Stelle eines entzogenen Erbbaurechts trete.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich nicht am Revisionsverfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Klägerin stehen wegen des Verlusts ihrer früheren Erbbaurechte Ansprüche auf Rückgabe nach dem Vermögensgesetz zu. Diese Ansprüche sind infolge des Ablaufs der Zeiten, für die die Erbbaurechte bestellt waren, nicht mehr auf die Wiederbegründung dieser Rechte, sondern auf die Einräumung von Entschädigungsansprüchen nach § 27 ErbbauVO sowie der zugehörigen dinglichen Rechte nach § 28 ErbbauVO gerichtet und mit noch festzusetzenden Zahlungsverpflichtungen der Klägerin nach § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG verbunden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher entsprechend dem von der Klägerin zuletzt gestellten und in zulässiger Weise (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO) der jetzigen Rechtslage angepaßten Klageantrag mit einer Maßgabe zu bestätigen, die dem geänderten Anspruchsinhalt Rechnung trägt.
Aufgrund des insoweit zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen Inhalts des Bescheids des Beklagten vom 18. November 1994 steht bestandskräftig fest, daß die Klägerin wegen der entschädigungslosen Enteignung ihres Betriebsvermögens im Jahre 1954 Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 a VermG ist, daß sie aber gleichwohl das ihr entzogene Unternehmen nicht zurückverlangen kann, weil dieses zugleich mit der Enteignung des Betriebsvermögens auf Dauer stillgelegt worden ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VermG). In derartigen Fällen kann der frühere Eigentümer des Unternehmens gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG die Rückgabe derjenigen Vermögensgegenstände verlangen, die sich im Zeitpunkt der Schädigung in seinem Eigentum befanden oder an deren Stelle getreten sind, soweit die Vermögensgegenstände im Zeitpunkt der Stillegung des enteigneten Unternehmens zu dessen Vermögen gehörten und das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt mit dem enteigneten Unternehmen vergleichbar war. Da nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts das Unternehmen der Klägerin bereits bei der Enteignung des Betriebsvermögens im Jahre 1954 stillgelegt worden ist und zu dem enteigneten Vermögen auch die umstrittenen Erbbaurechte gehörten, sind hinsichtlich dieser Rechte alle Voraussetzungen für eine Rückgabe nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG erfüllt.
Entgegen der Rechtsauffassung, die dem ersten Revisionsurteil des Senats in dieser Sache vom 24. September 1996 – BVerwG 7 C 65.95 – (a.a.O.) zugrunde liegt, war die Rückgabe der Erbbaurechte nicht gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Oktober 1998 – 1 BvR 2349/96 – (a.a.O.), mit dem dieses der Verfassungsbeschwerde der Klägerin stattgegeben und das genannte Senatsurteil aufgehoben hat, stand die Löschung der Erbbaurechte im Jahre 1963 ihrer Rückgabe nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG nicht entgegen. Offen geblieben ist die Frage, wie sich die Beendigung der bei der Bestellung der Erbbaurechte vereinbarten Laufzeiten in den Jahren 1996 und 1997 auf die Restitutionsansprüche der Klägerin ausgewirkt hat. Diese Frage ist dahin zu beantworten, daß der Klägerin nunmehr anstelle der entzogenen Erbbaurechte Entschädigungsansprüche nach § 27 ErbbauVO und die zugehörigen dinglichen Rechte nach § 28 ErbbauVO zurückzugewähren sind.
1. Ein Erbbaurecht kann nach dem Ablauf der Zeit, für die es bestellt worden ist, grundsätzlich nicht mehr als solches an den Geschädigten zurückgegeben werden. Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat (Urteil vom 24. Februar 1994 – BVerwG 7 C 22.93 – BVerwGE 95, 167; Urteil vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 5.94 – BVerwGE 98, 137 ≪143 f.≫; Beschluß vom 5. März 1996 – BVerwG 7 B 412.95 – VIZ 1996, 338), gewährt das Vermögensgesetz sowohl bei der bloßen Anordnung der staatlichen Verwaltung als auch beim vollständigen Entzug von Vermögenswerten Wiedergutmachung in der Weise, daß der Geschädigte oder sein Rechtsnachfolger in die früher, d.h. zum Zeitpunkt der Schädigungsmaßnahme, innegehabte Rechtsposition wiedereingesetzt wird. Aus dieser Konzeption des Gesetzes folgt, daß bei der Wiedergutmachung grundsätzlich solche Vermögenseinbußen unberücksichtigt bleiben, die sich daraus ergeben, daß der Geschädigte infolge der Schädigungsmaßnahme weder über den Vermögenswert verfügen noch ihn nutzen konnte (Urteil vom 24. Februar 1994 – BVerwG 7 C 22.93 – a.a.O.; Beschluß vom 5. März 1996 – BVerwG 7 B 412.95 – a.a.O.). Mit der Wiedereinsetzung in die früher innegehabte Rechtsposition hat es demnach im allgemeinen sein Bewenden. Das bedeutet insbesondere, daß sich der Restitutionsanspruch regelmäßig nicht auf die in der Zeit vom Entzug des Vermögenswerts bis zu dessen Rückgabe gezogenen Nutzungen erstreckt; diese Schlußfolgerung wird durch die nachträglich in das Vermögensgesetz eingefügte Regelung des § 7 Abs. 7 Satz 1 und die Ausnahme hiervon in § 7 Abs. 2 Satz 2 bestätigt (vgl. BGH, VIZ 1999, 540 ≪541≫). Dementsprechend sind auch im Falle der Rückgabe eines befristeten Erbbaurechts, obwohl dieses Recht in erster Linie in der zeitweisen Möglichkeit der Grundstücksnutzung besteht (§ 1 Abs. 1 ErbbauVO), die dem Geschädigten vorenthaltenen Nutzungen nicht herauszugeben. Ebenso muß der Geschädigte die seit dem Rechtsverlust verstrichene Zeit als verloren hinnehmen, soweit es um die Rückgabe des Erbbaurecht selbst geht. Denn das Erbbaurecht ist von vornherein nur befristet entstanden, und dieser Inhalt des entzogenen Rechts darf durch die Restitutionsentscheidung, die nicht dem Schadensersatz im Sinne des § 249 BGB, sondern allein der Wiederherstellung der früheren Rechtsposition mit Wirkung ex nunc dient, nicht verändert werden. Infolgedessen verbietet es sich, die verlorene Nutzungszeit der bei der Bestellung vereinbarten Laufzeit des Erbbaurechts hinzuzurechnen und dem Geschädigten ein entsprechend verlängertes Recht zurückzugewähren (vgl. Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, Bd. 1, Stand Juli 1999, § 2 VermG Rn. 27; Weigel, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Bd. I, Stand November 1999, § 2 VermG Rn. 70; Copija, ov-spezial 1999, 370; a.A. Gotthardt, VIZ 1994, 639). Vielmehr darf das Erbbaurecht – jedenfalls wenn es nicht nachträglich über den vorgesehenen Erlöschenszeitpunkt hinaus verlängert worden ist – nur mit der bei der Bestellung vereinbarten Laufzeit restituiert werden; ist diese Zeit bei der Entscheidung über den Restitutionsantrag bereits verstrichen, so kommt die Rückgabe des entzogenen, aber durch Zeitablauf erledigten Erbbaurechts aus Rechtsgründen nicht mehr in Betracht (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG). Letzteres liegt namentlich dann auf der Hand, wenn das Erbbaurecht – anders als im vorliegenden Fall – nach der wiedergutzumachenden Schädigung in der Hand eines (privaten) Dritten bis zu seinem planmäßigen Ablauf fortbestanden hat. Ist das Erbbaurecht – wie hier – bereits vor diesem Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Schädigung im Grundbuch gelöscht worden, gilt im Ergebnis nichts anderes. Die Klägerin verlangt daher in Anbetracht der Beendigung der vereinbarten Laufzeiten in den Jahren 1996 und 1997 zu Recht nicht mehr die Wiederbegründung ihrer früheren Erbbaurechte.
2. Wenngleich die alten Rechtspositionen der Klägerin als solche nicht mehr wiederherstellbar sind, sind die Restitutionsansprüche der Klägerin nicht entfallen, sondern bestehen mit geändertem Inhalt, nämlich als Verpflichtung des Beklagten zur Einräumung von Entschädigungsansprüchen nach § 27 ErbbauVO und der zugehörigen dinglichen Rechte nach § 28 ErbbauVO, fort. Das folgt aus dem Umstand, daß diese Rechte von vornherein zum Inhalt der zu restituierenden Erbbaurechte gehörten, also als Teile dieser Rechte anzusehen sind. Aus diesem Grund werden sie von den Ansprüchen der Klägerin auf Rückgabe der Erbbaurechte miterfaßt.
a) Mit dem Erlöschen eines Erbbaurechts infolge Zeitablaufs enden die Rechte des Erbbauberechtigten aus dem Erbbaurecht nicht. Denn nach § 27 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO hat der Grundstückseigentümer dem Erbbauberechtigten eine Entschädigung für das Bauwerk zu leisten, das bis zum Erlöschen des Erbbaurechts im Eigentum des Erbbauberechtigten stand und zu diesem Zeitpunkt zum Bestandteil des Grundstücks wird (§ 12 Abs. 1 und 3 ErbbauVO). Der Erbbauberechtigte verliert also mit dem Erlöschen des Erbbaurechts zwar die Befugnis zur Nutzung des Grundstücks (§ 1 Abs. 1 ErbbauVO) und das Eigentum am Bauwerk; es bleibt ihm aber der Kapitalwert des Bauwerks in Gestalt des Entschädigungsanspruchs gegen den Grundstückseigentümer nach § 27 ErbbauVO erhalten. Der Grundstückseigentümer kann seinerseits den Entschädigungsanspruch des Erbbauberechtigten dadurch abwenden, daß er ihm die Verlängerung des Erbbaurechts anbietet (§ 27 Abs. 3 ErbbauVO).
Diese enge rechtliche und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit des Erbbaurechts und des Entschädigungsanspruchs nach § 27 ErbbauVO kommt auch in den weiteren, der Ausgestaltung dieses Anspruchs dienenden Bestimmungen der Erbbaurechtsverordnung zum Ausdruck. Denn der Gesetzgeber hat den Entschädigungsanspruch in seiner rechtlichen Gestalt dem Erbbaurecht weitgehend angeglichen: Gemäß § 28 ErbbauVO ruht der Entschädigungsanspruch ebenso wie das Erbbaurecht als dingliche Last auf dem Grundstück. Aus der Sicht des Grundstückseigentümers ist das Grundstück mithin auch nach dem Erlöschen des Erbbaurechts weiterhin mit einem – wenngleich in seinem Inhalt veränderten – beschränkten dinglichen Recht belastet. Dementsprechend setzen sich bestimmte dingliche Belastungen des Erbbaurechts (Grundpfandrechte und Reallasten) nach § 29 ErbbauVO als Belastungen des Entschädigungsanspruchs fort. Unter diesen Umständen stellen sich die Rechte, die dem Erbbauberechtigten aufgrund der §§ 27, 28 ErbbauVO über den Zeitpunkt des Erlöschens des Erbbaurechts hinaus verbleiben, gleichsam als ein verkürztes, nämlich in das Stadium der finanziellen Abwicklung überführtes und auf die Realisierung des Kapitalwerts des Bauwerks beschränktes Erbbaurecht dar.
Da die Rechte nach §§ 27 und 28 ErbbauVO als Surrogate für das zum Erbbaurecht gehörende Eigentum des Erbbauberechtigten am Bauwerk unmittelbar kraft Gesetzes aus dem Erbbaurecht fließen, müssen sie dessen Inhalt zugerechnet werden. Das wird durch die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO bestätigt. Nach dieser Vorschrift können der Grundstückseigentümer und der Erbbauberechtigte bei der Bestellung des Erbbaurechts „als Inhalt des Erbbaurechts” Vereinbarungen über die Höhe der Entschädigung nach Satz 1, die Art ihrer Zahlung sowie über ihre Ausschließung treffen. Diese Vorschrift ergänzt die §§ 2 und 5 ErbbauVO, in denen diejenigen Vereinbarungen aufgezählt sind, die bei der Bestellung zum Inhalt des Erbbaurechts gemacht werden können. Sie gibt damit den das Erbbaurecht bestellenden Personen die Möglichkeit, auch ihren Vereinbarungen über den Entschädigungsanspruch dingliche Wirkung, d.h. Wirkung für etwaige Sonderrechtsnachfolger zu verleihen, was durch die Eintragung aller getroffenen Vereinbarungen in das Grundbuch erreicht wird (§ 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO, §§ 873 f., 877 BGB). Mit dem Hinweis auf diese Möglichkeit ist der Bedeutungsgehalt des § 27 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO indes nicht ausgeschöpft. Wenn nämlich der Grundstückseigentümer und der Erbbauberechtigte die Vereinbarungen über den Entschädigungsanspruch „als Inhalt des Erbbaurechts” treffen können, so liegt dem offenkundig die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, daß auch der Entschädigungsanspruch selbst, auf den sich die Vereinbarungen beziehen, zumindest in einem weitgefaßten Sinne zum Inhalt des Erbbaurechts gehört. Aus diesem Grund wird in der Literatur überwiegend angenommen, daß der Entschädigungsanspruch bereits bei der Bestellung des Erbbaurechts aufschiebend bedingt mitentsteht (vgl. Ring, in: Staudinger, BGB, Buch 3, 1994, § 27 ErbbauVO Rn. 13; v. Oefele, in: Münchener Kommentar, BGB, Bd. 6, 3. Aufl. 1997, § 27 ErbbauVO Rn. 3 m.w.N.). Selbst wenn dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen sein sollte, ist der Entschädigungsanspruch nach § 27 ErbbauVO doch immerhin stets – falls er nicht nach § 27 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO ausgeschlossen wurde – von vornherein in dem bestellten Erbbaurecht als gesetzliches Surrogat für das bei seinem Ablauf entfallende Eigentum des Erbbauberechtigten am Bauwerk mitenthalten. Dasselbe gilt für das zugehörige dingliche Recht nach § 28 ErbbauVO.
b) Die dargelegten Rechtsverhältnisse nach der Erbbaurechtsverordnung zwingen zu dem Schluß, daß der vermögensrechtliche Anspruch auf Restitution eines befristeten Erbbaurechts nicht nur – in der Zeit bis zum Fristablauf – auf die Restitution des Rechts selbst, sondern auch – in der Zeit danach – auf die Restitution der Surrogate nach §§ 27, 28 ErbbauVO gerichtet ist. Denn die Restitution nach dem Vermögensgesetz dient der Wiedereinsetzung des Geschädigten in die gesamte früher innegehabte Rechtsposition und darf deshalb Teile dieser Rechtsposition, auch soweit sie erst nach dem Wegfall des hauptsächlichen Inhalts des Rechts Bedeutung erlangen, nicht aussparen. Wird das entzogene Erbbaurecht noch vor dem Ablauf der Zeit, für die es bestellt wurde, als solches zurückgegeben, so gelangt der Geschädigte, ohne daß es hierzu einer gesonderten Regelung im Restitutionsbescheid bedürfte, in den Genuß aller mit seinem früheren Erbbaurecht verbundenen (Einzel-)Rechte einschließlich der Surrogate nach §§ 27, 28 ErbbauVO. Es besteht kein Grund, ihm diese Rechte in den Fällen vorzuenthalten, in denen bei der Entscheidung über den Restitutionsantrag das Ende der Laufzeit des zu restituierenden Erbbaurechts bereits erreicht ist. Im Recht der offenen Vermögensfragen sind auch sonst nicht selten Fallgestaltungen anzutreffen, in denen sich der Restitutionsanspruch beim Wegfall des bisherigen Restitutionsgegenstands an dessen wirtschaftlichem Surrogat fortsetzt (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 3, § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG, § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG). Zwar sind die Surrogate nach §§ 27, 28 ErbbauVO im Unterschied zu den Erlösen aus der Veräußerung eines Vermögenswerts im Vermögensgesetz nicht als Gegenstände der Restitution genannt. Dessen bedurfte es aber nicht, weil diese Rechte des Erbbauberechtigten, wie ausgeführt, über ihren Charakter als Surrogate hinaus von vornherein in dem zu restituierenden Erbbaurecht mitenthalten sind, so daß der Anspruch auf Restitution dieses Rechts ohne weiteres auch sie erfaßt.
c) Hiergegen läßt sich nicht mit dem Beklagten und der Beigeladenen einwenden, daß es nicht Aufgabe der Restitutionsbehörde sein könne, über einen nach zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilenden Entschädigungsanspruch zu entscheiden. Denn es ist nicht zweifelhaft, daß der zivilrechtliche Charakter des Anspruchs nach § 27 ErbbauVO einer Restitution nach dem Vermögensgesetz nicht entgegensteht. Auch das Eigentum an einem Grundstück oder ein Erbbaurecht haben zivilrechtlichen Charakter und können dennoch aufgrund der Vorschriften des Vermögensgesetzes von der Restitutionsbehörde an den früheren Eigentümer oder Rechtsinhaber zurückübertragen werden. Es macht geradezu das Wesen der Restitution nach dem Vermögensgesetz aus, daß die Restitutionsbehörde durch Hoheitsakt in die bestehende zivilrechtliche Güter- und Vermögenszuordnung eingreift und diese zugunsten des Berechtigten verändert (vgl. §§ 33, 34 VermG). Daher kann insbesondere auch der zivilrechtliche Entschädigungsanspruch nach § 27 ErbbauVO, der ebenso wie das zugrunde liegende Erbbaurecht ein Vermögenswert im Sinne von § 2 Abs. 2 VermG ist, zum Gegenstand eines vermögensrechtlichen Restitutionsbescheids gemacht werden. Eine abschließende Entscheidung über das Bestehen oder gar den Umfang des restituierten Anspruchs ist damit nicht verbunden; vielmehr wird der frühere Erbbauberechtigte durch die Rückgewähr des Anspruchs nach § 27 ErbbauVO lediglich in die Lage versetzt, diesen Anspruch in derselben Weise gegenüber dem jetzigen Grundstückseigentümer geltend zu machen, wie er dies auch tun könnte, wenn ihm das Erbbaurecht nicht entzogen worden wäre.
Gleichfalls unbegründet ist der weitere Einwand des Beklagten und der Beigeladenen, der Anspruch auf Entschädigung nach § 27 ErbbauVO stelle kein Surrogat für ein entzogenes Erbbaurecht dar, sondern setze das vorherige Bestehen dieses Rechts voraus, woran es im Falle des Rechtsentzugs fehle. Es trifft zwar zu, daß der frühere Erbbauberechtigte, der sein Erbbaurecht aufgrund einer Schädigungsmaßnahme gemäß § 1 VermG verloren hat, allein nach § 27 ErbbauVO keine Entschädigung zu erlangen vermag. Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, ob ihm nach dem Ablauf der Zeit, für die das Erbbaurecht bestellt wurde, öffentlich-rechtliche Wiedergutmachung für den erlittenen Rechtsverlust in Form der Einräumung des Anspruchs nach § 27 ErbbauVO zusteht. Diese Frage ist aus den genannten Gründen zu bejahen.
3. Da nach den von der Klägerin vorgelegten Grundbuchauszügen bei der Bestellung der Erbbaurechte auf den Grundstücken H.straße Nr. 42/44 und Nr. 46/48 sowie P.Straße Nr. 73/75 in L. die Entschädigungsansprüche nach § 27 ErbbauVO nicht ausgeschlossen, sondern lediglich auf zwei Drittel des gemeinen Werts der zum Erbbaurecht gehörenden Gebäude begrenzt worden und die Gebäude zudem bis heute vorhanden sind, kann die Klägerin nach dem Gesagten vom Beklagten die Rückgewähr dieser Ansprüche und der zugehörigen dinglichen Rechte nach § 28 ErbbauVO verlangen. Die dinglichen Rechte sind in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 1 a Satz 1 VermG an rangbereiter Stelle zu begründen. Zwar läßt die Erbbaurechtsverordnung in § 10 Abs. 1 die Bestellung von Erbbaurechten nur an erster Rangstelle zu, so daß auch dem an die Stelle des Erbbaurechts tretenden dinglichen Recht nach § 28 ErbbauVO dieser Rang gebührt („mit dessen Range”). Jedoch geht die vermögensrechtliche Sonderregelung in § 3 Abs. 1 a Satz 1 VermG über den Rang des wiederzubegründenden Rechts der den zivilrechtlichen Rechtsverkehr betreffenden Regelung in § 10 Abs. 1 ErbbauVO vor. Ein nachrangiges Erbbaurecht ist nicht etwa mit dem Wesen dieses Rechts unvereinbar; vielmehr kann unter besonderen Voraussetzungen sogar nach den Vorschriften des Zivilrechts ein solches Erbbaurecht – und damit auch ein nachrangiges dingliches Recht im Sinne von § 28 ErbbauVO – bestehen (vgl. BGHZ 51, 50).
4. Die Ansprüche der Klägerin auf Restitution der Entschädigungsansprüche nach § 27 ErbbauVO und der zugehörigen dinglichen Rechte nach § 28 ErbbauVO sind als Anwendungsfälle des § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG den sich aus § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG ergebenden Einschränkungen unterworfen. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Rückgabe von Vermögensgegenständen aus einem entzogenen und stillgelegten Unternehmen nur gegen Zahlung eines Betrages in Höhe der dem Vermögensgegenstand direkt zurechenbaren Verbindlichkeiten des Verfügungsberechtigten, zu dessen Vermögen der Vermögensgegenstand ab 1. Juli 1990 gehört oder gehört hat, sowie eines Teils der übrigen Verbindlichkeiten dieses Verfügungsberechtigten, der sich nach dem Anteil des Wertes des herauszugebenden Vermögensgegenstands am Gesamtwert des Vermögens des Verfügungsberechtigten bestimmt. Diese Zahlungsverpflichtung des Restitutionsberechtigten ist im Restitutionsbescheid festzusetzen und Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Bescheids (vgl. Urteil vom 20. November 1997 – BVerwG 7 C 40.96 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 35 S. 51). Der Beklagte wird daher in dem von ihm zu erlassenden Restitutionsbescheid eine Regelung über das Bestehen und die Höhe der Zahlungsverpflichtungen der Klägerin nach § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG treffen müssen. Dabei wird er insbesondere zu prüfen haben, ob und inwieweit die Klägerin für Verbindlichkeiten der Beigeladenen aus Maßnahmen einstehen muß, die der Instandsetzung und Modernisierung der zu entschädigenden Gebäude dienten. Da die der Klägerin zufallenden Gebäudewerte nach denjenigen Verhältnissen zu bestimmen sind, die bei der Beendigung der Laufzeiten ihrer früheren Erbbaurechte in den Jahren 1996 und 1997 bestanden, muß eine parallele zeitliche Begrenzung auch für die von ihr zu übernehmenden gebäudebezogenen Verbindlichkeiten angenommen werden. Die Klägerin wird daher nicht mit Verbindlichkeiten aus der Instandsetzung oder Modernisierung der Gebäude belastet werden können, die erst nach den für die Bestimmung der Gebäudewerte maßgeblichen Zeitpunkten entstanden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Bardenhewer, Gödel, Kley, Herbert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.01.2000 durch Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558339 |
VIZ 2000, 405 |
ZAP-Ost 2000, 363 |
DÖV 2000, 834 |
NJ 2000, 437 |
OVS 2000, 212 |