Gegenseitige Rücksichtnahme
Da die Grunddienstbarkeit das Eigentum am dienenden Grundstück beschränkt, liegt zwischen dem Eigentümer und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Interessenwiderstreit vor: Im Allgemeinen möchte jeder der Beteiligten in größtmöglichem Umfang seine Rechte ausüben und das dienende Grundstück für eigene Zwecke nutzen.
Miteinander in Einklang zu bringen sind diese gegenläufigen Interessen nur nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der in §§ 1020 ff. BGB seine besondere Ausgestaltung erfahren hat. Dort ist vor allem die Schonpflicht des Berechtigten normiert: "Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen." Zwar besteht ein grundsätzlicher Vorrang der Grunddienstbarkeit gegenüber dem Eigentum, die Ausübung muss sich jedoch in den Grenzen des wirtschaftlich Gebotenen halten. Unter mehreren Möglichkeiten der Rechtsausübung muss der Berechtigte diejenige wählen, die den Eigentümer des dienenden Grundstücks am wenigsten belastet. In jedem Fall darf die Schonpflicht nicht zu einer vollständigen Entrechtung des Berechtigten führen. Er muss weder ganz noch in Teilen auf die Ausübung verzichten oder eine – nicht vereinbarte – Mitnutzung dulden.
Verstößen gegen solche Schonpflichten kann mit einer Unterlassungsklage begegnet werden.
Instandhaltungspflicht
Hält der Berechtigte zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, z. B. einen befestigten Weg, so hat er sie in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Dabei wird auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt. Deshalb besteht die Instandhaltungspflicht nur bei tatsächlicher Nutzung der Anlage für eigene Zwecke. Die bloße rechtliche Befugnis genügt nicht. Auch ein unbefestigter, aus 2 Fahrspuren bestehender Weg, der ständig mit Kraftfahrzeugen befahren wird, ist eine vom Menschen geschaffene Einrichtung und damit eine Anlage i. S. d. § 1020 Satz 2 BGB.
Duldungspflicht
Aus der Pflicht zur Rücksichtnahme können sich auch Duldungspflichten ergeben, etwa wenn ein Wegerecht mit dem Einfriedungsinteresse des Eigentümers kollidiert. So muss der Wegeberechtigte gegebenenfalls auch eine moderne Torschließanlage dulden, wenn die Interessen des Eigentümers diese Maßnahme rechtfertigen.
Die insoweit gebotene Interessenabwägung darf nach Ansicht des BGH nicht von generellen Überlegungen ausgehen. Vielmehr ist auf den Einzelfall abzustellen, weil nur dies den Parteiinteressen in der jeweiligen Situation gerecht wird. Dabei spielen Aspekte wie das Risiko des unbefugten Betretens des Grundstücks "zur Nachtzeit" und die örtlichen Verhältnisse – andere Sicherungen gegen unbefugten Zutritt – ebenso eine Rolle wie die Erreichbarkeit des Grundstücks in Notfällen und für Besucher. Jedenfalls besteht – wie der BGH jüngst noch einmal betont hat – kein genereller Vorrang der Sicherheitsinteressen des belasteten Grundstückseigentümers gegenüber dem Anspruch auf ungehinderte Ausübung des Wegerechts.
Die Eigentümer eines Grundstücks, dem zulasten eines Nachbargrundstücks ein Wegerecht eingeräumt ist, sind jedenfalls dann nicht zum nächtlichen Abschließen eines am Wegezugang eingerichteten Tors verpflichtet, wenn eine vom herrschenden Grundstück aus zu bedienende Toröffnungsanlage nicht vorhanden ist.
Hierbei kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Toranlage um eine Grenzeinrichtung i. S. v. § 921 BGB handelt. Die Vorschriften der §§ 921 ff. BGB sind nicht anwendbar, wenn die Rechte an einer Grenzeinrichtung dinglich geregelt sind, das gilt insbesondere hinsichtlich der Benutzungsrechte und der Unterhaltungslast.
Verlegung der Ausübungsstelle
Nach § 1023 BGB kann der Eigentümer dann, wenn sich die jeweilige Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks beschränkt, die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist. Voraussetzung für den Verlegungsanspruch ist also, dass das ganze Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit belastet und die Ausübung dieser Grunddienstbarkeit auf reale Grundstücksteile beschränkt ist.
Verlegungsanspruch des Berechtigten
Ob auch dem Dienstbarkeitsberechtigten in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch auf Verlegung der Ausübung der Dienstbarkeit auf eine andere Stelle des belasteten Grundstücks zustehen kann, ist umstritten. Hier hat der BGH für mehr Klarheit gesorgt: Eine entsprechende Anwendung von § 1023 BGB auf den Dienstbarkeitsberechtigten scheidet aus, wenn die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht worden ist. Bei Begründung der Dienstbarkeit steht es grundsätzlich im Belieben der Beteiligten, ob sie die Bestimmung des Ausübungsorts der tatsächlichen Ausübung überlassen oder rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarke...