1 Leitsatz
Wegen der "Primärzuständigkeit" der Wohnungseigentümer muss der Verwalter auch in eilbedürftigen Fällen möglichst einen Beschluss herbeiführen, ggf. auch unter Verkürzung der Ladungsfrist. Entscheidend ist stets, ob die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gefährdet wäre, wenn nicht sofort gehandelt werden würde.
2 Normenkette
§ 280 Abs. 1 BGB; §§ 26, 27 WEG
3 Das Problem
Ex-Wohnungseigentümer K klagt gegen Verwalter B wegen eines Mangels des gemeinschaftlichen Eigentums auf Schadensersatz. Weil dieses nicht repariert worden war, hatte K im Bereich des Sondereigentums einen Schaden zu beklagen.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! B habe seine Pflichten nicht verletzt. B sei zwar im Rahmen einer Kontrollpflicht verpflichtet gewesen, festzustellen, ob das gemeinschaftliche Eigentum mangelhaft ist. Ferner sei B verpflichtet gewesen, für mangelhaftes gemeinschaftliches Eigentum Entscheidungen der Wohnungseigentümer über die erforderlichen Maßnahmen vorzubereiten, herbeizuführen und etwaige Erhaltungsbeschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen. B sei aber nicht verpflichtet gewesen, eigenständig die Ursachen eines Mangels des gemeinschaftlichen Eigentums zu beseitigen. Denn über das Ob und Wie einer Erhaltung müssten stets die Wohnungseigentümer beschließen. Im Fall des § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG a. F. sei es zwar anders. Ein solcher Fall sei aber offensichtlich nicht gegeben gewesen. Dringend i. S. d. Norm seien nur diejenigen Fälle, die wegen ihrer objektiven Eilbedürftigkeit eine vorherige, ggf. i. S. v. § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG dringende Einberufung einer Versammlung und die Befassung der Wohnungseigentümer mit "ob" und "wie" einer Erhaltungsmaßnahme nicht mehr zulassen würden. Wegen der Primärzuständigkeit der Wohnungseigentümer müsse der Verwalter aber auch in eilbedürftigen Fällen möglichst einen Beschluss herbeiführen, ggf. auch unter Verkürzung der Ladungsfrist (Hinweis u. a. auf Hügel/Elzer, 2. Aufl., WEG § 27 Rn. 32).
5 Hinweis
- Es handelt sich erkennbar um einen Fall zum alten Recht. Er bietet sich aber sehr gut an, auch über das aktuelle Recht nachzudenken und sich an dieser Stelle als Verwaltung über die Grundlagen zu versichern. Die eine Frage ist, welche Rechte und Pflichten die Verwaltung für die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hat. Hier gibt es wenigstens ein "3-Stufen-Modell", welches die Wohnungseigentümer zum "4-Stufen-Modell" erweitern können.
Das "3-Stufen-Modell" ist das Zusammenspiel zwischen § 19 Abs. 1 WEG und § 27 Abs. 1 WEG:
- 1. Stufe (§ 19 Abs. 1 WEG). Im Grundsatz haben die Wohnungseigentümer auch im aktuellen Recht selbst die Aufgabe, nach § 19 Abs. 1 WEG zu entscheiden, ob und wenn ja auf welche Art und Weise das gemeinschaftliche Eigentum erhalten wird.
- 2. Stufe (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Dies gilt aber nicht, sofern eine Erhaltungsmaßnahme i. S. v. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG eine bloß untergeordnete Bedeutung hat und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führt. Denn in diesem Fall ist die Verwaltung ihrerseits verpflichtet, selbst und ohne einen Beschluss der Wohnungseigentümer Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu treffen. In Bezug auf welche Erhaltungsmaßnahmen dies der Fall ist, kann sich von Wohnungseigentumsanlage zu Wohnungseigentumsanlage unterscheiden. In der Regel dürfte allerdings in allen Wohnungseigentumsanlagen die Reparatur kaputter Fensterscheiben, die Entfernung eines Graffito, der Austausch eines defekten Leuchtkörpers gegen einen neuen, der Austausch einer abgestorbenen Pflanze gegen eine neue, die Reparatur der Außen- und Innenbeleuchtung oder eines Handlaufs eine Maßnahme sein, die untergeordnet ist. Es ist in diesen Fällen auch an der Verwaltung, durchgeführte Werkleistungen technisch und rechtlich abzunehmen. Ferner ist die Verwaltung grundsätzlich als berechtigt anzusehen, im Vorfeld einer Erhaltungsmaßnahme mit Dritten Verträge über die Abgabe von Angeboten zu schließen, soweit diese nur bereit sind, gegen ein Entgelt ein Angebot abzugeben. Nicht mehr als "klein" anzusehen sein dürften etwa umfassende Reparaturen der Fassade, des Dachs, der Heizungsanlage oder eines Wegebelags.
- 3. Stufe (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG). Selbst dann, wenn eine Erhaltungsmaßnahme nicht von bloß untergeordneter Bedeutung ist oder zu erheblichen Verpflichtungen führt, kann und muss die Verwaltung handeln, wenn die Maßnahme zur Abwendung eines Nachteils des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Dies sind solche Maßnahmen, die man früher als "dringend" i. S. v. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG a. F. angesehen hat. Die Hinweise der Kammer im vorstehenden Fall haben insoweit nichts an Bedeutung verloren. Sie gelten 1:1 für § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG.
Im "4-Stufen-Modell" hat die Verwaltung neben den ersten 3 Stufen eine Entscheidung der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 2 WEG (Beschluss) oder nach der Gemeinschaftsordnung (Vereinbarung) zu beachten, mit der ihr teilweise auch nicht dringende Erhaltungsmaßnahmen übertragen worden sind, die aber nicht von bloß untergeordneter Bedeutung sind oder zu erheblichen ...