Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Aufträge, die den in der Richtlinie 2004/18/EG vorgesehenen Schwellenwert nicht erreichen. Anwendbarkeit. Eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse. Gründe für den Ausschluss von einem Vergabeverfahren. Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers, der einen Verstoß gegen das nationale Wettbewerbsrecht begangen hat, der durch ein vor weniger als fünf Jahren ergangenes Urteil festgestellt wurde. Zulässigkeit. Verhältnismäßigkeit

 

Normenkette

AEUV Art. 49, 56

 

Beteiligte

Generali-Providencia Biztosító

Generali-Providencia Biztosító Zrt

Közbeszerzési Hatóság Közbeszerzési Döntőbizottság

 

Tenor

Die Art. 49 AEUV und 56 AEUV stehen der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, durch die ein Wirtschaftsteilnehmer, der einen durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil festgestellten Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht begangen hat, für den er mit einer Geldbuße belegt wurde, von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausgeschlossen wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 23. August 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 2. September 2013, in dem Verfahren

Generali-Providencia Biztosító Zrt

gegen

Közbeszerzési Hatóság Közbeszerzési Döntőbizottság

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Vajda (Berichterstatter), sowie der Richter E. Juhász und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Generali-Providencia Biztosító Zrt, vertreten durch G. Fejes und P. Tasi, ügyvédek,
  • der Közbeszerzési Hatóság Közbeszerzési Döntőbizottság, vertreten durch P. Csanádi, ügyvéd,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár und A. Sipos als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18 AEUV, 34 AEUV, 49 AEUV und 56 AEUV sowie des Art. 45 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c und d der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1177/2009 der Kommission vom 30. November 2009 (ABl. L 314, S. 64) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2004/18).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Generali-Providencia Biztosító Zrt (im Folgenden: Generali) und der Közbeszerzési Hatóság Közbeszerzési Döntőbizottság (Schiedskommission des Amtes für das öffentliche Auftragswesen) wegen der Zurückweisung des Rechtsbehelfs, den diese Gesellschaft bei der Schiedskommission gegen die Entscheidung, sie wegen eines zuvor begangenen Verstoßes gegen das nationale Wettbewerbsrecht von einem Vergabeverfahren auszuschließen, eingelegt hatte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 heißt es:

„Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz …”

Rz. 4

Art. 7 Buchst. b dieser Richtlinie sieht u. a. bei öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, die von anderen als den in Anhang IV genannten öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, einen Schwellenwert von 193 000 Euro für die Anwendung der Richtlinie vor.

Rz. 5

Art. 45 („Persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters”) Abs. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Von der Teilnahme am Vergabeverfahren kann jeder Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen werden,

c) [der] aufgrund eines nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Landes rechtskräftigen Urteils wegen eines Deliktes bestraft worden [ist], das [seine] berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellt;

d) [der] im Rahmen [seiner] beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen [hat], die vom öffentlichen Auftraggeber nachweislich festgestellt wurde;

Die Mitgliedstaaten legen nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften ...

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