1 Leitsatz

Jedenfalls dann, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den ausgeschiedenen Wohnungseigentümer zur Zahlung nicht mehr geschuldeter Vorschüsse bzw. Nachschüsse zur Kostentragung aufgefordert hat, ist er aufgrund nachwirkender Treuepflichten gehalten, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Eigentümerwechsel anzuzeigen.

2 Normenkette

§ 1 WEG

3 Das Problem

X, seit Januar 2016 die Eigentümerin der Wohnungseigentumsrechte 1 und 2, überträgt diese auf ihren Ehemann Y. Der Eigentumswechsel wird am 3.8.2021 in das Grundbuch eingetragen. Ab September 2021 werden weder von X noch von Y Vorschüsse gezahlt. Für das Wohnungseigentumsrecht 1 beträgt der Rückstand 2.588,52 EUR, für das Wohnungseigentumsrecht 2 beträgt der Rückstand 1.513,20 EUR. Mahnungen der Verwaltung im Januar 2022 bleiben fruchtlos. Die Verwaltung beauftragt Rechtsanwalt Z, die Vorschüsse gegen X einzufordern (von dem Eigentumswechsel weiß sie nach ihren Angaben nichts). Ende Januar 2022 schreibt Z erfolglos die X an, die Vorschüsse zu zahlen. Jetzt holt Z Grundbuchauszüge ein und stellt fest, dass Y der Wohnungseigentümer ist. Z teilt daher X mit, diese müsse die Vorschüsse nicht zahlen. Sie müsse aber seine Kosten von 587,50 EUR nebst Zinsen erstatten. Dazu ist X nicht bereit. Daher verklagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die X. X wendet ein, die Verwaltung im August 2021 über den Eigentumswechsel informiert zu haben. Im Übrigen meint sie, der neue Eigentümer, also Y, sei verpflichtet gewesen, den Eigentumswechsel anzuzeigen.

4 Die Entscheidung

Dies sieht das AG nicht so! X sei verpflichtet 587,50 EUR nebst Zinsen zu zahlen. X sei aufgrund der sich aus dem wohnungseigentümerrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebenden Treuepflichten verpflichtet gewesen, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer über ihr Ausscheiden aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu informieren. Die Treuepflicht dauere zwar grundsätzlich nur bis zum Ausscheiden des Wohnungseigentümers aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Allerdings kämen auch nachwirkende Treuepflichten in Betracht. Wann diese eingriffen, sei eine Frage des Einzelfalls. Im Fall bestünden Treuepflichten, da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die X im Januar zur Zahlung der rückständigen Hausgelder aufgefordert habe. X habe gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hinsichtlich des Eigentumswechsels einen Wissensvorsprung gehabt und aufgrund der Geltendmachung der Rückstände gewusst, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nichts vom Eigentumswechsel gewusst habe. Unter diesen Umständen sei es X ohne Weiteres zuzumuten gewesen, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer über den Eigentumswechsel zu informieren. Dieser Verpflichtung stehe auch nicht die Pflicht des Y, seinen Eigentumserwerb anzuzeigen, entgegen. X habe aufgrund der Anforderung zur Zahlung erkennen können, dass Y seiner Verpflichtung nicht nachgekommen sei.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, wer die Tätigkeit eines Rechtsanwalts bezahlen muss, wenn fälliges Hausgeld nicht gezahlt wird. Dies ist der Hausgeldschuldner. Im Fall war das der Ehemann Y. Er hätte den Rechtsanwalt Z bezahlen müssen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt aber von der Ex-Eigentümerin Zahlung. Als Anspruchsgrundlage kommt das die Wohnungseigentümer verbindende Gemeinschaftsverhältnis in den Blick. Dieses kann auch nachwirkende Schutzpflichten begründen. Jedenfalls dann, wenn, wie im Fall, ein Ex-Wohnungseigentümer erkennt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht weiß, wer jetzt Wohnungseigentümer ist, liegt es nicht fern, eine solche Schutzpflicht zu bejahen. Wird diese verletzt, kann es sein, dass ein Ex-Wohnungseigentümer nach §§ 241 Abs. 1, 280 BGB Schadensersatz schuldet. So dürfte es aber nicht sein, wenn eine Verwaltung für die außergerichtliche Beitreibung von Hausgeld (Vor- und Nachschüsse) Dritte einschaltet. Die Verwaltungen können zwar nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG einen Rechtsanwalt zur außergerichtlichen Beitreibung einschalten. Die Beitreibung dürfte aber nach § 27 Abs. 1 WEG ihre eigene Aufgabe sein.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Es besteht keine Beschlusskompetenz, die Wohnungseigentümer zu verpflichten, der Verwaltung einen Eigentumswechsel anzuzeigen. Die Verwaltungen sollten die Wohnungseigentümer aber regelmäßig bitten, sie zeitnah von einem Eigentumswechsel zu informieren: Im Interesse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, der Verwaltung und der Wohnungseigentümer selbst.

6 Entscheidung

AG Wiesbaden, Urteil v. 6.2.2023, 91 C 1245/22 (78)

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