3.1 Grundsätze

Das WEMoG hat den Wohnungseigentümern in § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG die Möglichkeit eingeräumt, die Teilnahme an Wohnungseigentümerversammlungen auch im Wege der elektronischen Form zu beschließen. Sie haben also die Beschlusskompetenz, dass Wohnungseigentümer an Wohnungseigentümerversammlungen auch ohne ihre Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Die konkrete Ausgestaltung der elektronischen Kommunikation im Einzelnen und welche technischen und organisatorischen Rahmenbedingen insoweit einzuhalten sind, obliegt den Wohnungseigentümern.

Auch wenn zwar Eigentümerversammlungen derzeit noch als Präsenzversammlungen durchzuführen sind – siehe zur rein virtuellen Versammlung Kap. 4 –, ist dies im Ergebnis allerdings für die wohnungseigentumsrechtliche Praxis weitgehend bedeutungslos. Denn grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass es zur Durchführung einer Wohnungseigentümerversammlung und der Fassung von Beschlüssen auch nach alter Rechtslage nicht erforderlich war, dass Wohnungseigentümer an der Wohnungseigentümerversammlung überhaupt teilnehmen. Vielmehr konnten sämtliche Wohnungseigentümer dem Verwalter Stimmrechtsvollmachten erteilen, von denen er dann in der "Ein-Mann-Präsenzversammlung" Gebrauch machte. Da die nunmehr geltende gesetzliche Regelung keine Beschränkung bezüglich der Anzahl elektronisch teilnehmender Wohnungseigentümer vorsieht und somit theoretisch auch alle Wohnungseigentümer zugeschaltet sein können, kommt die Regelung im Ergebnis einer "virtuellen Wohnungseigentümerversammlung" äußerst nahe.

3.2 Ausgestaltung

Mit Blick auf die elektronische Teilnahme der Wohnungseigentümer an der Eigentümerversammlung, ist zu berücksichtigen, dass die auf elektronischem Weg teilnehmenden Wohnungseigentümer "sämtliche oder einzelne Rechte" ausüben können. Die typischen und unentziehbaren Rechte der Wohnungseigentümer neben dem Teilnahmerecht stellen

  • das Rederecht,
  • das Fragerecht und
  • – bis auf die eng umgrenzten Fälle des § 25 Abs. 4 WEG – das Stimmrecht

dar.

Inwieweit diese an sich unentziehbaren Rechte durch Beschluss auf Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG den elektronisch teilnehmenden Wohnungseigentümern entzogen werden können, ist weder dem Gesetzestext noch seiner Begründung zu entnehmen. Allerdings wird man hier den Wohnungseigentümern eine weite "Satzungsautonomie" zusprechen müssen. Denn das Gesetz statuiert kein Recht zur Teilnahme an Wohnungseigentümerversammlungen in elektronischer Form. Es ermächtigt lediglich die Wohnungseigentümer, Entsprechendes durch Beschluss zu ermöglichen.

Die Ausgestaltung der einzelnen Rechte der auf elektronischem Weg teilnehmenden Wohnungseigentümer dürfte daher auch unter Einschränkung bestimmter Rechte, wie etwa des Fragerechts, durchaus zulässig sein. Für die auf elektronischem Weg teilnehmenden Wohnungseigentümer sollte aber die Möglichkeit einer Interaktion zwischen persönlich anwesenden Wohnungseigentümern und Versammlungsleiter bestehen und es sollte in technischer Hinsicht die Möglichkeit gegeben werden, sich durch eigene Wortbeiträge an der Versammlung beteiligen zu können.

Grundsätzlich sollte zwar jedem an einer Wohnungseigentümerversammlung in elektronischer Form teilnehmenden Wohnungseigentümer

  • der Zugang zur Eigentümerversammlung eröffnet bleiben,
  • sein Rederecht ermöglicht werden,
  • die Möglichkeit eingeräumt sein, Fragen zu stellen und
  • die Abstimmung über Beschlussanträge ermöglicht werden.

Allerdings obliegt dies der Ausgestaltung des konkreten Beschlusses durch die Wohnungseigentümer. Auch wenn auf Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG lediglich die Ausübung "einzelner" Rechte eingeräumt werden kann, können dem auf elektronischem Weg teilnehmenden Wohnungseigentümer jedenfalls nicht sämtliche seiner Rechte genommen werden. Ob es zulässig ist, dem in elektronischer Form teilnehmenden Wohnungseigentümer zwar die Möglichkeit einzuräumen, die Versammlung mitverfolgen zu können, ihm aber kein Stimmrecht einzuräumen, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Zwar bleibt es dem Wohnungseigentümer in solchen Fällen unbenommen, einem physisch teilnehmenden Wohnungseigentümer eine Stimmrechtsvollmacht und im Wege der Fernkommunikation Weisungen bezüglich der Stimmabgabe zu erteilen. Allerdings kann man insoweit auch mit einem Verstoß gegen § 19 Abs. 1 WEG argumentieren, wonach die Wohnungseigentümer über die Verwaltung und Benutzung des Gemeinschaftseigentums durch Beschluss entscheiden können müssen und die Wohnungseigentümer nicht gezwungen werden können, hiermit einen anderen Wohnungseigentümer zu bevollmächtigen. Zumindest aus diesseitiger Sicht besteht kein Anlass, den elektronisch teilnehmenden Wohnungseigentümern ihr Stimmrecht zu nehmen, wenn sich die Stimmabgabe aufgrund des verwendeten Übermittlungswegs bzw. der zum Einsatz kommenden Konferenzsoftware eindeutig ermitteln lässt.

Für den Versammlungsleiter muss während der gesamten Dauer der Wohnungseigentümerversamm...

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