1 Leitsatz
Begrünt ist eine nicht überbaute Grundstücksfläche, wenn ihr Charakter sich als eine durch Bewuchs geprägte nichtbauliche Nutzung darstellt. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn sich eine substanzielle Fläche, etwa der überwiegende Teil eines Vorgartens, als sogenannter Schottergarten darstellt.
2 Normenkette
§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW
3 Das Problem
Die Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks von 1.258 qm in Nordrhein-Westfalen hatte dieses mit einem Schottergarten umgeben. Der zuständige Kreis erließ gegen diese Gestaltung eine baurechtliche Verfügung. In dieser forderte er sie zum Abtragen des Schotters und zur vollständigen Begrünung der geschotterten Fläche auf.
Hiermit war die Eigentümerin nicht einverstanden und klagte gegen die Verfügung. Sie argumentierte damit, dass sie die nicht bebaute Fläche mit 9 Pflanzenringen versehen habe und angesichts dessen die Fläche ausreichend begrünt sei.
4 Die Entscheidung
Das Verwaltungsgericht (VG) wies die Klage ab.
Das Gericht begründete das damit, dass die Bauaufsichtsbehörde die Ordnungsverfügung aufgrund von § 82 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW erlassen durfte. Hiernach darf sie die Beseitigung des Schottergartens anordnen, weil die Eigentümerin die Vorgaben des § 8 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW nicht eingehalten habe.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW setzt voraus, dass die nicht überbauten Grundstücksteile eines bebauten Grundstücks begrünt oder bepflanzt sind. Darüber hinaus müssen die geschotterten Flächen auch Wasser aufnehmen können. Vorliegend fehle es bereits daran, dass die nicht überbauten Grundstücksflächen i. S. v. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW nicht hinreichend begrünt oder bepflanzt sind.
Kleinbepflanzung mit Pflanzenringen genügt nicht
Die vorgenommene Bepflanzung mit 9 Pflanzenringen reiche nicht aus. Bei einer Inaugenscheinnahme stellten die Richter fest, dass die nicht überbaute Fläche des Grundstücks fast ausschließlich aus Steinausschüttungen bestehe. Demgegenüber war die vorgenommene punktuelle Bepflanzung mit Pflanzenringen nach Einschätzung der Richter kaum wahrnehmbar. Hierdurch werden keine ökologischen Verbesserungen etwa der Qualität des Bodens und des Wasserhaushalts erreicht, was dem Gesetzgeber aber sehr wichtig war.
Begrünung in ferner Zukunft reicht nicht
In diesem Zusammenhang genüge es auch nicht, dass sich Kleinstanpflanzungen später einmal zu einer hinreichenden Begrünung entwickeln können. Vielmehr ist der jetzige Zustand des Grundstücks maßgeblich. Das ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber ökologische Verbesserungen erreichen wolle.
5 Entscheidung
VG Minden Urteil v. 27.7.2023, 1 K 6952/21
6 Einordnung dieser Entscheidung
Wer einen Schottergarten auf dem nicht überbauten Teil seines bebauten Grundstücks errichtet hat, muss mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Das ergibt sich daraus, dass inzwischen die Landesbauordnungen nahezu aller Bundesländer eine Pflicht zur Begrünung regeln (z. B. § 8 Abs. 1 LBO Baden-Württemberg, Art. 7 Abs. 1 BayBO, § 8 Abs. 1 BauO Bln, § 9 Abs. 1 HBauO, § 9 Abs. 2 NBauO, § 8 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW) und Schottergärten folglich illegal sind. Darüber hinaus schreiben die meisten Landesbauordnungen vor, dass die Flächen wasserdurchlässig sein müssen. Einige sehen ein Verbot von Schottergärten ausdrücklich vor (etwa § 8 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW; § 21a Satz 1 NatSchG BW). Allerdings können Bebauungspläne und Gemeindesatzungen Ausnahmen vorsehen.
Dass die Pflicht zur Begrünung nicht einfach umgangen werden kann, ergibt sich zudem aus einer Entscheidung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss v. 17.1.2023, 1 LA 20/22). Die Eigentümer eines Einfamilienhauses in Niedersachsen hatten 2 Beete von insgesamt 50 qm errichtet, die mit Kies bedeckt waren. Nachdem die Gemeinde davon erfahren hatte, ordnete sie die Entfernung des Kieses aus den Beeten an und gab den Eigentümern auf, die Beete als Grünfläche i. S. v. § 9 Abs. 2 NBauO herzustellen. Nachdem die Eigentümer gegen diesen Bescheid erfolglos Widerspruch eingelegt hatten, klagten sie und hatten damit beim erstbefassten VG Minden (Urteil v. 27.7.2023, 1 K 6952/21) keinen Erfolg. Dagegen legten sie Rechtsmittel beim niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ein.
Das OVG lehnte bereits die Zulassung der Berufung mangels Erfolgsaussichten ab (Beschluss v. 17.1.2023, 1 LA 20/22). Die Richter begründeten das damit, dass Kiesflächen keine Grünflächen im Sinne dieser Vorschrift darstellten. Eine hinreichende Begrünung ergebe sich nicht daraus, dass diese mit 25 Pflanzen versehen sei. Darüber hinaus könnten sich die Eigentümer nach Ansicht der Richter auch nicht darauf berufen, dass die Behörde seit 15 Jahren untätig geblieben sei. Hieraus ergebe sich keine Verwirkung. Denn diese gebe es nicht, wenn es um öffentliche Interessen gehe. Anders sei dies nur, wenn es um die Durchsetzung von Ansprüchen im Nachbarrecht gehe.
Pflicht zur Begrünung bereits vor Errichtung des Schottergartens
Schließlich können sich die Eigentümer nach Auffassung des Gerichtes auch nicht darauf berufen, dass die Regelung erst nach Errichtung der Vorgärten 2011 in Kraft get...