Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste. Ausschlussgründe. Schwere berufliche Verfehlung. Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Richtlinie 2004/18/EG Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d

 

Beteiligte

Consorzio Nazionale Servizi

Consorzio Nazionale Servizi Società Cooperativa (CNS)

Gruppo Torinese Trasporti GTT SpA

 

Tenor

Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens in einer Auslegung entgegensteht, nach der vom Anwendungsbereich einer von einem Wirtschaftsteilnehmer „im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit” begangenen „schweren Verfehlung” einen Verstoß gegen Wettbewerbsregeln begründende Verhaltensweisen, die von der nationalen Kartellbehörde mit einer gerichtlich bestätigten Entscheidung festgestellt und geahndet worden sind, ausgeschlossen sind und es den öffentlichen Auftraggebern verwehrt ist, einen derartigen Verstoß im Hinblick auf einen etwaigen Ausschluss dieses Wirtschaftsteilnehmers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags eigenständig zu bewerten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte (Regionales Verwaltungsgericht Piemont, Italien) mit Entscheidung vom 7. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juni 2018, in dem Verfahren

Consorzio Nazionale Servizi Società Cooperativa (CNS)

gegen

Gruppo Torinese Trasporti GTT SpA,

Beteiligte:

Consorzio Stabile Gestione Integrata Servizi Aziendali GISA,

La Lucente SpA,

Dussmann Service Srl,

So.Co.Fat. SC,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Consorzio Nazionale Servizi Società Cooperativa (CNS), vertreten durch F. Cintioli, G. Notarnicola, E. Perrettini und A. Police, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, P. Ondrůšek und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 53 Abs. 3 und Art. 54 Abs. 4 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) sowie Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Consorzio Nazionale Servizi Società Cooperativa (CNS) und der Gruppo Torinese Trasporti GTT SpA (im Folgenden: GTT), der sich insbesondere auf die Aufhebung der Entscheidung von GTT richtet, den CNS erteilten Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag zu widerrufen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2004/17

Rz. 3

Nach Art. 53 „Prüfungssysteme”) Abs. 3 der Richtlinie 2004/17 und Art. 54 „Eignungskriterien”) Abs. 4 dieser Richtlinie können zum einen die Prüfkriterien und -regeln und zum anderen die Eignungskriterien „auch die in Artikel 45 der Richtlinie [2004/18] aufgeführten Ausschlusskriterien gemäß den darin genannten Bedingungen beinhalten”.

Richtlinie 2004/18

Rz. 4

Art. 45 „Persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters”) der Richtlinie 2004/18 findet sich in einem Abschnitt über „Eignungskriterien” und bestimmt:

„…

(2) Von der Teilnahme am Vergabeverfahren kann jeder Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen werden,

d) die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen haben, die vom öffentlichen Auftraggeber nachweislich festgestellt wurde;

Die Mitgliedstaaten legen nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unter Beachtung des [Unions]rechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Absatzes fest.

…”

Italienisches Recht

Rz. 5

Mit dem Decreto legislativo n. 163 – Codice dei contratti pubblici relativi a lavori, servizi e forniture in attuazione delle direttive 2004/17/CE e 2004/18/CE (Gesetzesvertretendes...

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