Eigentümer können Entscheidungen an Verwalter delegieren
Hintergrund: Eigentümer delegieren Fensteraustausch
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft wurde über längere Zeit die Erneuerung der Fenster diskutiert. Nachdem ein Sachverständiger einen Sanierungsplan mit Priorisierung nach Dringlichkeit erstellt hatte, holte die Verwalterin Anfang des Jahres 2022 mehrere Angebote ein.
In der Folgezeit zogen alle Unternehmen bis auf eines ihre Angebote zurück. Der verbliebene Anbieter, der den Austausch für 4.500 bis 5.000 Euro pro Wohnung angeboten hatte, teilte schließlich mit, im Jahr 2022 keinen Austausch durchführen und auch keine Bestellungen annehmen zu können.
Daraufhin fassten die Wohnungseigentümer im Juni 2022 folgenden Beschluss:
"Die Verwaltung wird ermächtigt, die Erneuerung der Fensteranlagen nach folgenden Maßgaben zu beauftragen:
Es soll ein Austausch nach Dringlichkeit erfolgen. Vorab sollen nochmal drei Angebote eingeholt werden.
Der Umfang des jährlichen Budgets für 2022 soll bei 35.000,00 Euro brutto liegen. Die Fenster sollen der Optik der bisherigen Fensteranlagen entsprechen. …"
Mehrere Wohnungseigentümer haben gegen den Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Sie meinen, die Eigentümer könnten die Entscheidung über die Auftragsvergabe nicht auf die Verwaltung delegieren.
Entscheidung: Eigentümer müssen nicht alles selbst entscheiden
Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Die Wohnungseigentümer haben die Kompetenz, die in dem angefochtenen Beschluss genannten Entscheidungsbefugnisse auf den Verwalter zu übertragen.
WEG-Reform erweitert Entscheidungsspielraum
Gemäß der vor der WEG-Reform geltenden Rechtslage konnten die Wohnungseigentümer nur in engen Grenzen Entscheidungskompetenzen, die über die gesetzlichen Befugnisse des Verwalters hinausgehen, auf diesen übertragen. So konnten sie den Verwalter ermächtigen, über Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu entscheiden, wenn die Kompetenzverlagerung für den einzelnen Wohnungseigentümer zu einem nur begrenzten und überschaubaren finanziellen Risiko führt.
Seit der WEG-Reform, die zum 1.12.2020 in Kraft getreten ist, haben die Wohnungseigentümer die Kompetenz, Entscheidungen über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf den Verwalter zu delegieren. Hierdurch soll die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft gestärkt werden.
Diese Kompetenz ergibt sich aus § 27 Abs. 2 WEG. Danach können die Wohnungseigentümer die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Verwalters für das Innenverhältnis nach § 27 Abs. 1 WEG einschränken oder erweitern. Sie können dadurch diejenigen Maßnahmen selbst definieren, deren Erledigung sie in die Verantwortung des Verwalters legen wollen.
Soweit die Wohnungseigentümer nach § 19 Abs. 1 WEG in Angelegenheiten der ordnungsmäßigen Verwaltung durch Beschluss entscheiden dürfen, können sie ihre Entscheidungskompetenz durch Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG auf den Verwalter übertragen. Sie können daher unter anderem Entscheidungen über Erhaltungsmaßnahmen an den Verwalter abgeben.
Gemessen daran hält sich der Beschluss, durch den der Verwalter ermächtigt wird, den bereits beschlossenen Austausch der Fenster in Auftrag zu geben, im Rahmen der den Wohnungseigentümern nach § 27 Abs. 2 WEG eingeräumten Beschlusskompetenz. Die zu erneuernden Fenster stehen gemäß § 5 Abs. 2 WEG zwingend im Gemeinschaftseigentum. Die Maßnahme dient daher der Erhaltung gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG.
Delegation muss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen
Ein Beschluss, mit dem Entscheidungskompetenzen auf den Verwalter delegiert werden, muss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Dies ist hier der Fall.
Bei der Entscheidung, welche Aufgaben sie auf den Verwalter übertragen, haben die Wohnungseigentümer einen weiten Ermessensspielraum. Sie können dem Verwalter auch die Kompetenz übertragen, Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die übergeordnete Bedeutung haben oder zu erheblichen Verpflichtungen der Gemeinschaft führen. Zudem dürfen sie Aufgaben auch dann delegieren, wenn diese nicht eilig oder nicht zur Abwendung von Nachteilen erforderlich sind.
Im Hinblick auf eine Erhaltungsmaßnahme wird eine Delegation regelmäßig dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn die Wohnungseigentümer selbst die grundlegende Entscheidung über deren Vornahme getroffen haben und der Verwalter nur über die Ausführung im Einzelnen entscheiden soll.
Hiergegen lässt sich nicht einwenden, das wirtschaftliche Risiko für die Wohnungseigentümer werde dann unübersehbar. Denn die Erteilung von Aufträgen zur Instandsetzung oder Sanierung entspricht ohnehin nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Finanzierung gesichert ist. Für einen weiten Ermessensspielraum der Eigentümer bei der Delegation von Aufgaben sprechen auch praktische Bedürfnisse, weil der Aufwand für die Durchführung einer Eigentümerversammlung vermieden und eine effiziente Verwaltung ermöglicht wird.
Im vorliegenden Fall haben die Eigentümer die grundlegende Entscheidung, die Fenster nach Dringlichkeit austauschen zu lassen, selbst getroffen und dem Verwalter ein Budget für das Jahr 2022 vorgegeben. Damit haben sie über wesentliche Punkte selbst entschieden. Die Durchführung im Einzelnen durften sie dem Verwalter überlassen.
(BGH, Urteil v. 5.7.2024, V ZR 241/23)
§ 27 WEG Aufgaben und Befugnisse des Verwalters
(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die
- untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder
- zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind.
(2) Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten nach Absatz 1 durch Beschluss einschränken oder erweitern.
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