Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang zu Unterlagen der BaFin während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Informationszugang. BaFin. Staatsanwaltschaft. Aktenvorlage. strafrechtliches Ermittlungsverfahren. nachteilige Auswirkungen. Untersuchungszweck. Strafrechtspflege. Darlegungslast. Vermutungswirkung. Beurteilungsspielraum. Aufsichtstätigkeit. Bereichsausnahme. Verschwiegenheitspflicht. verfassungsunmittelbarer Informationszugangsanspruch. notwendige Beiladung.
Leitsatz (amtlich)
1. Nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen stehen dem Informationszugang gemäß § 3 Nr.1 Buchst. g Alt. 3 IFG entgegen, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Bekanntwerden der Information den Untersuchungszweck, d.h. die Sachverhaltsaufklärung und Wahrheitsfindung, beeinträchtigt.
2. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die aktenführende Behörde im Zusammenwirken mit der Ermittlungsbehörde darzulegen. Die Anforderungen an die Darlegung des Ausschlussgrunds sind herabgesetzt, soweit sich die Behörde bei Akten, die wegen ihres thematischen Bezugs zum Untersuchungsgegenstand bereits in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einbezogen worden sind, auf eine Vermutungswirkung berufen kann. Im Übrigen trifft die Verwaltungsbehörde die volle Darlegungslast mit der Folge, dass sie näher begründen muss, warum die betreffenden Unterlagen für weitere Ermittlungen bedeutsam sein können und inwiefern die Bekanntgabe der in ihnen enthaltenen Informationen geeignet wäre, den Untersuchungszweck zu gefährden.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1; EMRK Art. 10 Abs. 1 S. 2; IFG § 1 Abs. 1 S. 1, § 3 Nr. 1 Buchst. d, g Alt. 3, Nr. 4; KWG § 9; WpHG § 8
Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.07.2012; Aktenzeichen 7 K 403/11.F (V)) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juli 2012 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen der beklagten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die im Zusammenhang mit der Aufsicht über die H. angefallen sind. Die Unterlagen betreffen Vorgänge um die finanzielle Schieflage, in die die H. auch aufgrund der Finanzgeschäfte einer Konzerntochter, der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, in den Jahren 2007/2008 geraten ist. Der Kläger, damaliger Aktionär der H., hat im Jahr 2009 gegen die H. Schadensersatzklage wegen kapitalmarktrechtlicher Pflichtverletzungen erhoben sowie die Einleitung eines Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz beantragt; in diese Verfahren möchte er die Informationen einbringen.
Die Staatsanwaltschaft München I leitete im Jahre 2008 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren u.a. gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der H. wegen des Verdachts der Untreue und anderer Delikte ein; Gegenstand dieses Verfahrens waren insbesondere „Ermittlungen zur Vertretbarkeit des Risikomanagements und der Refinanzierungsstruktur der Gruppe”. Die Beklagte stellte der Staatsanwaltschaft Teile ihrer Akte betreffend eine wertpapieraufsichtliche Untersuchung zu einer Ad-hoc-Mitteilung der H. vom 15. Januar 2008 (WA 22-WP 5215-90001533) in zwei Ordnern unter der Bezeichnung „H. AG Antwortschreiben vom 28.02.2008 + Anlagen” und „H. Group Antwortschreiben vom 25.04.08 und Anlagen zum Antwortschreiben an die BaFin vom 25.04.08” zur Verfügung. Darüber hinaus wurden der Staatsanwaltschaft weitere Unterlagen (Vorgang BA 31-K5100-120388-8/2010, aus dem Vorgang BA 31-K5100-120388-2/2008 ein Absatz des Finanz- und Risikoberichts der H. Gruppe vom 28. Januar 2008 sowie die Vorgänge BA 22-K5100-118864-5/2008 und BA 22-K5100-118864-3/2010) übermittelt.
Den Antrag des Klägers auf Einsicht in die bei der Beklagten über die H. geführten Akten, insbesondere in 30 im Einzelnen bezeichnete Dokumente, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 2010 ab. Soweit die Unterlagen überhaupt bei der Beklagten geführt würden, stünden dem Informationszugang auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes mehrere Ausschlussgründe entgegen. Das Bekanntwerden der beanspruchten Informationen hätte nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Beklagten im Sinne von § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG. Darüber hinaus sei der Informationszugang nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 9 KWG ausgeschlossen. Schließlich habe der begehrte Informationszugang nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG. Die Staatsanwaltschaft ermittle im Umfeld der H.. Es könne nicht erwartet werden, dass die Beklagte gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft jegliche Information daraufhin überprüfe, ob deren Freigabe die Ermittlungen gefährde. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2011 zurück.
Mit seiner hiergegen zum Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger Einsicht sowohl in die der Staatsanwaltschaft vorgelegten Unterlagen als auch in die Unterlagen begehrt, die noch nicht zum Ermittlungsverfahren gereicht worden waren. Den im Lauf des Klageverfahrens gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Mai 2012 (7 L 1237/12.F) ab. Auf die Beschwerde des Klägers verpflichtete der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Beklagte mit Beschluss vom 3. Juli 2012 (6 B 1209/12), dem Kläger unverzüglich Zugang zu 6 Blättern aus dem Aktenvorgang WA 22-WP 5215-90001533 zu gewähren. Diese Unterlagen waren von der Beklagten in einem Parallelverfahren bereits herausgegeben worden.
Insoweit hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Juli 2012 das Verfahren eingestellt und die Klage im Übrigen – auch unter Bezugnahme auf seinen Be-schluss vom 10. Mai 2012 und das in einem Parallelverfahren ergangene Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2012 (– 6 A 1150/10 – DVBl 2012, 701) – abgewiesen: Der Versagungsgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG sei nicht gegeben. Ob die Beklagte sich zu Recht auf § 3 Nr. 4 IFG berufen habe, könne dahinstehen. Denn der Versagungsgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG sei erfüllt. Der begehrte Informationszugang könne nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung des gegen frühere Verantwortliche der Beigeladenen gerichteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens haben. Die Feststellung einer konkreten Möglichkeit einer erheblichen und spürbaren Beeinträchtigung der Arbeit der Behörde, die das strafrechtliche Ermittlungsverfahren führe, erfordere eine auf Tatsachen gegründete Prognose. Eine solche Prognose sei aufgrund von Auskünften und Stellungnahmen insbesondere der Staatsanwaltschaft München gerechtfertigt, die teilweise vom Verwaltungsgerichtshof im Parallelverfahren eingeholt worden seien. Daraus ergebe sich, dass von der Hauptversammlung der H. ein aktienrechtlicher Sonderprüfer eingesetzt worden sei, der auch mögliche Bilanzmanipulationen und falsche Darstellungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der H. untersuchen solle. Das erwartete Gutachten überschneide sich demnach mit dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren. Aus dem Gutachten des Sonderprüfers, dem erweiterte Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, könnten sich noch weitere Ermittlungsansätze ergeben. Es erscheine möglich, dass dabei nicht nur die bereits bei der Staatsanwaltschaft vorliegenden, sondern auch die bei der Beklagten verwahrten Unterlagen herangezogen werden müssten. Es sei weder vom Kläger dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, die sich die Beklagte zu eigen gemacht habe, auf fehlerhaften Annahmen beruhen könnte. Es obliege in erster Linie der zuständigen Ermittlungsbehörde, diesbezüglich eine fachliche Einschätzung vorzunehmen. Schließlich seien die der Staatsanwaltschaft vorgelegten Unterlagen weder von den Verteidigern der Beschuldigten noch von Dritten eingesehen worden.
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung der Beklagten eingelegten Sprungrevision trägt der Kläger vor: Auf § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG könne die Informationsverweigerung nicht gestützt werden. Diese Vorschrift setze voraus, dass die Gefährdung des Ermittlungsverfahrens durch den Informationszugang zumindest möglich sei; dies müsse durch konkrete Fakten untermauert sein. Das Verwaltungsgericht stelle dies unter Bezugnahme auf die einen anderen Sachverhalt betreffende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs fest; das verstoße gegen den Überzeugungsgrundsatz, der eine Einzelfallbetrachtung erfordere. Jedenfalls lege die Beklagte nicht dar, warum ein Nachteil für die Ermittlungen eintrete, wenn die vorhandenen Informationen bekannt würden. Sie zeige nicht detailliert auf, an welchen Dokumenten im Ermittlungsverfahren ein besonderes Interesse bestehen könne. Die Annahme, wonach es in erster Linie der zuständigen Ermittlungsbehörde obliege, eine fachliche Einschätzung zum Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG abzugeben, sei verfehlt. Die Beklagte dürfe die Verantwortung nicht auf die Staatsanwaltschaft verlagern. Es gehe auch nicht an, den Informationsanspruch in der Weise zu verwässern, dass letztlich der im Auftrag der H. handelnde Sonderprüfer über den Zeitpunkt eines Informationszugangs entscheide. Die Verweigerung des Informationszugangs sei schließlich auch nicht geeignet, Nachteile im Ermittlungsverfahren zu verhindern. Denn nicht nur die Beteiligten des Strafverfahrens, sondern auch Dritte, wie z.B. der Sonderprüfer, hätten Einblick in die Akten der Staatsanwaltschaft gehabt. Von einer besonderen Geheimhaltungsbedürftigkeit könne selbst dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn die von der Staatsanwaltschaft gewährte Möglichkeit der Akteneinsicht von den Verteidigern nicht wahrgenommen worden sei. Im Übrigen sei die Befürchtung, durch die Herausgabe der Informationen könnten möglicherweise Zeugen beeinflusst werden, unbeachtlich; denn über die Werthaltigkeit einer Zeugenaussage habe das erkennende Strafgericht nach freier Überzeugung zu entscheiden. Der Informationszugang sei zumindest teilweise, in erster Linie unter Vornahme von Schwärzungen bzw. unter der Auflage der Verschwiegenheit, zu gewähren. Andere Versagungsgründe, namentlich § 3 Nr. 1 Buchst. d und Nr. 4 IFG lägen nicht vor. Jedenfalls lege die Beklagte nicht ausreichend dar, dass die materiellen Voraussetzungen der § 8 WpHG und § 9 KWG erfüllt seien. Im Übrigen ergebe sich ein Informationszugangsanspruch auch im Wege der Amtshaftung wegen der Verletzung der Handlungspflicht aus § 1 IFG. Er könne sich darüber hinaus auf Art. 10 EMRK berufen. Schließlich stehe ihm als einem Dritten Akteneinsicht auch in entsprechender Anwendung des § 29 VwVfG zu.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juli 2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 14. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2011 zu verpflichten, dem Kläger Kopien folgender Unterlagen zur Verfügung zu stellen:
WA 22-WP 5215-90001533-2008/0001-H. Holding, BA 31-K5100-120388-8/2010, BA 31-K5100-120388-2/2008, BA 22-K5100-118864-5/2008 und BA 22-K5100-118864-3/2010
sowie
- • Unterlagen zur D.-Übernahme, z.B. Due Diligence oder sonstige interne Memos zur Risikobewertung der D.,
- • Merger Agreement H.-D. vom 23.07.2009,
- • Zwischenbericht von G. vom 16.06.2009 zu H. und D.,
- • BMF-Bericht vom 07.11.2008,
- • Bericht der Deutschen Bundesbank vom 23.09.2008 über das Risikoprofil der H.,
- • Zwischenbericht zur Sonderprüfung bei der H. und D. vom 17.03.2008,
- • Unterlagen zur Doppelbilanzierung im Hause D.,
- • Unterlagen zur Meldung an die irische Aufsicht, dass die D. kurzfristigen Kapitalbedarf i.H.v. 4 Mrd. EUR von der H. hat,
- • alle Meldungen von 2007 bis Ende 2008 an die BaFin wegen Selbstbefreiung von Ad-hoc-Pflicht,
- • Unterlagen und Schriftwechsel sowie E-Mail-Verkehr im Zusammenhang mit der angeblichen Überkreuzfi-nanzierung zwischen H. und H.bank (Codename: …); hierzu gehören insbesondere Unterlagen, die über den Zweck der Gründung der Zweckgesellschaften namens Dr., R. und Ha. aufklären,
- • weiterer Schriftverkehr zwischen BaFin und H. aus dem Jahr 2008,
- • Unterlagen zur … Versicherung der H. – welche besteht, in welcher Höhe bei der H.,
hilfsweise,
Kopien folgender Unterlagen zur Verfügung zu stellen: Vorgang WA 22-WP 5215-90001533, S. 69 bis 71, 72 bis 76, 86 bis 87, 88, 125 bis 163, 164 bis 166, 175, 189 bis 190, 191 bis 193, 198 bis 208, 707 bis 727, 728 bis 730, 738 bis 739, 740, 836 bis 838, 867 bis 871, 872 bis 882, 883 bis 886, 887 bis 888, 889 bis 890.
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, zu den in Ziffer 1 aufgeführten Unterlagen und Akteninhalten Akteneinsicht zu gewähren, hilfsweise hierüber mündliche Auskunft zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Die begehrten Unterlagen überschnitten sich inhaltlich mit den Ermittlungen des Sonderprüfers zur Vertretbarkeit des Risikomanagementsystems und der Refinanzierungsstruktur der H. sowie mit den polizeilichen Ermittlungen. Es lasse sich nicht mit Sicherheit beurteilen, welche Informationen ein laufendes Ermittlungsverfahren in welcher Weise gefährden könnten. Einzelne Informationen, die zunächst belanglos erschienen, könnten sich nachträglich als relevant erweisen. Das gelte unabhängig davon, ob sie bereits an die Staatsanwaltschaft weitergegeben worden seien. Die Staatsanwaltschaft könne jederzeit weitere Unterlagen aus dem Aktenbestand der Beklagten beiziehen. Eine substantiierte Darlegung der Tatsachen und der Bedeutung der Informationen für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei der Beklagten regelmäßig nicht aus eigener Kenntnis möglich. Sie sei auf die Mithilfe der jeweiligen Ermittlungsbehörde angewiesen, der eine Einschätzungsprärogative bezogen auf die Bedeutung und die Auswirkungen der Bekanntgabe der angeforderten Informationen zukomme. Es sei jedoch unzweckmäßig und unverhältnismäßig, zusammen mit der Staatsanwaltschaft sämtliche Informationen auf ihre Geheimhaltungsbedürftigkeit durchzusehen. Darüber hinaus sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG gegeben. Danach seien abstrakte, nicht auf den konkreten Fall bezogene nachteilige Auswirkungen ausreichend. Der Informationszugang sei zudem nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 11 FinDAG, § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG, § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG ausgeschlossen. Auf eine andere Rechtsgrundlage könne der Informationszugang nicht gestützt werden.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen der Beklagten an. Darüber hinaus macht sie geltend, dass sowohl den anwaltlichen Vertretern des Sonderprüfers als auch den Vertretern der Beigeladenen lediglich Einblick in die chronologische Ermittlungsakte gewährt worden sei, die nur die reine (Ermittlungs-)Arbeit der Staatsanwaltschaft umfasse. Eine weitergehende Konkretisierung der Gefährdungslage bezogen auf die einzelnen Dokumente und gegebenenfalls eine Beschränkung der Herausgabe auf einzelne Dokumente sei in tatsächlicher Hinsicht gar nicht möglich, weil Inhalt und Umfang möglicher weiterer Ermittlungsmaßnahmen vom Inhalt des ausstehenden Gutachtens des Sonderprüfers abhingen.
Entscheidungsgründe
II
1. Der Senat kann über die Revision des Klägers in der Sache entscheiden, ohne die H. AG förmlich – und nicht allein der Sache nach vermittelt über die beigeladene Tochtergesellschaft – am Verfahren zu beteiligen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit keine notwendige Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) unterlassen, die im Revisionsverfahren gemäß § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO zunächst nachgeholt werden müsste.
Die Beiladung ist notwendig, wenn die vom Kläger begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar Rechte des Beigeladenen gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden, oder anders gewendet, wenn die Entscheidung unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen Dritter gestalten soll, sie aber ohne deren Beteiligung am Verfahren nicht wirksam gestalten kann. Im Rahmen der Verpflichtungsklage liegen diese Voraussetzungen dann vor, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt, der gegen einen Dritten gerichtet sein und diesen belasten soll, ferner dann, wenn der erstrebte Verwaltungsakt zugleich den Kläger begünstigt und den Dritten belastet, wenn also die rechtsgestaltende Wirkung des erstrebten Verwaltungsakts einen Dritten unmittelbar in dessen Rechtsposition betrifft, weil er Adressat des angestrebten Verwaltungsakts sein soll (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Juni 2013 – 6 C 21.12 – Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 18 Rn. 10 f. und vom 29. Juli 2013 – 4 C 1.13 – juris Rn. 7 f.; Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 65 Rn. 24). An der hiernach erforderlichen Adressatenstellung der H. fehlte es selbst im Falle einer Verpflichtung zur positiven Bescheidung des Informationszugangsantrags. Die H. könnte in einem solchen Falle zwar in ihren Rechten betroffen sein, wenn Zugang zu Informationen gewährt werden soll, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten; diese Betroffenheit rechtfertigt indessen lediglich eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO (a.A. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1999 – 7 C 32.98 – Buchholz 406.252 § 7 UIG Nr. 1 S. 3). Im Übrigen wird dem Interesse (potenziell) betroffener Dritter im gerichtlichen Verfahren dadurch Rechnung getragen, dass eine abschließende Entscheidung mit belastender Drittwirkung mangels Spruchreife ausscheidet, folglich gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO nur ein Bescheidungsausspruch in Betracht kommt, und der Schutz entgegenstehender Rechtspositionen im anschließenden neuen Verwaltungsverfahren durch § 8 Informationsfreiheitsgesetz – IFG i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) gesichert ist.
2. Die nach § 134 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG grundsätzlich gegebene Informationszugangsanspruch gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. g Alt. 3 IFG ausgeschlossen ist, verstößt gegen Bundesrecht (3.). Das Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Ein allgemeiner Informationsversagungsgrund folgt hier nicht aus § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG (4.). Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht möglich. Die Sache ist demnach gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (5.).
3. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 3 Nr. 1 Buchst. g Alt. 3 IFG unter Verstoß gegen Bundesrecht bejaht. Zwar hat das Verwaltungsgericht den hier anzulegenden rechtlichen Maßstab dem Grunde nach nicht verkannt (a). Den besonderen Anforderungen an die Feststellung dieses Ausschlussgrunds ist es aber nicht gerecht geworden (b).
a) aa) Gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. g Alt. 3 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen haben kann. Solche Auswirkungen sind gegeben, wenn die Effektivität staatlicher Ermittlungstätigkeit beeinträchtigt werden kann. Zentrale Aufgabe des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist die Sachverhaltserforschung und Wahrheitsfindung. Der Erreichung dieses Untersuchungszwecks ist es abträglich, wenn Beschuldigte, Zeugen oder sonstige Dritte bei Kenntnis relevanter Informationen nachteilig auf das Ermittlungsverfahren einwirken, indem sie dieses Wissen zur Verdunkelung oder zur Beeinflussung von Zeugen nutzen oder ihr Aussageverhalten darauf einstellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. September 1995 – StB 54/95 – NJW 1996, 734 ≪juris Rn. 5≫, vom 15. April 2003 – 1 StR 64/03 – BGHSt 48, 268 ≪juris Rn. 23≫ und vom 22. September 2009 – 3 StB 28/09 – juris Rn. 19; Löwe-Rosenberg/Hilger, StPO, 26. Aufl. 2009, § 406e Rn. 13; LöweRosenberg/Erb, StPO, 26. Aufl. 2007, § 168c Rn. 15; Wessing, in: BeckOK StPO, § 147 Rn. 5a; Schlothauer, in: Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, § 3 Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1999 – 7 C 32.98 – BVerwGE 110, 17 ≪23 f.≫).
Das Bekanntwerden der Informationen kann nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut der staatlichen Strafrechtspflege haben, wenn aufgrund der konkreten Umstände deren Beeinträchtigung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies erfordert eine auf konkreten Tatsachen beruhende prognostische Bewertung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 – 7 C 1.12 – Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 38 ff.).
bb) Die Feststellung eines solchen Gefährdungspotenzials muss den besonderen Funktionsbedingungen der staatlichen Strafrechtspflege Rechnung tragen. Denn die um den Informationszugang angegangene aktenführende Verwaltungsbehörde kann dies mit ihren eigenen Erkenntnismöglichkeiten in aller Regel nur unvollkommen leisten. Zwar kennt sie ihre Akten und kann – anhand der Angaben der Staatsanwaltschaft zum strafrechtlichen Vorwurf, der Anlass für das Ermittlungsverfahren ist – im Allgemeinen feststellen, ob jedenfalls ein inhaltlicher Bezug der in ihren Akten enthaltenen Informationen zum Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen besteht und damit die Grundvoraussetzung für das Vorliegen des Ausschlussgrunds gegeben ist. Für die daran anschließende Beurteilung, ob und inwieweit das Bekanntwerden dieser Informationen sich negativ auf das Ermittlungsverfahren auswirken kann, ist die Verwaltungsbehörde aber in erster Linie auf die Einschätzung der Ermittlungsbehörde angewiesen. Diese ist mit dem Stand ihrer Ermittlungen vertraut, hat den Überblick über gegebenenfalls noch ausstehende, weil derzeit hypothetische Ermittlungsansätze und kann die Auswirkungen des Bekanntwerdens weiterer Informationen auch aufgrund ihrer Sachkunde und ihres Erfahrungshorizonts bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 – 5 StR 299/03 – BGHSt 49, 317 ≪juris Rn. 36≫).
Aus den Besonderheiten des Informationsfreiheitsrechts können sich spezifische Anforderungen an die Aufbereitung der Prognosegrundlage und an die Darstellung der Prognose ergeben. Will die Behörde den grundsätzlich gegebenen Informationszugang versagen, erschöpft sich ihre Darlegungslast nicht allein in der Benennung des einschlägigen Ausschlussgrunds (BT-Drs. 15/4493 S. 6). Im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft muss sie, soweit dies unter Wahrung der von ihr behaupteten Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen möglich ist, in nachvollziehbarer Weise Umstände vortragen, die auch für den Antragsteller, der die Informationen gerade nicht kennt, den Schluss zulassen, dass die Voraussetzungen des in Anspruch genommenen Versagungsgrunds vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 – 7 C 1.12 – Buchholz 404, IFG Nr. 10 Rn. 41; Schoch, IFG, 1. Aufl. 2009, Vorb §§ 3 bis 6 Rn. 50). Das kann insbesondere bei umfänglichen Informationszugangsbegehren eine auf die einzelnen Teile eines Aktenbestands bezogene differenzierende Darstellung erfordern. Dieses Erfordernis hat einen prozeduralen Bezug. Gleichwohl handelt es sich um einen aus dem materiellen Recht folgenden rechtlichen Maßstab, an dem tatsächliche Feststellungen zu messen sind.
cc) Aus den genannten Umständen folgt keine umfassende Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung des Vorliegens des Versagungsgrunds durch Anerkennung eines behördlichen Beurteilungsspielraums. Die verbindliche Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe ist auch im Rahmen des § 3 IFG grundsätzlich Sache der Gerichte. Eine Ausnahme hiervon hat die Rechtsprechung lediglich für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG – nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen – angesichts des weit bemessenen Gestaltungsspielraums der Bundesregierung für die Regelung der auswärtigen Beziehungen anerkannt (BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2009 – 7 C 22.08 – Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 13 ff. und vom 27. November 2014 – 7 C 12.13 – Rn. 32 ff.). Die Funktionsgrenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind demgegenüber beim Versagungsgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG nicht etwa deswegen überschritten, weil strafrechtlich und strafverfahrensrechtlich geprägte Erwägungen zur Überprüfung stehen. Denn auch Entscheidungen der Staatsanwaltschaft über Anträge auf Gewährung von Akteneinsicht nach den einschlägigen Vorschriften der Strafprozessordnung werden als voll überprüfbar angesehen (vgl. Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 147 Rn. 135; Wessing a.a.O. Rn. 5; Schlothauer a.a.O. Rn. 41 jeweils m.w.N.; siehe auch Ignor/Bertheau, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, § 68b Rn. 11, 23). Soweit der Staatsanwaltschaft ein „weiter Entscheidungsspielraum” nicht lediglich bei der Ermessensentscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht, sondern bei der Frage der Gefährdung des Untersuchungszwecks zugestanden wird (so BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 1 StR 498/04 – NJW 2005, 1519; siehe aber auch die dort zitierte Belegstelle bei Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, § 406e Rn. 12), folgt daraus nichts Abweichendes. Vielmehr ist dem nur zu entnehmen, dass bei der nachvollziehenden gerichtlichen Kontrolle dem ermittlungstaktischen Erfahrungswissen der Staatsanwaltschaft Rechnung zu tragen ist.
b) Das Verwaltungsgericht ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 Buchst. g Alt. 3 IFG den vorstehenden Maßstäben nicht gerecht geworden.
aa) Ohne Erfolg rügt der Kläger allerdings einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO). Der Kläger meint, dass von einer unabhängigen, aufgrund freier Überzeugung ergangenen Einzelfallentscheidung nicht gesprochen werden könne, weil das Verwaltungsgericht auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bezug nehme. Damit beanstandet er nicht oder zumindest nicht vorrangig die Gewinnung der Tatsachengrundlage durch das Verwaltungsgericht und damit einen hier gemäß § 134 Abs. 4 VwGO von vornherein unbeachtlichen Verfahrensmangel. Vielmehr bemängelt er eine fehlerhafte richterliche Überzeugungsbildung bei der Würdigung des Sachverhalts, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist. Ein solcher Verstoß liegt hier nach Maßgabe der insoweit anzulegenden zurückhaltenden revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstäbe nicht vor. Denn es steht dem Gericht nicht zuletzt aus arbeitsökonomischen Gründen frei, auf die Ausführungen eines anderen Gerichts Bezug zu nehmen, wenn das entscheidende Gericht von der Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Sachverhalte ausgeht und den Rechtsstandpunkt des anderen Gerichts teilt.
bb) Das Verwaltungsgericht nimmt eine hinreichend konkrete Gefährdung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auf der Grundlage der in den gerichtlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft an, wonach eine (nochmalige) Verwendung der Akten im Anschluss an die Vorlage des Gutachtens des Sonderprüfers in Betracht komme und eine Beeinträchtigung des dann fortzuführenden Ermittlungsverfahrens möglich sei. Hinsichtlich der bereits beigezogenen Akten der Beklagten gelte dies nicht zuletzt deswegen, weil bislang die Akten bei der Staatsanwaltschaft noch nicht eingesehen worden seien.
Diese Ausführungen sind jedenfalls deswegen unzureichend, weil die Voraussetzungen des Ausschlussgrunds nicht, wie geboten, konkret bezogen auf die einzelnen Akten und Aktenbestandteile dargelegt werden.
(1) Das gilt zunächst für die der Staatsanwaltschaft bereits vorliegenden Akten der Beklagten. Wenn Akten wegen ihres thematischen Bezugs zum Untersuchungsgegenstand in staatsanwaltschaftliche Ermittlungen einbezogen worden sind, liegt zwar grundsätzlich die Möglichkeit nahe, dass sie nach Vorlage des Berichts eines Sonderermittlers aufgrund daraus resultierender neuer Ermittlungsansätze nochmals herangezogen werden müssen und dass die in ihnen enthaltenen Informationen zur Wahrung des Zwecks dieser weiteren Ermittlungen noch nicht offengelegt werden dürfen. Soweit diese Vermutung reicht, unterliegt die Verwaltungsbehörde herabgesetzten Anforderungen an die Darlegung des Ausschlussgrunds. Sie genügt ihrer Darlegungslast insoweit bereits, indem sie – wie hier – eine auf Prüfung der Sachlage gegründete Einschätzung der Staatsanwaltschaft vorlegt, dass neue Ermittlungsansätze denkbar sind und der Untersuchungszweck durch Preisgabe der begehrten Informationen gefährdet würde. Besondere Umstände können aber dazu führen, dass die Vermutungswirkung nicht trägt. Dann trifft die Verwaltungsbehörde die volle Darlegungslast mit der Folge, dass sie näher begründen muss, warum die betreffenden Unterlagen für weitere Ermittlungen bedeutsam sein können und inwiefern die Bekanntgabe der in ihnen enthaltenen Informationen geeignet wäre, den Untersuchungszweck zu gefährden. Das kann eine nach einzelnen Aktenbestandteilen differenzierende Prüfung und Begründung erfordern. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles war eine solche differenzierende Betrachtungsweise geboten.
Die Akten, die von der Beklagten zum Zweck der Vorlage an die Staatsanwaltschaft aus dem Vorgang WA 22-WP 5215-90001533 zusammengestellt worden sind, sind hiervon nicht auszunehmen. Ein inhaltlicher Bezug aller Aktenbestandteile zum Ermittlungsverfahren drängt sich zwar schon deswegen auf, weil diese Unterlagen gezielt für dieses Verfahren ausgewählt worden sind. Allein damit ist jedoch noch nicht dargetan, dass ein Informationszugang den Untersuchungszweck beeinträchtigen könnte. Denn nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichts kann davon nur dann ausgegangen werden, wenn die entsprechenden Informationen bislang nicht an Außenstehende gelangt sind. Bezüglich eines Teils der vorgelegten Schriftstücke folgt indessen Gegenteiliges aus dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2012 – 6 A 1150/10 (DVBl 2012, 703), auf das sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil und bereits zuvor in seinem Beschluss des vorläufigen Rechtsschutzes bezogen hat. Ausweislich des dort (juris Rn. 18) wiedergegebenen erstinstanzlichen Urteils (VG Frankfurt/Main, Urteil vom 26. März 2010 – 7 K 243/09.F – juris Rn. 26 f.) hat die Beklagte in diesem Verfahren eine Aufstellung über den Inhalt der Akten vorgelegt und dort hinsichtlich verschiedener Unterlagen den Ausschlussgrund nach § 9 Abs. 3 IFG in Anspruch genommen, weil der Kläger sich diese Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen könne. Wenn aber Informationen öffentlich zugänglich sind, kann insoweit der Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 1 Buchst. g Alt. 3 IFG schwerlich vorliegen.
Zu den übrigen vorgelegten Vorgängen fehlt bei dreien jegliche erläuternde Angabe, der vierte wird umschrieben als „ein Absatz des Finanz- und Risikoberichts der H. Gruppe vom 28. Januar 2008”. Wenn das, was naheliegt, so zu verstehen sein sollte, dass dieser Bericht von der H. stammt, spricht alles dafür, dass er den Beschuldigten bekannt war. Nachteilige Auswirkungen durch den begehrten Informationszugang drängen sich dann jedenfalls nicht auf und bedürfen einer näheren Darlegung.
(2) Bei den Akten, die von der Staatsanwaltschaft im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch nicht beigezogen waren, fehlt von vornherein die oben genannte Vermutungswirkung, so dass die Beklagte der vollen Darlegungslast unterliegt. Die Beklagte hat diese Unterlagen bei der Zusammenstellung von für das Ermittlungsverfahren vermutlich bedeutsamen Aktenbestandteilen nicht berücksichtigt; auch die Staatsanwaltschaft sah keine Veranlassung, sie bei der Beklagten anzufordern. Die Möglichkeit, dass solche Akten nunmehr erstmals ungeachtet der bisherigen Dauer eines gründlich geführten Verfahrens für die Ermittlungen überhaupt von Bedeutung sind, kann sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft dann allein aus neuen Ermittlungsansätzen ergeben, die aus dem jedenfalls damals noch nicht vorliegenden Bericht des Sonderprüfers folgen. Eine verlässliche Einschätzung, mit welcher Wahrscheinlichkeit solche neuen Hinweise und somit die Fortführung der Ermittlungen zu erwarten sind, ist mangels Kenntnis des Berichts oder zumindest der vorbereitenden Erkenntnisse des Sonderprüfers nicht möglich. Die Ermittlungsbehörde darf gleichwohl im Interesse einer umfassenden und erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung auch solche vagen Erwartungen in ihre Überlegungen einstellen. Im Anschluss daran hat auch die Verwaltungsbehörde den Schutz derartiger hypothetischer Ermittlungsansätze sicherzustellen. Der Anwendungsbereich des § 3 Nr. 1 Buchst. g Alt. 3 IFG ist demnach nicht auf die Akten zu beschränken, die die Ermittlungsbehörden bereits beigezogen hat (so aber Roth, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, IFG, 2. Aufl. 2013, § 3 Rn. 78). Die in Betracht kommenden Akten sind wiederum inhaltlich aufzubereiten, um in der Entscheidung über den Ausschlussgrund zum einen den inhaltlichen Bezug zum Ermittlungsgegenstand und zum anderen die jedenfalls grundsätzliche Eignung eines Informationszugangs zur Beeinträchtigung des Untersuchungszwecks darzulegen.
Diesen Anforderungen ist die Beklagte auch in dieser Hinsicht nicht gerecht geworden. Teilweise fehlt es bereits dem Grunde nach an solchen Darlegungen. Teilweise erscheint entweder der erforderliche inhaltliche Bezug oder die jedenfalls grundsätzliche Gefährdungseignung aufgrund der vorliegenden Angaben als zweifelhaft, so dass es eingehenderer Erläuterungen bedurft hätte.
(2.1) Von Letzterem ist insbesondere hinsichtlich des Teils aus dem Vorgang WA 22-WP 5215-90001533 auszugehen, der von der Beklagten noch nicht an die Staatsanwaltschaft übergeben worden ist. Hierzu hat die Beklagte dem Verwaltungsgericht im Eilverfahren ein Verzeichnis der diesbezüglichen Aktenbestandteile vorgelegt (Schriftsatz vom 27. April 2012, GA S. 292 ff.). Daraus erschließt sich in nachvollziehbarer Weise, warum die Beklagte diese Aktenbestandteile vor Übersendung an die Staatsanwaltschaft aussortiert hat: Sie schienen jedenfalls nach damaligem Erkenntnisstand für das Ermittlungsverfahren nicht von Interesse; es fehlt bislang auch an Anhaltspunkten, dass sich durch das Gutachten des Sonderprüfers an dieser Einschätzung etwas ändern könnte.
So dürfte nichts dafür sprechen, dass ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln (Nr. 6) oder ein Widerspruchsbescheid in einem anderen IFG-Verfahren (Nr. 13) etwas zur Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf die strafrechtlichen Vorwürfe beitragen kann. Gleiches gilt für Informationen über das Vorgehen der H. zur Beantwortung der Auskunftsersuchen und zum aufsichtsrechtlichen Vorgehen (Nr. 5), den internen E-Mail-Verkehr „über ein öffentlich nicht bekanntes Auskunftsersuchen” der Beklagten (Nr. 8), einen Telefonvermerk „über Datenerteilung der H.” – hier verweist die Beklagte auf personenbezogene ten – (Nr. 9), Gesprächsnotizen über Unternehmensinterna der H. – auch hier erwähnt die Beklagte personenbezogene Daten – (Nr. 11), den Schriftverkehr zur Anfrage eines H.-Aktionärs (Nr. 12), ein Schreiben der BaFin an die H. zum Stand des Untersuchungsverfahrens (Nr. 15) sowie Überlegungen zum weiteren Vorgehen in einem anderen Untersuchungsverfahren (Nr. 16). Soweit es um Schriftstücke geht, die auch „interne Unternehmenszahlen der H.” enthalten (Nr. 1, 2, 3), ist ein Bezug zum Gegenstand der Ermittlungen ersichtlich gegeben. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Zahlen der Staatsanwaltschaft schon vorliegen. Schwer vorstellbar ist indessen, dass deren Herausgabe weitere Ermittlungen beeinträchtigen könnte. Das folgt schon daraus, dass die Zahlen den Beschuldigten bekannt sein müssen. Entsprechendes gilt für „öffentlich nicht bekannte Ausführungen der H. an die BaFin” (Nr. 14). Was sich unter dem „Ergebnis einer öffentlich nicht bekannten Analyse” verbirgt (Nr. 7), bleibt undeutlich und bedarf der Erläuterung.
(2.2) Was den Zugang zu Informationen angeht, die in den mit dem Antrag im Einzelnen bezeichneten Unterlagen enthalten sind, fehlt es an jeglichen hierauf bezogenen Darlegungen, die das Vorliegen des Versagungsgrunds nach § 3 Nr. 1 Buchst. g Alt. 3 IFG nachvollziehbar machen. Bei der Haftpflichtversicherung des Vorstands ist schon dem Inhalt nach nicht ersichtlich, in welcher Weise diese Informationen für das Ermittlungsverfahren von Bedeutung sein könnten. In zeitlicher Hinsicht können sich Zweifel ergeben hinsichtlich des „Merger Agreement H.-D. vom 20.07.2009”, denn die strafrechtlich zu würdigenden Vorgänge haben sich 2007/2008 abgespielt. Bei den meisten der übrigen Unterlagen handelt es sich um Vorgänge, die von der H. stammen oder, wie der Zwischenbericht einer Rechtsanwaltskanzlei, von ihr in Auftrag gegeben worden sind; somit spricht wiederum alles dafür, dass diese Informationen den Beschuldigten bereits bekannt sind. Insoweit könnte anderes gelten für den BMFBericht, den Bericht der Deutschen Bundesbank und den Zwischenbericht zur Sonderprüfung; aber auch das müsste zunächst von der Beklagten erläutert werden.
4. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte sich auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG nicht berufen kann. Der Senat ist schon im Urteil vom 24. Mai 2011 – 7 C 6.10 – (Buchholz 400 IFG Nr. 4 Rn. 13) dem Bestreben der Beklagten entgegengetreten, aufgrund allgemein gehaltener Befürchtungen über die Beeinträchtigung ihrer Aufgabenerfüllung eine faktische Bereichsausnahme für ihre Aufsichtstätigkeit zu erreichen. Daran ist festzuhalten. Dass diese Rechtsprechung in der Sache keine isolierte Prüfung des genannten Ausschlussgrunds vornimmt, sondern davon ausgeht, dass die Beklagte bei der Gewährung von Informationszugang die ihr durch andere Vorschriften auferlegten Beschränkungen beachtet, trägt der Systematik der Ausschlussgründe Rechnung. Anderenfalls würden durch eine großzügige Anwendung des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG die jeweiligen sach- und problembezogenen spezielleren Vorschriften überspielt. Dieser Ausschlussgrund kann demnach jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nur nachrangig in Betracht gezogen werden.
5. Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden. Die Sache ist vielmehr gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen; denn für eine abschließende Bewertung des geltend gemachten Klagebegehrens fehlt es an den notwendigen Feststellungen.
a) Solche sind nicht etwa deswegen entbehrlich, weil der Kläger aufgrund von Anspruchsgrundlagen neben dem Informationsfreiheitsgesetz die begehrte Akteneinsicht bzw. Auskunft verlangen könnte.
Auf einen Amtshaftungsanspruch kann sich der Kläger jedenfalls in der Sache schon deswegen nicht berufen, weil er einen Verstoß gegen das Informationsfreiheitsgesetz voraussetzt; dieser steht aber gerade noch nicht fest.
Ein verfassungsunmittelbarer Informationszugangsanspruch auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG steht dem Kläger nicht zu (BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99 – BVerfGE 103, 44 ≪59 f.≫; Beschluss vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 620/07 – BVerfGE 119, 309 ≪319≫; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2011 – 7 B 14.11 – Buchholz 400 IFG Nr. 5 Rn. 9). Auch bei Beachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 10 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II S. 686) ergibt sich nichts anderes. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK untersagt einem Konventionsstaat, eine Person am Empfang von Informationen Dritter zu hindern. Diese Vorschrift kann nach der Rechtsprechung des EGMR jedoch grundsätzlich nicht so verstanden werden, dass sie dem Staat die Pflicht auferlegt, Informationen zu geben. Nur ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn der Staat in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse über ein Informationsmonopol verfügt oder eine Informationsquelle aus anderen rechtlichen Gründen zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist. Selbst dann verbietet Art. 10 EMRK allerdings lediglich eine willkürliche, zensurähnliche Verhinderung des Informationszugangs, die insbesondere eine angemessene Presseberichterstattung unmöglich macht (siehe zur Rechtsprechung des EGMR etwa VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2014 – 5 ZB 13.1559 – NJW 2014, 1687 Rn. 8, 11 f.). Auf diese Ausnahmen kann sich der Kläger nicht berufen. Abgesehen davon, dass der Kläger den Informationszugang nicht im Interesse der Öffentlichkeit etwa zur Aufdeckung von Missständen, sondern im eigenen wirtschaftlichen Interesse begehrt, kann von einer Zensur nicht die Rede sein.
Schließlich ist neben den Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes kein Raum mehr für die Gewährung von Informationsrechten in entsprechender Anwendung des § 29 VwVfG.
b) Das Verwaltungsgericht wird gegebenenfalls zu prüfen haben, inwieweit nach zwischenzeitlichem Abschluss des Ermittlungsverfahrens und nach Zulassung der Anklage der Schutz eines laufenden Gerichtsverfahrens die Berufung auf den Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 1 Buchst. g Alt. 1 IFG rechtfertigen kann. Es wird des Weiteren insbesondere zu würdigen haben, ob der von der Beklagten gleichfalls in Anspruch genommene Versagungsgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 9 Kreditwesengesetz – KWG i.d.F. der Bekanntmachung durch Gesetz vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 10. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2085) gegeben ist. Dass diese Bestimmungen einem Informationszugang entgegenstehen können, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011 – 7 C 6.10 – Buchholz 400 IFG Nr. 4 Rn. 14 f.). Der mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des Fachsenats (BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2011 – 20 F 21.10 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 64 Rn. 10 ff.) begründete Einwand des Klägers geht fehl; denn er verkennt, dass der Fachsenat sich allein zur Auslegung der prozessrechtlichen Bestimmung des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verhält. § 9 KWG normiert ebenso wie § 8 Wertpapierhandelsgesetz – WpHG i.d.F. der Bekanntmachung durch Gesetz vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2085) eine besondere und deswegen im Rahmen von § 3 Nr. 4 IFG beachtliche Verschwiegenheitspflicht. Denn beide Vorschriften wollen im Unterschied zu allgemeinen Verschwiegenheitspflichten wie etwa nach § 37 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG i.d.F. der Bekanntmachung durch Gesetz vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010) zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 16 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) nicht lediglich ein Amtsgeheimnis im formellen Sinne sichern, um eine problemadäquate Entscheidungszuständigkeit über eine gegebenenfalls aus anderen Bestimmungen folgende Geheimhaltungsbedürftigkeit zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2012 – 20 F 2.11 – Rn. 9), sondern umschreiben die Geheimhaltungsbedürftigkeit zugleich nach materiellen Kriterien, so insbesondere Geschäftsund Betriebsgeheimnissen in beiden Bestimmungen sowie personenbezogenen Daten ausdrücklich nur in § 8 WpHG. Das Verwaltungsgericht wird in diesem Rahmen gegebenenfalls auch zu erwägen haben, ob sich im vorliegenden Fall bei der Auslegung und Anwendung des Versagungsgrunds des § 3 Nr. 4 IFG Folgerungen aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. November 2014 (C-140/13 – Altmann u.a.) ergeben, auf das die Beklagte und die Beigeladene ausdrücklich hinweisen.
Unterschriften
Dr. Nolte, Krauß, Dr. Philipp, Schipper, Brandt
Fundstellen
DStR 2015, 13 |
EWiR 2015, 263 |
WM 2015, 713 |
ZIP 2015, 496 |
DÖV 2015, 445 |
JZ 2015, 185 |
VR 2015, 180 |
ZInsO 2015, 2244 |
NJW-Spezial 2015, 185 |
ZBB 2015, 152 |
ZRFC 2015, 138 |