Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschiebungsverbot. Asyl. Aufklärungspflicht. Beweisantrag. Einreiseerlaubnis. Erreichbarkeit. existenzielle Bedrohungen. Existenzminimum. Flüchtlingsanerkennung. innerstaatliche Fluchtalternative. inländische Fluchtalternative. interner Schutz. rechtliches Gehör. Transitvisum. Verfahrensmangel. verfolgungsbedingte Gefahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen an die tatrichterliche Würdigung, das Gebiet einer inländischen Fluchtalternative sei tatsächlich und in zumutbarer Weise erreichbar (hier: Berg-Karabach über Armenien).
2. Die Notwendigkeit der Einholung von Transitvisa steht der Annahme einer inländischen Fluchtalternative auch bei der Flüchtlingsanerkennung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) grundsätzlich nicht entgegen.
3. Bei der Prüfung einer inländischen Fluchtalternative im Rahmen der Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG sind auch nicht verfolgungsbedingte Gefahren zu berücksichtigen.
Normenkette
AufenthG § 60 Abs. 1 Sätze 1, 5, Abs. 11; GG Art. 16a; VwGO § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3; Richtlinie 2004/83/EG Art. 4 Abs. 3 Buchst. e, Art. 8
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 15.09.2005; Aktenzeichen 3 UE 2380/04.A) |
VG Wiesbaden (Entscheidung vom 08.01.2004; Aktenzeichen 5 E 135/02.A(2)) |
Tenor
Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. September 2005 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
Der nach seinen Angaben 1966 in Bajan geborene Kläger, ein armenischer Volkszugehöriger aus Aserbaidschan, kam im August 2001 nach Deutschland und beantragte Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (Bundesamt) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Januar 2002 ab, stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG vorliegen und drohte dem Kläger die Abschiebung an.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen; der Kläger wurde auf die Möglichkeit einer Aufenthaltsnahme in Berg-Karabach als inländischer Fluchtalternative verwiesen.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 15. September 2005 zurückgewiesen. Er hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass dahinstehen könne, ob dem geltend gemachten Asylanspruch bereits die Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) entgegenstehe, denn mit Blick auf Berg-Karabach als inländische Fluchtalternative habe der Kläger weder Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Für ihn als armenischen Volkszugehörigen sei Berg-Karabach über Armenien erreichbar, auch wenn er für die Einreise nach Armenien eine Einreiseerlaubnis benötige, die erst nach langwieriger Prüfung der Lebensumstände erteilt werden dürfte. Staatsangehörige der Republik Armenien und in Armenien anerkannte Flüchtlinge sowie Asylberechtigte benötigten für die Einreise nach Berg-Karabach keine Visa. Einwanderungswillige Ausländer ohne Nationalpass könnten bei der ständigen Vertretung der Republik “Gebirgiges Karabach” in Eriwan einen Rückwanderungsantrag stellen, der an das Außenministerium in Stepanakert weitergeleitet werde. Nach Überprüfung der Person sowie der Motive für eine Einwanderung – die Bearbeitungszeit des Antrags könne über ein Jahr beanspruchen – erhalte der Betroffene gegebenenfalls eine Einreise- bzw. Niederlassungserlaubnis für Berg-Karabach. Als armenischem Volkszugehörigen sei dem Kläger ein Zwischenaufenthalt in Armenien zumutbar, da er dort einer Arbeit nachgehen könne. In Berg-Karabach werde er auch nicht anderen existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sein, die so am Herkunftsort nicht bestünden. Dem Kläger stehe schließlich auch kein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG zu; auch die Abschiebungsandrohung sei rechtmäßig.
Mit der vom Senat hinsichtlich der Verpflichtung zur Asylanerkennung und Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, dass keine inländische Fluchtalternative bestehe; denn Berg-Karabach sei für ihn nicht unter zumutbaren Bedingungen erreichbar. Weder der Erwerb der armenischen Staatsangehörigkeit noch die Beantragung von Asyl in Armenien könnten ihm unter Beachtung von Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG zugemutet werden. Gleiches gelte für einen über ein Jahr andauernden Zwischenaufenthalt in Armenien zur Beantragung der Einreiseerlaubnis nach Berg-Karabach. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht nicht aufgeklärt, ob Berg-Karabach sechzehn Jahre nach der Sezession von Aserbaidschan als Region internen Schutzes noch in Frage komme. Unter Verletzung von Verfahrensrecht sei es ebenfalls nicht der Frage nachgegangen, ob der Kläger tatsächlich eine Einreiseerlaubnis für Armenien erhalte und er dort einer Arbeit nachgehen könne. Zudem habe es die Lebensbedingungen in Berg-Karabach auf der Grundlage eines überholten rechtlichen Maßstabs bewertet: Der Ansatz, dass der Kläger am Ort der Fluchtalternative keinen anderen existentiellen Gefährdungen ausgesetzt sei, die so am Herkunftsort nicht bestünden, werde den konkret-individuellen Zumutbarkeitsmaßstäben des Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie nicht gerecht.
Die Beklagte verteidigt die Berufungsentscheidung. Eine vom Ausland aus erreichbare inländische Fluchtalternative könne dem Betroffenen auch dann entgegengehalten werden, wenn der Zugang vorübergehend nicht möglich sei, etwa wegen gewisser zeitlicher Verzögerungen und Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Reisedokumenten und Transitvisa. Die Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling sei erst dann gerechtfertigt, wenn feststehe, dass die Rückkehr in verfolgungsfreie Gebiete des Herkunftsstaates dauerhaft nicht zumutbar möglich sei. Von dem Kläger werde auch nicht verlangt, sich auf den Schutz eines anderen Staates (Armenien) verweisen zu lassen, sondern nur, über Armenien in einen verfolgungsfreien Teil seines Herkunftsstaates zu gelangen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Die auf den getroffenen Feststellungen beruhende Annahme des Berufungsgerichts, Berg-Karabach sei für den Kläger als Gebiet einer inländischen Fluchtalternative tatsächlich in zumutbarer Weise erreichbar, verletzt sowohl Art. 16a Abs. 1 GG als auch § 60 Abs. 1 AufenthG. Zudem erweist sich die Auffassung des Berufungsgerichts, nicht verfolgungsbedingte Gefahren und Nachteile seien bei der Prüfung des § 60 Abs. 1 Satz 1 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EG L 304 vom 30. September 2004, S. 12; ber. ABl EG L 204 vom 5. August 2005 S. 24 – sog. Qualifikationsrichtlinie –) nicht zu berücksichtigen, mit revisiblem Recht als nicht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der Senat über den geltend gemachten Asylanspruch sowie die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend selbst entscheiden kann, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nach der darauf beschränkten Zulassung der Revision der vom Kläger geltend gemachte Asylanspruch gemäß Art. 16a GG sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 60 Abs. 1 AufenthG). Im Revisionsverfahren sind Änderungen, die sich nach Erlass der Berufungsentscheidung ergeben haben, für die Entscheidung des Revisionsgerichts beachtlich, wenn das Berufungsgericht – entschiede es nunmehr anstelle des Revisionsgerichts – die Rechtsänderung beachten müsste (Urteil vom 1. November 2005 – BVerwG 1 C 21.04 – Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 15, stRspr). Das Berufungsgericht müsste, wenn es jetzt entschiede, gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die nunmehr geltende Rechtslage abstellen. Deshalb ist hinsichtlich der Flüchtlingsanerkennung § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) heranzuziehen, mit dessen neu gefasstem Satz 5 u.a. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt worden ist.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat den geltend gemachten Asylanspruch mit der Erwägung abgelehnt, der Kläger könne Berg-Karabach als Gebiet einer inländischen Fluchtalternative über Armenien erreichen, sei dort hinreichend sicher vor erneuter asylerheblicher Verfolgung und auch keinen anderen existentiellen Bedrohungen ausgesetzt, die so am Herkunftsort nicht bestünden. Das verletzt Art. 16a Abs. 1 GG.
a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings mit der Gehörs- und Aufklärungsrüge gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, Berg-Karabach gehöre aus Sicht aller Staaten völkerrechtlich (weiterhin) zu Aserbaidschan, obwohl die aserbaidschanische Regierung weder die tatsächliche Kontrolle über das Gebiet habe noch über einen Zugang zu ihm verfüge. Die Rüge, nach Ablauf von nahezu drei Jahren habe sich dem Berufungsgericht eine Neubewertung der maßgeblichen Umstände, d.h. des (endgültigen) Verlusts der Gebietsgewalt aufdrängen müssen, greift nicht durch.
Die Frage, ob und wann im Einzelfall der endgültige Verlust der Gebietsherrschaft eines Staates in einer Region eingetreten ist, ist eine den Tatsachengerichten vorbehaltene Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in dem jeweiligen Landesteil (Beschluss vom 25. Juni 2004 – BVerwG 1 B 230.03 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 282). Der Kläger hat auf entsprechende tatsächliche Feststellungen im Berufungsverfahren nicht hingewirkt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (Beschlüsse vom 10. Februar 1978 – BVerwG 1 B 13.78 – Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 8 und 5. August 1997 – BVerwG 1 B 144.97 – NJW-RR 1998, 784). Die Tatsache, dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Dazu muss schlüssig aufgezeigt werden, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung hätte sehen müssen (Beschluss vom 14. September 2007 – BVerwG 4 B 37.07 – juris).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren zu der Frage, ob Aserbaidschan die Gebietsgewalt über Berg-Karabach endgültig verloren hat, nicht geäußert und insbesondere keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme in einem Parallelverfahren, auf die das Berufungsgericht mit der Aufforderung zur Stellungnahme verwiesen hat, musste ihm klar sein, dass über die Frage der Erreichbarkeit von Berg-Karabach hinaus auch die weiteren Voraussetzungen des Bestehens einer Fluchtalternative im Zentrum des Berufungsverfahrens standen. Damit hätte sich der Kläger aber auch zu der nunmehr aufgeworfenen Frage des endgültigen Gebietsverlusts im Berufungsverfahren äußern können und müssen. Die Revision verhält sich nicht dazu, warum sich dem Berufungsgericht auch ohne Stellung eines Beweisantrags die weitere Aufklärung dieser Frage von Amts wegen gemäß § 86 Abs. 1 VwGO hätte aufdrängen müssen. In Wirklichkeit greift sie im Gewande der Gehörs- bzw. Aufklärungsrüge die für den Kläger nachteilige tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts an, ohne aufzuzeigen, dass diese auf einem Rechtsirrtum beruht oder allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt.
b) Demzufolge ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht Berg-Karabach als Gebiet einer inländischen Fluchtalternative für den aus Aserbaidschan stammenden Kläger in den Blick genommen hat. Aufgrund der den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist davon auszugehen, dass Aserbaidschan seine Gebietsherrschaft über Berg-Karabach nicht endgültig verloren hat (vgl. dazu Urteil vom 8. Dezember 1998 – BVerwG 9 C 17.98 – BVerwGE 108, 84 ≪88≫). Die sich daran anschließende Würdigung, der Kläger sei dort vor erneuter asylerheblicher Verfolgung hinreichend sicher, begegnet keinen Bedenken; sie wird auch von der Revision hingenommen.
c) Das Berufungsgericht hat ferner geprüft, ob der Kläger im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative anderen existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sein wird, die so am Herkunftsort nicht bestünden. Das entspricht ständiger Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 80, 315 ≪343 f.≫; 81, 58 ≪65 ff.≫) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur die Urteile vom 15. Mai 1990 – BVerwG 9 C 17.89 – BVerwGE 85, 139 ≪145 f.≫ und vom 9. September 1997 – BVerwG 9 C 43.96 – BVerwGE 105, 204 ≪211 f.≫). Der Senat hält für den Prüfungsmaßstab des Art. 16a GG – anders als bei § 60 Abs. 1 AufenthG (dazu unten 3. b) – an dem Erfordernis eines landesinternen Vergleichs, aufgrund dessen nicht verfolgungsbedingte andere Nachteile und Gefahren am verfolgungssicheren Ort unberücksichtigt bleiben, auch im Hinblick auf die Umsetzung des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG fest. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass durch § 60 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 11 AufenthG (i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl I S. 1970) der Schutzbereich des Asylrechts auf einfachgesetzlicher Grundlage ausgeweitet werden sollte. Demzufolge verbleibt es gemäß § 31 BVerfGG bei der Bindungswirkung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Annahme einer inländischen Fluchtalternative in seiner Entscheidung vom 10. Juli 1989 (BVerfGE 80, 315 Leitsatz 5b; vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 – BVerwG 9 C 17.89 – a.a.O.).
Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, in Berg-Karabach werde der Kläger keinen anderen existentiellen Bedrohungen und Nachteilen ausgesetzt sein, die so am Herkunftsort nicht bestünden. Die Revision erhebt – jedenfalls mit Blick auf das Asylgrundrecht – insoweit keine durchgreifenden Einwendungen.
d) Art. 16a Abs. 1 GG ist verletzt, da die vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen Feststellungen nicht dessen Annahme tragen, der Kläger könne Berg-Karabach als Gebiet einer inländischen Fluchtalternative von Deutschland über Armenien tatsächlich in zumutbarer Weise erreichen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf ein Asylbewerber nur dann auf ein verfolgungsfreies Gebiet seines Heimatstaates als inländische Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er dieses tatsächlich in zumutbarer Weise erreichen kann. Verlangt wird zum einen die auf verlässliche Tatsachenfeststellungen gestützte Prognose tatsächlicher Erreichbarkeit. Dabei sind nicht nur bestehende Abschiebungsmöglichkeiten, sondern auch Varianten des Reisewegs bei freiwilliger Ausreise in das Herkunftsland zu berücksichtigen. Zum anderen muss der aufgezeigte Weg dem Betroffenen angesichts der humanitären Intention des Asylrechts zumutbar sein, d.h. insbesondere ohne erhebliche Gefährdungen zum Ziel führen (Urteile vom 13. Mai 1993 – BVerwG 9 C 59.92 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 162 S. 384 ≪388 f.≫, vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265 ≪277 ff.≫; vom 16. November 1999 – BVerwG 9 C 4.99 – BVerwGE 110, 74 ≪77≫ und vom 16. Januar 2001 – BVerwG 9 C 16.00 – BVerwGE 112, 345 ≪347 f.≫). Die z.B. zur Beschaffung von Transitvisa erforderliche Mitwirkung des Betroffenen ist diesem grundsätzlich zumutbar (Urteil vom 16. November 1999 – BVerwG 9 C 4.99 – a.a.O.; Beschluss vom 22. März 2007 – BVerwG 1 B 97.06 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 32).
Bereits entschieden ist ebenfalls, dass des asylrechtlichen Schutzes nicht bedarf, wer bei einer Rückkehr in den Heimatstaat die sicheren Landesteile zwar nicht vom Inland, aber unmittelbar vom Ausland aus zu erreichen vermag. Asylrechtlich unbeachtlich ist in einem solchen Fall die nur vorübergehende Nichterreichbarkeit der sicheren Gebiete, etwa infolge unterbrochener Verkehrsverbindungen oder typischerweise behebbarer Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Reisepapieren und Transitvisa. Die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG ist erst gerechtfertigt, wenn feststeht, dass dem Betroffenen die Rückkehr in eine sichere Region des Heimatstaates, die auch sonst alle Anforderungen an eine inländische Fluchtalternative erfüllt, dauerhaft nicht zumutbar möglich ist (Urteil vom 16. Januar 2001 – BVerwG 9 C 16.00 – a.a.O. S. 348).
Dabei ist es in erster Linie Sache des Asylbewerbers, substantiiert Tatsachen vorzutragen, die ausnahmsweise eine Rückkehr in verfolgungssichere Teile seines Heimatstaates als unzumutbar erscheinen lassen können (Urteile vom 16. November 1999 – BVerwG 9 C 4.99 – a.a.O. und vom 16. Januar 2001 – BVerwG 9 C 16.00 – a.a.O. S. 349). Ist diese Substantiierungsschwelle – wie hier – überschritten, greift die Amtsermittlungsmaxime und das Bundesamt bzw. die Gerichte haben den substantiierten Einwendungen nachzugehen.
Damit sich die innerstaatliche Zufluchtsmöglichkeit nicht nur als theoretische Option, sondern als dem Asylbewerber praktisch eröffnete Möglichkeit internen Schutzes darstellt, bedarf es verlässlicher Tatsachenfeststellungen zur Prognose tatsächlicher Erreichbarkeit als auch zur Bewertung einer realistisch eröffneten Reisemöglichkeit. Nur im Falle einer weitgehend gesicherten Prognose sowie einer die konkreten persönlichen Umstände des Betroffenen angemessen berücksichtigenden Zumutbarkeitsbewertung ist es mit Blick auf die Subsidiarität des Asylrechts gerechtfertigt, dem Antragsteller den Schutz des Art. 16a GG in Deutschland zu versagen.
bb) Das Berufungsgericht geht davon aus, der Kläger benötige eine Erlaubnis zunächst für die Einreise nach Armenien. In Eriwan habe er dann die Möglichkeit, entweder einen Antrag auf “Flüchtlingsstatus” zu stellen und sodann visumfrei nach Berg-Karabach zu gelangen oder bei der Vertretung von Berg-Karabach eine Einreiseerlaubnis zu beantragen.
Bereits der erste Schritt, nämlich die Annahme der Erreichbarkeit Armeniens, verfehlt die o.g. Anforderungen, die an die Prognose tatsächlicher Erreichbarkeit der – nach den Feststellungen des Berufungsgerichts notwendigen – Zwischenstation zu stellen sind. Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, dass das für Armenien benötigte Einreisedokument “erst nach langwieriger – insbesondere bei Verbleib eines Armeniers in Aserbaidschan auch nach den Vertreibungen im Jahr 1991 – Prüfung der Lebensumstände bis zur Übersiedlung erteilt werden dürfte” (BA S. 13). Diese Annahme verbleibt im Bereich der Spekulation und reicht nicht aus, um den Kläger auf einen auch praktisch wirksamen internen Schutz verweisen zu können. Materielles Recht verlangt vielmehr eine Prognose, die auf verlässlichen Tatsachenfeststellungen – möglichst auch zur Verwaltungspraxis der zuständigen Stellen – beruht und zu dem nachvollziehbaren Ergebnis führt, der Betroffene werde eine notwendige Einreiseerlaubnis erhalten.
Auch der zweite gedankliche Schritt des Berufungsgerichts – die Alternative entweder der Beantragung des “Flüchtlingsstatus” in Armenien mit der Folge visumfreier Einreisemöglichkeit nach Berg-Karabach oder der Beantragung einer Einreiseerlaubnis bei der Vertretung von Berg-Karabach (BA S. 15) – wird den Anforderungen an die tatsächlich zumutbare Erreichbarkeit des verfolgungsfreien Gebiets nicht gerecht. Der Senat hat bereits entschieden, dass es einem Asylsuchenden nicht zumutbar ist, auf ein Gebiet verwiesen zu werden, das er erst nach Erwerb des Flüchtlingsstatus in einem Drittstaat zu erreichen vermag (Beschluss vom 22. März 2007 – BVerwG 1 B 97.06 – a.a.O.). Die Verweisung auf die Beantragung einer Einreiseerlaubnis in Eriwan für Berg-Karabach ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Kläger nach Überprüfung der Person und der Motive für eine Einwanderung – die Bearbeitungszeit könne über ein Jahr beanspruchen – gegebenenfalls eine Einreiseerlaubnis erhalte (BA S. 14). Auch diese durch Unsicherheiten geprägte Tatsachenfeststellung genügt nicht den materiellrechtlichen Anforderungen an die Prognose, der Betroffene werde eine Einreiseerlaubnis erhalten. Nachdem die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger könne Berg-Karabach tatsächlich und in zumutbarer Weise erreichen, von seinen dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen wird, kommt es auf die insoweit von der Revision erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr an.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG) ebenfalls darauf gestützt, dass der Kläger Berg-Karabach als inländische Fluchtalternative über Armenien erreichen könne, dort hinreichend sicher vor erneuter asylerheblicher Verfolgung sei und auch nicht anderen existentiellen Bedrohungen ausgesetzt werde, die so am Herkunftsort nicht bestünden. Auch diese Annahme verletzt revisibles Recht, so dass die Berufungsentscheidung auch insoweit aufzuheben und die Sache mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist.
Die Bundesrepublik Deutschland hat von der den Mitgliedstaaten in Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, internen Schutz im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Absatz 2 verlangt von den Mitgliedstaaten bei Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Gemäß Absatz 3 kann Absatz 1 auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen.
a) Die Revision rügt auch im Hinblick auf die begehrte Flüchtlingsanerkennung, Aserbaidschan habe seine Gebietsherrschaft über Berg-Karabach endgültig verloren und der Kläger könne die Enklave nicht in zumutbarer Weise erreichen. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 2. a) und d) Bezug genommen werden, die im Hinblick auf den Prüfungsmaßstab des § 60 Abs. 1 Satz 1 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie sinngemäß gelten.
Soweit die Revision einwendet, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts notwendigen Visa- und Transiterfordernisse fielen nicht unter die in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie genannten “praktischen Hindernisse” (engl. Version: technical obstacles), so dass der Kläger schon deshalb nicht auf internen Schutz verwiesen werden könne, folgt der Senat dem nicht. Vielmehr ist die Notwendigkeit der Einholung von Transitvisa als Unterfrage der Erreichbarkeit des Teils des Herkunftslandes, der als interner Schutz in Betracht gezogen wird, an Art. 8 Abs. 1 letzter Halbsatz der Richtlinie zu messen. Der auf den Aufenthalt bezogene Maßstab (“… von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann …”) erfasst auch die Vorstufe der Erreichbarkeit des entsprechenden Landesteils und verlangt eine auf die Kriterien des Absatzes 2 abstellende Zumutbarkeitsbewertung. Der im Vorschlag der Kommission vom 12. September 2001 (KOM ≪2001≫ 510 endgültig 2001/027 ≪CNS≫; vgl. auch ABl C 51 E 17 vom 26. Februar 2002, S. 325, damals noch Art. 10) noch nicht enthaltene Absatz 3 der Vorschrift erweitert den Anwendungsbereich des internen Schutzes auf Fälle, in denen ansonsten die Prognose tatsächlicher Rückkehrmöglichkeit im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag wegen praktischer Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland negativ ausfallen würde. Unabhängig davon, was im Einzelnen als “praktisches Hindernis” anzusehen ist, ließe die Auffassung der Revision Art. 8 der Richtlinie weitgehend leerlaufen, denn viele Staaten machen eine Durchreise von der Einholung eines Transitvisums abhängig, erteilen dieses aber in der Praxis auf Antrag regelmäßig ohne weitere Umstände. Es ist nicht erkennbar, warum einem Antragsteller die Mitwirkung an der Beseitigung gleichsam nur formaler Durchgangssperren von vornherein unzumutbar sein sollte. Soweit Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Transitvisa entstehen, sind diese im Übrigen typischerweise behebbar (vgl. oben 2. d mit dem Hinweis auf das Urteil vom 16. Januar 2001 – BVerwG 9 C 16.00 – a.a.O. S. 348).
b) Über die fehlerhafte Annahme tatsächlicher und zumutbarer Erreichbarkeit von Berg-Karabach hinaus steht die angefochtene Entscheidung mit revisiblem Recht nicht in Einklang, soweit das Berufungsgericht der Frage des wirtschaftlichen Existenzminimums nicht weiter nachgegangen ist, weil es der Auffassung war, bei der Prüfung des § 60 Abs. 1 Satz 1 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG seien nur verfolgungsbedingte Gefahren zu berücksichtigen (BA S. 19).
Das Bundesverwaltungsgericht hat zu der bisherigen Rechtslage in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Voraussetzungen des Asylgrundrechts und der Flüchtlingsanerkennung deckungsgleich sind, soweit u.a. auf eine landesweite Verfolgung abgestellt wird, weil des Schutzes vor politischer Verfolgung im Ausland nicht bedarf, wer den gebotenen Schutz vor ihr auch im eigenen Land finden kann (Urteile vom 3. November 1992 – BVerwG 9 C 21.92 – BVerwGE 91, 150 ≪155≫ und 29. August 1995 – BVerwG 9 C 1.95 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 179). Deshalb wurde sowohl bei Art. 16a GG als auch bei § 60 Abs. 1 AufenthG (bzw. der Vorläuferregelung des § 51 Abs. 1 AuslG 1990) geprüft, ob der Betreffende im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative anderen existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sein wird, die so am Herkunftsort nicht bestehen. Der Senat hält hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs des § 60 Abs. 1 AufenthG n.F. – anders als bei Art. 16a GG (s.o. 2. c) – im Hinblick auf die durch Satz 5 der Vorschrift erfolgte Umsetzung des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG an dem Erfordernis des landesinternen Vergleichs zum Ausschluss nicht verfolgungsbedingter Nachteile und Gefahren nicht mehr fest.
In der Begründung zum Regierungsentwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes wird ausgeführt, von dem Antragsteller könne nur dann vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhalte, wenn er am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet sei. Im Falle fehlender Existenzgrundlage sei eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben; dies gelte auch dann, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht seien. Für die Frage, ob der Antragsteller vor Verfolgung sicher sei und eine ausreichende Lebensgrundlage bestehe, komme es danach allein auf die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet und die persönlichen Umstände des Antragstellers an (BTDrucks 16/5065 S. 185). Der erkennende Senat folgt dieser Auslegung des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie, von der der Gesetzgeber ersichtlich ausgegangen ist. Diese Auffassung teilt mittlerweile auch das Berufungsgericht, denn es hat seine in der Berufungsentscheidung noch vertretene gegenteilige Rechtsprechung inzwischen aufgegeben (VGH Kassel, Urteil vom 21. Februar 2008 – VGH 3 UE 191/07.A juris Rn. 48).
4. Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat:
a) Auf der Grundlage seiner bisher getroffenen Feststellungen, armenische Volkszugehörige ohne armenische Staatsangehörigkeit könnten “in bestimmten Fällen” einen Antrag auf Anerkennung der armenischen Staatsangehörigkeit stellen (BA S. 13), wird das Berufungsgericht Art. 4 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG in den Blick zu nehmen haben. Danach ist bei der individuellen Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz u.a. die Frage zu berücksichtigen, ob vom Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er den Schutz eines anderen Staates in Anspruch nimmt, dessen Staatsangehörigkeit er für sich geltend machen könnte. Diese Vorschrift setzt an anderer Stelle geregelte materielle Voraussetzungen in einen behördlichen Prüfungsauftrag um, der sich insbesondere auf das Erfordernis von Ermittlungen hinsichtlich des Besitzes mehrfacher Staatsangehörigkeiten bezieht (vgl. Art. 1 A Nr. 2 GFK). Das Fehlen der Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) der Richtlinie in innerstaatliches Recht wäre nach Ablauf der Umsetzungsfrist jedenfalls unschädlich, wenn die Vorschrift sich auf diesen Prüfungsumfang beschränkte. Ob ihr Gehalt – insbesondere mit Blick auf die Situation eines Staatenzerfalls und evidenter Möglichkeiten des Erwerbs der Staatsangehörigkeit eines Nachfolgestaates z.B. durch bloße Registrierung – darüber hinausreicht und hier eine solche Situation vorliegt, in der der Kläger darauf verwiesen werden könnte, die armenische Staatsangehörigkeit “geltend zu machen” und den Schutz Armeniens in Anspruch zu nehmen, bedarf weiterer Aufklärung und Prüfung.
b) Sollte die erneute Prüfung der Sach- und Rechtslage ergeben, dass von dem Kläger nicht erwartet werden kann, den Schutz Armeniens in Anspruch zu nehmen, er aber Berg-Karabach tatsächlich und in zumutbarer Weise zu erreichen vermag, wird sich das Berufungsgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in diesem Landesteil Aserbaidschans aufzuhalten. Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in Berg-Karabach sowie der persönlichen Umstände des Klägers muss dort jedenfalls das Existenzminimum gewährleistet sein (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 185 und Urteil vom 1. Februar 2007 – BVerwG 1 C 24.06 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30 Rn. 11 f.). Es bleibt offen, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen; allerdings spricht einiges dafür, dass die gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslandes – oberhalb der Schwelle des Existenzminimums – auch den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (vgl. The House of Lords, Urteil vom 15. Februar 2006 – Januzi v. Secretary of State for the Home Department & Others ≪2006 UKHL 5, Rn. 47≫; vgl. auch die deutsche Zusammenfassung des Urteils von Dörig in ZAR 2006, 272 ≪275 f.≫).
5. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.
Unterschriften
Dr. Mallmann, Prof. Dr. Dörig, Richter, Prof. Dr. Kraft, Fricke
Fundstellen
BVerwGE 2009, 186 |
DÖV 2009, 91 |
InfAuslR 2008, 469 |
ZAR 2009, 31 |
AuAS 2008, 223 |
DVBl. 2008, 1251 |