Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren. Recht auf Unterrichtung über den Tatvorwurf. Anwendungsbereich. Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz. Beschwerde wegen der überlangen Dauer des Strafverfahrens. Nationale Regelung, die die Einlegung einer solchen Beschwerde nur Personen erlaubt, die die Eigenschaft eines Verdächtigen oder eines Beschuldigten besitzen. Offensichtliche Unzuständigkeit

 

Normenkette

AEUV Art. 82, 267; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47; Richtlinie 2012/13/EU Art. 6 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 53 Abs. 2

 

Beteiligte

Delgaz Grid

Delgaz Grid SA

 

Tenor

Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Beantwortung der von der Judecătoria Târgu-Mureş (Gericht erster Instanz Târgu-Mureş, Rumänien) mit Entscheidung vom 28. Januar 2022 vorgelegten Frage offensichtlich unzuständig.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Judecătoria Târgu-Mureş (Gericht erster Instanz Târgu-Mureş, Rumänien) mit Entscheidung vom 28. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Februar 2022, in dem Verfahren

Delgaz Grid SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin, des Präsidenten der Vierten Kammer C. Lycourgos (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Neunten Kammer und des Richters J.-C. Bonichot,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (ABl. 2012, L 142, S. 1), von Art. 82 AEUV und von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines von der Delgaz Grid SA eingeleiteten Verfahrens aufgrund der Dauer des vom Parchetul de pe lângă Judecătoria Alba Iulia (Staatsanwaltschaft beim Gericht erster Instanz Alba Iulia, Rumänien) (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung sowie des Gebrauchs falscher Urkunden, die zu einer Erhöhung der von den Endverbrauchern gezahlten Gasrechnungen geführt haben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 („Gegenstand”) der Richtlinie 2012/13 sieht vor:

„Mit dieser Richtlinie werden Bestimmungen über das Recht von Verdächtigen oder von beschuldigten Personen auf Belehrung über Rechte in Strafverfahren und auf Unterrichtung über den gegen sie erhobenen Tatvorwurf festgelegt. Mit dieser Richtlinie werden auch Bestimmungen über das Recht von Personen, gegen die ein Europäischer Haftbefehl ergangen ist, auf Belehrung über ihre Rechte festgelegt.”

Rz. 4

Art. 2 („Anwendungsbereich”) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt ab dem Zeitpunkt, zu dem Personen von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats davon in Kenntnis gesetzt werden, dass sie der Begehung einer Straftat verdächtig oder beschuldigt sind, bis zum Abschluss des Verfahrens, worunter die endgültige Klärung der Frage zu verstehen ist, ob der Verdächtige oder die beschuldigte Person die Straftat begangen hat, gegebenenfalls einschließlich der Festlegung des Strafmaßes und der abschließenden Entscheidung in einem Rechtsmittelverfahren.”

Rz. 5

Art. 4 der Richtlinie betrifft die schriftliche Erklärung der Rechte bei Festnahme von Verdächtigen oder beschuldigten Personen, und Art. 5 der Richtlinie regelt diese Erklärung in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls.

Rz. 6

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verdächtige oder beschuldigte Personen über die strafbare Handlung unterrichtet werden, deren sie verdächtigt oder beschuldigt werden. Diese Unterrichtung erfolgt umgehend und so detailliert, dass ein faires Verfahren und eine wirksame Ausübung ihrer Verteidigungsrechte gewährleistet werden.”

Rumänisches Recht

Rz. 7

Art. 4881 („Einlegung der Beschwerde”) der Legea nr. 135/2010 privind Codul de procedură penală (Gesetz Nr. 135/2010 über die Strafprozessordnung) vom 1. Juli 2010 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 486 vom 15. Juli 2010) (im Folgenden: Strafprozessordnung) bestimmt:

„(1) Wird die Strafverfolgung oder das Strafverfahren nicht innerhalb einer angemessenen Frist abgeschlossen, so kann Beschwerde eingelegt werden, um die Beschleunigung des Verfahrens zu beantragen.

(2) Die Beschwerde kann vom Verdächtigen, vom Beschuldigten, vom Geschädigten, vom Zivilkläger und vom Zivilbeklagten eingelegt werden. Im gerichtlichen Verfahren kann die Beschwerde auch vom Staatsanwalt eingeleg...

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