Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe in Krankheitsfällen. Beihilfe für ärztliche Wahlleistungen. Zuzahlungsbetrag bei Inanspruchnahme von Beihilfe für -. Zahlungspflicht des Beihilfeberechtigten. Kinder des Beamten, berücksichtigungsfähige und selbst beihilfeberechtigte -
Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für ärztliche Wahlleistungen kann davon abhängig gemacht werden, dass der Beihilfeberechtigte allmonatlich einen Zuzahlungsbetrag entrichtet.
Normenkette
LBG RP § 90; BVO RP § 5a
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.02.2004; Aktenzeichen 2 A 10153/04) |
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Entscheidung vom 09.12.2003; Aktenzeichen 6 K 1810/03.NW) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind die minderjährigen Kinder eines durch einen Dienstunfall ums Leben gekommenen Polizeivollzugsbeamten des beklagten Landes. Da sie künftig bei Krankheiten Beihilfe auch für ärztliche Wahlleistungen in Anspruch nehmen wollen, gab ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin am 18. März 2003 die in diesem Fall nach § 5 a der Beihilfeverordnung des Landes Rheinland-Pfalz erforderliche Erklärung ab, stellte aber klar, dass damit nicht die Rechtspflicht anerkannt werde, auch den nach dieser Vorschrift erforderlichen Zuzahlungsbetrag von monatlich 13 EUR zu entrichten. Gleichzeitig beantragte die Mutter im Namen der Kläger, der Beklagte möge zusichern, dass den Klägern Beihilfe zu Aufwendungen für Wahlleistungen auch ohne die Zahlung dieser Wahlleistungspauschale zustehe. Der Beklagte lehnte die Zusicherung ab. Widerspruch, Klage und Berufung waren erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt:
Der Beklagte sei nicht verpflichtet, den Klägern Beihilfe zu den Aufwendungen für ärztliche Wahlleistungen zu gewähren. Höherrangiges Recht gebiete nicht, dass Beihilfe zu ärztlichen Wahlleistungen geleistet wird, ohne dass die gesetzlich geforderte Wahlleistungspauschale entrichtet wird.
Die unterschiedliche Behandlung einerseits der Kinder eines noch lebenden Beamten, die eine derartige Beihilfe erhielten, wenn ihr Vater für sich und seine Familienangehörigen nur die eine monatliche Wahlleistungspauschale bezahle, und andererseits der Kinder eines verstorbenen Beamten, von denen jedes die monatliche Wahlleistungspauschale entrichten müsse, sei dadurch gerechtfertigt, dass die hinterbliebenen Kinder in eigener Person gegen den Dienstherrn ihres Vaters einen Anspruch auf Versorgung und Beihilfe hätten.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie rügen die Verletzung materiellen Rechts und beantragen der Sache nach,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Februar 2004 und des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d. Weinstraße vom 9. Dezember 2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 19. Mai und 9. Juli 2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern Beihilfe für Wahlleistungen i.S. des § 5 a BVO Rheinland-Pfalz ohne Entrichtung eines monatlichen Zuzahlungsbetrages von 13 EUR zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Die erstrebte Feststellung kann nicht getroffen werden. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern Beihilfe zu den Aufwendungen für ärztliche Wahlleistungen zu gewähren, ohne dass sie einen Betrag von 13 EUR monatlich bezahlen.
Der Beklagte ist nicht nach der – durch Art. 1 Nr. 2 der Vierzehnten Landesverordnung zur Änderung der Beihilfeverordnung vom 10. Dezember 2002 (GVBl S. 510) in die Beihilfeverordnung Rheinland-Pfalz (BVO RP) vom 31. März 1958 (GVBl S. 103) eingefügten – Vorschrift des § 5 a BVO RP verpflichtet, den Klägern Beihilfe zu ärztlichen Wahlleistungen zu gewähren. Nach § 5 a Abs. 1 Buchst. b BVO RP sind beihilfefähig unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen bestimmte medizinische Wahlleistungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift hat der Beihilfeberechtigte gegen Zahlung eines Betrages von 13 EUR monatlich einen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für diese Wahlleistungen, wenn er gegenüber der Festsetzungsstelle innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten erklärt, dass er für sich und seine berücksichtigungsfähigen Angehörigen Beihilfe zu den Aufwendungen für Wahlleistungen ab Beginn der Ausschlussfrist in Anspruch nehmen will.
Die Kläger sind als Kinder eines verstorbenen Beamten des Beklagten nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 BVO RP i.V.m. § 23 BeamtVG beihilfeberechtigt. Sie haben am 18. März 2003 und damit vor Ablauf der Drei-Monats-Frist, die frühestens am 1. Januar 2003 begonnen hat, die Erklärung abgegeben, im Falle eines stationären Krankenhausaufenthalts Beihilfen für die Aufwendungen für Wahlleistungen gemäß § 5 a BVO RP für sich in Anspruch nehmen zu wollen.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Beihilfen, wenn sie im Rahmen stationärer Behandlung Wahlleistungen verlangen, weil sie die in § 5 a Abs. 2 Satz 1 BVO RP dafür vorausgesetzte monatliche Wahlleistungspauschale von 13 EUR nicht zahlen.
Der Anspruch steht den Klägern nicht ungeachtet des Fehlens dieser verordnungsrechtlichen Voraussetzung zu. § 5 a Abs. 2 BVO RP ist nicht insoweit ungültig, als er einen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für ärztliche Wahlleistungen von der Zahlung einer Wahlleistungspauschale von monatlich 13 EUR abhängig macht. Die verordnungsrechtliche Regelung ist von der Ermächtigungsnorm des § 90 LBG RP gedeckt. Nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift ist der Verordnungsgeber ausdrücklich zum Erlass von „Bestimmungen über die Gewährung von Beihilfen für Wahlleistungen gegen Zahlung eines monatlichen Betrages” ermächtigt.
Die Gewährung der Beihilfe zu Wahlleistungen nur bei Zahlung von 13 EUR im Monat verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Die nach Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird nicht verletzt, weil sie unter dem gegenwärtigen Gefüge aus Alimentationsleistungen, mit denen auch die bei Krankheit notwendigen zusätzlichen Aufwendungen abgedeckt werden sollen, und aus ergänzender Beihilfe nicht gebietet, dass der Dienstherr finanzielle Unterstützung bei der Inanspruchnahme ärztlicher Wahlleistungen gewährt (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98 – BVerfGE 106, 225 ≪233 ff.≫). Kann eine Beihilfe zu Wahlleistungen gänzlich versagt werden, darf ihre Gewährung von der Entrichtung eines geringen Zuzahlungsbetrages abhängig gemacht werden.
Unmittelbar gegen das ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationsprinzip verstößt § 5 a Abs. 2 Satz 1 BVO RP nicht, weil das System der Beihilfe nicht Teil der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation ist (BVerfG, stRspr, vgl. Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98 – a.a.O. S. 232). Das Alimentationsprinzip ist auch nicht mittelbar, und zwar im Hinblick darauf, dass Dienstbezüge und Beihilfeleistungen aufeinander bezogen sind, verletzt. Gegen das Prinzip, dass die Dienstbezüge so bemessen sein müssen, dass der Beamte aus ihnen auch die Prämien für eine Krankenversicherung als Maßnahme der ihm obliegenden – die finanzielle Unterstützung seines Dienstherrn ergänzenden – Eigenvorsorge zahlen kann, wird nicht verstoßen. Die Inanspruchnahme medizinischer Wahlleistungen ist zur Gewährleistung einer medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Versorgung im Krankheitsfall nicht notwendig (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98 – a.a.O. S. 233 ff.). Entschließt sich der Beihilfeberechtigte, für eine etwaige Inanspruchnahme von Krankenhauswahlleistungen Zuzahlungen aus seiner Alimentation zu leisten, ist dies auf den Umfang der vom Dienstherrn geschuldeten Alimentation ohne Einfluss. Die Zuzahlung ist keine Vorsorge für Aufwendungen im Krankheitsfall, die notwendig sind.
Der von der Revision genannte Art. 6 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Beihilfe zu Wahlleistungen. Fürsorgerische Leistungen des Dienstherrn sind abschließend in Art. 33 Abs. 5 GG und den zur Konkretisierung dieser Verfassungsnorm ergangenen Rechtsvorschriften geregelt. Außerdem erwachsen aus dem in Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Gebot zur staatlichen Förderung der Familie keine Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1975 – 1 BvR 332/72 – ≪BVerfGE 39, 316, 326 ff.≫, Beschluss vom 7. Oktober 1992 – 2 BvR 1318/92 – ≪DVBl 1992, S. 1597≫).
Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass dem hinterbliebenen Kind eines verstorbenen Beamten Beihilfe zu Wahlleistungen nur gewährt wird, wenn es einen Betrag von 13 EUR monatlich zahlt, während das Kind eines noch lebenden Beamten – ebenso wie jeder Elternteil – Beihilfe zu Wahlleistungen erhält, wenn der Beamte monatlich nur einmal 13 EUR zahlt.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt vor, wenn der Gesetzgeber Übereinstimmungen oder Unterschiede in den zu ordnenden Lebensverhältnissen nicht berücksichtigt, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BVerfG, stRspr, vgl. Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98 – a.a.O. S. 240 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit mit der Folge einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG überschritten, wenn die Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist – mit andern Worten, wenn ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – ≪BVerwGE 118, 277, 283 ff. m.w.N.≫). Rechtfertigender Grund für die von den Klägern beanstandete Verschiedenbehandlung ist der Unterschied in der Rechtsposition, welche die hinterbliebenen Kinder eines verstorbenen Beamten einerseits und die Kinder eines noch lebenden Beamten andererseits haben.
Das Kind eines lebenden Beamten hat weder einen Alimentationsanspruch noch einen Beihilfeanspruch gegen den Dienstherrn seines Vaters. Anspruch auf die Besoldung sowie auf Beihilfe hat lediglich der Beamte selbst. Dass er ein Kind hat, wirkt sich nur auf die Höhe seines Anspruchs aus. Demgegenüber steht dem Kind eines verstorbenen Beamten als nach § 23 BeamtVG Versorgungsberechtigtem und nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 BVO RP Beihilfeberechtigtem in eigener Person ein Zahlungsanspruch gegen den Dienstherrn zu. Mit dem originären Anspruch auf Beihilfeleistungen erlangt der Hinterbliebene die Dispositionsbefugnis über die Zuzahlung. Er entscheidet darüber, ob er Wahlleistungen in Anspruch nehmen und hierfür einen pauschalierten Kostenbeitrag leistet. Aufgrund dieses Zahlungsanspruchs kann der Hinterbliebene ohne weiteres seine Verpflichtung zur Zahlung der Wahlleistungspauschale im Wege der nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 BVO RP vorgeschriebenen Verrechnung mit den Hinterbliebenenbezügen erfüllen. Demgegenüber trifft der Beamte zu seinen Lebzeiten auch die Entscheidung, welche Beihilfeleistungen den Familienangehörigen zugute kommen sollen und in welchem Umfang er hierfür eigenes Einkommen einsetzt. Dass aufgrund dieser Regelung von den mehreren Kindern eines verstorbenen Beamten jedes nur dann Wahlleistungen in Anspruch nehmen kann, wenn die monatliche Pauschale für jedes Kind gezahlt worden ist, ist wiederum die Konsequenz daraus, dass die Pflicht zur Zahlung der Wahlleistungspauschale den Beihilfeberechtigten trifft, der einen eigenen Alimentationsanspruch hat.
Der Verordnungsgeber war auch nicht verpflichtet, eine Anrechnungsvorschrift zu schaffen, wonach die Zahlung der Wahlleistungspauschale durch ein hinterbliebenes Kind auch für seine Geschwister wirkt. Die in dem Verzicht auf eine derartige Anrechnungsvorschrift liegende Typisierung und Vereinfachung der Regelung ist in Anbetracht der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei fürsorgerischen Leistungen, die, wie die Beihilfe zu Wahlleistungen, über das verfassungsrechtlich gewährleistete Minimum hinausgehen, auch angesichts des Zwanges zur Ordnung von Massenerscheinungen sowie des Verwaltungsaufwandes, der mit der Differenzierung verbunden wäre, auch unter den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG hinnehmbar (vgl. Urteil vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – a.a.O. S. 285).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Groepper, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
ZBR 2005, 309 |
ZTR 2005, 556 |
DÖD 2006, 128 |
RiA 2005, 196 |
ZfSH/SGB 2007, 40 |
DVBl. 2005, 1143 |
NPA 2006, -- |