Entscheidungsstichwort (Thema)
Approbation als Psychologischer Psychotherapeut. Übergangsregelung für die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut. Erforderlichkeit der Heilpraktikererlaubnis
Leitsatz (amtlich)
Eine psychotherapeutische Vortätigkeit kann im Rahmen der Übergangsregelung des Psychotherapeutengesetzes für die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut nicht berücksichtigt werden, wenn sie ohne die erforderliche Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz ausgeübt wurde.
Normenkette
PsychThG § 1 Abs. 3, § 12 Abs. 1, 4; GG Art. 12 Abs. 1; HeilpraktikerG §§ 1, 5
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 08.08.2001; Aktenzeichen 6 A 10255/01) |
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Urteil vom 03.11.2000; Aktenzeichen 7 K 2832/99. NW) |
Tenor
Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin nach der Übergangsvorschrift des § 12 Abs. 4 des zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Psychotherapeutengesetzes – PsychThG –.
Nach erfolgreichem Abschluss des Psychologiestudiums im Jahre 1987 war sie vom 1. Oktober 1989 bis zum 30. Juni 1995 freiberuflich im Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV in M.… tätig. Daneben ist sie seit dem 1. März 1989 zunächst als Mitarbeiterin, dann als Leiterin bei der Psychologischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen L.… des Bischöflichen Ordinariats S.… tätig. Diese Funktion übt sie seit dem 17. Oktober 1991 als fest angestellte Teilzeitkraft bei einem Beschäftigungsumfang von 50 % aus.
Der Klägerin wurde unter dem 4. Dezember 1998 nach dem Heilpraktikergesetz – HeilprG – die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie erteilt. Am 29. Dezember 1998 beantragte sie die Erteilung der Approbation als Psychologische Psychotherapeutin nach dem Psychotherapeutengesetz. Zur Begründung des Antrags legte sie diverse Unterlagen vor, u.a. eine Bescheinigung zur theoretischen Ausbildung in psychotherapeutischen Verfahren, wonach sie insgesamt 278 Stunden theoretischer Ausbildung absolviert hat. Außerdem reichte sie eine Bescheinigung des Bischöflichen Ordinariats S.… vom 22. Dezember 1998 ein, wonach die in der Psychologischen Beratungsstelle L.… praktizierte institutionelle Beratung eine eigene auf wissenschaftlicher Grundlage basierende schulenintegrative Methode verwende, die die Aufarbeitung oder Überwindung sozialer Konflikte oder krankheitsnaher Zustände außerhalb der Heilkunde unter Verwendung unterschiedlicher auch psychotherapeutischer Verfahren zum Ziel habe. Die Klägerin sei im Rahmen ihrer Honorar- und Angestelltentätigkeit mehr als 4 000 Stunden hauptberuflich psychotherapeutisch tätig gewesen.
Mit Bescheid vom 30. Juli 1999 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da sie vor dem 4. Dezember 1998 keine heilkundliche Psychotherapie als Krankenbehandlung ausgeübt habe; dies folge aus der Tatsache, dass sie zuvor keine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz – beschränkt auf die Ausübung der Psychotherapie – gehabt habe. Diese Erlaubnis sei grundsätzlich erforderlich. Im Einzelfall könne hierauf verzichtet werden, wenn unter ärztlicher Aufsicht psychotherapeutische Tätigkeiten ausgeübt worden seien, was jedoch in der Beratungsstelle der Klägerin nicht erfolgt sei.
Zur Begründung ihres am 25. August 1999 hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies die Klägerin unter anderem auf eine Bescheinigung der Stadt L.… vom 6. August 1999, wonach sie bereits im Jahre 1991 die formalen Voraussetzungen für eine Zulassung nach dem Heilpraktikergesetz – eingeschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie – erfüllt habe und ihr bei einer Antragstellung im Jahre 1991 die Zulassung erteilt worden wäre. Ferner legte sie eine vom 18. August 1999 datierende Bescheinigung des Bischöflichen Ordinariats S.… vor, wonach bei ihrer Anstellung der Studienschwerpunkt Klinische Psychologie entscheidend gewesen sei, da in den psychologischen Beratungsstellen auf klinisch-psychologische Fachkompetenz großer Wert gelegt werde; die Zulassung als Heilpraktikerin sei aus dortiger Sicht keine notwendige Einstellungsvoraussetzung gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 1999 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, da der Beschäftigungszeitraum der Klägerin vom 1. März 1989 bis zum 3. Dezember 1998 wegen Fehlens der Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz nicht zu berücksichtigen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin heilkundliche Psychotherapie als Krankenbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 3 PsychThG ausgeübt habe.
Zur Begründung ihrer daraufhin erhobenen Verpflichtungsklage hat die Klägerin unter anderem eine vom 13. Dezember 1999 datierende Arbeitgeberbescheinigung der Psychologischen Beratungsstelle L.… vorgelegt, in der im Wesentlichen Angaben zur Arbeit der Beratungsstelle gemacht werden, ohne auf das genaue Tätigkeitsfeld der Klägerin einzugehen. Ferner hat sie eine zweiseitige Aufstellung über 60 abgeschlossene Behandlungsfälle sowie eine vom 28. Januar 2000 datierende ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie E.… N.… aus L.… vorgelegt, nach deren Inhalt mit der Klägerin seit 1990 eine kontinuierliche Zusammenarbeit auf konsiliarischer und supervisorischer Ebene bestehe, vor allem, was medizinisch-psychiatrische und psychotherapeutische Belange der von der Klägerin betreuten Menschen betreffe. Im Übrigen trug die Klägerin vor, § 12 Abs. 4 PsychThG verlange seinem Wortlaut nach nicht, dass die dort geforderte psychotherapeutische Tätigkeit auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 1 Heilpraktikergesetz erfolgt sein müsse. Die formale Legalität der psychotherapeutischen Berufsausübung sei daher kein gesetzliches Kriterium für die nachzuweisende berufliche Qualifikation.
Mit Urteil vom 3. November 2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Bei § 12 PsychThG handele es sich um eine Übergangsvorschrift, die dem rechtsstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes der beim In-Kraft-Treten des Gesetzes bereits psychotherapeutisch tätigen Personen Rechnung trage. Vertrauensschutz genieße aber nur derjenige, der in der Vergangenheit in zulässiger und erlaubter Weise psychotherapeutisch tätig gewesen sei. Daher sei für die Übergangsregelung des § 12 PsychThG erforderlich, dass die dort als Voraussetzung normierte psychotherapeutische Tätigkeit in der Vergangenheit durch eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz abgedeckt gewesen sei. Hieran mangele es im Falle der Klägerin.
Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 8. August 2001 zurückgewiesen mit der Begründung, § 12 Abs. 4 PsychThG sei im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend dahin auszulegen, dass es sich bei der dort geforderten psychotherapeutischen Berufstätigkeit um eine erlaubte berufliche Betätigung gehandelt haben müsse. Diese Voraussetzung sei wegen Fehlens der Heilpraktikererlaubnis nicht erfüllt. Ferner sei bereits fraglich, ob von einer psychotherapeutischen Vortätigkeit ausgegangen werden könne. Nach ihrem Vorbringen und dem Inhalt der vorgelegten Bescheinigungen habe die Klägerin nämlich psychologische Tätigkeiten ausgeübt, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand gehabt hätten. Ihre bisherige Berufstätigkeit sei danach offenbar keine Ausübung von Psychotherapie im Sinne des § 1 Abs. 3 PsychThG gewesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, das Berufungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen einer psychotherapeutischen Vortätigkeit in Zweifel gezogen; materiell habe eine solche Tätigkeit vorgelegen. Diese sei zwar nach dem Heilpraktikergesetz nicht förmlich erlaubt gewesen, jedoch sei sie keineswegs materiell illegal in dem Sinne gewesen, dass sie nicht den Schutzzwecken und den Intentionen des Heilpraktikergesetzes genügt hätte.
Eine zuvor bestehende Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz sei für die Anwendung der Übergangsvorschrift des § 12 Abs. 4 PsychThG auch nicht erforderlich. Der Gesetzgeber habe die Ausübung der Psychotherapie gerade deshalb neu regeln wollen, weil das unzureichende Instrumentarium des Heilpraktikergesetzes keine qualitätsorientierte Psychotherapie gewährleistet habe. Das Psychotherapeutengesetz stehe deshalb nicht neben dem Heilpraktikergesetz, sondern löse es im Bereich der Psychotherapie ab. Das Gesetz mache die Anerkennung einer praktischen Vortätigkeit als Psychotherapeut im Rahmen des Approbationsverfahrens nicht davon abhängig, ob diese Tätigkeit zuvor mit oder ohne Heilpraktikererlaubnis ausgeübt worden sei. Im Übrigen ergebe sich auch aus dem Vergleich zur Vorschrift des § 12 Abs. 1 PsychThG, dass eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz nicht erforderlich sei. Denn die dort genannten, im Delegationsverfahren tätigen Psychologen bedürften dieser Erlaubnis gerade nicht. Die psychotherapeutische Vortätigkeit solle nicht nach formalen, sondern ausschließlich nach materiellen Kriterien bestimmt werden. Sei dies im Rahmen des § 12 Abs. 1 PsychThG so, könne für die Anwendung des § 12 Abs. 4 PsychThG nichts anderes gelten.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Approbation als Psychologische Psychotherapeutin hat, verletzt kein Bundesrecht.
Außer Zweifel steht, dass die Klägerin die seit dem 1. Januar 1999 geltenden allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation nach § 2 PsychThG nicht erfüllt. Sie hat weder die dafür in § 5 PsychThG vorgeschriebene Ausbildung absolviert noch die staatliche Prüfung abgelegt. Als Grundlage des von ihr geltend gemachten Anspruchs kommt daher nur die Übergangsregelung des § 12 Abs. 4 PsychThG in Betracht. Danach erhalten Personen, die ein Psychologiestudium erfolgreich abgeschlossen haben, auch ohne die ansonsten erforderliche Zusatzausbildung die Approbation, wenn sie vor dem 1. Januar 1999, dem Tag des In-Kraft-Tretens des Psychotherapeutengesetzes, 7 Jahre lang in erheblichem Umfang psychotherapeutisch tätig waren. Die Behandlungstätigkeit muss nach Absatz 4 Satz 2 im Grundsatz 4 000 Stunden oder 60 dokumentierte Behandlungsfälle umfassen, wobei die nachfolgenden Vorschriften Modifikationen vorsehen. In jedem Falle wird aber eine ausgedehnte psychotherapeutische Vortätigkeit vorausgesetzt.
Das angefochtene Urteil stützt die Klageabweisung auf zwei Gründe: Zum einen sei die im maßgeblichen Zeitpunkt ausgeübte berufliche Tätigkeit der Klägerin inhaltlich keine Ausübung von Psychotherapie gewesen. Selbst wenn man dies anders sehe, könne die Tätigkeit zum anderen deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie wegen Fehlens der erforderlichen Heilpraktikererlaubnis unerlaubt gewesen sei. Beide Gründe halten der revisionsgerichtlichen Prüfung stand.
Als Ausübung von Psychotherapie im Sinne des Psychotherapeutengesetzes definiert § 1 Abs. 3 PsychThG jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist; im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung ist eine somatische Abklärung herbeizuführen. Dagegen gehören nach § 1 Abs. 3 Satz 3 PsychThG zur Ausübung von Psychotherapie nicht psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben. Von sonstiger psychologischer Beratung unterscheidet sich Psychotherapie mithin dadurch, dass es sich um Ausübung von Heilkunde handelt.
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen war die Tätigkeit der Klägerin in einer Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, auf die sie sich hier allein beruft, in diesem Sinne keine Ausübung von Psychotherapie. Das angefochtene Urteil enthält dazu ausdrücklich die Aussage, nach ihrem Vorbringen und dem Inhalt der vorgelegten Bescheinigungen habe die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in der genannten Beratungsstelle psychologische Tätigkeiten ausgeübt, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand hatten. In einem Klammerzusatz verweist das Gericht auf die Bescheinigung des Bischöflichen Ordinariats vom 22. Dezember 1998. Daran schließt sich die Aussage an, die bisherige Berufsausübung der Klägerin sei danach offenbar keine “Ausübung von Psychotherapie” im Sinne von § 1 Abs. 3 PsychThG gewesen. Diese Feststellungen sind in ihrem Gehalt völlig eindeutig. Sie nehmen Bezug auf die namentlich benannte Bescheinigung des Arbeitgebers vom 22. Dezember 1998, in der es heißt, die Klägerin übe keine Heilkunde aus, und auf die weiteren von ihr vorgelegten Bescheinigungen, in denen die Tätigkeiten in der Beratungsstelle beschrieben sind. In ihrem weiter in Bezug genommenen Vorbringen hat die Klägerin unter anderem vorgetragen, dass ihr Arbeitgeber die Notwendigkeit einer Heilpraktikererlaubnis stets verneint habe und dass die Finanzierung der Beratungstätigkeit durch Kirchenmittel sowie Landeszuschüsse, nicht aber durch Abrechnung mit den Krankenkassen erfolgt sei. Aus all dem hat das Berufungsgericht ohne jede Einschränkung die Folgerung gezogen, die Berufstätigkeit der Klägerin sei keine Ausübung von Psychotherapie gewesen. Umrahmt sind diese Feststellungen zwar von der Aussage, ob von einer psychotherapeutischen Vortätigkeit ausgegangen werden könne, erscheine hier bereits fraglich, sowie von dem Nachsatz, ein berufsrechtlicher Bestand, in den durch das Psychotherapiegesetz hätte eingegriffen werden können, erscheine bereits zweifelhaft. Diese flankierenden Sätze sind jedoch nicht geeignet, den eindeutigen Aussagegehalt der die feste Überzeugung des Gerichts zum Ausdruck bringenden Kernsätze zu relativieren.
Diese Deutung des Berufungsurteils wird bestätigt durch den nachfolgenden Absatz, in dem es heißt: “Sollte die Klägerin aber entgegen den vorstehenden Überlegungen tatsächlich Psychotherapie ausgeübt haben, hätte sie diese Tätigkeit in der Vergangenheit jedenfalls nicht in erlaubter Weise ausgeübt; eine schützenswerte Rechtsposition, in die durch das Psychotherapeutengesetz hätte eingegriffen werden können, wäre daher auch dann nicht ersichtlich”. Die konjunktivische Fassung dieser Sätze sowie die nochmalige Betonung der zuvor angestellten Erwägungen machen deutlich, dass für das Gericht letztlich kein Zweifel am Fehlen einer psychotherapeutischen Vortätigkeit bestand und dass die Unerlaubtheit einer etwa doch vorliegenden heilkundlichen Behandlung diesen Versagungsgrund nicht verdrängen sollte.
Gegen die vom Berufungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben. Sie hat zwar in der Revisionsbegründung die Wertung der vorstehend genannten Vorgänge und Bescheinigungen durch das Berufungsgericht beanstandet. Dies reicht jedoch nicht aus, die in § 137 Abs. 2 VwGO angeordnete Bindung des Bundesverwaltungsgerichts an die im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen aufzuheben.
Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht weiter darauf abgestellt, dass selbst eine tatsächlich ausgeübte psychotherapeutische Vortätigkeit im Rahmen des § 12 Abs. 4 PsychThG nur angerechnet werden kann, wenn sie in erlaubter Weise vorgenommen worden ist, und dass dazu im Regelfall der Besitz einer Heilpraktikererlaubnis notwendig war. Allerdings bedarf es dazu des vom Berufungsgericht herangezogenen Instruments der teleologischen Reduktion nicht. Dieses dient der Füllung einer verdeckten Regelungslücke entgegen dem eindeutigen Wortlaut einer Vorschrift. Darum geht es hier nicht. Das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis ergibt sich vielmehr ohne weiteres aus einer – einschränkenden – Auslegung des Gesetzes nach den anerkannten Kriterien der Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung und der Gesetzesmaterialien.
Zwar legt der Wortlaut des § 12 Abs. 4 PsychThG, in dem psychotherapeutische Tätigkeiten bzw. psychotherapeutische Behandlungen verlangt werden, die Auslegung nahe, dass darunter jede die Definition des § 1 Abs. 3 PsychThG erfüllende Tätigkeit zu fassen sei. Das würde jedoch zum einen dem Charakter der Vorschrift als Übergangsregelung widersprechen. Im Allgemeinen dienen derartige Übergangsregelungen dazu, unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes den Besitzstand derjenigen zu gewährleisten, die eine künftig unzulässige Tätigkeit in der Vergangenheit in erlaubter Weise ausgeübt haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2000 – 1 BvR 1453/99 – NJW 2000 S. 1779). Die Rechtmäßigkeit der bisherigen Tätigkeit ist daher grundsätzlich der entscheidende Anlass für den Gesetzgeber, Ausnahmen von den für die Zukunft ansonsten geltenden Regelungen zuzulassen.
Allerdings hat sich der Gesetzgeber in § 12 Abs. 4 PsychThG nicht auf die bloße Gewährung von Bestandsschutz beschränkt. Er hat die dort angesprochene Gruppe der bereits psychotherapeutisch tätigen Psychologen mit der Zuerkennung der Approbation berufs- und sozialrechtlich in vollem Umfang den Psychologischen Psychotherapeuten nach neuem Recht gleichgestellt und dadurch ihre Rechtsstellung erheblich verbessert. Das rechtfertigt aber kein Abgehen von dem Grundsatz, dass nur eine erlaubte Vortätigkeit Grundlage für eine besondere Behandlung von Altfällen sein kann. Es wäre in der Tat ein Wertungswiderspruch, wenn eine bisherige rechtswidrige Tätigkeit vom Gesetzgeber auch noch durch die Zuweisung eines neuen herausgehobenen Status honoriert würde.
Wer – ohne Arzt zu sein – vor dem In-Kraft-Treten des Psychotherapeutengesetzes Personen berufsmäßig psychotherapeutisch behandelte, bedurfte dazu der Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz. Dies ergab sich aus § 1 des genannten Gesetzes. Verstöße gegen dieses Erfordernis bedrohte § 5 des Gesetzes mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Zumindest seit dem Urteil des Senats vom 10. Februar 1983 (– BVerwG 3 C 21.82 – BVerwGE 66 S. 367) war dies allgemein bekannt. Wer mithin ohne die Erlaubnis psychotherapeutisch tätig war, handelte hiernach rechtswidrig und machte sich strafbar.
Die Gesetzesmaterialien ergeben, dass dem Gesetzgeber bei Erlass des Psychotherapeutengesetzes diese Rechtslage nicht nur bekannt war; er hat sie für die Zukunft außerhalb des durch die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut abgedeckten Bereichs sogar bewusst aufrechterhalten. In der Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/8035 S. 15) heißt es dazu, das Verbot der unerlaubten Ausübung von Heilkunde und die Strafvorschrift des § 5 des Heilpraktikergesetzes gelte auch für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendpsychotherapeuten fort, soweit es um heilkundliche Tätigkeiten außerhalb der durch das Psychotherapeutengesetz geregelten Psychotherapie gehe; auch würden weder heilkundliche Befugnisse von Ärzten noch die Rechte, die eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz verleihe, durch das Psychotherapeutengesetz eingeschränkt. Die Revision trägt daher zu Unrecht vor, das Heilpraktikergesetz sei für den Bereich der Psychotherapie durch das Psychotherapeutengesetz gegenstandslos geworden. Wer ohne Approbation – sei es als Arzt oder als Psychotherapeut – Psychotherapie betreibt, macht sich auch künftig strafbar, wenn er nicht im Besitz einer Heilpraktikererlaubnis ist. Auf die Strafbewehrung des Erlaubniserfordernisses hat der Gesetzgeber, wie die Gesetzesbegründung zeigt, sogar besonderen Wert gelegt. Es kann nicht angenommen werden, dass er ein solches rechtswidriges und strafbares Verhalten durch die Zuerkennung einer Approbation habe prämieren wollen.
Nicht gehört werden kann die Klägerin auch mit dem Argument, die Behörden hätten in der Vergangenheit die Durchsetzung des Erlaubniserfordernisses nach dem Heilpraktikergesetz für Psychotherapeuten lasch gehandhabt. Dies mag sogar zutreffen. Es resultiert aber daraus, dass die Abgrenzung zwischen der heilkundlich ausgerichteten Psychotherapie und der psychologischen Beratung teilweise schwierig sein kann. Die Behörden mussten daher damit rechnen, dass Betroffene sich jeweils darauf zurückziehen würden, sie seien nicht psychotherapeutisch sondern psychologisch beratend tätig. Die von der Revision behauptete Behördenpraxis ist daher kein Beleg dafür, dass das Erlaubniserfordernis letztlich ohne Relevanz gewesen sei.
Andererseits spricht im Rahmen der Übergangsregelung gerade die aufgezeigte Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Psychotherapie und psychologischer Beratung dafür, an der Notwendigkeit einer Heilpraktikererlaubnis für die psychotherapeutische Vortätigkeit festzuhalten. Wer vor Erlass des Psychotherapeutengesetzes eine Heilpraktikererlaubnis einholte, gab damit eindeutig zu erkennen, dass er heilkundlich tätig werden wollte. Wer darauf verzichtete, konnte dies nur damit rechtfertigen, dass er nicht auf dem Gebiet der Heilkunde tätig sei. Es ist den Behörden nicht zuzumuten, sich auf einen endlosen Streit mit einer Vielzahl beratend tätiger Psychologen einzulassen, ob diese ihre eigene Einschätzung falsch gewesen und sie in Wahrheit heilkundlich tätig gewesen seien.
Fehl geht auch der Hinweis der Klägerin, dass im Delegationsverfahren unter Anleitung und Aufsicht von Ärzten im Auftrage von Krankenkassen tätige Psychologen nach § 12 Abs. 1 PsychThG die Approbation erhielten, ohne im Besitz einer Heilpraktikererlaubnis gewesen zu sein. Die Ausübung von Psychotherapie unter diesen Umständen war rechtmäßig und rechtfertigt daher nicht die Gleichstellung mit einer rechtswidrigen psychotherapeutischen Tätigkeit.
Schließlich kann die Klägerin nicht damit gehört werden, dass die Heilpraktikererlaubnis Psychologen – beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie – in der Praxis ohne jede weitere Überprüfung erteilt worden sei und das Bestehen auf diesem Erfordernis daher rein formalistisch sei. § 2 der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz zählt verschiedene Versagungsgründe auf, die zum Schutz der Allgemeinheit durchaus relevant sind. Das gilt sowohl für die Versagung wegen fehlender Zuverlässigkeit als auch für die Ablehnung, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Dazu gehört bei einem Psychotherapeuten etwa die Fähigkeit zu erkennen, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen somatische Ursachen haben oder ob eine dem Heilpraktiker verwehrte medikamentöse Behandlung angezeigt ist. Die in der Revision zum Ausdruck kommende Auffassung, jeder Psychologe sei praktisch auch in der Lage, psychotherapeutisch tätig zu werden, widerspricht offenkundig der Wertung des Psychotherapeutengesetzes. Dieses verlangt jedenfalls für die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut eine dreijährige Zusatzausbildung und ein erfolgreiches Staatsexamen.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die hier vorgenommene Auslegung des § 12 Abs. 4 PsychThG nicht. Insbesondere ist Art. 12 Abs. 1 GG nicht berührt. Durch die Versagung der Approbation erleidet die Klägerin keinerlei Einbußen in ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit. Auf der Grundlage der ihr im Jahre 1998 erteilten Heilpraktikererlaubnis darf sie – auch – künftig psychotherapeutisch tätig sein. Versagt ist ihr lediglich die Führung der Berufsbezeichnung “Psychotherapeutin”. Dies stellt jedoch schon deshalb für sie keine Beeinträchtigung dar, weil sie diese Bezeichnung in der Vergangenheit nicht geführt hat. Auch die fehlende Abrechnungsmöglichkeit gegenüber Krankenkassen schränkt die bisherige Berufstätigkeit der Klägerin nicht ein, weil die Kosten ihrer Tätigkeit auch in der Vergangenheit nicht von den Krankenkassen getragen wurden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Fundstellen
MedR 2003, 640 |
DVBl. 2003, 677 |