Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatsangehörigkeit, Verlust der – durch Legitimation. Verlust der Staatsangehörigkeit durch Legitimation. Legitimation, Verlust der Staatsangehörigkeit durch –. Gleichberechtigung von Frauen und Männern
Leitsatz (amtlich)
§ 17 Nr. 5 RuStAG 1913 widersprach Art. 3 Abs. 2 GG und blieb – ungeachtet seiner förmlichen Aufhebung durch (einfaches) Gesetz erst zum 1. Januar 1975 – nach Art. 117 Abs. 1 GG nicht über den 31. März 1953 hinaus in Kraft.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 2, Art. 117 Abs. 1, Art. 123 Abs. 1; RuStAG F. 1964 § 4 Abs. 1, § 17 Nr. 5
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 28.01.2005; Aktenzeichen 19 A 3391/03) |
VG Köln (Urteil vom 09.07.2003; Aktenzeichen 10 K 4564/01) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 2005 wird aufgehoben, soweit es den Kläger betrifft.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Juli 2003 wird, soweit dieses den Kläger betrifft, zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens, soweit diese Verfahren den Kläger betreffen.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt die Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises. Dafür ist streitentscheidend, ob er die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt von seiner Mutter erworben hat.
Der Kläger ist am 31. Juli 1984 in Sereda, Russische Föderation, geboren. Seine Mutter ist am 20. März 1964 in Aktas, Kasachstan, als nichteheliches Kind einer deutschen Staatsangehörigen und eines russischen Staatsangehörigen geboren. Die Großmutter des Klägers mütterlicherseits ist am 22. Oktober 1927 in Wilhelmstal, UdSSR, geboren. Sie erwarb mit ihren Eltern am 22. November 1944 die deutsche Staatsangehörigkeit (Reichsangehörigkeit) durch Einbürgerung. Am 7. April 1964 heirateten die Großeltern des Klägers mütterlicherseits.
Die Mutter des Klägers beantragte für sich, den Kläger und ihre Tochter die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen. In dem Formularantrag vom 11. Juli 2000 stimmte der Vater des Klägers, der russischer Staatsangehöriger ist, dem für die Kinder gestellten Antrag zu. Mit Bescheid vom 19. Januar 2001 lehnte das Bundesverwaltungsamt die Anträge mit der Begründung ab, die Mutter des Klägers habe die mit ihrer nichtehelichen Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit durch die Heirat der Großeltern verloren; durch die Heirat sei eine nach deutschem Recht wirksame Legitimation erfolgt; ein Wiedererwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 3 RuStAÄndG 1974 sei ebenso wenig wie ein anderer Wiedererwerbsgrund ersichtlich; damit hätten auch der Kläger und seine Schwester mit ihrer Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben.
Auf die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2001) erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Mutter des Klägers eine Bescheinigung über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Erklärung und dem Kläger und seiner Schwester einen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, soweit sie verpflichtet worden ist, dem Kläger und seiner Schwester deutsche Staatsangehörigkeitsausweise zu erteilen. Das Berufungsgericht hat das Verfahren hinsichtlich der Schwester des Klägers abgetrennt und unter teilweiser Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts die Klage des Klägers mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises. Denn er habe die deutsche Staatsangehörigkeit weder mit seiner Geburt noch aufgrund der Erklärung seiner Mutter für sich und ihre Kinder, Deutsche werden zu wollen, erworben.
Dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt stehe entgegen, dass seine Mutter bei seiner Geburt nicht deutsche Staatsangehörige gewesen sei. Sie habe zwar nach § 3 Nr. 1, § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. mit ihrer Geburt als uneheliches Kind die deutsche Staatsangehörigkeit nach ihrer Mutter erworben, diese aber gemäß § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. aufgrund der Heirat ihrer Eltern am 7. April 1964 wieder verloren. Nach dieser Vorschrift, die durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStAÄndG 1974 mit Wirkung vom 1. Januar 1975 aufgehoben worden sei, sei die deutsche Staatsangehörigkeit für ein uneheliches Kind durch eine von einem Ausländer bewirkte und nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation verloren gegangen. Diese Voraussetzungen seien bei der Mutter des Klägers erfüllt gewesen. Sie habe nach kasachischem Recht aufgrund der Heirat ihrer Eltern die Stellung eines ehelichen Kindes erworben. Darin liege eine nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation.
§ 17 Nr. 5 RuStAG a.F. sei nicht gemäß Art. 117 Abs. 1 GG mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft getreten. Allerdings habe § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. – wie auch § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. – gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Art. 3 Abs. 2 GG verstoßen. Trotz des Verfassungsverstoßes sei § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. für die Zeit nach dem 31. März 1953 (Art. 117 Abs. 1 GG) als wirksam anzusehen und sei die Verlustwirkung nach dieser Vorschrift bei der Beurteilung der Staatsangehörigkeit des Klägers zu berücksichtigen. Zwar sei grundsätzlich oder regelmäßig bei einem Verfassungsverstoß einer gesetzlichen Bestimmung von deren Nichtigkeit auszugehen. Einen Rechtssatz des Verfassungsrechts, dass verfassungswidrige Normen zwingend nichtig seien, also überhaupt keine Rechtswirkungen entfalteten, gebe es hingegen nicht. Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die gebotene Übergangsregelung zu § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. aufgestellt habe, wonach es genüge, den Betroffenen das Recht einzuräumen, durch Erklärung die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, würden in Bezug auf die Verfassungswidrigkeit des § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. wegen des sachlichen Zusammenhangs dieser Vorschrift mit § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. entsprechend gelten.
Eine diesen Grundsätzen entsprechende Überleitungsregelung für die Fälle des § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. habe der Gesetzgeber mit Art. 3 RuStAÄndG 1974 geschaffen. Nach Absatz 1 Satz 2 stehe das Erklärungsrecht zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auch dem nach dem 31. März 1953, aber vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (1. Januar 1975) nicht ehelich geborenen Kind zu, das durch Legitimation seine durch Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe. Durch diese Übergangsregelung habe der Gesetzgeber den anfänglichen Verfassungsverstoß unter zulässiger Beibehaltung der eingetretenen Rechtswirkungen des § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. behoben. Folge davon sei, dass die eingetretene Verlustwirkung der Vorschrift für die Vergangenheit zu beachten sei.
Der Kläger habe die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht in der Zeit nach seiner Geburt durch Erklärungserwerb seiner Mutter erworben. Eine Erstreckung des Erklärungserwerbs auch auf die bereits vor Abgabe der Erklärung geborenen Abkömmlinge des Erklärungsberechtigten sei weder in Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 noch in den sonstigen Bestimmungen des Art. 3 RuStAÄndG 1974 vorgesehen.
Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit es seiner Klage stattgegeben hat.
Die Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das Berufungsgericht verletzt mit der Abweisung der Klage des Klägers Bundesrecht.
Der Kläger hat einen Anspruch auf einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis. Er ist durch Geburt deutscher Staatsangehöriger nach seiner Mutter (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 RuStAG in seiner zur Zeit der Geburt 1984 geltenden Fassung). Seine Mutter war im Zeitpunkt seiner Geburt deutsche Staatsangehörige.
Nach den unstreitigen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Mutter des Klägers mit ihrer Geburt im März 1964 als uneheliches Kind die deutsche Staatsangehörigkeit nach ihrer Mutter, der Großmutter des Klägers mütterlicherseits, erworben (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 RuStAG i.d.F. des Gesetzes vom 19. Dezember 1963 ≪BGBl I S. 982≫). Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht dadurch verloren, dass sie, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, durch die Heirat ihrer Eltern im April 1964 nach kasachischem Recht die Stellung eines ehelichen Kindes erworben hat und die so von ihrem Vater russischer Staatsangehörigkeit bewirkte Legitimation nach deutschem Recht wirksam war. Denn § 17 Nr. 5 RuStAG, der in seiner bis zu seiner Aufhebung durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStAÄndG 1974 nicht geänderten Fassung von 1913 bestimmte, dass ein uneheliches Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch eine von einem Ausländer bewirkte und nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation verlor, hatte im Jahr der Legitimation 1964 bereits keine Geltung mehr.
§ 17 Nr. 5 RuStAG 1913 widersprach im Sinne von Art. 123 Abs. 1 GG dem Art. 3 Abs. 2 GG, der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, er stand ihm im Sinne von Art. 117 Abs. 1 GG entgegen und galt folglich nicht über den 31. März 1953 hinaus fort. § 17 Nr. 5 RuStAG ist – ungeachtet seiner förmlichen Aufhebung durch (einfaches) Gesetz (Art. 1 Nr. 3 Buchst. b, Art. 6 RuStAÄndG 1974) erst zum 1. Januar 1975 – nach Art. 117 Abs. 1 GG längstens bis zum 31. März 1953 in Kraft geblieben, hatte also zur Zeit der Legitimation der Mutter des Klägers im Jahre 1964 keine Geltungskraft mehr.
Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 (RGBl S. 583) in seiner am 24. Mai 1949 bestehenden und bis zum 31. März 1953 nicht geänderten Fassung knüpfte für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt an die Abstammung an, wobei es bei ehelichen Kindern allein auf die Abstammung von einem deutschen Vater abstellte, die Abstammung von einer deutschen Mutter hingegen nicht ausreichen ließ (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 RuStAG 1913). Diese Regelung war mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht vereinbar. Zur Begründung wird auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1971 – BVerwG 1 C 75.67 – (Buchholz 130 § 4 RuStAG Nr. 3 = DÖV 1972, 94 = DVBl 1971, 861 = FamRZ 1971, 577 = StAZ 1972, 172) sowie auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1974 – 1 BvL 22/71 und 21/72 – (BVerfGE 37, 217) verwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Vorlagebeschluss ausgeführt, § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG i.d.F. des Gesetzes vom 19. Dezember 1963 (BGBl I S. 982) sei insoweit mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht vereinbar, als das eheliche Kind eines deutschen Mannes, nicht aber auch das eheliche Kind einer deutschen Frau durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt; zur Vorlage sei es verpflichtet, weil der nachkonstitutionelle Gesetzgeber die unverändert gebliebene Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG mit der Anfügung des Satzes 2 durch Gesetz vom 19. Dezember 1963 in seinen Willen aufgenommen habe. Das Bundesverfassungsgericht (a.a.O. S. 239) hat entschieden, die Regelung der Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder mit nur einem deutschen Elternteil in § 4 Abs. 1 RuStAG sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, weil sie Kindern deutscher Mütter den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht in gleichem Maße ermögliche wie Kindern deutscher Väter.
§ 4 Abs. 1 RuStAG 1913 muss im sachlichen Zusammenhang mit § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 gesehen werden. Denn beide Vorschriften bestimmen die Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder maßgeblich nach der des Vaters, nicht – den Sonderfall der Staatenlosigkeit des Vaters ausgenommen (dazu Urteil vom 21. Dezember 1962 – BVerwG 1 C 115.61 – BVerwGE 15, 226 und § 4 Abs. 1 Satz 2 RuStAG F. 1963) – der der Mutter. Damit verstößt – wie es das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. Mai 1974 (a.a.O.) zu § 4 Abs. 1 RuStAG entschieden hat – auch § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 gegen Art. 3 Abs. 2 GG (OVG Koblenz, Beschluss vom 23. April 1993 – 7 B 12396/92.OVG – InfAuslR 1993, 276; VG Stuttgart, Urteil vom 5. März 1997 – 7 K 4077/95 – StAZ 1997, 346; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 17 StAG Rn. 6; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Stand 1985, § 17 RuStAG Rn. 10 und Art. 3 RuStAÄndG 1974 Rn. 15 – 21; Marx, Staatsangehörigkeitsrecht, 1997, § 17 RuStAG Rn. 21; Marx, in: GK-StAR GW 2000, § 17 StAG Rn. 51; a.A. VG Augsburg, Urteil vom 9. Oktober 2001 – Au 1 K 99.1087 – juris). Diese Bewertung stützt, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 2 BvR 524/01 – (juris) entschieden hat, es sei mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar, die erleichterte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein im Bundesgebiet geborenes Kind allein an den Aufenthaltstitel der Mutter, nicht hingegen auch des Vaters zu knüpfen.
Anders als das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21. Dezember 1962 (a.a.O.) hielt es das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. Mai 1974 (a.a.O.) für nicht zulässig, eine als verfassungswidrig erkannte Norm selbst zu einer verfassungsgemäßen zu ergänzen. Das Bundesverfassungsgericht hatte daher über die Frage zu entscheiden, ob der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit von ehelichen Kindern nach § 4 Abs. 1 RuStAG allein nach dem Vater verfassungsgemäß ist. Die Feststellung der Unvereinbarkeit dieser Regelung mit der Verfassung führte aber, wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, zum einen nicht dazu, dass das eheliche Kind ohne Geltung des § 4 Abs. 1 RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit nach der Mutter erworben hätte, noch notwendig zu einer Normergänzung des als verfassungswidrig erkannten § 4 Abs. 1 RuStAG dahin, dass das eheliche Kind mit der Geburt (auch) die Staatsangehörigkeit nach der Mutter erwerbe. Deshalb war die Unvereinbarkeit der bestehenden Regelung festzustellen und dem Gesetzgeber die Ausgestaltung einer neuen verfassungsgemäßen Regelung des Staatsangehörigkeitserwerbs zu überlassen.
Anders liegt es bei § 17 Nr. 5 RuStAG. Denn während ein eheliches Kind weder bei Gültigkeit noch bei Ungültigkeit des § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG F. 1963 – ein Fall sonstiger Staatenlosigkeit nach § 4 Abs. 1 Satz 2 RuStAG F. 1963 ist nicht gegeben – die deutsche Staatsangehörigkeit nach seiner Mutter hat erwerben können, hat ein uneheliches Kind seine nach der deutschen Mutter erworbene deutsche Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 5 RuStAG durch Legitimation nur dann verlieren können, wenn § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 zur Zeit der Legitimation (noch) wirksam war. § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 ist aber als Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehendes Recht nach Art. 117 Abs. 1 GG bereits mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft getreten. § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG F. 1963 sind zwar, da beide die Abhängigkeit der deutschen Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder allein vom Vater regeln, aus gleichem Grund, nämlich wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 GG, verfassungswidrig, die Auswirkungen der Verfassungswidrigkeit auf zurückliegende Fälle sind aber unterschiedlich. Denn § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG F. 1963 regelte einen Staatsangehörigkeitserwerbsgrund, § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 dagegen einen Staatsangehörigkeitsverlustgrund. So wie ein Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG widersprechender Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 5 RuStAG nach Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht mehr eintreten konnte (so zu Recht BGH, Beschluss vom 8. Juni 1983 – IVb ZB 637/80 – unter III. 2. b aa, NJW 1984, 562 ≪564≫), so konnte auch ein Art. 3 Abs. 2 GG widersprechender Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 5 RuStAG nach dem Ablauf des 31. März 1953 (Art. 117 Abs. 1 GG) nicht mehr eintreten (VG Stuttgart, Urteil vom 5. März 1997 – 7 K 4077/95 – StAZ 1997, 346; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 17 StAG Rn. 6; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Stand 1985, § 17 RuStAG Rn. 10 und Art. 3 RuStAÄndG 1974 Rn. 15 – 21; a.A. BGH, Beschluss vom 8. Juni 1983 a.a.O. unter III. 2b bb; OVG Berlin, Urteil vom 13. September 1979 – V B 3.78 – juris; OVG Hamburg, Urteil vom 24. Februar 1997 – Bf III 53/95 – juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2003 – 11 K 3824/02 – juris). Auf Anfrage hat der Bundesgerichtshof mit Stellungnahme vom 13. September 2006 erklärt, er halte an seiner im Beschluss vom 8. Juni 1983 vertretenen Rechtsauffassung, dass ein uneheliches Kind seine deutsche Staatsangehörigkeit nach seiner Mutter durch eine nach dem 31. März 1953, aber vor dem 1. Januar 1975 von einem Ausländer bewirkte und nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation verloren habe, nicht fest.
Das Bundesverwaltungsgericht ist ohne Vorlage an das Bundesverfassungsgericht befugt, im Streitfall inzident zu entscheiden, dass § 17 Nr. 5 RuStAG zur Zeit der Legitimation der Klägerin verfassungswidrig und wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 GG bereits (seit dem 31. März 1953) außer Kraft getreten war. Denn § 17 Nr. 5 RuStAG 1913 war zur Zeit der Legitimation im Jahre 1964 kein nachkonstitutionelles Recht. Art. 117 Abs. 1 GG hat nur angeordnet, dass das dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehende Recht längstens bis zum 31. März 1953 in Kraft bleibt. Er hat damit aber nicht das dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehende Recht für die Zeit bis zum Außerkrafttreten spätestens zum 31. März 1953 für als der Verfassung entsprechend erklären wollen; vielmehr sollte dem Gesetzgeber nur eine Frist eingeräumt werden, das dem Art. 3 Abs. 2 GG widersprechende Recht durch verfassungsgemäßes Recht zu ersetzen. Mit Ablauf der Frist am 31. März 1953 ist das dem Art. 3 Abs. 2 GG widersprechende Recht außer Kraft getreten (BGH, Urteil vom 14. Juli 1953 – V ZR 97/52 – BGHZ 10, 266). Nach dem 31. März 1953 konnte demnach eine Legitimation keinen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 5 StAG 1913 bewirken.
§ 17 Nr. 5 RuStAG ist auch später nicht rückwirkend nachkonstitutionelles Recht geworden.
Durch die bloße Aufnahme in die Sammlung des Bundesrechts (Bundesgesetzblatt Teil III, unter 102-1) ist die Bestimmung keine nachkonstitutionelle geworden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 1982 – 2 BvL 13/79 – BVerfGE 60, 135 ≪149 f.≫).
Auch hat der Gesetzgeber § 4 Abs. 1 RuStAG durch Anfügen des Satzes 2 durch Gesetz vom 19. Dezember 1963 (RuStAÄndG 1963) zwar geändert und damit, allerdings nicht rückwirkend, zu nachkonstitutionellem Recht gemacht. Trotz des engen Zusammenhangs zwischen der Regelung der deutschen Staatsangehörigkeit für eheliche Kinder in § 4 Abs. 1 und § 17 Nr. 5 RuStAG hat der Gesetzgeber mit dem Änderungsgesetz 1963 § 17 Nr. 5 RuStAG aber nicht geändert und folglich auch nicht (offener noch BGH, Beschluss vom 8. Juni 1983 a.a.O. – unter III. 2b aa) als nachkonstitutionelles Recht in seinen Willen aufgenommen. Denn der Gesetzgeber hat in dem bezeichneten Änderungsgesetz 1963 zu § 17 Nr. 5 RuStAG nichts bestimmt; er hat ihn weder unverändert (und damit verfassungswidrig) bestätigt noch hin zu einer verfassungsgemäßen Vorschrift geändert.
Durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStAÄndG 1974 hat der Gesetzgeber zwar die Nummer 5 des § 17 RuStAG “aufgehoben” und das Inkrafttreten des gesamten Änderungsgesetzes in Art. 6 RuStAÄndG 1974 auf den 1. Januar 1975 bestimmt. Dieses Gesetz geht aber, soweit es die Nummer 5 des § 17 RuStAG “aufhebt”, ins Leere. Denn § 17 Nr. 5 RuStAG war als Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehendes Recht bereits mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft getreten (Art. 117 Abs. 1 GG). Die Anordnung der (förmlichen) Aufhebung der Nummer 5 des § 17 RuStAG mit Wirkung zum 1. Januar 1975 kann auch nicht dahin verstanden werden, damit habe der Gesetzgeber die Regelung des § 17 Nr. 5 RuStAG nachkonstitutionell rückwirkend für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 in Kraft setzen wollen. Denn damit würde man dem nachkonstitutionellen Gesetzgeber unzulässig unterstellen, er verstoße gegen Art. 3 Abs. 2 GG. Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStAÄndG 1974 ist verfassungskonform dahin zu verstehen, dass er mit der Aufhebung des § 17 Nr. 5 RuStAG diesen nicht erst konstitutiv für die Vergangenheit in Kraft gesetzt hat, sondern dass er den bereits seit langem außer Kraft getretenen § 17 Nr. 5 RuStAG (nur noch) förmlich aufhebt. Damit entfaltet die Aufhebung zwar keine materiellrechtliche Wirkung, verstößt aber auch nicht gegen die Verfassung.
Entsprechendes gilt für die in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStAÄndG 1974 getroffene Regelung. Darin hat der Gesetzgeber zwar bestimmt, dass auch dem nichtehelich geborenen Kind, das durch Legitimation seine durch Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, das Recht zusteht, die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Erklärung, deutscher Staatsangehöriger werden zu wollen, zu erwerben. Auch dieser Regelung kann indessen nicht entnommen werden, damit habe der Gesetzgeber die Regelung des § 17 Nr. 5 RuStAG nachkonstitutionell rückwirkend für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 in Kraft setzen wollen (an seiner Auffassung im Beschluss vom 8. Juni 1983 a.a.O. unter III. 2. b aa, der nachkonstitutionelle Gesetzgeber habe die Anwendbarkeit des § 17 Nr. 5 RuStAG für die zurückliegende Zeit in der Übergangsregelung des Art. 3 RuStAÄndG 1974 bestätigt, hält der Bundesgerichtshof nicht fest). In Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStAÄndG 1974 bestimmt der Gesetzgeber nämlich nicht einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine von einem Ausländer bewirkte Legitimation, sondern ein Erklärungsrecht zur deutschen Staatsangehörigkeit für den Fall eines Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine von einem Ausländer bewirkte Legitimation. Der Gesetzgeber geht demnach von einem solchen Verlust aus (ordnet ihn aber nicht an). Diese Annahme erweist sich allerdings für die Zeit ab dem 1. April 1953 als unzutreffend, weil § 17 Nr. 5 RuStAG als dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehendes Recht mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft getreten ist und nach diesem Zeitpunkt keinen Verlust der Staatsangehörigkeit mehr bewirken konnte. Eine unzutreffende Annahme des Gesetzgebers als Ausgangspunkt für eine gesetzliche Bestimmung führt aber nicht notwendig zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. Vielmehr läuft das Erklärungsrecht nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStAÄndG 1974 für Legitimationen nach dem 31. März 1953 lediglich leer. Damit verstößt diese Regelung aber nicht gegen die Verfassung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
Haufe-Index 1691302 |
BVerwGE 2007, 196 |
FamRZ 2007, 1100 |
DÖV 2007, 523 |
ZAR 2007, 194 |
BayVBl. 2007, 503 |